- Ortsfamilienbuch
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Ein Ortsfamilienbuch (früher auch: Orts- besziehungsweise Dorfsippenbuch) ist eine personengeschichtliche Sekundärquelle, in der die Kernfamilien (Vater und Mutter und deren Kinder) zusammen aufgeführt oder auf einer Karteikarte oder einer Seite eines rechnergestützten Textes gemeinsam verzeichnet werden. Außerdem wird für die Familie auch die Verknüpfung ihrer Genealogie hergestellt, das heißt bei Vater und Mutter wird auf ihre jeweiligen Eltern verwiesen und bei den Kindern auf ihre Heirat, sofern sich derartige Angaben aus den Quellen erschließen lassen.
Die Quellen, die für die Bearbeitung eines Ortsfamilienbuches herangezogen werden, sind in der Regel die Kirchenbücher, aber auch alle anderen personengeschichtlichen Quellen geistlicher oder weltlicher Herkunft. Ebenso können Ortsfamilienbücher von Nachbargemeinden zur Bearbeitung eines Ortsfamilienbuches benutzt werden.
In Kurzform wird ein Ortsfamilienbuch auch als Familienbuch bezeichnet, dann ist es nicht mit dem Familienbuch nach deutschem Personenstandsrecht zu verwechseln.
Inhaltsverzeichnis
Die Familienrekonstitution als Methode
Die Methode der familienweisen Zusammenstellung der Personen aus Kirchenbüchern, die Familienrekonstitution oder Methode Henry, ist in den 1950er-Jahren in Frankreich veröffentlicht worden und hat zweifellos die Bevölkerungsgeschichte und die Sozialgeschichte in der gesamten Welt befruchtet. Dass im deutschen Sprachraum derartige Arbeiten schon mehrere Jahrzehnte früher und in großer Zahl erschienen waren, war dabei von der internationalen Wissenschaft übersehen worden.
Die Geschichte der Ortsfamilienbücher im deutschen Sprachraum
Bereits im 16. Jahrhundert gingen in einzelnen Orten Seelenregister, die jeweils nur ein zeitlicher Querschnitt der Bevölkerung in einem bestimmten Jahr waren und es in manchen Landschaften (zum Beispiel in Oberösterreich) auch geblieben sind, in fortgeschriebene Familienregister über. 1807 wurde die Führung eines Familienregisters in jeder Gemeinde Württembergs gesetzliche Pflicht. Ab 1920 versuchte Konrad Brandner, die Abstammung der gesamten Bevölkerung der Steiermark in einer Volksgenealogie zu erfassen. Der Reichsnährstand strebte während der Zeit des Nationalsozialismus im Rahmen seiner Blut-und-Boden-Politik an, für jedes Dorf ein Dorfsippenbuch herauszugeben, und organisierte die Kirchenbuchverkartung. Von dieser politischen Zielsetzung unbefrachtet werden seit den 1950er-Jahren von Familiengeschichts- und Heimatforschern Ortssippenbücher beziehungsweise Ortsfamilienbücher in ständig steigender Zahl bearbeitet und herausgegeben.
Praktische Hinweise für die Verfasser von Ortsfamilienbüchern
Heute werden Ortsfamilienbücher in der Regel rechnergestützt erarbeitet. Anstelle der Karteikarte, auf der jede Familie eingetragen wird, bieten Genealogie-Programme Eingabemasken für die Daten an. Die Veränderlichkeit der Familiennamen und die Herstellung der Register können dabei Schwierigkeiten mit sich bringen. Der Verfasser eines Ortsfamilienbuches sollte die Quellen inhaltlich vollständig ausschöpfen. Sie sollten keinesfalls bestimmte Personenkreise (etwa Ortsfremde oder Kinderlose) ausschließen, Berufe und sozialen Stand der Personen angeben und nach Möglichkeit auch Angaben über Besitz- und Eigentumsverhältnisse machen.
Der Aufbau eines Ortsfamilienbuches ist weitgehend normiert: Die Familien sollen in der Regel alphabetisch und dann bezüglich eines Familiennamens chronologisch geordnet werden.
Zur Datensicherung ist stets auch ein Ausdruck aller Familiendaten auf Papier anzuraten und die Hinterlegung in der Deutschen Bibliothek und Zentralstelle.
Literatur
- Michael Frauenberger, Andreas Metzing, Joachim Oepen, Volker Thorey: Empfehlungen für die Auswertung von Kirchenbüchern. (PDF) In: Mitteilungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde e.V.. 3/41/2003. S. 66-71
- Karl Ludwig Jüngst: Erarbeitung und Gestaltung von Einwohnerbüchern. Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienkunde e. V.. (PDF) Saarbrücken
- Günter Junkers: Kritischer Vergleich des Layouts der Computerprogramme, mit denen sich Ortsfamilienbücher ausdrucken lassen. In: Genealogie. 11,12/48/1999. S. 739-754 (dieses gesamte Heft 11/12 befasst sich mit der Gestaltung von Ortsfamilienbüchern)
- Gerd Schmerse: Von der Gedcom-Datei zum Ortsfamilienbuch. In: Computergenealogie Jg. 22 Heft 1 (2007) 23-26.
- Volkmar Weiss: Ortsfamilienbücher. In: Wolfgang Ribbe, Eckart Henning: Taschenbuch für Familiengeschichtsforschung. 13. Auflage. Degener, Neustadt/Aisch 2006, S. 180--199, ISBN 3-7686-1065-9
- Volkmar Weiss, Katja Münchow: Ortsfamilienbücher mit Standort Leipzig in Deutscher Bücherei und Deutscher Zentralstelle für Genealogie. 2. Auflage. Degener, Neustadt/Aisch 1998, ISBN 3-7686-2099-9 (Darin S. 595-609: Kurze Anleitung für die Verfasser eines Ortsfamilienbuches.)
Weblinks
- Arbeitskreis Ortsfamilienbuch in Altbayern
- Ortsfamilienbuch.de - Das Portal zum Thema Ortsfamilienbücher
- Ortsfamilienbücher Online
- Ortsfamilienbücher Mitteldeutschlands Online
- Ortsliste mit Hinweisen auf Familienbücher, Archive und Geschichte der Orte
- Überblick über die bekannten Ortsfamilienbücher (GenWiki)
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