Pathologe

Pathologe

Als Pathologie wird in der Medizin die Erforschung und Lehre von der Herkunft (Ätiologie), der Entstehungsweise (Pathogenese), der Verlaufsform und der Auswirkungen von krankhaften bzw. abnormen Einzelphänomenen (Symptomen) oder Symptomverbänden (Syndromen) sowie von Missbildungen aller Art verstanden, einschließlich dabei feststellbarer (Körper)vorgänge (Pathomechanismus, Pathophysiologie). Eine kürzere Definition erklärt die Pathologie als „Lehre von den abnormen und krankhaften Vorgängen und Zuständen im Körper („pathologische Anatomie“) und deren Ursachen“. Pathologisch im medizinischen Fachjargon soviel wie „krankhaft“, aber auch „krankheitsbezogen“. Der Name stammt von griech. πάθος, páthos, „Leiden(schaft)“, logos „das Wort“ oder „Vernunft“, „Sinn“. Die Pathologie als die Fachrichtung der Leidensforschung, des Krankheitsverlaufes.

Die Pathologie als medizinisch-diagnostische Fachrichtung (Facharztausbildung) wird traditionell und aus methodischen Gründen in Form einer Pathobiologie betrieben. Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit den morphologisch[1] fassbaren krankhaften Veränderungen des Körpers. Als solche besteht sie in einer naturwissenschaftlichen und auf den Körper bezogenen Krankheitsforschung und Krankheitslehre. Die pathologische Routine- und Sektionsdiagnostik beruht in erster Linie auf der Beurteilung der makroskopischen (pathologische Anatomie) und lichtmikroskopischen Aspekte (Histopathologie, Zytologie) von Geweben, sowie im Zuge des wissenschaftlich-technischen Fortschritts zunehmend unter Einbeziehung biochemischer und molekularbiologischer Methoden (Bsp.: Nachweis veränderter Enzymaktivitäten oder veränderter Proteinexpression mit zum Beispiel Immunfluoreszenz oder Immunhistochemie). In der Forschung spielt zusätzlich die Elektronenmikroskopie (ultrastrukturelle Pathologie) eine Rolle.

Naturgemäß entziehen sich dem Pathologen Vorgänge und Prozesse, die nur am Lebenden beobachtet oder gemessen werden können (Organfunktion, subjektive Beschwerden des Patienten, funktionelle Beschwerden ohne fassbares organisches Korrelat). Danach richten sich auch die Fragestellungen des klinisch tätigen Arztes an den Pathologen.

Gemäß der einleitenden Definition und im weiteren Sinne wird der Begriff Pathologie bzw. die Vorsilbe „Patho-“ in der gesamten Medizin für krankhafte oder abnorme Befunde und Vorgänge genutzt, beispielsweise spricht man von einem „pathologischen EKG“ oder von der Psychopathologie als der Lehre von den krankhaften seelischen Veränderungen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtliches

Der griechische Begriff παθολογία (Pathologia) findet sich erstmalig beim griechischen Arzt Galenos (129–201). Er leitet sich ab von den Wörtern πάθος, páthos - Leiden(schaft), die Sucht, das Pathos, die Krankheit und λόγος, lógos - das Wort, die Vernunft, Lehre, bedeutet also soviel wie „Die Lehre von den Leiden“ (heute wird der Begriff im Griechischen allerdings v.a. für die Innere Medizin benutzt).

In ihrer heutigen Form geht die Pathologie auf den italienischen Forscher Giovanni Battista Morgagni (1682–1771) zurück, der mit seinem fünfbändigen Werk De sedibus et causis morborum („Vom Sitz und den Ursachen der Krankheiten“) im Jahre 1761 den Grundstein für die wissenschaftlichen Forschungen legte.

