Parallelwelt

Parallelwelt

Der Begriff Parallelwelt oder Paralleluniversum bezeichnet eine Welt oder ein Universum, das außerhalb des bekannten Universums existiert. Die Gesamtheit aller Parallelwelten wird als Multiversum bezeichnet. Parallelwelten sind vor allem aus der Science-Fiction bekannt, ihre theoretische Möglichkeit wird jedoch auch in Bereichen der Physik diskutiert. In einem übertragenen Sinne wird der Begriff auch in der Psychologie und in den Gesellschaftswissenschaften verwendet.[1]

Inhaltsverzeichnis

Die Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik

Hauptartikel: Viele-Welten-Interpretation

Die Viele-Welten-Interpretation ist eine Interpretation der Quantenmechanik, die 1957 erstmals vorgeschlagen wurde. Als solche zielt sie darauf ab, zu erklären, weshalb sich die Wahrscheinlichkeiten zur Messung jedes Messwerts in einem quantenmechanischen System zu jeder Zeit genau vorhersagen lassen, jedoch im allgemeinen nicht das Ergebnis einer einzelnen Messung. Eine Variante der Viele-Welten-Interpretation basiert auf dem Gedanken, das beobachtbare Universum sei nur ein Teil der gesamten Wirklichkeit, die aus vielen nebeneinander existierenden Welten besteht, in denen quantenmechanische Einzelmessungen andere Resultate ergeben.

Im Zusammenhang mit dieser Interpretation der Quantenmechanik führte Andy Nimmo den Begriff des Multiversums[2] 1969/61. Nach seiner Definition ist das Multiversum „ein offensichtliches Universum, von dem eine Vielzahl das gesamte Universum bilden“. Den Ausdruck Multiversum verwendete David Deutsch in einer wissenschaftlichen Arbeit für die Gesamtheit aller möglichen Universen aller Zeiten, das beobachtbare Universum eingeschlossen, – er vertauschte also bewusst die ursprünglichen Bedeutungen von Universum und Multiversum. Andere Wissenschaftler, die keine Etymologen waren, griffen dann das Wort auf und nahmen die populäre Neudefinition an.

Theorien zum Urknall

Die Bildung des Universums aus einer „Blase“ eines Multiversums wurde von Andrei Dmitrijewitsch Linde erdacht und passt gut in die weithin akzeptierte Theorie der Inflation im Frühstadium des Universums. Sie wird auch von Alexander Vilenkin vertreten.

Die Theorie eines Multiversums zielt auf eine Erklärung für die genaue Feinabstimmung der Naturkonstanten ab. Jedes einzelne Universum hat beliebige Werte für seine jeweiligen Naturkonstanten (z. B. Feinstrukturkonstante, Gravitationskonstante, …). In den meisten Universen ist wegen der ungünstigen Werte kein Leben möglich – in anderen jedoch schon. Das beobachtbare Universum gehört zu der Teilmenge von Universen, in denen intelligentes Leben möglich ist, sonst könnten wir diesen vermeintlichen Zufall nicht beobachten. Der letztgenannte Gedankengang ist als anthropisches Prinzip bekannt.

Psychologie

In der Psychologie wird der Begriff der Parallelwelt manchmal verwendet, um Verhaltensweisen der Realitätsflucht zu bezeichnen. So können Menschen mit Hilfe der Phantasie unerfüllbare Sehnsüchte, Wünsche oder Bedürfnisse imaginär ausleben oder unerträgliche Situationen verdrängen, indem sie sich Parallelwelten bzw. „Ersatzwirklichkeiten“ schaffen. In der Parallelwelt denkt sich der Phantasierende in eine oder mehrere virtuelle, gewünschte Rollen hinein, kommuniziert mit den darin lebenden Personen und schafft eine Umgebung, in der die realen Hemmnisse für seine Sehnsüchte nicht mehr vorhanden sind.

Dies ist bis zu einem gewissen Grade normal und als Ausgleich zu Stresserfahrungen sogar hilfreich für die psychische Regeneration und Entspannung – wie ja auch der Traum, auf den der Mensch ebenfalls nicht verzichten kann, als Parallelwelt angesehen werden kann. Im Zuge von Persönlichkeitsstörungen können Phantasiewelten jedoch auch problematische Ausmaße annehmen, vor allem dann, wenn diese Welten bedeutender werden als die eigentliche Realität, wie es beim Eskapismus der Fall ist. Auch Medienangebote wie Fernsehen, Computerspiele oder das Internet können hierbei eine Rolle spielen.

