Rathaus Schöneberg

Rathaus Schöneberg
Rathaus Schöneberg
Rathaus Schöneberg
Rathaus Schöneberg im Jahr 2006
Basisdaten
Bauzeit: 1911–1914
Eröffnung: 1914
Sanierung: 1978, 1987
Architekt: Peter Jürgensen und Jürgen Bachmann
Nutzung/Rechtliches
Nutzung: Rathaus des Bezirks Tempelhof-Schöneberg
Eigentümer: Senat von Berlin
Technische Daten
Höhe: 70 (Turm) m
Tiefe: 90 m
Etagen: 4 +1
Aufzüge: Paternoster
Nutzfläche: 1200 (mit Lichthöfen)
Baustoff: Sandstein

Das Rathaus Schöneberg ist das Rathaus des Berliner Bezirks Tempelhof-Schöneberg. Von 1949 bis 1993 tagte hier das Berliner Abgeordnetenhaus und von 1949 bis 1991 war es Sitz des Regierenden Bürgermeisters. Nach seiner Fertigstellung im Jahre 1914 war es bis 1920 das Rathaus der kreisfreien Stadt Schöneberg. Von 1920 bis zur Bezirksfusion 2001 beherbergte es die Verwaltung des damaligen Berliner Bezirks Schöneberg.

Während der Zeit der Berliner Teilung fanden hier bedeutende Ereignisse der Stadtgeschichte statt:

Der Sandsteinbau wird durch einen 70 Meter hohen Turm geprägt, auf dem die Berliner Fahne weht. Verschiedene Reliefs schmücken die einfach verputzte Fassade. Die Innenräume enthalten Holzverkleidungen und typische bürgerliche Auftragskunst des frühen 20. Jahrhunderts. Im Zweiten Weltkrieg durch mehrere Bomben getroffen, wurden Teile des Innenraums und der Turm nur vereinfacht wiederhergestellt. Trotzdem dienen einige Innenräume bis heute gern als Filmkulisse, wenn ein großbürgerliches Ambiente dargestellt werden soll.

Inhaltsverzeichnis

Ehemaliges Rathaus am Kaiser-Wilhelm-Platz

Das ehemalige Rathaus Schöneberg am Kaiser-Wilhelm-Platz um 1895

Die Gemeinde Schöneberg unter Bürgermeister Adolf Feurig ließ ihr erstes Rathaus 1874 an der Bahnstraße (seit 13. Juni 1893 Kaiser-Wilhelm-Platz) als Amtshaus mit angeschlossenem Gefängnis errichten. In den Jahren zuvor befand sich das Gemeindebüro in der Wohnung des Dorfschulzen. Das Baugrundstück, von einem Mitglied der Gemeindeversammlung abgekauft[1], lag neben der 1837 eingerichteten Dorfschule.

20 Jahre später, zwischen 1891 und 1892, wurde das Rathaus durch einen größeren Neubau ersetzt, für den ein Teil der Dorfschule abgerissen werden musste. Die Einwohnerzahl war seit der Fertigstellung des Amtshauses von 4.500 auf rund 29.000 gestiegen. Die neuen Baupläne stammten vom Baurat Friedrich Schulze. Der damals 480.000 Mark teure Bau zeigte laut der Gemeinde eine „stattliche Hauptfront in deutscher Renaissance“ mit zwei Giebeln als Risalite und in der Mitte einen Dachreiter mit Uhr. Das Dach war mit Schiefer gedeckt, Gesimse, Brüstungen, Bildhauerarbeiten etc. bestanden aus Cottaer Sandstein. Magistrats- und großer Sitzungssaal für die Stadtverordneten befanden sich im zweiten Stock, kleinere Säle für Ausschüsse, Kommissionen und Deputationen in der ersten Etage.[1]