Bereits im Altertum wurden in Ägypten und Griechenland Leichenöffnungen durchgeführt, die aber mehr der anatomischen Bildung dienten. Erst mit Ende des 18. Jahrhunderts wurden auf Grund des zunehmenden Verständnisses für die Bedeutung der Leichenschau erste Fachvertreter, die eigens für die Sektionen verantwortlich waren, bestellt. Der erste sogenannte Prosektor (lat. prosecare: vorschneiden) begann 1796 am Wiener Allgemeinen Krankenhaus seine Arbeit. Der erste Lehrstuhl für Pathologie wurde 1819 in Straßburg eingerichtet (Jean-Frédéric Lobstein, 1777–1835). Als Prüfungsfach wurde Pathologie im Jahre 1844 in Wien eingeführt.

1858 entwickelte Rudolf Virchow die Zellularpathologie, die nun auf der Ebene von Körperzellen pathologische Veränderungen untersuchte. Diese ist ein Hauptbestandteil des heute gültigen Krankheitskonzepts.

Qualitätssicherung in der Medizin

Die Pathologie ist ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung in der Medizin. Um den medizinischen Standard zu halten und zu verbessern, wird oft eine kollegiale Konfrontation der Ärzteschaft mit der kontrollierenden Diagnostik des Pathologen gefordert, nicht nur während des Lebens des Patienten, sondern auch nach dessen Tod.

Die Pathologie kann oft Auskunft über die Art der Erkrankung und den Schweregrad geben. Insbesondere im Fall von Krebserkrankungen bei der Fragestellung „gutartig oder bösartig?“ ist meist ein Pathologe gefragt. Es wird der Typ, die Größe, die Ausdehnung und die Bösartigkeit eines Krebses begutachtet. Außerdem wird bei einem Krankheitsverlauf bzw. Operation mit Todesfolge von Pathologen die richtige Therapie, Behandlung bzw. das richtige Handeln des Arztes am Patienten kontrolliert.

Nach operativer Entfernung eines Organs oder Entnahme eines kleinen Gewebsstückes (Biopsie) bzw. von Zellproben (Zytologie) durch einen Arzt, wird das entsprechende Gewebe vom Pathologen untersucht. Kleine Bioptate werden direkt zu Schnittpräparaten (histologischen Präparaten) weiterverarbeitet, welche unter dem Mikroskop betrachtet werden. Große Präparate werden zunächst präpariert und mit dem Auge (makroskopisch) beurteilt. Auffällige Bestandteile mit möglichen krankhaften Veränderungen werden aus dem Präparat herausgeschnitten und wiederum vom Labor zu Schnittpräparaten verarbeitet.

Eine weitere Aufgabe des Pathologen besteht in der Durchführung von Obduktionen und der Beurteilung von histologischen Schnittpräparaten unter dem Mikroskop (Lichtmikroskop). Die zuletzt genannte Aufgabe steht, im Gegensatz zur makroskopischen Sektion (syn. Autopsie, Obduktion), heutzutage im Vordergrund. Moderne Verfahren, wie zum Beispiel die Immunhistochemie, kommen in der lichtmikroskopischen Diagnostik zum Einsatz.

Häufig wird die Pathologie mit der Rechtsmedizin verwechselt, welche sich mit der Klärung unnatürlicher Todesursachen beschäftigt. Sowohl für Pathologen als auch für Rechtsmediziner ist es einigermaßen ärgerlich, wenn in Fernsehkrimis und im allgemeinen Sprachgebrauch stets nur von „Pathologen“ die Rede ist, wo eigentlich ein Rechtsmediziner am Werk ist. Der geläufige Irrtum erklärt sich aus einer Fehlübersetzung: Im amerikanischen Sprachgebrauch entspricht der Rechtsmediziner dem forensic pathologist.

