- Peter Andreas Hansen
-
Peter Andreas Hansen (* 8. Dezember 1795 in Tondern (Schleswig); † 28. März 1874 in Gotha) war ein deutscher Astronom und Geodät, der seine wissenschaftliche Tätigkeit als Amateurforscher begann. Bekannt ist er u.a. für seine Arbeiten in Astrometrie und mathematischer Geodäsie.
Inhaltsverzeichnis
Hansens Kindheit und Jugend
Peter Andreas Hansen war der einzige Sohn aus der ersten Ehe des Gold- und Silberschmiedes Nicolay Hansen (1755–1835) in Tondern. Peter Andreas zeichnete sich schon frühzeitig durch besondere Fähigkeiten und physikalisches Interesse aus. Er lernte sehr leicht Mathematik, Fremdsprachen und das Spielen von Musikinstrumenten. Gern hätte er eine höhere Schule besucht, doch verhinderte der frühzeitige Tod seiner Mutter Anna Henriette (1760–1808) zunächst diese Pläne.
Hansen erlernte die Uhrmacherkunst in Flensburg und etablierte sich 1819 als Uhrmacher in Tondern. Mehr oder weniger zufällig erkannte der Hausarzt Dr. Peter Dircks die Fähigkeiten des jungen Mannes und empfahl ihn seinem Freund Heinrich Christian Schumacher für eine wissenschaftliche Laufbahn. So fuhr Hansen nach Kopenhagen und erhielt 1821 eine Arbeitsmöglichkeit bei der von Schumacher geleiteten dänischen Gradmessung in Holstein sowie 1822 an dessen Sternwarte in Altona. 1823 schrieb er die ersten eigenen Veröffentlichungen in den von Schumacher gegründeten Astronomischen Nachrichten. Als die Stelle Franz Enckes an der Sternwarte Gotha durch seine Berufung nach Berlin vakant wurde, empfahlen ihn Schumacher, Olbers und Gauß für diese Position.
Hansen als Direktor der Seebergsternwarte
Ankunft in Gotha
1825 wurde er als Direktor der Sternwarte Seeberg bei Gotha berufen. Er reiste über Celle und Göttingen nach Gotha. Dort traf er Franz Encke noch an, der nun die Berliner Sternwarte übernahm. Hansen bekam im Rahmen der Stiftung des Herzogs Ernst II. (Sachsen-Gotha-Altenburg) nur ein mäßiges Gehalt, aber eine sehr gut ausgerüstete Sternwarte. Die von ihm aufgestellte Inventarliste zeigte den umfangreichen Bestand an astronomischen Instrumenten.
Hansen als astronomischer Beobachter
Hansens erste Beobachtungen in Gotha galten dem Kometen 1825 III. Er konnte dabei die Leistungsfähigkeit der Gothaer Instrumente kennenlernen. Als gelernter Mechaniker stellte er die Erkenntnisse zusammen und veröffentlichte sie als Theorien der einzelnen Geräte. Es folgten laufend weitere Beobachtungen zur Bahnbestimmung der planetaren Körper und vor allem des Mondes als Grundlagen seiner Störungstheorien.
Später konstruierte er auch ein Äquatoreal, das er für seine neue Sternwarte bei Fa. Repsold & Söhne in Hamburg bauen ließ.
Hansen als theoretischer Astronom
Aus den Beobachtungen der beweglichen Himmelskörper leitete er deren Bahnelemente ab und wandte sich der Berechnung der erkennbaren Störungen dieser Bewegungen zu. Er entwickelte dabei allgemeingültige Lösungen, die er ab 1829 in Gotha veröffentlichte. Sein Spezialgebiet wurden schließlich die Bewegung des Mondes. Dadurch verbesserte er die Theorie der Störungen. Dabei verwendete er die nach ihm benannten Hansen-Koeffizienten.
Diese Arbeiten zur Mondtheorie gipfelten schließlich in seinem Hauptwerk Tables de la lune d'après le principe Newtonien de la gravitation universelle, die im Auftrag der britischen Regierung 1857 in London herausgegeben wurden. Dieses für die Navigation zunächst unersetzliche Werk wurde von ihm, da in Gotha dazu nicht die Möglichkeiten bestanden, in England mit mehreren Rechnern und in Zusammenarbeit mit George Biddell Airy, dem Leiter der Sternwarte Greenwich, erstellt.
