Ogier Ghislain de Busbecq

Ogier Ghislain de Busbecq
Ogier Ghislain de Busbecq, Stich aus dem 17. Jahrhundert

Ogier Ghislain de Busbecq (* 1522 in Comines bei Lille; † 28. Oktober 1592 auf Schloss Maillot in Saint-Germain-sous-Cailly bei Rouen), auch bekannt unter der latinisierten Form seines Namens Augerius Gislenius Busbequius, war ein Humanist, Diplomat und Botaniker.

Ogier Ghislain de Busbecq kommt 1520 in Flandern als Kind einer unehelichen Verbindung zwischen Georges Ghiselin II, Seigneur de Bousbecque, einem Ritter aus einem alten, angesehenen Geschlecht, und Catherine Hespiel, die vermutlich eine Magd war, zur Welt. Sein Vater hat großes Interesse an einer fundierten Ausbildung seines Sohnes, so dass Busbecq ab seinem 13. Lebensjahr durch väterliche finanzielle Unterstützung in Löwen, Paris, Venedig, Bologna und Padua studieren kann. Besonders in Löwen steht er sehr im Einfluss eines an Erasmus von Rotterdam geschulten Humanismus. 1540 oder 1549 erfolgt seine Anerkennung als rechtmäßiger Sohn, wodurch seine spätere Karriere am Hofe ermöglicht wird.

Wie schon sein Vater Diplomat in Diensten von Kaiser Karls V., blieb auch er bis an sein Lebensende den Habsburgern verbunden. So wurde er 1552 Gesandtschaftssekretär in London. 1554 ist er als Begleiter von Don Pedro, des Gesandten des römisch-deutschen König und späteren Kaiser Ferdinand I., von an der Hochzeit von Philipp von Spanien und Maria von England anwesend ist, um Ferdinands Glückwünsche zu überbringen. Im Herbst des Jahres 1554 schickt Ferdinand I. Busbecq als Botschafter zu Süleyman I. nach Konstantinopel , damit er einen Waffenstillstand mit dem Osmanischen Reich aushandelt, um das geschwächte Reich der Habsburger zu entlasten. Busbecq bricht am 23. November 1554 von Wien auf und reist mit seinem Gefolge im Wagen zunächst nach Buda, von dort auf der Donau nach Belgrad, anschliessend wieder auf dem Landweg über Nisch, Sofia und Adrianopel (heute Edirne) nach Konstantinopel. Am 20. Januar 1555 in Konstantinopel angekommen, findet Busbecq den Sultan aber nicht in seiner Residenz vor und erfährt, dass sich Sultan Suleiman gerade auf Reisen in Kleinasien befindet, so dass er ihm weit in den Osten, in die alte Königsstadt Amasya, nachreisen muss. Nach dreiwöchigem Warten reist Busbecq ihm über Ankara hinterher, um schließlich am 7. April 1555 in Amasya in einer Audienz mit dem Sultan einen sechsmonatigen Waffenstillstand auszuhandeln. Als er den Sultan endlich antrifft, hat dieser augenscheinlich jedoch gerade keine Lust auf Friedensgespräche und weist ihn mit den Worten „Güzel, Güzel“, „schön, schön“, ab. Zum Trost schenkt er Busbecq ein paar Tulpen- und Hyazinthenzwiebeln, dazu einige Fliederpflänzchen. All dies bringt Busbecq mit nach Hause und führt diese Pflanzen unter Vermittlung seines Freundes Charles de l’Écluse (latin.: Carolus Clusius) dadurch in Westeuropa ein. - Fälschlich hat man die Anpflanzung der Lilie und der Roßkastanie in Europa auf ihn zurückführen wollen. Doch diese Annahme beruht bezüglich der letzteren auf einer Verwechslung mit seinem Nachfolger in Konstantinopel Baron Ungnad, der 1576 die ersten Früchte dieses Baumes an Clusius nach Wien sandte.