Schöneberg wuchs in den folgenden Jahrzehnten rapide weiter, eine von den Einwohnern angestrebte Eingemeindung nach Berlin ließ sich nicht durchsetzen. Dafür erhielt die Gemeinde 1898 das Stadtrecht, die Einwohnerzahl lag in jenem Jahr schon über 70.000. Das benötigte Personal der Stadtverwaltung konnte bald nicht mehr im Rathaus untergebracht werden und Erweiterungsflächen am Kaiser-Wilhelm-Platz standen nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Deshalb kaufte die Stadt im Jahr 1900 das sogenannte „Rosenkessel'sche Grundstück“ am Mühlenberg als neuen Rathausstandort. Das alte Rathaus am Kaiser-Wilhelm-Platz wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Eine Gedenktafel an dem später dort errichteten Neubau erinnert bis heute an seinen ehemaligen Standort.

Geschichte

Neubau 1906–1914

Dem Bau des neuen Rathauses der Stadt Schöneberg ging eine mehrjährige Finanzierungs- und Planungsphase voraus. Die erste Planung, vom ersten Schöneberger Oberbürgermeister Rudolph Wilde in Auftrag gegeben, stammte von Stadtbaurat Paul Egeling. Die Entwürfe wurden aber von der Stadtverordnetenversammlung wegen der veranschlagten Baukosten von 4,2 Millionen Mark im Mai 1909 verworfen. Der vorgesehene Baubeginn im Jahr 1906 verschob sich jedoch, weil die auf dem Rosenkessel'schen Grundstück bestehenden Einrichtungen wie das Armenhaus, die Desinfektionsanstalt, die Stadtgärtnerei und das Depot der Straßenreinigung an andere Standorte zu verlegen waren. Ein Architektenwettbewerb wurde ausgeschrieben, mit dem es gelingen sollte, das Rathaus „zum Mittelpunkte einer besonderen städtebaulichen Entwicklung (Schönebergs) zu machen; […] es zum hervorragendsten Monumentalbau der Stadt werden zu lassen […]“[2] Zur Jury gehörten unter anderem der Architekt des Reichsgerichts in Leipzig, Ludwig Hoffmann, und der Reichstagsarchitekt Paul Wallot. Die teilnehmenden Architekten reichten insgesamt 84 Entwürfe ein. Die bisher auf protestantische Kirchen spezialisierten Architekten Peter Jürgensen und Jürgen Bachmann aus Charlottenburg konnten sich im Oktober 1910 durchsetzen.[3]

Das unmittelbar südlich neben dem Mühlenberg gelegene morastige Fenn, das sich als eiszeitliche Glaziale Rinne (Grunewaldseenkette) erstreckte, wurde parallel zur Planierung des Rathausgrundstücks trocken gelegt. Auf der Fläche entstand von 1908 bis 1911 der Stadtpark, der heutige Rudolph-Wilde-Park.

Briefmarke der Serie Berliner Bauten von 1949 mit der ursprünglichen Gestaltung des Turms

Die Grundsteinlegung des Rathauses erfolgte am 26. Mai 1911 unter Oberbürgermeister Alexander Dominicus. Als Tag der Grundsteinlegung wurde der 54. Geburtstag des verstorbenen Oberbürgermeisters Wilde zu dessen Ehren gewählt. Die Bauarbeiten schritten rasch voran und bereits nach einem Jahr war der Baukörper gut zu erkennen. Der Unterbau wurde in Sandstein ausgeführt, die Obergeschosse erhielten Putz und Sandsteinverkleidungen. Der zum Bau benötigte Sandstein wurde von den Steinbrüchen im niederschlesischen Wünschelburg geliefert. Der Bau verzögerte sich während der Ausführung, u. a. war der für den Turmbau notwendige Kran anfangs zu schwach konzipiert, auch ergaben sich während der Bauzeit durch kurzfristig beschlossene Ergänzungen (Deckengemälde im Magistratssaal, Fernsprechanlage, Turmfiguren, Heizung usw.) immense Mehrkosten gegenüber den ursprünglichen Kostenplanungen. Im April 1913 war eine Ergänzungsanleihe von 1,5 Mio. Mark nötig.