Hansen als Geodät
Hansen hatte bereits unter Schumachers Leitung an geodätischen Arbeiten in Dänemark und auf Helgoland teilgenommen. 1837 erhielt er den Auftrag die Gothaer Lande zu vermessen. Auch hier wirkte er sowohl bei der praktischen Arbeit als auch bei der Theorie der Messungen mit. Die sog. „Hansensche Aufgabe“ wurde eine Standardmethode der trigonometrischen Punktbestimmung in der Geodäsie. Hansen stand mehrere Jahre der permanenten Kommission der europäischen Gradmessung vor und war auch Mitglied der deutschen Kommission zur Beobachtung des Venusdurchgangs im Jahr 1874.
Hansen verließ die Seebergsternwarte
Der zunehmende Verfall der abgelegenen und der Witterung stark ausgesetzten Sternwarte veranlasste Hansen, einen Umzug in die Stadtnähe zu beantragen. 1839 konnte die Familie Hansen in ein eigenes Haus am Südrande der Stadt Gotha umziehen. Hier richtete sich Hansen eine Interimssternwarte mit Meridiankreis und astronomischer Uhr ein. Hier wuchsen dann auch seine Kinder, drei Töchter und vier Söhne, auf und hier entstanden seine wichtigsten theoretischen Werke.
Hansen hatte einen etwas schwierigen Charakter. Als Autodidakt hatte er sich einen eigenen Arbeitsstil entwickelt, was manchmal zu ungewöhnlichen Lösungen und Ausdrücken führte. An richtig Erkanntem hielt er fest und verteidigte seine Meinung. Er hatte aber eine ganze Reihe von Freunden und Mitarbeitern, die zum Teil länger in Gotha blieben. Es seien hier nur B. A. Gould (1824–1896) aus Cambridge, Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793–1864) und Otto Wilhelm von Struve (1819–1905) aus Pulkowo, George Biddell Airy (1801–1892) aus Greenwich und Johann Littrow (1781–1840) aus Wien genannt. Wilhelm Scheibner (1826–1908) arbeitete von 1848–1853 als Schüler und Assistent bei Hansen in Gotha. Später gab er als Professor für Mathematik in Leipzig die Schriften Hansens heraus.
Familiär ergaben sich daraus neue Verbindungen. So heiratete seine Tochter Emma (1836–1892) den Pulkowoer Astronomen August Wagner (1828–1886), der seinen gesamten zweijährigen Auslandsaufenthalt in Gotha verbrachte. Seine Tochter Marie (1829–1925) heiratete den amerikanischen Schriftsteller und Diplomaten Bayard Taylor (1825–1878). In ihrem autobiografischen Roman Aus zwei Weltteilen schilderte sie das Leben im Hause Hansen. So auch, dass dem Vater im höheren Lebensalter das Geschwätz seines Friseurs so auf die Nerven ging, dass er seine Haare nicht mehr schneiden ließ (siehe Foto oben). Die Tochter Ida (1844–1873) heiratete den Hamburger Mechaniker und Instrumentenbauer Johann Adolph Repsold (1838–1919).
Der umfangreiche Briefwechsel Hansens befindet sich im Staatsarchiv Hamburg und harrt noch der wissenschaftlichen Aufarbeitung. Zahlreiche Hanseniana besitzt die [1]Universitäts- und Forschungsbibliothek Gotha.
Seinem zunehmenden wissenschaftlichen Bekanntheitsgrad und seiner Arbeit bei der geodätischen Erschließung des Gothaer Landes ist es wohl zu verdanken, dass der Gothaer Landtag der Errichtung einer neuen Sternwarte im Stadtgebiet Gothas zustimmte.
Gothas Neue Herzogliche Sternwarte
In den fünfziger Jahres des 19. Jahrhunderts begannen die Vorbereitung des Baus einer neuen Sternwarte in Gotha, die nach Hansens Plänen beste Möglichkeiten für einen praktischen und theoretischen Astronomen bieten sollte. Man verwendete dazu die Steine des Meridiansaals der Seeberg-Sternwarte und der ehemaligen Grotte des Parks des Schlosses Friedrichstal.1859 war der Neubau abgeschlossen.
Ein neuer astronomischer Musterbau
Neben einem geräumigen Wohnhaus, das auch Arbeits- und Vortragsräume für die wissenschaftliche Arbeit enthielt, entstand ein achteckiger Turm mit drehbarer Kuppel, ein Meridiansaal und als Besonderheit auch einen Beobachtungraum im ersten Quartal. Die instrumentelle Ausrüstung konnte aus den bisherigen Beständen zusammengestellt werden. Nur für den Turm entwarf Hansen ein neues Instrument, ein Äquatoreal. Hansen verbesserte die Beobachtungsmethoden durch Einführung der elektrischen Zeitnahme. Damit war in Gotha wieder ein Musterbau eines astronomischen Observatoriums entstanden. Hansen hatte die Arbeitsweise ganz auf astrometrische Forschungen ausgerichtet, so dass das Observatorium keine Möglichkeiten für die aufkommende astrophysikalische Forschung bot.