Melchior Lorck, Portrait von O. G. de Busbecq (1557)

Busbecq trifft im Juli 1555, nach einer nur etwas mehr als einen Monat dauernden Reise, wieder in Wien ein. Im November 1555 verlässt er Wien erneut und bricht wieder nach Konstantinopel auf, wo er bis 1562 für sechs Jahre als Botschafter in Konstantinopel wirkt. Wie Busbecq seinerseits immer mehr das Vertrauen von Süleyman erwirbt, weiß Busbecq umso gekonnter seine im Laufe der Jahre erworbenen Inneneinsichten in die angespannte innenpolitische Lage des osmanischen Reiches für seine Verhandlungsziele gegenüber Süleyman einzusetzen. Tatsächlich gelingt es 1562 Busbecq, der angeblich sieben Sprachen (Flämisch (seine Muttersprache), Latein, Französisch, Italienisch, Deutsch, Spanisch und Slawonisch) fliessend beherrscht haben soll, trotz sehr lückenhafter türkischer Sprachkenntnisse und trotz geringer diplomatischen Erfahrungen eine achtjährige Waffenruhe auszuhandeln, die leider bereits nach dem Tod Ferdinands 1564 ihr Ende findet.

Titelblatt der Turcicae epistolae, 1595

Bekanntheit unter klassischen Philologen erwirbt sich Busbecq dadurch, dass er unterwegs in Ankara eine fast vollständig erhaltene Kopie der Res Gestae Divi Augusti, des Rechenschaftsberichts des römischen Kaisers Augustus, entdeckt, das sogenannte Monumentum Ancyranum. Andere Inschriften übersendet er an Clusius und Justus Lipsius, die von Heinrich Smetius und Jan Gruter publiziert wurden. Nicht weniger als 240 Handschriften gehen als Geschenke an die Wiener Hofbibliothek, darunter auch eine Prachthandschrift des Pedanios Dioskurides, die mit ca. 500 beschriebenen Pflanzenarten umfangreichste Pflanzenliste des Altertums. Ein Löwe und ein Ichneumon finden ihren Weg in die kaiserlichen Sammlungen in Wien. Sein in vier Briefen vorgelegter Reisebericht auf Latein (Legationis Turcicae epistolae quattuor. Paris 1589 u. ö.; zuerst teilw. veröffentlicht u.d.T.: Itinera Constantinopolitanum et Amasianum et de re militari contra Turcas instituenda consilium. Antwerpen: Plantin 1581/82) schildert ausführlich das Alltagsleben (z. B. die Karawansereien, Kleidungsgewohnheiten, Haustierhaltung, Gartenpflege, Behandlung von Frauen) und das politische System des osmanischen Reichs, das von ersten inneren Krisensymptomen gezeichnet ist. Sehr wahrscheinlich sind alle vier Briefe nach seiner Rückkehr 1562 von ihm noch überarbeitet worden, um einen einheitlichen Duktus in der Darstellung zu erreichen. Während seines Aufenthalts in Konstantinopel begegnet er überdies zwei Personen, die noch des Krimgotischen mächtig waren; die von Busbecq behelfsmäßig aufgezeichneten Wörter und Sätze sind unsere einzigen Zeugnisse dieser mittlerweile untergegangenen Sprache. Noch heute werden Teile von Busbecq's Bericht wegen ihrer schlicht-eleganten Latinität und besonders wegen ihrer abgeklärt-wohlmeinenden Alltagsbeobachtungen einer außereuropäischen Kultur im Lateinunterricht verwendet.

