Inflation (Kosmologie)

Inflation (Kosmologie)

Als kosmologische Inflation wird eine Phase extrem rascher Expansion des Universums bezeichnet, von der man annimmt, dass sie unmittelbar nach dem Urknall stattgefunden hat.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Je nach zugrunde liegenden Annahmen begann sie zwischen 10−43 s, d. h. der Planck-Zeit, und damit dem Beginn des Urknalls selbst, und 10−35 s und dauerte bis zu einem Zeitpunkt zwischen 10−33 s und 10−30 s nach dem Urknall. In dieser Zeit soll sich das Universum um einen Faktor zwischen 1030 und 1050 ausgedehnt haben. Dennoch hätte der Bereich des heute sichtbaren Universums danach nur einen Durchmesser der Größenordnung 1 m gehabt. Anschließend setzte das Universum seine Expansion im Rahmen des Standard-Urknall-Modells wie von den Friedmann-Gleichungen beschrieben fort.

Die Hypothese von dieser inflationären Expansion wurde 1981 von Alan H. Guth vorgeschlagen und ist kein Element des ursprünglichen Urknallmodells. Anlass war die Feststellung, dass die relativistische Kosmologie zur Erklärung einiger fundamentaler Beobachtungen (siehe unten) eine Feinabstimmung („fine tuning“) von kosmologischen Parametern erfordert, die ihrerseits wiederum einer Erklärung bedurfte. Die Inflationshypothese bietet einen physikalischen Mechanismus, aus dem sich einige grundlegende Eigenschaften des Universums zwanglos ergeben.

Danach ist die Ursache dieser Expansion die Zustandsänderung eines skalaren Feldes mit einem extrem flachen Potential. Dieses Inflatonfeld genannte skalare Feld hat eine Zustandsgleichung mit negativem Druck. Nach der Allgemeinen Relativitätstheorie führt dies zu einer abstoßenden Kraft und damit zu einer Ausdehnung des Universums. Die Zustandsänderung des Feldes während der inflationären Phase ist mit einem Phasenübergang 1. Ordnung vergleichbar. Im Rahmen der großen vereinheitlichten Theorie werden die Bedingungen, unter denen der Phasenübergang auftritt, durch Higgs-Felder bestimmt.

Die Annahme einer derartigen inflationären Expansion erscheint einerseits willkürlich, andererseits löst sie elegant mehrere größere kosmologische Probleme:

  • Das heute sichtbare Universum enthält überall im Wesentlichen ähnliche Strukturen. Andererseits besteht es aus Gebieten, die bei einer Standard-Expansion erst sehr spät kausal miteinander in Wechselwirkung treten konnten, da sie sich unmittelbar nach dem Urknall zunächst mit Überlichtgeschwindigkeit voneinander entfernt haben. Die beobachtete Homogenität des Universums und der kosmischen Hintergrundstrahlung wird daher als Horizontproblem bezeichnet und ist im Rahmen einer Standard-Expansion nicht erklärbar. Bei Existenz einer inflationären Expansion dagegen hätten alle Bereiche des heute sichtbaren Universums vor dieser Inflation bereits vorübergehend in Wechselwirkung gestanden.
  • Der Bereich des heute sichtbaren Universums weist keine messbare Raumkrümmung auf. Im Rahmen einer Standard-Expansion wäre dazu unmittelbar nach dem Urknall eine extrem exakte Abstimmung von Materiedichte und kinetischer Energie erforderlich gewesen, für die es keine Erklärung gibt. Für den Fall einer inflationären Expansion dagegen wäre die beobachtete Flachheit des Raumes lediglich eine Folge seiner ungeheuren Ausdehnung, da das heute sichtbare Universum nur einen winzigen Ausschnitt repräsentieren würde.
  • Die Inflations-Hypothese erklärt darüber hinaus die Dichtefluktuationen, aus denen die Galaxien und Galaxienhaufen hervorgegangen sind, als Folge von Quantenfluktuationen des Inflatonfeldes. Die extreme Expansion vergrößerte diese Fluktuationen auf entsprechend makroskopische Größe, was eine Standard-Expansion nicht in ausreichendem Maße hätte leisten können.
  • Nach gewissen Theorien sollten beim Urknall auch magnetische Monopole entstanden sein, die sich jedoch bis heute einem experimentellen Nachweis entzogen haben. Während einer inflationären Expansion hätte die Teilchenzahldichte dieser Monopole jedoch dermaßen abgenommen, dass die Wahrscheinlichkeit, im Bereich des heute sichtbaren Universums einzelne zu finden, äußerst gering wäre – in Übereinstimmung mit der experimentellen Datenlage.

Felddynamik

Zur Erklärung der Dynamik der Inflation wird ein skalares Quantenfeld benötigt, welches räumlich homogen ist und eine endliche Energiedichte aufweist. Wenn sich das Feld zeitlich genügend langsam ändert (nämlich in Richtung einer Verringerung der Energiedichte), so hat es negativen Druck und verhält sich effektiv wie eine kosmologische Konstante, führt also zu einer beschleunigten Expansion des Universums. Die Expansion ist exponentiell, wenn die Energiedichte des Quantenfeldes die dominante Komponente im Universum darstellt. Derzeit ist kein konkreter Kandidat für dieses Quantenfeld bekannt. Die Bezeichnung für ein Quantenfeld, das inflationäre Expansion bewirkt, ist Inflatonfeld mit dem Inflaton als Vermittlerteilchen.

