Nucleophilie

Nucleophilie

Die Nukleophilie (griechisch nukleos = Kern, philos = Freund) ist in der Chemie ein Maß für die Fähigkeit eines negativ polarisierten Moleküls ein positiv polarisiertes oder geladenes Atom in einem Molekül unter Ausbildung einer kovalenten Bindung anzugreifen. Typische Nukleophile sind oft negativ geladen oder besitzen zumindest ein freies Elektronenpaar in einem relativ energiereichen Orbital. Umgekehrt wird die Fähigkeit eines Reaktionspartners, sich von einem nukleophilen Teilchen angreifen zu lassen, als Elektrophilie bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Abschätzung der Nukleophilie eines Teilchens

Die Nukleophilie eines Teilchens hängt im wesentlichen vom "angreifenden" Reaktionspartner ab. Es ist in der Chemie üblich, elektronenreiche Teilchen, also Nukleophile, als "Angreifer" zu betrachten; elektronenarme Reaktionspartner werden demnach von diesen angegriffen. Für gewöhnlich wird die Nukleophilie eines Teilchens auf das am stärksten nukleophile Atom bezogen.

Basizität

Verallgemeinert lässt sich sagen, dass "weiche" Lewis-Basen bessere Nukleophile sind (vgl. HSAB-Prinzip erklärt unter Komplexchemie). Bei angreifenden Atomen ähnlicher Größe korreliert die Nukleophilie gut mit der Basizität. Sowohl Härte als auch Basizität hängen eng mit der Polarisierbarkeit der Teilchen zusammen. Polarisierbare Teilchen sind generell nukleophiler als vergleichbar geladene, weniger polarisierbare Moleküle.

Sterik

Die Nukleophilie wird außerdem stark von der Sterik beeinflusst. Sehr raumgreifende Substituenten am nukleophilen Atom schirmen dieses gut ab und unterbinden so einen nukleophilen Angriff. Auf der anderen Seite wird durch die Anwesenheit mehrere Alkyl-Gruppen die Basizität erhöht, aber die Sterik ist von Wesentlich größerer Bedeutung. Ebenso können potentielle Elektrophile durch sperrige Reste abgeschirmt werden. Die Reaktivität von sekundären, tertiären oder cyclischen Kohlenwasserstoffen in nukleophilen Reaktionen ist meist kleiner als bei primären Reaktionspartnern.

Wahl des Lösemittels

Weiterhin werden Reaktionen von Nukleophilen empfindlich durch die Wahl des Lösungsmittels beeinflusst. Ein hoher Solvatationsgrad des angreifenden Teilchens verringert die Nukleophilie erheblich. Umgekehrt steigt die Nukleophilie also in polar-aprotischen Lösemitteln wie Aceton, da es hier nicht zur Ausbildung von Wasserstoffbrücken kommt. Die Wasserstoffbrücken sorgen beispielsweise im Wasser für die Ausbildung stabiler Hydrathüllen. In unpolaren Lösemitteln lösen sich Nukleophile und Elektrophile teilweise gar nicht; falls sie es doch tun, liegen sie als assoziierte Ionenpaare M + X vor und sind nur mäßig reaktiv.


Durch eine Abschätzung all dieser Faktoren lassen sich die nukleophilen Eigenschaften vieler Moleküle recht genau abschätzen und somit der Reaktionsverhalten als angreifendes Nukleophil oder als Abgangsgruppe abschätzen.

Mit präparativen Tricks lassen sich aber auch durch mangelnde Nukleophilie nicht begüngstigte Reaktionen erzwingen. Ein beispiel stellt die Finkelstein-Reaktion dar.

Beispiele für nukleophile Teilchen

Typische anionische Nukleophile sind

Wichtige neutrale Nukleophile sind

Nukleophile Reaktionen

Eine nukleophile Reaktion verbindet zwei Reaktionspartner über eine kovalente Bindung. Dabei wird mitunter eine andere Bindung gebrochen, sodass eine weniger nukleophile Atomgruppe abgespalten wird, also als Abgangsgruppe fungiert. Mit dem Konzept der Nukleophilie lässt sich also der Verlauf von Reaktionen vorhersagen. Charakteristisch für Nukleophile ist , dass sie allein beide für die Bindung benötigten Elektronen zur Verfügung stellen, während das Elektrophil "nur" seine Fähigkeit zur Stabilisierung des Elektronenpaares einbringt. Ähnlich wie bei Redoxreaktionen, wo jede Oxidation gleichzeitig die Reduktion des anderen Reaktionspartners bedeutet, folgt auf nukleophile unmittelbar die zugehörige elektrophile Reaktion.

Wichtige Reaktionen mit Beteiligung von Elektrophilen und Nukleophilen sind:

Nukleophilie in der Zellbiologie

In der Zellbiologie beschreibt Nukleophilie die Eigenschaft bestimmter Farbstoffe, bevorzugt an Strukturen eines Zellkerns zu binden. Dieses wird zur besseren Beobachtung des Zellkerns in der Lichtmikroskopie genutzt. Meist sind es basische Farbstoffe, die an Nukleinsäuren binden. Siehe dazu auch Basophilie und Eosinophilie.


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