Parallelprojektion

Parallelprojektion
Prinzip der Parallelprojektion

Die Parallelprojektion ist ein Grenzfall der Zentralprojektion. Die Projektionsstrahlen sind zueinander parallel, das Projektionszentrum „befindet sich im Unendlichen“, das heißt, es ist ein Fernpunkt.

Den Bildpunkt eines beliebigen Punktes im Raum erhält man dadurch, dass man die Parallele zur Projektionsrichtung durch diesen Punkt mit der Projektionsebene zum Schnitt bringt. Geraden werden durch eine Parallelprojektion im Allgemeinen wieder auf Geraden abgebildet. Das gilt jedoch nicht für Parallelen zur Projektionsrichtung, da diese in Punkte übergehen. Die Bildgeraden von parallelen Geraden sind - soweit definiert - ebenfalls parallel zueinander. Die Länge einer Strecke bleibt nur dann erhalten, wenn diese parallel zur Projektionsebene verläuft; in allen anderen Fällen erscheinen Strecken in der Projektion verkürzt. Auch die Größe eines projizierten Winkels stimmt normalerweise nicht mit der Größe des ursprünglichen Winkels überein. Aus diesem Grund wird ein Rechteck im Allgemeinen auf ein Parallelogramm abgebildet, aber nur in Ausnahmefällen auf ein Rechteck. Ähnliches gilt für Kreise, die im Allgemeinen in Ellipsen übergehen.

Kavalierprojektion eines Würfels

Im Allgemeinen treffen die Projektionsstrahlen schräg auf die Projektionsfläche: schräge oder schiefe Parallelprojektion (ein Beispiel ist die Kavalierprojektion).

Am häufigsten wird die orthogonale (auch orthographische) Parallelprojektion angewendet. Hier treffen die Projektionsstrahlen im rechten Winkel auf die Projektionsebene. Auf dieser Projektion beruhen die technischen Zeichnungen der Ingenieure und Architekten, wobei der Sonderfall dominiert, dass eine der drei Hauptebenen der oft würfelförmigen technischen Gegenstände parallel zur Projektionsfläche ist (Dreitafelprojektion). Um Zeichnungen mit räumlichem Eindruck zu erstellen, wird diese Parallelität aufgehoben. Die Gegenstände werden geneigt. Je nach Neigungswinkel(n) entstehen zum Beispiel Isometrien oder Dimetrien. Die so erhaltenen Bilder werden oft fälschlicherweise als Bilder in Kavalierperspektive angesehen.

Die orthogonale Parallelprojektion entspricht einer Fotografie mit einem telezentrischen Objektiv oder näherungsweise einer Fotografie aus großer Entfernung, vorteilhaft mit einem Teleobjektiv aufgenommen..

Inhaltsverzeichnis

Berechnung von Bildpunkten

Soll ein Punkt P auf eine Ebene E:~\vec{n}\cdot\vec{x}-d=0 mittels einer Parallelprojektion mit der Projektionsrichtung \vec{v} abgebildet werden, so ist der Bildpunkt von P der Schnittpunkt der Geraden g durch P mit dem Richtungsvektor \vec{v}.

g:~\vec x = \overrightarrow{OP}+\lambda\vec{v},~\lambda\in\mathbb{R}

Lässt man Ebene und Gerade schneiden, so ergibt sich für den Parameter λ:

\lambda = \frac{d-\overrightarrow{OP}\cdot\vec{n}}{\vec{n}\cdot\vec{v}}

Setzt man diesen in die Gerade g ein, so erhält man den Schnittpunkt dieser mit E und damit den Bildpunkt P'.

\overrightarrow{OP'} = \overrightarrow{OP} + \frac{d-\overrightarrow{OP}\cdot\vec{n}}{\vec{n}\cdot\vec{v}}\cdot\vec{v}

Um die Projektion mit einer Matrixmultiplikation darstellen zu können, sind folgende Überlegungen nötig:

Eine Abbildung, welche eine Projektion eines Raumes auf einen echten Unterraum darstellt, erhält man über das Matrizenprodukt der Matrix, welche aus einer Orthonormalbasis des Unterraumes besteht, mit ihrer Transponierten:

M = A \cdot A^T

Eine Projektion auf den komplementären Unterraum erhält man mit

M' = IM.

Benutzt man nun den (normierten) Normalenvektor \vec{n} (der einen Unterraum der Dimension 1 aufspannt) der Ebene von oben, und projiziert auf den Komplementärraum, so projiziert man auf die Projektionsebene.

M' = I - n \cdot n^T

Da so nur Projektionen auf Unterräume, nicht aber auf affine Unterräume möglich sind, muss man, bevor man projiziert, den zu projizierenden affinen Raum auf den Ursprung verschieben und danach eine Rücktranslation durchführen.

Synthetische Geometrie

In der synthetischen Geometrie spielt die Parallelprojektion einer Geraden in einer affinen Ebene auf eine andere Gerade der gleichen Ebene eine grundlegende Rolle. Die Definition lautet hier: Sei A eine affine Ebene und seien g und h verschiedene Geraden der Ebene aufgefasst als Mengen der auf ihr liegenden Punkte. Eine bijektive Abbildung \pi : g \rightarrow h heißt Parallelprojektion von g auf h, wenn gilt:

  1. Schneiden sich g und h in einem Punkt S, dann gilt π(S) = S
  2. Für zwei verschiedene Punkte P, Q\in g, die nicht zu h gehören, gilt stets
P\pi(P)\parallel Q\pi(Q).

Ergänzend wird aus formalen Gründen definiert: Für g = h ist die identische Abbildung die einzige Parallelprojektion.

