Ogam

Ogam
Das Ogam-Alphabet

Die Ogam- (altirisch) oder Ogham-Schrift (neuirisch) (irisch ['oɣam]) wurde in Irland und einigen westlichen Teilen Britanniens bzw. Schottlands (Schottisch-Gälisch Oghum) vom 4. bis 6. Jahrhundert dazu benutzt, an den Kanten von Menhiren (engl. standing stones) kurze Texte, in den meisten Fällen Personennamen, anzubringen. Der Name der Schrift weist starke etymologische Parallelen zu Ogma oder Ogmios auf, dem altirischen Gott der Redekunst. Ob dieser Gott jedoch der Namensgeber der Schrift ist oder ob die Volksetymologie den Bezug im Nachhinein herstellte, ist nicht zu klären[1].

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung

Piktisches Ogham auf einem Stein der Orkney

Oghamsteine heißen die Träger der Schriftzeichen. Sie stammen größtenteils von der Insel Irland (etwa 310 Stück) und dort zumeist aus den Counties Kerry und Cork (Ballycrovane) im Süden. Etwa 40 Steine wurden in Wales, fünf in Cornwall, zwei in der südwestenglischen Grafschaft Devon entdeckt. Fünf stammen von der Isle of Man, zwei aus Schottland (Altyre house, Orkney) und einer aus Nord-England. Die Authentizität der drei Letztgenannten wird jedoch angezweifelt. Zudem wurden 27 Steine in piktischer Sprache gefunden (acht auf Orkney, zu sehen im Tankerness House Museum), die abgesehen von einigen irischen Lehnwörtern und einigen Personennamen nicht entschlüsselt werden konnten.

Derzeit (Stand 1991) sind über 360 Ogamsteine bekannt, von denen mehr als 40 aus Souterrains stammen (z. B. 15 aus Ballyknock North, County Cork und sieben aus Coolmagort bzw. Ballintaggart beide im County Kerry). Der älteste erhaltene Stein stammt vom Roovesmore Rath bei Aglish im Co. Cork. Er steht im Britischen Museum. Bisweilen werden weitere gefunden, da die langen, massiven Steine für Bauzwecke geeignet waren und häufig als Teile von Gebäuden oder in alten Straßen versteckt sind. Ogamsteine wurden auch in Kirchen (hier gut sichtbar „ausgestellt“) Brücken, Torbögen usw. verbaut.

Die Texte

Die Steine von Chute Hall
Aghascrebagh County Tyrone
auf dem Friedhof von Kilmalkedar (Dingle Halbinsel)

Der eingeritzte Name wurde stets im Genitiv angegeben, um den Bezug des Steins zur Person zu kennzeichnen („Dies ist der Stein des …“). Nicht vollständig geklärt ist bisher, was die Steine letztlich kennzeichnen sollten. Entweder zeigten sie den Landbesitz an oder waren, was wahrscheinlicher ist, Grabmal der bezeichneten Person. Nach einem mittelirischen (also wesentlich späteren) Text wird Etarcomol begraben und an seinem Grab ein Stein mit Ogamschrift aufgestellt.

Die Schrift läuft von unten nach oben und gegebenenfalls auf der anderen Seite wieder nach unten. Die meisten Namen sind in archaischem Irisch, also der Sprachstufe vor dem Altirischen (vor etwa 600 n. Chr.) gehalten. Seltener, und vor allem in Wales, sind die Inschriften zweisprachig: Irisch-Latein. Auf einigen Steinen befinden sich auch Runeninschriften oder Kreuze. Bisweilen sind den Namen knappe Kommentare beigefügt. So wurden ein Abt, ein Bischof und ein Priester je einmalig erwähnt. Das Wort für Priester erscheint in der Form QRIMITIR (Genitiv von *QRIMITER < Latein presbyter; vgl. altirisch cruimther). Dies wirft die Frage auf, inwieweit Ogam als „heidnisches” Schrifttum anzusehen ist. Die Forschung ist sich in diesem Punkt nicht einig. Die Ogam-Schrift wurde anhand einer Aufzeichnung im um 1400 entstandenen „Leabhar Bhaile an Mhóta“ („Das Buch von Ballymote“) [2][3] entziffert. Mit Kreuzen versehene Ogamsteine liefern widersprüchliche Hinweise, da Kreuz und Ogamzeichen sich manchmal (fast oder ganz) überlagern, ohne dass festzustellen wäre, welche „Felsritzung” die ältere ist. Einen klareren Hinweis gibt möglicherweise ein Stein bei Ballyferriter auf der Dingle-Halbinsel, auf dem einer der Ogamstriche offenbar absichtlich kurz gehalten wurde, um das (bereits vorhandene?) Kreuz nicht zu beschädigen. Ein solches Beispiel ist der Priest Stone (östlich von Dingle). Aus Nordirland sind nur zwei Ogamsteine, beide ohne christliche Symbole, bekannt.