Der niedrigste Energiezustand des Inflatonfeldes kann von Null verschieden sein, muss es aber nicht. Das hängt von der als Parameter vorgegebenen Dichte der potenziellen Energie des Feldes ab. Vor der Expansionsperiode war das Inflatonfeld in einem höheren Energiezustand. Zufällige Quantenfluktuationen lösten einen Phasenübergang aus, wobei das Inflaton seine potenzielle Energie in Form von Materie und Strahlung abgab, als es in den niedrigeren Energiezustand wechselte. Dieser Vorgang erzeugte eine abstoßende Kraft, die die Ausdehnung des Universums beschleunigte.

Ein einfaches Modell für ein Inflatonfeld Φ ist durch das Potential

Veff(Φ,T) = λ | Φ | 4b | Φ | 3 + aT2 | Φ | 2

gegeben, wobei die Temperaturabhängigkeit durch die Wechselwirkung mit den thermischen Fluktuationen der übrigen Teilchen und Felder im Universum zustande kommt. Bei hoher Temperatur hat dieses Potential ein einziges Minimum bei | Φ | = 0. Sinkt die Temperatur durch die Expansion des Universums unter eine erste kritische Temperatur T1, so erscheint ein zweites lokales Minimum der Potentialfunktion bei |\Phi|\neq 0. Zunächst hat das Potential bei diesem sekundären Minimum einen höheren Wert als in dem globalen Minimum Φ = 0, in dem sich das Feld befindet. Wenn die Temperatur aber einen zweiten kritischen Wert T2 unterschreitet, so hat das Potential im sekundären Minimum einen niedrigeren Wert als im primären Minimum. Man bezeichnet das globale Minimum der Potentialfunktion als das wahre Vakuum und das lokale Minimum als das falsche Vakuum.

Um vom falschen in das energetisch bevorzugte wahre Vakuum überzugehen, muss das Feld eine Energiebarriere überwinden, dies ist durch den quantenmechanischen Tunneleffekt möglich. Da sich auch bei einer Expansion des Weltraums die Energiedichte des falschen Vakuums nicht ändert, vorausgesetzt der quantenmechanische Tunnelprozess läuft genügend langsam ab, muss der Druck des falschen Vakuums negativ sein und führt gemäß den Friedmann-Gleichungen zu einer exponentiellen Expansion.

Entstehung aus dem Nichts?

Die Theorie des inflationären Universums ist eine Theorie, die auch Ereignisse vor dem Urknall berücksichtigt. Durch die gigantische Ausdehnung könnte das gesamte Universum theoretisch aus einer verschwindend geringen Masse (< 10 kg) mit sehr geringer Ausdehnung entstanden sein; allerdings bedarf es aufgrund des falschen Vakuumzustands einer extrem hohen Dichte. Diese These ist allerdings hochspekulativ, gibt aber eine mögliche Erklärung unter Berücksichtigung heutiger physikalischer Gesetzmäßigkeiten, auch wenn die Theorie des falschen Vakuumzustands bis heute nicht verstanden ist.

Weiterführende Theorien, die sich mit der Entstehung aus dem Nichts beschäftigen, sind unter den Begriffen der Vakuumfluktuationen (Tryon) oder des quantenmechanischen Tunnelprozesses (Vilenkin) bekannt geworden.

Ausblick

Die Hypothese von einer inflationären Expansion ist ein Forschungsgebiet, auf dem noch zahlreiche Varianten diskutiert werden. Insbesondere ist die Natur der Teilchen bzw. Felder, die den erforderlichen Vakuumzustand verursacht haben könnten, noch völlig ungeklärt.

Ob es in der Frühzeit unseres Universums tatsächlich eine inflationäre Phase gab, muss durch Beobachtungen entschieden werden; dies ist Gegenstand aktueller Forschung. Derzeitige Beobachtungen etwa der Temperaturschwankungen in der kosmischen Hintergrundstrahlung durch die US-amerikanische Raumsonde WMAP sind mit der Inflationshypothese kompatibel, erlauben aber noch kein abschließendes Urteil.

Die derzeitige beschleunigte Expansion des Universums, auf die insbesondere aus Beobachtungen von weit entfernten Supernovae geschlossen wird, wird auf das Vorhandensein von Dunkler Energie mit negativem Druck zurückgeführt und damit auf einen physikalischen Mechanismus, der dem der eigentlichen Inflation in der Frühzeit des Universums verwandt ist. Jedoch ist noch immer umstritten, ob die vorliegenden Daten tatsächlich als beschleunigte Expansion interpretiert werden können.

Zitat

„Laut Inflationstheorie sind die mehr als hundert Milliarden Galaxien, die im All wie himmlische Diamanten schimmern, nichts als Quantenmechanik, die in großen Buchstaben an den Himmel geschrieben wurde. Für mich ist diese Erkenntnis eines der größten Wunder des modernen wissenschaftlichen Zeitalters.“

Brian Greene[1]

Siehe auch

Literatur

  • Alan H. Guth: Die Geburt des Kosmos aus dem Nichts – Die Theorie des inflationären Universums, Knaur Verlag, München 1999
  • Alan H. Guth, Paul J. Steinhardt: Das inflationäre Universum, Spektrum der Wissenschaft, 7/1984
  • Jonathan J. Halliwell: Quantenkosmologie und die Entstehung des Universums, Spektrum der Wissenschaft, 2/1992, S. 50
  • Rüdiger Vaas: Hawkings neues Universum, Franckh-Kosmos-Vlg., Stuttgart 2008, ISBN 978-3-440-11378-3
  • Ulf von Rauchhaupt: Der letzte Horizont, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 5. September 2010, S. 62,65

Einzelnachweise

  1. Brian Greene: Der Stoff, aus dem der Kosmos ist, ISBN 388680738X, S. 349

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