Nach seiner Rückkehr aus der Türkei (1562) betätigt Busbecq sich in Wien als Lehrer der Söhne Maximilians II. – und auch von dessen Tochter Elisabeth. 1564 begleitet er die Erzherzöge an den spanischen Hof. Als Elisabeth 1570 den französischen König Karl IX. heiratet, folgt er ihr als Hofmarschall nach Paris. Nach dem Tod des Königs und Elisabeths Heimkehr nach Wien (1575) fungiert Busbecq als Verwalter ihres französischen Wittums, d. h. jener Gebiete in Frankreich, die Habsburg als Mitgift erhalten hatte. 1582 wird er kaiserlicher Botschafter am französischen Hof. Als Busbecq nach dem Tode Elisabeths im Herbst 1592 vom Kaiser die Erlaubnis erhält, für ein halbes Jahr die Verwandten in seiner flämischen Heimat zu besuchen, muss er auf seinem Weg nach Belgien die durch Religions- und Bürgerkriege aufgewühlte Normandie durchqueren. Obwohl im Besitz aller nötigen Ausweispapiere, die ihm den Diplomatenstatus zusichern, nimmt ihn bei Rouen eine Soldateska der katholischen Liga gefangen und plündert ihn aus. Diese Vorfälle setzen dem Siebzigjährigen dermaßen zu, dass er sich ein schweres Fieber zuzieht, an dem er am 28. Oktober 1592, elf Tage nach den Übergriffen, in Saint-Germain-sous-Cailly verstirbt. Sein Körper wird in der dortigen Schloßkapelle beerdigt und sein Herz in einer Bleikapsel nach Bousbecque geschickt, wo man es in der Familiengrabstätte beisetzt.

Justus Lipsius, einer der größten Humanisten dieser Zeit, verfasste für seinen Freund Busbecq ein Epitaph:

Augerius isthic est situs Busbequius.
Quis ille, quem virtutis et prudentiae
habuere carum, gratiâ, ipsi Caesares.
Hunc aula eorum vidit, aula et extera
Asiae tyranni. Quae viri felicitas!
Probavit haec et illa. In omni tempore,
in munere omni Nestorem se praebuit
lingua atque mente. Iam quies eum sibi
et patria haec spondebat; ecce sustulit
viam per ipsam miles incertum an latro.
Sed sustulit, simulque sidus Belgicae,
quod nunc choreas fulget inter astricas.