Die ersten Abteilungen konnten Anfang 1913 in das Gebäude einziehen. Am 25. März 1914 tagte die Stadtverordnetenversammlung erstmals (in der Ausstellungshalle) im Gebäude. Die offizielle Einweihung des Gebäudes wurde im Frühjahr 1914 auf Oktober 1914 in Aussicht gestellt, jedoch kam der Zeitplan durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges abermals in Verzug. Am 10. August 1914 fand erstmals eine Sitzung der Stadtverordneten im Sitzungssaal statt. In der Folgezeit wurden viele Räume der Kriegswirtschaft unterstellt, der Ratskeller diente ab 11. Mai 1917 als Volksküche.

1920 wurde Schöneberg, zusammen mit der bis dahin selbstständigen Gemeinde Friedenau im Rahmen des „Gesetzes über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin“ nach Groß-Berlin eingemeindet. Das Rathaus wurde Sitz des Bürgermeisters des neu entstandenen Bezirks Schöneberg.

Entmachtung des Rats, Zerstörung des Rathauses 1933–1945

Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zeigte sich auch sofort im Schöneberger Rathaus. Die neuen Herren „säuberten das Amt von marxistischen und unlauteren Elementen“, 21 Beamte und zehn Angestellte verloren ihre Stellung. Die Ratsabgeordneten Katz und Zobel (Staatspartei) sowie Wendt und Buth (SPD) wurden unmittelbar nach der Machtübernahme „beurlaubt“. Bis zum 31. März 1933 waren die fünf KPD-Abgeordneten, bis zum 7. April 1933 alle 13 SPD-Parlamentarier aus der Bezirksversammlung ausgeschlossen worden. Im Zuge der Zentralisierung wurde die Bezirksversammlung ganz aufgelöst, der Bezirksbürgermeister weitgehend entmachtet. Oswald Schulz, 1925 Mitgründer der SA in Friedenau und seit Juli 1933 Bezirksbürgermeister, ließ in der Brandenburghalle eine Adolf-Hitler-Büste aufstellen, eine Gedenktafel für SA-Männer, die im „Kampf um das Dritte Reich“ zu Tode gekommen waren, enthüllen und im Bürgersaal den Freskenzyklus Vom Anfang des Weltkrieges bis zur nationalen Erhebung von Franz Eichhorst anbringen. Darüber hinaus folgte er dem Gebot, Schöneberg „judenfrei“ zu machen. Eine große jüdische Gemeinschaft lebte damals im Bayerischen Viertel. Diese Politik führte letztlich dazu, dass 6.500 Juden in Konzentrationslagern starben.[4]

Mehrere Bombentreffer gingen in den späten Kriegsjahren auf das Rathaus nieder: 1943 traf es die Stadtkasse, 1944 den Seitenflügel an der Badenschen Straße, im Februar 1945 fiel eine Bombe auf den rückwärtigen Bautrakt. Diese Bombe zerstörte auch den Luftschutzkeller, wobei 150 bis 200 Personen starben. In den letzten Kriegstagen versuchte die NSDAP, das Rathaus zu einer Verteidigungsstellung auszubauen. Volkssturm, Hitlerjugend und einige Soldaten zogen ins Rathaus ein, in den umliegenden Straßen wurden Panzersperren errichtet. Während die Rote Armee das Gebäude von außen beschoss, verbrannten die Besetzer im Innern die Akten jüdischer Hausbesitzer, die Hitlerjugend hingegen plünderte den Weinkeller. Am 29. April 1945 übergab der Ratskellerpächter das Gebäude an die Rote Armee, die im Laufe der nächsten Tage sämtliche Vorräte entfernte.[4]

Wiederaufbau 1945–1955 und Renovierung 1978–1987

1977: Tagung des SPD-Bundesvorstands im Rathaus mit dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister Willy Brandt (links)
Blick vom Rudolph-Wilde-Park zum Rathaus Schöneberg