Parallelwelten in den Bildenden Künsten

In Filmen wird das Konzept eines Multiversums oft umgesetzt durch den Übergang von der realen in eine Traumwelt (Der Zauberer von Oz), oder durch die Darstellung von alternativen Handlungssträngen ("Was wäre, wenn...?"); Beispiele dafür sind Werke wie Butterfly Effect, Lola rennt, Ist das Leben nicht schön? und Zurück in die Zukunft.

Literatur

  • Carr, Bernard (Hrsg.): Universe or Multiverse?. Cambridge University Press, 2007, ISBN 978-0-52-184841-1.
  • Adams, Fred: Leben im Universum, Stuttgart, Dt. Verl.-Anst., 2004
  • Adams, Fred/Laughlin, Greg: Die fünf Zeitalter des Universums; Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart-München, 2000
  • Barrow, John: Der Ursprung des Universums - Wie Raum, Zeit und Materie entstand, München, C. Bertelsmann 1998
  • Deutsch, David Die Physik der Welterkenntnis, DTV München, 2000 (Titel der englischen Ausgabe: Fabric of Reality, 1997)
  • Deutsch, David: Die Welt ist bizarr. In: Der Spiegel. Nr. 11, 14. März 2005 (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-39694676.html).
  • Ferris, Timothy: Chaos und Notwendigkeit, Report zur Lage des Universums, München, Droemer, 2000
  • Guth, Alan: Die Geburt des Kosmos aus dem Nichts - Die Theorie des inflationären Universums, München, Droemer 1999
  • Hürter, Tobias/ Rauner, Max: Die Welt der anderen, in: Zeit Wissen 2008, Nr. 2, S. 40-47
  • Hürter, Tobias/Rauner, Max: Die verrückte Welt der Paralleluniversen, Piper, München/Zürich, 2010
  • Kaku, Michio: Im Paralleluniversum: Eine kosmologische Reise vom Big Bang in die 11. Dimension (Übersetzer: Hainer Kober), Rowohlt, 2005, ISBN 978-3499619489
  • Randall, Lisa: Verborgene Universen - Eine Reise in den extradimensionalen Raum, S.Fischer Verlag, Frankfurt Nov. 2006 (3.Aufl.), ISBN 978-3-10-062805-3
  • Rauner, Max: Aus! Die Physik steckt in der Krise: Der Traum von der Weltformel ist geplatzt, die neuen Theorien sind kaum mehr überprüfbar, www.zeit.de/2006/05/Kosmologie
  • Vaas, Rüdiger: Inflation der Universen. In: Bild der Wissenschaft. 11/2005.
  • Vaas, Rüdiger: Tunnel durch Raum und Zeit, Franckh-Kosmos, Stuttgart 2006 (2. Aufl.)
  • Sundmacher, Ingo: Von Quanten und unsterblichen Soldaten, UB Tübingen 2002 (Multiversum als inhaltlich-stilistische Grundlage im Werk des zeitgenössischen dänischen Autors Ib Michael) [1]
  • Weinberg, Steven: Living in the Multiverse, Eröffnungsvortrag bei dem Symposium Expectations of a Final Theory, Trinity College, Cambridge, 2. September 2005, hep-th/0511037
  • Wolf, Fred Alan: Parallele Universen - Die Suche nach anderen Welten, Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 1993

Siehe auch

  • DC-Multiversum, ein Beispiel für meist ähnliche Paralleluniversen im Bereich der Comic-Literatur

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Multiversum – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Zum Beispiel schrieb Der Spiegel 2010 in einem Kommentar: Als Augsburger Bischof vertrat Walter Mixa eine Kirche, wie sie sich Papst Benedikt XVI. wünscht: fundamentalistisch, Rom ergeben, rückwärtsgewandt. Der Staat muss sich fragen, wie lange er eine katholische Parallelwelt dieses Zuschnitts noch alimentieren will.]
  2. siehe „Multiverse“ in der englischsprachigen Wikipedia mit Interwiki-Links in zahlreiche Sprachen.

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