Schriften

  • Legationis Turcicae epistolae quattuor. Paris 1589 u. ö. (zuerst teilw. veröffentlicht u.d.T.: Itinera Constantinopolitanum et Amasianum et de re militari contra Turcas instituenda consilium. Antwerpen: Plantin 1581/82).
    • Ogier Ghiselin von Busbeck: Vier Briefe aus der Türkei. Aus d. Latein übertragen, eingeleitet u. mit Anmerkungen versehen von Wolfram von den Steinen (Der Weltkreis, Bd. 2). Erlangen : Verlag der philosophischen Akademie 1926 (229 S., mit 20 Wiedergaben zeitgenössischer Holzschnitte u. Kupfer [im Text u. auf Taf.]).
    • The Turkish letters of Ogier Ghislain de Busbecq: imperial ambassador at Constantinople 1554-1562, transl. from the Latin ... by Edward Seymour Forster. Oxford 1927 (Reprint 1968).
    • Vier brieven over het gezantschap naar Turkije, Hilversum 1994. ISBN 90-6550-007-3
    • Jürgen Behrens (Hrsg.): Briefe aus der Türkei. Der Gesandte Ogier de Busbecq im Reich Sultan Süleymans des Prächtigen (Studio. Kleine lateinische Texte zur Unterhaltung, zum Nachdenken und Weiterlesen, Bd. 7). Bamberg: C. C. Buchner 1998 (32 S.). - ISBN 3-7661-5727-2.
    • Dominique Arrighi: Les écritures de l'ambassade: les Lettres turques d'Ogier Ghiselin de Busbecq. Traduction annotée suivie d'une étude littéraire. Thése Paris, Sorbonne 2006.
  • Bartelameus de christisch overwinnaar, Paris 1595.
  • Opera omnia, quae extant. Leiden: Elzevier 1633.
  • Omnia, quae extant, opera (Basel: Jo. Brandmüller 1740). Nachdruck mit Einleitung von Rudolf Neck [S. III - XVIII]. Graz 1968 [diese Textedition ist nach H. Wiegand (s. u., S. 15, Anm. 6) wegen ihrer Fehlerhaftigkeit philologisch bedenklich].
  • Omnia, quae extant ... Praemissa est vita auctoris. Summa cum fide ac diligentia denuo recognita et aucta locupletissimo indice. Oxford 1771 (12, 556, 24 S.). - Gale ECCO Print Editions: 9-781170-737507.
    • Legationis Turcicae epistolae quatuor ( S. 1-373)
      • Epistola I [Vienna Austriae, Kalend. Septembris 1554] (S. 1-107).
      • Epistola II [Constantinopoli, pridie Idus Iul. 1555] (S. 108-127).
      • Epistola III [Constantinopoli, Calendis Junii 1560] (S. 127-261).
      • Epistola IV [Francofordiae, die 16. Decembris 1562] (S. 262-373).
    • Exclamatio, sive de re militari contra Turcam instituenda consilium (S. 374-428).
    • Solimanni Turcarum imperatoris legatio ad Ferdinandum Romanum Caesarem anno 1562 [Relatio sive sermo legati pacifici, Ebraimi Strotschenii, a Solymanno Turcarum imperatore ex Constantinopoli ad Christianorum Caesarem Ferdinandum eius nominis primum destinati, apud Francofurtum Moerii coram statibus imperii ibidem praesentibus lingua Sclavonica recitatus, anno MDLXII, die 27. Novembris] (S. 429-433).
    • Exemplar sive copia literarum creditoriarum eidem legato in causa induciarum octennalium ad Romanum imperium a Turcicarum imperatore datarum [anno magni et venerandi nostri Pophetae DCCCCLXIX, die vero primo Septembris] (S. 433-441).
    • Nomina et cognomina tum Turcici legati, tum eorum, qui Constantinopoli et Buda ipsum deducentes, una cum eo Francofurtum ingressi sunt (S. 442).
    • Augerii Gisleni Busbequii, Caesaris apud regem Gallorum legati, epistolae [LIII] ad Rudolphum II. imperatorem, e bibliotheca Jo. Bapt. Houwaert J. C. Patricii Bruxellensis, anno MDLXXXII et sequentibus Parisiis scriptae (S. 443-556)
    • Index in Busbequii epistolas de itineribus Turcico et Amasiano (24 S.).

Literatur

  • C. T. Forster / F. H. B. Daniell (eds.): The Life and Letters of Ogier Ghiselin de Busbecq. London 1881.
  • Arend H. Huussen: Het Leven van Ogier Ghislain de Busbecq. En het verhaal van zijn avonturen als keizerlijk gezant in Turkije. 1554-1562. Leiden 1949.
  • Ignace Dalle: Un européen chez les Turcs. Auger Ghiselin de Busbecq 1521-1591. Paris 2008.
  • Ogier Ghiselin de Busbecq. Les Lettres Turques. Übersetzung in Französisch von Dominique Arrighi. Vorwort von Gilles Veinstein, Professor für ottomanische Geschichte, Collège de France. Honoré Champion, Champion Classiques collection, ISBN 978-2-7453-2038-4,
  • Victor von Kraus: Busbeck, Angerius Ghislain von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 3, Duncker & Humblot, Leipzig 1876, S. 633–635.
  • Hermann Wiegand: Imago Turcae. Das Türkenbild der frühen Neuzeit im Lateinunterricht der Oberstufe. In: Der Altsprachliche Unterricht, Jg. 36, Heft 6 (1993), S. 12-31, bes. 19-22 (zu Busbecq's Stil und Darstellungsintention) und S. 28-31 (7 lateinische Textabschnitte mit Vokabelangaben).
  • Josef Rabl: Der Blume aus dem Morgenlande auf der Spur. Ein Basiskurs Latein fährt in die Niederlande und befasst sich mit der Kulturgeschichte der Tulpe. In: Latein und Griechisch in Berlin und Brandenburg, Jg. 44, Heft 3 (2000), S. 103-105.

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