Die oben dargestellten schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg mussten dringend repariert werden, doch das ging nur schleppend, da Baumaterialien und funktionstüchtige Baumaschinen rar waren und die Besatzungsmächte anderen Bauten eine höhere Priorität einräumten. Gleichzeitig fanden aber unter der damaligen sowjetischen Besatzungsmacht im Mai 1945 im notdürftig reparierten Bürgersaal bereits Konzerte und Theateraufführungen statt.[5] Das Fresko im Bürgersaal mit der Darstellung der nationalen Erhebung wurde hastig übermalt.[4] Trümmer wurden geräumt, die Fenster mit Holz und Pappe ausgeschlagen und 150 eiserne Öfen als Ersatz für die beschädigte Zentralheizung ins Haus gebracht. Trotzdem froren immer wieder Leitungen ein und durch das Dach eindringendes Wasser zerstörte weitere Gebäudeteile.[5]

Der Zustand des Gebäudes wurde wesentlich verbessert, nachdem ab 1948 die Spaltung Berlins durch Währungsreform und Berlin-Blockade weiter fortschritt und das Rathaus Schöneberg ab Anfang 1949 als provisorischer Sitz der West-Berliner Politik und Verwaltung feststand. Der frühere Bürgersaal wurde durch Ausbau der Theaterbühne 1950 zum Plenarsaal. Bis 1952 erstanden die Seitenflügel an der Badenschen Straße und an der Straße Am Rathaus wieder. Der Wiederaufbau erfolgte nicht immer nach den historischen Plänen, konnte jedoch bis 1955 zu Ende gebracht werden. Der Goldene Saal, ehemals prächtigster Raum im Rathaus, diente seit 1955 in stark vereinfachter renovierter Form dem Hauptausschuss als Sitzungssaal.[6]

Der Rathausturm wurde nach Plänen des Architekten Kurt Dübbers vereinfacht wiederhergestellt. Hier war beim Wiederaufbau besondere Eile angesagt, da der Turm rechtzeitig zum Eintreffen der Freiheitsglocke wieder instandgesetzt werden sollte. Auf dem Turm befand sich vor dem Krieg eine weitere Ebene, die von einem geschwungenen und aus Kupfer bestehenden Spitzdach bedeckt wurde. Die Höhe des Gebäudeteils verringerte sich um elf Meter, die ehemalige Turmhaube wurde durch eine offene Pfeilerhalle ersetzt.[6]

Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Teilung Berlins war das Rathaus Schöneberg bis zur Wiedervereinigung 1990 der politische Mittelpunkt West-Berlins. Das Parlament (Abgeordnetenhaus) und die Regierung (Senat) von West-Berlin hatten hier ihren Sitz. Das neu gegründete Berliner Abgeordnetenhauses hielt am 13. Januar 1949 die erste Sitzung ab. Die letzte Sitzung fand am 25. März 1993 hier statt. Ernst Reuter, der erste Regierende Bürgermeister bezog sein Dienstzimmer im Schöneberger Rathaus am 7. Juni 1949, Eberhard Diepgen leitete am 24. September 1991 die letzte Senatssitzung im Gebäude.

Andere Mieter, wie das Heimatmuseum, der Schulzahnarzt oder auch ein Theater mussten das Gebäude räumen, um Platz für die Berliner Stadtregierung zu machen.[7]

Größere Renovierungsmaßnahmen fanden zwischen 1978 und der 750-Jahrfeier Berlins im Jahr 1987 statt. Sie begannen 1978 mit einem Architekturwettbewerb für einen neuen Plenarsaal im Erdgeschoss. Die Garski-Affäre verhinderte jedoch letztendlich dessen Bau.[3] Trotzdem folgten im Anschluss zahlreiche An- und Umbauten: 40 neue Büros im Dachgeschoss, die Modernisierung des Plenarsaals (1981/1982), die Verlegung des Ratskellers (1982/1983), Schaffung eines zentralen Foyers, umfangreiche Restaurierungsarbeiten unter konservatorischen Gesichtspunkten, eine Neugestaltung des Casinos, ebenso wie die Modernisierung und Erweiterung der Bibliothek sowie die Sanierung der Sanitäranlagen, die sich noch weitgehend im Originalzustand befanden.[8]

Veranstaltungen im und vor dem Rathaus

John F. Kennedy auf dem Schöneberger Rathausplatz

Im Rathaus-Turm befindet sich die Freiheitsglocke, die von gesammelten Spenden der US-amerikanischen Zivilbevölkerung für die Berliner gestiftet wurde und jeden Mittag um zwölf Uhr läutet. Der Radiosender RIAS übertrug das Schlagen der Freiheitsglocke an jedem Sonntag. Das Nachfolgeprogramm Deutschlandradio Kultur setzt diese Tradition fort.