Beispiel für eine Inschrift:

ᚉᚑᚔᚂᚂᚐᚁᚑᚈᚐᚄᚋᚐᚊᚔᚉᚑᚏᚁᚔ COILLABOTAS MAQI CORBI
ᚋᚐᚊᚔᚋᚑᚉᚑᚔᚊᚓᚏᚐᚔ MAQI MOCOI QERAI

Daraus ergibt sich dann: „(Der Stein von) Coílub, Sohn von Corb, Sohn (Abkömmling des Stammes) der Ciarraige“. Die hier erwähnten Ciarraige sind im Namen der Grafschaft Kerry verewigt.

Ursprünge

Das Ogamsystem stellt kein eigenständiges Alphabet dar. Die Zuordnung der Zeichen ist höchstwahrscheinlich eine Codierung eines von den damaligen Kelten bekannten Alphabeten, also entweder des lateinischen oder griechischen Alphabets. Versuche, das Alphabet auf die germanischen Runen zurückzuführen, konnten nicht überzeugen. Die Zeichen wurden wohl aus den auf den britischen Inseln seit der Altsteinzeit belegten Zählhölzern (engl. tally sticks) abgeleitet (vgl. Abbildung in [4]). Mit deren Hilfe wurden Gegenstände (meist wohl Handelswaren) in 20er Gruppen gezählt. Auch die Ogamzeichen sind in vier Gruppen zu je fünf (also 20) geordnet. Zudem gibt es starke graphische Parallelen zwischen beiden Zeichensystemen. Die einzelnen Buchstaben werden mit Baumnamen bezeichnet, die mit dem zugehörigen Laut beginnen.

Historiolinguistische Bedeutung

Aus historiolinguistischer Sicht sind die Ogamsteine von besonderer Bedeutung für die Beurteilung der Entstehung des Altirischen. Sie entstanden in der Zeit, in der sich die für das Irische typischen Merkmale wie Anlautmutationen, Apokope (Endsilbenwegfall), Synkope (Binnensilbenwegfall), Palatalisierung usw. ausbildeten. Sie bilden damit einerseits den Gesamtkorpus für die Sprachstufe des so genannten archaischen Irisch und andererseits eine (indirekte) Brücke zwischen dem Altirischen und den festlandkeltischen Sprachen.

Verwendung

Die Schrift diente nicht zur Aufzeichnung von Mythen, Sagen oder gar „keltischen“ Überlieferungen. Schwierig zu deuten sind jedoch Hinweise in den altirischen Sagen auf die Verwendung der Ogamschrift in magischen Zusammenhängen, beispielsweise der Gefahrenabwehr. Zudem ist in den Sagen bisweilen die Rede davon, dass Nachrichten in Ogamschrift in Holz geritzt von Boten übertragen wurden, doch konnte dies bisher archäologisch nicht belegt werden. Ogamschriften scheinen ausschließlich in Stein erhalten zu sein und die oben beschriebenen Inhalte wiederzugeben.

Die Schrift wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder genutzt und im Mittelalter sogar um fünf Zeichen erweitert. Diese so genannten forfeda wurden jedoch ausschließlich in Handschriften verwendet.

Heute verwenden sie Neuheiden etwa für das im 20. Jahrhundert entwickelte keltische Baumhoroskop.

Unicode

In Unicode ist Ogam im Unicode-Block Ogam unter U+1680 bis U+169F kodiert. Dargestellt werden die Buchstaben durch die Schriftart Deja Vu

Einzelnachweise

  1. Sylvia und Paul Botheroyd: Lexikon der keltischen Mythologie. Diederichs - Verlag, München 1992, ISBN 3-424-01077-4
  2. James McDonagh: History of Ballymote and the Parish of Emlaghfad. 1998, (Online-Zusammenfassung), zitiert im Artikel Book of Ballymote in der englischsprachigen Wikipedia (Stand 11/2006).
  3. Artikel Auraicept na nÉces („Leitfaden für den gelehrten Dichter“)
  4. The National Archives (Hrsg.): Thirteenth century tally sticks.

Literatur

  • Damien McManus: A Guide to Ogam. An Sagart, Maynooth 1991, ISBN 1-870684-17-6.
  • Charles Thomas: And Shall These Mute Stones Speak? University of Wales Press, Cardiff 1994, ISBN 0-7083-1160-1.
  • Críostóir Mag Fhearaigh, Tim Stampton: Ogham, An Irish Alphabet. Malin 1993, Clo ́Iar-Chonnachta, Indreabhan 1996, Hippocrene Books, New York 1998. ISBN 0-9522045-0-9, ISBN 1-874700-43-5, ISBN 0-7818-0665-8.
  • Sabine Ziegler: Die Sprache der altirischen Ogam-Inschriften. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1994, ISBN 3-525-26225-6.
  • Charles Plummer: On the Meaning of Ogham Stones. In: Revue Celtique. 40, 1923, ISSN 1141-2011, S. 387-391.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Ogham alphabet – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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