Otto Dickel

Otto Dickel

Johann Otto Eduard Dickel (* 5. Juni 1880 in Darmstadt; † 15. Juni 1944 in Undingen) war ein Turnlehrer und Studienrat und erst Mitglied der DAP und nach der Umbenennung in NSDAP auch deren Mitglied.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Otto Dickel wurde 1880 in Darmstadt als Sohn des Lehrers und Imkers Ferdinand Dickel geboren. Durch sein Studium der Naturwissenschaften gelangte er nach München und reiste zu Studienzwecken u.a. nach Reisen nach China und Indien.

Durch seinen Vater kam er mit der Bienenzucht in Berührung und verfasste mehrere Schriften darüber.

Im Sommer 1909 nahm er als „geprüfter Lehramtscandidat“ eine Stelle am Königlichen Realgymnasium Augsburg an. Dort sollte er zunächst als Assistent, später als Gymnasialturnlehrer für die gesamte Schule den Turnunterricht abhalten. 1914 trat er in den Ersten Weltkrieg ein. Sein eigentliches Fachgebiet, die Naturwissenschaften, konnte er aber nur kurz nach seiner Heimkehr aus dem Krieg 1918 unterrichten.

Otto Dickel gehörte zu Beginn zum rechten Rand des politischen Spektrums. 1920/21 war er Mitglied der NSDAP gewesen. 1921 kam es zu heftigen Streitereien zwischen Adolf Hitler und Dickel, was sogar zum kurzfristigen Austritt Hitlers führte.[1] Anlass für die Streitereien waren Dickels Bemühungen, die DSP mit der NSDAP zu fusionieren, dies jedoch wollte Hitler unter allen Umständen verhindern, da dies eine programmatische Linkswendung der NSDAP nach sich gezogen hätte. Nach Hitlers Wiedereintritt wurde dann Dickel aus der Partei ausgeschlossen.

Zusammen mit Dr. Ludwig Herpel gehörte Dickel zu den geistigen Vätern der Ausgleichskassen-Idee, die er bereits im Winter 1922/1923 veröffentlichte. Die praktische Umsetzung dieses bargeldlosen Verrechnungssystems auf Basis zinsloser Kredite erfolgte 1931 in Rendsburg. Der Erfolg der Ausgleichskasse Rendsburg führte zu Gründungen einer Vielzahl weiterer Ausgleichskassen und ähnlicher Systeme im gesamten damaligen Reichsgebiet. Die Ausgleichskassen wurden 1934 durch das Gesetz gegen den Mißbrauch des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in Deutschland verboten.

Dickel wurde 1934 wegen vermuteter Nähe zu Ernst Röhm vor dem Volksgerichtshof angeklagt. Er überlebte dies aber, da die Anklage anscheinend nicht weiter verfolgt wurde und er somit nur für zehn Monate inhaftiert war.

Nach seiner Haft konnte er im Februar 1936 ans Realgymnasium zurückkehren, wurde aber einen Monat später nach Hof versetzt. Die Stelle in Hof trat Dickel jedoch nicht an, da er 1936 vorzeitig pensioniert wurde. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs zog er in die Nähe von Reutlingen, dort fand Dickel Kontakt zu oppositionellen Kreisen. Da ihm angeblich deswegen die Verhaftung durch die Gestapo drohte, beging er am 15. Juni 1944 Selbstmord.

Gründung von Dickelsmoor

1926 wurde die „Gartenbau-Siedlung Dickelsmoor“ bei Augsburg von Angehörigen der „Deutschen Werkgemeinschaft“ (auch Werkgemeinschaft des Abendländischen Bundes genannt) unter Dickels Vorsitz gegründet. Otto Dickel war Anhänger der ergokratischen Idee und wollte eine „freie unverschuldbare Heimstätte“ bzw. ein „Erblehengut“, das die Volksernährung aus eigener Scholle sicherstellen sollte. In der Laubenkolonie nordöstlich von Augsburg sollte ein Modell von Dickels Siedlungsprogramm entstehen.