Das Rathaus, der umliegende Platz und die darauf zulaufenden Straßen waren der Ort vieler Kundgebungen und Veranstaltungen. Bereits am 12. Mai 1949 versammelten sich etwa 300.000 Berliner sowie wichtige Politiker der westdeutschen Politik zu einer Großkundgebung nach dem Ende der Berlin-Blockade, ebenso wie die West-Berliner hier den Opfern des 17. Juni 1953 gedachten.[9] Am 17. Juni selbst standen auf dem Rathausplatz Gulaschkanonen; Ost-Berliner Protestierende, die in den amerikanischen Sektor Berlins gelangt waren, wurden vor das Rathaus geschafft und hier von zahlreichen herbeigeeilten West-Berlinern mit Lebensmitteln und Süßigkeiten ebenso versorgt, wie sie nach der Lage im Osten ausgefragt wurden.[10]

Anlässlich des Ungarischen Volksaufstands 1956 sah es zwischenzeitlich so aus, als würden vor dem Rathaus versammelte Demonstranten sich aufmachen, um das Sowjetische Ehrenmal im Tiergarten zu zerstören, um dann durch das Brandenburger Tor zur Sowjetischen Botschaft in Ost-Berlin zu gelangen und diese ebenfalls anzugreifen.[11]

Direkt nach dem Bau der Berliner Mauer kamen immer wieder Berliner vor dem Rathaus Schöneberg zusammen, um zu Gegenmaßnahmen aufzufordern. Um eine Eskalation zu vermeiden, berief der Senat erst am 16., dann auch noch am 19. August 1961 dort offizielle Kundgebungen ein. Es kamen über 800.000 Berliner vor das Rathaus, um ihre verzweifelten und wütenden Reaktionen auf den Bau der Berliner Mauer zu zeigen. Während Bundeskanzler Konrad Adenauer Berlin in diesen Tagen demonstrativ fernblieb, trat der Regierende Bürgermeister Willy Brandt mehrfach auf. Er schaffte es, die Menschen West-Berlins sowohl zu beruhigen, als auch ihrer aufgebrachten verzweifelten Stimmung Ausdruck zu verleihen. Er forderte die Berliner zu „Besonnenheit, aber nicht Gleichgültigkeit“ auf und kritisierte die Alliierten für ihre Tatenlosigkeit, ohne generell die enge Verbundenheit zu ihnen in Frage zu stellen.[12]

Langfristig am besten im Gedächtnis blieb der Staatsbesuch des US-Präsidenten John F. Kennedy. Dort hielt er am 26. Juni 1963 seine Rede mit dem berühmten Bekenntnis „Ich bin ein Berliner“. Zu seinen Ehren wurde der Rudolph-Wilde-Platz vor dem Rathaus drei Tage nach Kennedys Ermordung in John-F.-Kennedy-Platz umbenannt; bereits am Abend der Ermordung hatten sich einige Tausend Berliner zu einer spontanen Trauerfeier auf dem Platz versammelt.[9] Andere Bedeutende Besuche waren die von Indira Gandhi, Martin Luther King oder von Queen Elisabeth 1965.[7]