Teilgebiete der Pathologie

Nach der Art der Untersuchung unterscheidet man:

  • Pathologische Anatomie: Die Untersuchung krankhafter Gewebsveränderungen aller Art; viele davon sind zum Beispiel bei einer Obduktion schon mit bloßem oder unbewaffnetem Auge zu sehen. Der Begründer der Pathologischen Anatomie ist Giovanni Battista Morgagni aus Forlì (Italien).
  • Histopathologie: Verfahren der mikroskopischen Krankheitsdiagnostik an gefärbten Gewebeschnitten, welches vor allem zur sicheren Erkennung von Tumoren angewendet wird (siehe auch Histologie).[2]
  • Zytopathologie (auch Cytopathologie): Verfahren zur mikroskopischen Diagnose von Krebs an Zellen, anstelle von Geweben (Histopathologie). Dazu werden von einer verdächtigen Stelle des Körpers Zellen entnommen. Dies geschieht an Schleimhäuten (Auge, Mund, Speiseröhre, Gallengänge, Gebärmutterhals, Penis, After) mithilfe von kleinen Bürstchen oder Spateln. Aus Knoten in inneren Organen (Speicheldrüsen, Schilddrüse, Lungen, Mittelfell, Leber, Bauchspeicheldrüse, Prostata) werden Zellen mit dünnen (0,75 mm) Nadeln abgesaugt. Auch in Körperflüssigkeiten (Auswurf, Rückenmarksflüssigkeit, Urin, Körperhöhlenflüssigkeiten) lassen sich mikroskopisch Krebszellen nachweisen, sofern die entsprechenden Hohlorgane von Tumoren befallen sind. Die zellhaltigen Abstriche, Punktate oder Sedimente von Flüssigkeiten werden auf einen Glasobjektträger aufgebracht, gefärbt und von einem Pathologen unter dem Mikroskop begutachtet. Vorteile der Diagnostik an Zellen anstelle von Geweben ist, dass deren Entnahme in der Regel unblutig und schmerzlos ist. Gelingt eine sichere Diagnose aufgrund des mikroskopischen Zellbildes alleine nicht, lassen sich an den Zellen weiterführende Methoden anwenden, wie DNA-Zytometrie, Immunzytochemie[3] oder Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FisH).[4] Das bekannteste zytopathologische Verfahren ist die mikroskopische Untersuchung von Abstrichen vom Muttermund zur Früherkennung eines Gebärmutterhalskrebses (sog. Pap-Test; G. Papanicolaou, 1928).[5] Weiter sind Feinnadelpunktionen zur Abklärung von Knoten in der Schilddrüse und den Speicheldrüsen oder die Untersuchung von Urin auf Krebszellen bekannt.[6]

Jede organische Struktur zeigt spezifische pathologische Veränderungen. Ihre Erforschung konstituiert einen eigenen Teilbereich der Pathologie, so dass beim Nervensystem beispielsweise von Neuropathologie die Rede ist. Generell hat jede Organismusform ihre eigene Pathologie, die derart unterschiedlich ist, dass die Tiermedizin einen von der Humanmedizin getrennten Bereich darstellt (der seinerseits schon einen Sonderbereich wie die Zahnmedizin aufweist).

Daneben gibt es verschiedene, teilweise historisch bedingte allgemeinere und eher theoretische Betrachtungsweisen in der Pathologie wie etwa die Humoralpathologie, Solidarpathologie, Zellularpathologie, Relationalpathologie oder Neuralpathologie.