Eigenschaften und Bedeutung

Die wichtigsten formalen Eigenschaften der so definierten Parallelprojektionen zwischen Geraden einer beliebigen, aber hier fest gewählten affinen Ebene:

  • Jede Parallelprojektion der Ebene ist umkehrbar und ihre Umkehrabbildung ist eine Parallelprojektion.
  • Zu zwei beliebigen Geraden g,h der Ebene existiert stets eine Parallelprojektion \pi:g\rightarrow h.
  • Diese Parallelprojektion ist die Identität, falls g = h ist.
  • Für g\neq h ist eine solche Parallelprojektion durch ein einziges Punkt-Bildpunktpaar (P,π(P)) eindeutig bestimmt, sofern P nicht der Schnittpunkt der Geraden ist.
  • Wählt man zwei Punkte P\in g, P'\in h, die beide nicht Schnittpunkte der Geraden g und h sind, dann existiert genau eine Parallelprojektion von g auf h, die P auf P' abbildet.
  • Die Komposition von zwei Parallelprojektionen der Ebene, \pi_{12} : g_1 \rightarrow g_2,\, \pi_{23} : g_2 \rightarrow g_3, \pi_{23}\circ\pi_{12}: g_1 \rightarrow g_3 ist stets eine bijektive Abbildung, aber sie ist im allgemeinen keine Parallelprojektion.

Der Begriff der Parallelprojektion erlaubt es, den Begriff der Affinität auf nichtdesarguesche affine Ebenen zu verallgemeinern. Allgemein wird definiert:

Eine Kollineation \alpha: A\rightarrow A auf einer affinen Ebene heißt Affinität, wenn für jede Gerade g\subset A die Einschränkung \left. \alpha\right|_g : g\rightarrow \alpha (g) durch eine endliche Komposition von Parallelprojektionen darstellbar ist.

Durch diese Definition und die formalen Eigenschaften der Parallelprojektionen bilden die verallgemeinerten Affinitäten eine Untergruppe der Gruppe aller Kollineationen auf der affinen Ebene. Die ergänzende Definition für Parallelprojektionen, mit der die identische Abbildung der Ebene zu einer Affinität wird, sichert die Existenz wenigstens einer Affinität. Es ist nicht bekannt, ob es affine Ebenen gibt, auf denen die identische Abbildung die einzige Affinität ist.

Affinitäten erben durch ihre Definition und die formalen Eigenschaften der Parallelprojektionen alle Invarianzeigenschaften der Parallelprojektionen:

In einer affinen Ebene, die dem affinen Fano-Axiom genügt, ist die Mitte von zwei Punkten invariant unter Parallelprojektionen und daher auch unter Affinitäten.

In einer affinen Translationsebene gilt

  • Sind drei kollineare Punkte (T,P,Q) kommensurabel, dann sind es auch ihre Bilder unter jeder Parallelprojektion und jeder Affinität.
  • Der Streckungsfaktor und das Teilverhältnis von drei verschiedenen kollinearen und kommensurablen Punkten sind invariant unter Parallelprojektionen und Affinitäten.

Da umgekehrt jede teilverhältnistreue Kollineation auf einer desargueschen Ebene die verallgemeinerte Definition einer Affinität erfüllt, sind für desarguesche Ebenen genau die teilverhältnistreuen Kollineationen Affinitäten. Eine desarguesche Ebene ist stets isomorph zu einer Koordinatenebene über einem Schiefkörper und eine affine Translationsebene mit der Zusatzeigenschaft, dass kollineare Punkte stets kommensurabel sind.

Damit fällt der verallgemeinerte Begriff „Affinität“ für desarguesche Ebenen mit dem aus der analytischen Geometrie gewohnten zusammen.

Beispiel

Eine Translation in einer affinen Inzidenzebene ist stets eine Affinität im Sinne der verallgemeinerten Definition (vgl. den Hauptartikel Affine Translationsebene). Allerdings existieren auch affine Inzidenzebenen, die außer der Identität keine weitere Translation zulassen.

Literatur

Darstellende Geometrie:

  • Kurt Peter Müller: Raumgeometrie: Raumphänomene - Konstruieren - Berechnen. Mathematik-ABC für das Lehramt. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Teubner, Stuttgart/Leipzig/Wiesbaden 2004, 2. Kapitel, 2.2.3, S. 38ff (Schiefe Parallelprojektion).
  • Eduard Stiefel: Lehrbuch der darstellenden Geometrie. In: Lehrbücher und Monographien aus dem Gebiete der exakten Wissenschaften. Mathematische Reihe. 2. veränderte Auflage. Band 6, Birkhäuser, Basel/Stuttgart 1960 (Ausführliche und anwendungsnahe Darstellung der senkrechten Parallel- und speziell Dreitafelprojektion).

Synthetische Geometrie:

  • Wendelin Degen und Lothar Profke: Grundlagen der affinen und euklidischen Geometrie. In: Mathematik für das Lehramt an Gymnasien. 1. Auflage. Teubner, Stuttgart 1976, ISBN 3-519-02751-8.

Zur Geschichte des Begriffes:

  • Jeremy Gray: Worlds out of nothing. A course in the history of geometry of the 19th Century. 1. Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2007, ISBN 978-0-85729-059-5, 1. Kapitel.
  • Gaspard Monge: Géométrie descriptive. 7. Auflage. Paris 1847 (Erste systematische Behandlung der Dreitafelprojektionen und der Parallelprojektion im allgemeinen, Erstauflage 1811).
  • Guido Schreiber: Lehrbuch der darstellenden Geometrie. nach Monge's Géométrie descriptive. 1. vollständig bearbeitete Auflage. Herder, Karsruhe und Freiburg 1928 (Stark überarbeitete deutsche Übersetzung des Lehrbuchs von G. Monge).

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