1967 nahmen hier die Auseinandersetzungen ihren Ursprung, die schließlich zum Tod Benno Ohnesorgs führten. Am Morgen des 2. Juni 1967 sollte sich der Schah von Persien in das Goldene Buch der Stadt eintragen. Etwa 3000 Schah-Interessierte, vorwiegend ältere Damen, säumten den Platz vor dem Rathaus, ebenso wie etwa 800 Gegner des Schahs und etwa 100 aus Persien eingeflogene Unterstützer, viele davon Mitglieder des Geheimdienstes SAVAK. Im Laufe der Veranstaltungen begannen die sogenannten „Jubelperser“ mit Holzlatten, Eisenruten und Totschlägern auf die Demonstranten einzuprügeln, dabei von der anwesenden Polizei eher ignoriert denn gehindert. Die Ereignisse und ihre Live-Übertragung auf RIAS führten schließlich zu einer aufgeheizten Stimmung, die abends vor der Deutschen Oper ihren Abschluss fand.[13]

Das Schöneberger Rathaus geriet durch eine Großkundgebung mit etwa 20.000 Teilnehmern am 10. November 1989, dem Tag nach der ersten Öffnung der Mauer, ein letztes Mal in den Blick der Öffentlichkeit. Der Regierende Bürgermeister Walter Momper sprach ebenso wie Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Willy Brandt. Unter dem größten Beifall der Anwesenden wünschte er: Berlin wird leben und die Mauer wird (endgültig) fallen. Der Auftritt des Bundeskanzlers Helmut Kohl hatte weniger Fortune, die Versammelten pfiffen ihn permanent aus und unterbrachen seine Rede immer wieder.[14]

Am 2. Oktober 1990 begann die Freiheitsglocke um 23:55 Uhr die Deutsche Einheit einzuläuten. Ebenso ließ Eberhard Diepgen sie anlässlich des Hauptstadtbeschlusses läuten.[15]

Eine große Menschenmenge versammelte sich vor dem Rathaus, als Willy Brandt 1992 – wie schon Ernst Reuter 39 Jahre zuvor – im Rathaus aufgebahrt war. Es kamen viele tausend Menschen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.[7]

Am 13. September 2001 läutete die Freiheitsglocke aus Anlass der Terroranschläge am 11. September 2001 für sieben Minuten und tausende Berliner gedachten auf dem John-F.-Kennedy-Platz vor dem Rathaus Schöneberg der Opfer in den Vereinigten Staaten.

Rathausanlage

Anlage und Fassade

Relief Freiherr vom Stein
von Hugo Lederer
Rathaus-Eingangshalle
Brandenburghalle

Das Rathaus Schöneberg ist eine unregelmäßig gegliederte, vierflügelige Anlage. Breite repräsentativ angelegte Treppen führen vom Rathaus hinunter in den Ostteil des Stadtparks zum Hirschbrunnen mit dem Wappentier Schönebergs. Aus der 93 Meter langen viergeschossigen Hauptfassade gegenüber dem Kennedy-Platz treten ein Risalit mit Säulenportal und darüber ein 70 Meter hoher Turm mittig leicht gegenüber den mit Pilastern gegliederten Fassade hervor. Die Fassade ist mit zahlreichen Kalksteinfiguren aus der Friedenauer Werkstatt von Isenbeck und Hinrichsen abwechslungsreich gestaltet und entspricht heute noch im Wesentlichen ihrem historischen Zustand. Die Figuren befinden sich an der Hauptfassade unterhalb der überhohen Fenster im zweiten Stock und zeigen Handwerks- und Handelstätigkeiten.[16]

Ein Wandrelief des Bildhauers Hugo Lederer im Erdgeschossbereich an der Fassade zur Freiherr-vom-Stein-Straße weist auf den Namensgeber der Straße hin. Ursprünglich handelte es sich um ein Denkmal, das gleichzeitig mit dem Rathaus im April 1914 enthüllt werden sollte. Es fiel aber bereits im Sommer desselben Jahres einer Verkehrsregulierug der Freiherr-vom-Stein-Straße zum Opfer und wurde als Wandrelief am Rathaus umgestaltet. Ein Risalit ebenfalls an dieser Fassade bildet die bürgerlichen Tugenden Sorge für das Gemeinwohl, Klugheit, Mäßigkeit und Gerechtigkeit ab. In Richtung Badensche Straße befand sich ein ähnlicher Risalit, der jedoch im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.[16]