Die im März 1921 gegründete, völkisch-antisemitische Werkgemeinschaft war für wirtschaftsfriedliche Kooperation mit den Unternehmern und gegen die angebliche Herrschaft der Juden, jedoch nicht gegen das Judentum. Bis 1923 war diese Gemeinschaft in Augsburg stärker als die NSDAP und entzog dieser sogar Mitglieder.

Naturwissenschaftliche Veröffentlichungen

  • Otto Dickel: Entstehen Drohnen aus befruchteten Eiern? Bienenwirtschaftliches Centralblatt, 40. Jahrg. 1904.
  • Otto Dickel: Die Getreidefliegen. E.Ulmer, Stuttgart 1906.
  • Otto Dickel: Zur Geschlechtsbestimmungsfrage bei den Hymenopteren, insbesondere bei der Honigbiene. Bienenwirtschaftliches Centralblatt Bd. 34. 1914.

Werke

  • Otto Dickel: Die Auferstehung des Abendlandes: Die abendländische Kultur als Ausfluss des planetarischen Weltgefühls; Entwicklung und Zukunft. Gebrüder Reichel, Augsburg 1921.
  • Otto Dickel: Wie es kommt und was wir tun müssen. Selbstverlag, Augsburg 1922.
  • Otto Dickel: Der Schlüssel zum Kerkertor. Zwei Welten Verlag, Stade in Hannover 1923.
  • Otto Dickel: Erkenntnis, Ziel und Weg der Deutschen Werkgemeinschaft. Aufklärungsblätter der „Deutschen Werkgemeinschaft“. 2. Auflage, Zwei Welten Verlag, Stade in Hannover 1926.
  • Otto Dickel: Leitfaden für deutsche Volkswirtschaft, D. W. G.- Volk, Freiheit, Vaterland, Augsburg 1926.
  • Otto Dickel: Steuerfreiheit bringt Arbeit und Brot. Verl. Deutsche Zukunft A. Herpel, Hamburg 1931.
  • Otto Dickel: Arbeitsbeschaffung durch Ausgleichskassen. Th. Eisen, München 1932.
  • Otto Dickel: Wehrkraft und Wirtschaft. Verl. Die Schwertschmiede, Leonberg-Stuttgart 1935.
  • Otto Dickel: Organische Volkswirtschaftslehre. Verl. Die Schwertschmiede, Leonberg-Stuttgart 1937.

Literatur

  • Gerhard Hetzer: Die Industriestadt Augsburg. Eine Sozialgeschichte der Arbeiteropposition. In: Martin Broszat und Hartmut Mehringer (Hrsg.): Bayern in der NS-Zeit. Oldenbourg, München 1977, ISBN 3-486-42381-9, S. 1–234.
  • Hellmuth Auerbach: Regionale Wurzeln und Differenzen der NSDAP 1919-1923. Otto Dickel in Augsburg. In: Horst Möller (Hrsg.): Nationalsozialismus in der Region. Beiträge zur regionalen und lokalen Forschung und zum internationalen Vergleich. Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Sondernummer, Oldenbourg, München 1996, ISBN 3-486-64500-5, S. 65–86.
  • Horst Möller (Hrsg.): Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Sondernummer: Nationalsozialismus in der Region. Oldenbourg, München 1996, ISBN 3-486-64500-5.
  • Mathias Rösch: Die Münchener NSDAP 1925-1933. Eine Untersuchung zur inneren Struktur der NSDAP in der Weimarer Republik. Oldenbourg, München 2002, ISBN 3-486-56670-9.
  • Bernhard Gotto: Die Augsburger Stadtverwaltung im lokalen NS-Herrschaftssystem 1933–1945. Oldenbourg, München 2006, ISBN 3-486-57940-1.
  • Bernhard Grotto: Nationalsozialistische Kommunalpolitik (Gebundene Ausgabe), Verlag Oldenbourg, März 2006, ISBN 3-486-57940-1.
  • Hugo Godschalk: Die geldlose Wirtschaft. Vom Tempeltausch bis zum Barter-Club, Berlin 1986, ISBN 3-88025-413-3

Einzelnachweise

  1. Günther Grünsteudel, Günter Hägele, Rudolf Frankenberger (Hrsg.): Augsburger Stadtlexikon. 2. Auflage. Perlach, Augsburg 1998, ISBN 3-922769-28-4, Seite 351

Weblinks


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