Siehe auch

Anatomie, Rechtsmedizin, Obduktion, Histologie, Pathologisierung

Quellen

  1. Werner Hueck: Morphologische Pathologie. Eine Darstellung morphologischer Grundlagen der allgemeinen und speziellen Pathologie, 2. Aufl. Leipzig 1948
  2. http://www.bv-pathologie.de
  3. Immunzytochemie: Verfahren zur Identifizierung einzelner verschleppter (metastasierter) Tumorzellen in Lymphknoten, Knochenmark oder Körperhöhlen-Ergüssen und zur Typisierung von Tumorzellen durch färberischen Nachweis spezifischer Eiweiße mithilfe einer Antigen-Antikörper Reaktion. Mit Enzymen oder dem Hühnereiweiß Avidin gekoppelte, meist monoklonale Antikörper binden spezifisch an die gesuchten Eiweiße, die als Antigene wirken. Das Enzym bewirkt eine Farbstoffreaktion, mit welcher die Bindungsstellen in der Zelle sichtbar gemacht werden. Häufige Anwendungen sind der Nachweis von metastatischen Tumorzellen in Körperhöhlen-Ergüssen oder Lymphknoten und die Typisierung von Tumoren in der Lunge, der Bauchspeicheldrüse oder der Leber.
  4. Unter Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung versteht man die farbliche Markierung bestimmter Abschnitte der Erbsubstanz DNA im Mikroskop. Wenn diese mit Fluoreszenzlicht erfolgt, spricht man von Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH). Das Verfahren wird vor allem in der Krebsdiagnostik angewendet, um Verluste oder Gewinne ganzer Chromosomen oder ihrer Teile (chromosomale Aneuploidie) in einzelnen Zellkernen nachzuweisen. Biologische Grundlage ist die Tatsache, dass die meisten Tumorzellen charakteristische Störungen der Chromosomenzahl oder ihrer Struktur aufweisen (chromosomal aneuploid sind). Gefärbte DNA-Sonden binden dabei (hybridisieren) an spezifische Chromosomen oder deren Segmente. Sobald die Zahl der Signale pro Zellkern von zwei (je ein väterliches und ein mütterliches Chromosom) abweicht, liegt ein krankhafter Befund vor. FISH kann an Zellen und Gewebsschnitten angewendet werden. Anwendungsbeispiele sind die Erkennung einzelner Tumorzellen im Urin, in Körperhöhlenergüssen oder Bronchialsekreten. Chromosomale Aneuploidie bedeutet: Fehlerhafter Chromosomensatz in Zellkernen durch Verluste oder Gewinne ganzer Chromosomen oder ihrer Teile. Normal sind 46 Chromosomen pro Zelle, 23 stammen vom Vater und 23 von der Mutter. Durch Aneuploidie kann eine gesunde Zelle zur Krebszelle werden.
  5. Pap-Test: Von dem in die USA ausgewanderten Griechen George Papanicolaou 1928 entwickeltes Verfahren zur Früherkennung des Gebärmutterhalskarzinoms an Abstrichen vom Muttermund. Der Test wird in Deutschland seit 1971 für jede Frau über 21 Jahre einmal pro Jahr von den Krankenkassen bezahlt.
  6. Vergleiche zum Beispiel http://www.sanfte-krebsdiagnostik.de sowie andere Seiten.

Literatur

  • Pathologie. Böcker, Denk, Heitz. ISBN 3-437-42381-9
  • Allgemeine und spezielle Pathologie. Riede, Schaefer. ISBN 3-13-129684-4
  • Allgemeine Pathologie; Spezielle Pathologie. Büttner, Thomas. ISBN 3-7945-1840-3
  • Robbins & Cotran Pathologic Basis of Disease. Kumar, Fausto, Abbas. Seventh Edition (2004) ISBN 0-7216-0187-1
  • Pathologie verstehen. Molekulare Grundlagen der allgemeinen Pathologie. Oberholzer ISBN 3-13-129041-2
  • Medizin am Toten oder am Lebenden? Pathologie in Berlin und in London 1900-1945. Cay-Rüdiger Prüll. Schwabe Verlag, Basel 2004 (Zitat aus einer Rezension: „...ein entscheidender Beitrag zur Rolle der Pathologie im gesellschaftlichen Raum“)
  • Surgical Pathology. Rosai and Ackerman, 9th Edition, Mosby, 2004
  • Pathologie. Remmele (Hrsg.). ISBN 3-540-61095-2
  • Böcking, Alfred: Mit Zellen statt Skalpellen (Sankt Augustin 2006), ISBN 3-86541-177-0

Weblinks


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