Innenräume

Im Inneren des Hauptflügels befindet sich die über zwei Stockwerke reichende 63 Meter breite Eingangshalle mit einer umlaufenden Galerie, über die die repräsentativen Räumlichkeiten – wie beispielsweise das Arbeitszimmer des Bürgermeisters – zu erreichen sind. Die Eingangshalle, auch Vestibül genannt, ist mit teilglasierten figuralen und ornamentalen Terrakotten ausgekleidet. Diese Baukeramiken wurden von dem Architekten und Baukeramiker John Martens entworfen und unter seiner Leitung von der Großherzoglichen Majolika-Manufaktur in Karlsruhe gefertigt.

Im Rathaus kann man die Stockwerke auch mit Hilfe eines öffentlich zugänglichen Paternosters erreichen.[17] In der ersten Etage befinden sich neben dem Arbeitszimmer des Bürgermeisters verschiedene Arbeitsräume und der Goldene Saal, der ursprüngliche Sitzungssaal. Die vergoldete Stuckkassettendecke ist durch zahlreiche Gemälde ergänzt. Soweit die Inneneinrichtung den Zweiten Weltkrieg überlebt hat, ist sie nun auf andere Zimmer verteilt worden. Der Saal ist mit Holzpaneelen geschmückt und befindet sich nach umfangreichen Restaurierungen weitestgehend wieder im Originalzustand. Die Verwaltungsbücherei befindet sich ebenfalls im ersten Geschoss.

Das zweite Geschoss erhält durch übergroße Fenster viel Tageslicht. Hier befinden sich vor allem Sitzungssäle wie der Willy-Brandt-Saal (bis 1998 Bürgersaal).[16] Nachdem er als Sitzungssaal komplett umgestaltet wurde, erfolgte nach dem Auszug des Abgeordnetenhauses ein weiterer Umbau zu einem „multifunktionellen Veranstaltungsort“.[18] Des Weiteren befinden sich in der zweiten Etage der holzgetäfelte Alt-Schöneberger Saal und der Bezirksverordnetensitzungssaal. Vor den drei Sälen liegt die Brandenburghalle, eine Wandelhalle mit einem Boden aus Solnhofener Platten (heute unter Teppichboden verborgen). Die Wandmalereien, großformatige Fresken aus der Schule des Berliner Landschaftsmalers Eugen Bracht, sind typische bürgerliche Auftragswerke der Entstehungszeit des Rathauses, die Motive aus der Mark Brandenburg zeigen.[16]

Aktuelle Situation

Im Jahr 2001 erfolgte eine Umstrukturierung der Berliner Bezirke; es wurden zwölf möglichst gleich große Bezirke gebildet. Schöneberg wurde mit Tempelhof zum neuen Bezirk Tempelhof-Schöneberg fusioniert. Der Dienstsitz des Bürgermeisters des neuen Bezirks ist wiederum das Rathaus Schöneberg. Im Rathaus Tempelhof sind die Abteilungen der neuen Bauverwaltung untergebracht.

Das Rathaus Schöneberg war von 1996 bis Ende Januar 2010 Sitz der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung, die dort eine Ausstellung zum ehrenden Gedenken an Willy Brandt, den ehemaligen Regierenden Bürgermeister Berlins und Bundeskanzler unterhielt.

Seit 2005 befindet sich in der Ausstellungshalle die Ausstellung Wir waren Nachbarn – Biografien jüdischer Zeitzeugen. Diese Ausstellungsinstallation in der Art eines Lesesaals einer historischen Bibliothek wurde seit 2005 im Rathaus Schöneberg jährlich für drei Monate gezeigt. Seit 2010 ist sie eine Dauerausstellung. Zurzeit (2010) dokumentieren 131 biografische Alben mit persönlichen Fotos, Dokumenten und Berichten die Lebens- und Leidensgeschichte von jüdischen Bürgern aus Schöneberg und Tempelhof. Jährliche Erweiterungen sind geplant.[19]

