- Per procurationem
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Eine Trauung per Stellvertreter war eine besondere Zeremonie der Trauung in Abwesenheit des Bräutigams. Ein Stellvertreter des Bräutigams (ein Gesandter bzw. Diplomat) vollzog „per procurationem“ dabei formell die Eheschließung.
So wurde z. B. 1489 die 13-jährige Anna von Bretagne dem deutschen Kronprinzen Maximilian angetraut. Dabei entblößte sein Gesandter, Wolfgang von Pollheim, in Gegenwart des gesamten bretonischen Hofes sein Bein bis zu den Knien und schob es in das Bett der schlafenden Prinzessin. Damit galt die Ehe auch als vollzogen.[1] Diese wurde später mit päpstlichem Dispens aus dynastischen Gründen für ungültig erklärt.
Ein weiteres jüngeres Beispiel zeigt, dass diese Praxis - wenn auch weniger spektakulär - auch im ausgehenden 17. Jahrhundert noch üblich war. Herzog Johann II. von Jülich und Berg gedachte nach dem Tode seiner ersten Frau, Erzherzogin Maria Anna Josepha († 1687), sich neu zu vermählen. Daher schickte er 1691 den Freiherrn von Wachtendonk nach Florenz zur Brautwerbung. Dort sollte dieser die Tochter des Großherzogs der Toskana, Cosimo III. de Medici, Anna Maria Louisa de’ Medici, für ihn werben. Nachdem die Werbung Erfolg hatte, vertrat ihr Bruder, der Erbprinz Ferdinando de Medici, am 29. April 1691 den Bräutigam bei der vorläufigen Hochzeit in Florenz, die am 5. Juni 1691 in Ulm an der Donau mit der regelrechten Hochzeit abgeschlossen wurde.[2]
Selbst im 18. Jahrhundert fanden weitere Trauungen per procurationem statt. Marie Antoinette war wohl eines der prominentesten Beispiele. Am 19. April 1770 fand die Trauung in der Wiener Augustinerkirche statt. Auch hier vertrat der Bruder, in diesem Fall Erzherzog Ferdinand, den eigentlichen Bräutigam. Nach der Reise nach Frankreich fand erst am 16. Mai die eigentliche Vermählung von Marie Antoinette und dem Dauphin Louis Auguste, dem späteren Ludwig XVI. in der Schlosskapelle von Versailles durch den Erzbischof von Reims statt.[3]
Siehe auch
- Caroline Mathilde von Hannover
- Henrietta Maria von Frankreich
- Ferntrauung, Handschuhehe, Stellvertreterhochzeit
Literatur
- Uthmann, Jörg von: Die Diplomaten. Affären und Staatsaffären von den Pharaonen bis zu den Ostverträgen, München 1988, insb. S. 107.
Einzelnachweise
- ↑ Uthmann, Jörg von: Die Diplomaten. Affären und Staatsaffären von den Pharaonen bis zu den Ostverträgen, München 1988, S. 107. Vgl. auch: Maike Vogt-Lüerssen: Margarete von Österreich: Die burgundische Habsburgerin und ihre Zeit, Books on Demand 2004, S. 167f., ISBN 978-3833403781
- ↑ Franz Gruss: Geschichte des Bergischen Landes, NA Bücken & Bücken: Bergisch Gladbach 2007, S. 247.
- ↑ Peter C. Hartmann (Hg.): Französische Könige und Kaiser der Neuzeit. Von Ludwig XII. bis Napoleon III. 1498-1870, 2. Aufl. Beck: München 2006, S. 276f. ISBN 3-406-54740-0
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