42. Sinfonie (Haydn)

42. Sinfonie (Haydn)

Die Sinfonie Nr. 42 D-Dur komponierte Joseph Haydn im Jahr 1771.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

In unmittelbarer Nachbarschaft zur 42. Sinfonie (1771) entstanden die Sinfonien Nr. 43 und Nr. 44, möglicherweise auch Nr. 51, Nr. 52 und Nr. 65 (1771/73).[1] Es ist Haydns zehnte Sinfonie in der damals beliebten Tonart D-Dur.[2] Bekannt ist das Werk durch die Streichung von drei Takten im 2. Satz mit der Bemerkung Haydns „Dieses war vor gar zu gelehrte Ohren“. Von Bedeutung ist zudem die Form des 4. Satzes für die Entwicklung des „Variationsrondos“ (siehe bei den jeweiligen Sätzen).

Zur Musik

Besetzung: zwei Oboen, zwei Hörner in D; zwei Violinen, Viola, Cello, Kontrabass. (Ein) Fagott und Cembalo wurden damals üblicherweise ohne gesonderte Notierung zur Unterstützung des Basses hinzugezogen, wobei über die Beteiligung des Cembalos in der Literatur unterschiedliche Auffassungen bestehen.[3] - Nur im 4. Satz schreibt Haydn in Takt 21 „2 Fagotti“ vor und fügte später „o Violoncelli“ hinzu, was bei den Abschriften des Werkes zu Verwirrung führte (bspw. ist in der Wiener Abschrift, die nur eine Fagott-Stimme aufweist, hier die Stimme des 2. Fagotts dem Cello zugewiesen). Möglicherweise hat Haydn die im 1773er-Katalog von Breitkopf & Härtel und auch im „Kees-Katalog“ angeführten Trompeten und Pauken, die nicht im Autograph notiert sind, nachträglich hinzugefügt.[4]
Aufführungszeit: ca. 25-30 Minuten (je nach Einhalten der vorgeschriebenen Wiederholungen)

Bei den hier benutzten Begriffen der Sonatensatzform ist zu berücksichtigen, dass dieses Schema in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entworfen wurde (siehe dort) und von daher nur mit Einschränkungen auf die Sinfonie Nr. 42 übertragen werden kann. – Die hier vorgenommene Gliederung der Sätze ist als Vorschlag zu verstehen. Je nach Standpunkt sind auch andere Abgrenzungen und Deutungen möglich.

1. Satz: Moderato e maestoso

D-Dur, 4/4-Takt (alla breve), 224 Takte
Der Satz beginnt mit einem Akkordschlag im Forte und einer Streicherantwort im Piano. Diese besteht aus zwei charakteristischen „Kratzfüßen“ (eine Vorschlagsfigur) und einer anschließenden „höflichen Verbeugung“ mit betonten Vorhalten (Begriffe nach Gabmayer[5]). Das viertaktige, etwas theaterhafte, aber auch marschartige Thema wird einmal wiederholt und mit einem Lauf im Forte-Unisono abgeschlossen, jedoch in Takt 12 erneut in einer Fortspinnung aufgegriffen. Obwohl bereits im Forte beginnend, erfolgt hier eine weitere Steigerung durch zunehmende „Beschleunigung“ in den Notenwerten (anfangs in den Bläsern, dann in den Violinen) und durch die aufsteigende Melodielinie, die in Takt 18 mit dem hohen d der 1. Violine ihren Kulminationspunkt erreicht. Dieser wird vier Takte lang mit Synkopen und Triolen betont, dann in mit wiederholten Sechzehnteln in einer rasanten Unisonopassage in einem Umfang von zweieinhalb Oktaven stufenweise wieder abwärts geführt. Lessing (1989)[2] bewertet dies als „kompositorisch glänzende, wahrhaft majestätische Satzeröffnung“, und auch Gabmayer[5] lobt: „eine bemerkenswerte dynamische Studie Haydns!“

In Takt 26 ff. folgt ohne Zäsur das zweite Thema im Piano der Dominante A-Dur, das je nach Sichtweise aufgrund seines motivartigen Charakters z. B. auch als „kleiner lyrischer Überleitungsgedanke“[2] angesehen werden kann. Kernelement ist ein zweitaktiges Motiv mit Achtelfigur und Vorhalt (aus der „höflichen Verbeugung“ des ersten Themas ableitbar) in Halben Noten, das in den Streichern versetzt auftritt und aus zwei jeweils zweitaktigen „Frage-Antwort“ – Einheiten besteht.