Vor dem Rathaus findet seit dem Ersten Weltkrieg regelmäßig ein Wochenmarkt statt. Versuche, ihn in den 1950er-Jahren aus Gründen mangelnder Repräsentativität abzuschaffen, verhinderte Ernst Reuter, indem er darauf verwies, dass ein Wochenmarkt vor dem Rathaus eine gute deutsche Tradition sei.[9]

Das Rathaus diente und dient auch als Filmkulisse. Die holzgetäfelte Verwaltungsbibliothek bildete in den 1960er- als auch den 1990er-Jahren die Kulisse in verschiedenen Edgar-Wallace-Filmen. Die Casino-Szene in Lola rennt wurde im Foyer des Rathauses gedreht ebenso Szenen aus Aimee und Jaguar und Joe & Max.[20] Einige Fernsehserien wie Wolffs Revier, Edel & Starck, Im Namen des Gesetzes oder Unser Lehrer Doktor Specht konnten auf das gutbürgerliche Inventar des Gebäudes zurückgreifen.[21]

Literatur

  • Wilfried Welz: Rathaus Schöneberg – Ein Rathaus in und für Berlin, Bezirksamt Schöneberg 1989
  • Wilfried Welz, Cornelius C. Goeters: Rathaus Schöneberg – Stationen einer politischen Karriere. Verlag Arno Spitz, Berlin 1995

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Welz/Goeters 1995 S. 9–17
  2. Sabine Kimmel: Grenzgänger zwischen Tradition und Moderne – Das Berliner Architekturbüro Jürgensen & Bachmann in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 103. Jahrgang, Heft 2, April 2007
  3. a b Hans-Peter Schneider, Wolfgang Zeh: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, Walter de Gruyter 1989, S. 1854
  4. a b c Welz/Goeters 1995, S. 59–63
  5. a b Welz/Goeters 1995 S. 65–69
  6. a b Welz/Goeters 1995 S. 70–79
  7. a b c Olaf Jahn: Das Ende einer Legende – Das Berliner Parlament zieht vom Rathaus Schöneberg in den Preußischen Landtag in: Hamburger Abendblatt vom 27. März 1993
  8. Welz/Goeters 1995 S. 90–94
  9. a b c Welz/Goeters 1995 S. 80–89
  10. Peter Lange/Sabine Ross (Hrsg.): 17. Juni 1953 – Zeitzeugen berichten: Protokoll eines Aufstands, LIT Verlag Berlin-Hamburg-Münster, 2004 ISBN 3825876853 S. 93
  11. Georg Kotowski, Hans Joachim Reichhardt, Arbeitsgruppe Berliner Demokratie: Berlin als Hauptstadt im Nachkriegsdeutschland und Land Berlin, 1945–1985 Walter de Gruyter, 1987 ISBN 3110115905 S. 117
  12. Kotowski et al S. 131–132
  13. Thomas Ramge: Die grossen Politskandale: Eine andere Geschichte der Bundesrepublik, Campus 2003, S. 93–94
  14. Heinrich August Winkler. The Long Road West, Oxford University Press, 2006 ISBN 0199265984 S. 468
  15. Etienne François, Hagen Schulze: Deutsche Erinnerungsorte, 2003; S. 250–251
  16. a b c d Welz/Goeters 1995 S. 33–42
  17. Liste laufender Paternoster, abgerufen 30. Januar 2009
  18. dt: Namensgebung im Rathaus Schöneberg in: Berliner Zeitung vom 4. Februar 1998
  19. Wir waren Nachbarn – Biografien jüdischer Zeitzeugen auf der Website des Haus am Kleistpark, Kunstamt Tempelhof-Schöneberg, Berlin
  20. Lothar Heinke: Schauplatz der Geschichten – 90 Jahre Rathaus Schöneberg: Ein Ort historischer und filmischer Ereignisse. In: Tagesspiegel vom. 2. September 2004
  21. Ela Dobrinkat: Film ab im Rathaus Schöneberg. In: Berliner Morgenpost vom 30. August 2004
52.48513.3442

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