Paneuropäisches Picknick

Paneuropäisches Picknick
Heutiger Grenzübergang an der Gedenkstätte (Juni 2009)

Das Paneuropäische Picknick war eine Friedensdemonstration an der österreichisch-ungarischen Grenze nahe der Stadt Sopron (Ödenburg) am 19. August 1989. Mit Zustimmung beider Länder sollte dabei ein Grenztor an der alten Pressburger Landstraße zwischen Sankt Margarethen im Burgenland und Sopronkőhida (Steinambrückl) in Ungarn symbolisch für drei Stunden geöffnet werden. Bereits am 27. Juni 1989 hatten wenige Kilometer entfernt der damalige österreichische Außenminister Alois Mock und sein ungarischer Amtskollege Gyula Horn symbolisch den der Grenze vorgelagerten Signalzaun durchtrennt, um den am 2. Mai 1989 begonnenen Abbau der Überwachungsanlagen durch Ungarn zu unterstreichen.[1][2]

Inhaltsverzeichnis

Das Geschehen am 19. August 1989

Veranstalter des Picknicks waren Mitglieder des oppositionellen ungarischen Demokratischen Forums und die Paneuropa-Union. Schirmherren waren deren Präsident, der CSU-Europaabgeordnete Otto von Habsburg, und der ungarische Staatsminister und Reformer Imre Pozsgay. Die symbolische Durchtrennung des Stacheldrahtes erfolgte durch die Generalsekretärin der internationalen Paneuropa-Union, Walburga Habsburg Douglas.

Zwischen 600 und 700[3][4] DDR-Bürger nutzten diese kurze Öffnung des Eisernen Vorhangs zur Flucht in den Westen, nachdem sie zuvor durch Flugblätter der Veranstalter auf das Paneuropäische Picknick aufmerksam gemacht worden waren. Die ungarischen Grenzsoldaten reagierten besonnen auf die sich anbahnende Massenflucht und schritten nicht ein. Dabei tat sich vor allem der damals leitende Grenzoffizier Árpád Bella hervor. Mangels eindeutiger Anweisungen seiner Vorgesetzten wies er seine Grenzbeamten an, die direkt vor ihren Augen vorbeigehenden illegalen Grenzgänger schlicht zu ignorieren. Damit verstieß er gegen seine Dienstpflicht und riskierte eine Haftstrafe, verhinderte aber eine andernfalls fast zwangsläufig blutige Eskalation der Situation. Ein später hinzukommender Vorgesetzter versuchte noch hektisch, einzelne DDR-Bürger persönlich aufzuhalten, konnte aber angesichts der Masse an illegalen Übertritten nichts ausrichten.

Zudem warteten tausende DDR-Bürger etwas weiter entfernt auf ihre Chance zum Grenzübertritt, da sie nicht an die Öffnung der Grenze glaubten und den Vorgängen nicht trauten. Deshalb blieb auch die Zahl derer, die die Grenze an diesem Tag in Richtung Westen passierten, auf einige hundert beschränkt. In den Folgetagen wurde die Bewachung der ungarischen Westgrenze auf Geheiß der ungarischen Regierung verstärkt[5], so dass nur noch verhältnismäßig wenigen die Flucht nach Österreich gelang[6], ehe Ungarn am 11. September 1989 seine Grenzen für DDR-Bürger endgültig öffnete.

Historische Einordnung

Das Paneuropäische Picknick gilt als wesentlicher Meilenstein der Vorgänge, die zum Ende der DDR und zur deutschen Wiedervereinigung führten.[7] Jährlich am 19. August finden Gedenkfeiern an der Stelle des Grenzdurchbruchs statt.

Zum Paneuropäischen Picknick diktierte Erich Honecker dem Daily Mirror folgende Erklärung: „Habsburg verteilte Flugblätter bis weit nach Polen hinein, auf denen die ostdeutschen Urlauber zu einem Picknick eingeladen wurden. Als sie dann zu dem Picknick kamen, gab man ihnen Geschenke, zu essen und Deutsche Mark, dann hat man sie überredet in den Westen zu kommen.“

Gedenkstätte

Denkmal der Aufnahme

An der Stelle, wo seinerzeit das Grenztor von den Flüchtlingen durchbrochen wurde, erinnert heute ein Kunstwerk ungarischer Künstler, welches eine sich öffnende Türe darstellt.

1996 wurde in Fertőrákos nahe Sopron eine zehn Meter hohe Edelstahlplastik der Bildhauerin Gabriela von Habsburg errichtet. Sie symbolisiert ein aufgestelltes Stück Stacheldraht, das aus der Ferne die Form eines Kreuzes hat.

2004 wurde im Garten des Ungarischen Malteser Hilfsdienstes in Zugliget, einem Teil des 12. Budapester Gemeindebezirkes Hegyvidék, das Denkmal der Aufnahme errichtet. In der Zeit vom 14. August bis 14. November 1989 lebten in dem hier errichteten Lager die DDR-Flüchtlinge.[8]

Literatur

  • Gyula Kurucz (Hrsg.): Das Tor zur deutschen Einheit. Grenzdurchbruch Sopron 19. August 1989. edition q im Quintessenz-Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-86124-529-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ö1-Abendjournal vom 27. Juni 1989
  2. "So viel Anfang vom Ende", Die Presse, 20. Juni 2009
  3. Geschichte der Paneuropa-Union
  4. Europa - 1989 geteilt, 2009 geeint (BMeiA): Paneuropäisches Picknick: Ungarn öffnet Grenzen
  5. Ö1-Mittagsjournal vom 26. August 1989
  6. Ebd. Der Österreichische Rundfunk berichtete etwa am 26. August dagegen von jeweils über einhundert geglückten Fluchtversuchen am Tag
  7. spiegel.de: Der erste Stein
  8. Ungarn gedenkt Aufnahme von DDR-Flüchtlingen von Pater Imre Kozmar abgerufen am 10. Mai 2009
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