Lokale Ehrungen Hansens
Hansen wurden in den letzten Jahren viele Ehrungen zu teil. Er wurde Ehrendoktor der Universität Jena und Mitglied vieler Akademien. In Gotha war er als Geheimer Hofrat für Vermessungsfragen Mitglied der Regierung.
Peter Andreas Hansen starb am 28. März 1874. Seine Beisetzung erfolgte unter reger Anteilnahme der Bevölkerung. In Gotha ist sein Grabstein im Ehrenhain des Hauptfriedhofes erhalten. Es gibt eine Hansenstraße und eine Hansenschule.
1995 wurde auf dem Großen Inselsberg ein Gedenkstein für die geodätische Bedeutung der Vermessungen Hansens errichtet.
Dem Testament Herzog Ernsts II. von Sachsen-Gotha und Altenburg entsprechend sollte die Gothaer Sternwarte das einzige öffentliche Denkmal seines Lebens sein. Hansen ließ daher über dem Eingang des Observatoriums eine Schrifttafel mit einem lateinischen Text anbringen Im Jahre 2007 wurde die durch Kriegseinwirkungen beschädigte Schrifttafel mit Mitteln der Kulturstiftung Gotha wieder restauriert der Öffentlichkeit übergeben. Der Text lautet nun wieder:
SPECULA ERNESTINA IN VICINO MONTE OLIM CONDITA AB ERNESTO II: D.G. ET A.
MDCCCLVII
OPPORTUNIORE LOCO NUNC REST. AB ERNESTO II. D.C. ET G.(Ernestinische Sternwarte, auf benachbartem Berge einst gestiftet von Ernst II. Herzog von Gotha und Altenburg, nun an günstigerer Stelle wiederhergestellt durch Ernst II. Herzog von Coburg und Gotha, 1857)
Am 18. April 2007 weihte die Gesellschaft Deutscher Verein für Vermessungswesen neben dem Eingang des Wohngebäudes eine gestiftete Tafel mit Würdigung der astronomischen und geodätischen Tätigkeit Hansens ein.
Auszeichnungen
- 1850: Copleymedaille
- 1860: Goldmedaille der Royal Astronomical Society
- 1866: korrespondierendes Mitglied der Accademia dei Lincei in Rom
- 1866: Pour le mérite für Wissenschaften und Künste
Werke
- Ausführliche Methode, mit dem Fraunhoferschen Heliometer Beobachtungen anzustellen. Gotha (1827)
- Untersuchungen über die gegenseitigen Störungen von Jupiter und Saturn. Berlin (1831)
- Ermittelung der absoluten Störungen in Ellipsen von beliebiger Excentricität und Neigung. Gotha (1843)
- Auseinandersetzung einer zweckmäßigen Methode zur Berechnung der absoluten Störungen der kleinen Planeten. Abt. 1-3. Leipzig (1856-59)
- Fundamenta nova investigationis orbitae verae, quam luna perlustrat. Gotha (1838)
- Tables de la lune. London (1857)
- Darlegung der theoretischen Berechnung der in den Mondtafeln angewandten Störungen. 2 Tle. Leipzig (1862-64)
- Die Theorie des Äquatoreals. Leipzig (1855)
- Theorie der Sonnenfinsternisse und verwandter Erscheinungen. Leipzig (1858)
- Störungen der großen Planeten: besonders des Jupiters. Leipzig (1875)
Literatur
- Hansen, Peter Andreas, in: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck, Band 11, Neumünster 2000, S. 150-153; mit ausführlichen Nachweisen neuerer Literatur
- Manfred Strumpf. Gothas astronomische Epoche. Horb am Neckar: Geiger, 1998. ISBN 3-89570-381-8.
- Felix Lühning. „...Eine ausnehmende Zierde und Vortheil“. Geschichte der Kieler Universitätssternwarte und ihrer Vorgängerinnen 1770–1950. Zwei Jahrhunderte Arbeit und Forschung zwischen Grenzen und Möglichkeiten. Neumünster: Wachholtz, 2007 (Habilitationsschrift, Fachbereich Mathematik der Universität Hamburg 2002). S.89–91.
- Karl Christian Bruhns: Hansen, Peter Andreas. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 10, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 535–541.
- Julius Dick: Hansen, Peter Andreas. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, S. 630 f.
Weblinks
- Literatur von und über Peter Andreas Hansen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Hansen, Peter Andreas, in Dansk biografisk Lexikon, band 7, 1893
Wikimedia Foundation.