Ab Takt 34 wiederholt die 1. Violine die Achtelfigur, während 2. Violine und Viola eine aufsteigende Linie in Ganzen Noten spielen. Haydn baut hier unter Weglassung des Basses erneut eine Spannung auf, die in Takt 41 in einen sechstaktigen Orgelpunkt des Horns / des „hohen“ Basses auf E mündet, unterlegt von einem Wechsel einer Pendelfigur und einem Sechzehntel-Lauf abwärts. Weitere kleinere Motive schließen sich an: im Bass eine gebrochene Akkordfigur abwärts über Streichertremolo (Takt 47-51), ein absteigendes Motiv der Violinen mit Chromatik (Takt 51-54) und eine aufsteigende, sangliche Legato-Figur der Oboen (von den Streichern im Tremolo begleitet) mit Schlusswendung (Takt 55-65).

Kurz vor dem Ende der Exposition folgt ab Takt 65 noch ein einprägsames, echohaft wiederholtes „schnippisches Liedchen“[5] der Streicher, beantwortet von einem warm-sanglichen Tutti mit stimmführenden Oboen. Je nach Sichtweise kann diese Passage als drittes Thema angesehen werden. Die Exposition endet in Takt 81 mit einem gebrochenen A-Dur – Septakkord und wird einmal wiederholt.

Die Durchführung (Takt 82-132) beginnt überraschenderweise mit dem „Kratzfuß“ im Fis-Dur – Forte, die Bewegung verebbt jedoch und bricht in Takt 88 mit einer Generalpause inklusive Fermate vollständig ab. Daraufhin setzt in einer Scheinreprise das erste Thema in der Tonika D-Dur ein, gefolgt von einer geheimnisvoll-nebeligen Modulationspassage, die von G-Dur zum entfernten Cis-Dur und zurück führt (Takt 93-107). Nach einer weiteren Verarbeitung der „Kratzfüße“ und einer chromatischen Passage mit Tremolo der Violinen und charakteristischen Sprüngen im Bass schließt sich ab Takt 124 die Rückleitung zur Reprise an.

In der Reprise (Takt 133 ff.) sind die Hörner und Oboen im ersten Thema nun von Anfang an beteiligt, die Oboen auch stimmführend. Nach der Wiederholung des Themas folgt ein „träumerischer Einschub, als wollte Haydn die anfängliche Verbeugung bis zum Aberwitz übertreiben, bis sie schließlich irgendwo in der Luft hängen bleibt und erstarrt.“[5] Die Vorhaltsfiguren der „Verbeugung“ werden dann im Tutti dialogisch fortgeführt und gehen in Takt 160 in das zweite Thema über, das gegenüber der Exposition auf 18 Takte erweitert ist. Mit dem plötzlichen Wechsel zum Forte und dem Hinzutreten der Bläser bekommt der Abschnitt durchführungsartige Züge. Die übrige Reprise verläuft ähnlich der Exposition. Der Satz endet mit einer D-Dur-Fanfare im Fortissimo (Takt 219 ff.). Durchführung und Reprise werden einmal wiederholt. Finscher (2000)[6] spricht von einem „dramatisch erregten“ und „sehr klar gegliederten Sonatensatz“.

2. Satz Andantino e cantabile

A-Dur, 3/8-Takt, 167 Takte, Streicher mit Dämpfern
Das erste Thema hat einen ausgesprochen sanglichen (Satzbezeichnung: „cantabile“), ruhigen Charakter und zeigt mit jeweils vier Takten Vorder- und Nachsatz einen periodischen Aufbau. Es wird von den Streichern mit stimmführenden 1. Violinen vorgetragen, wobei der ganze Satz durch die Dämpfung der Violinen eine nebelig-verhangene Klangfarbe bekommt. Das Thema wird nun dreimal variiert wiederholt: in der Tonika A-Dur (Takt 9 ff.), in der Dominante E-Dur (Takt 17 ff.) und in der Doppeldominante H-Dur, wobei die Variation von Mal zu Mal stärker wird.

Das zweite Thema (eher: Motiv) folgt – wie im 1. Satz – ohne Zäsur ab Takt 34. Es besteht aus einer zweitaktigen ab-auf – Bewegung von 1. Violine und Bass im Dialog, wobei die 2. Violine mit einer „nuschelnden“ Figur begleitet. Diese wird dann auch von der 1. Violine nachsatzartig aufgegriffen.

Anschließend (Takt 40 ff.) verebbt die Musik immer mehr, bis in Takt 46/47 nur noch die 1. Violine im Pianissimo mit einer Tonrepetition von H übrig bleibt. Eigentlich hatte Haydn hier vorgesehen, in der ersten Violine von H über His zur Tonart Cis-Dur zu gelangen, was ihm im Nachhinein aber wohl als zu gewagt erschien. Er strich daher die drei Takte mit der Bemerkung „Dieses war vor gar zu gelehrte Ohren“ (analog fallen dann auch die drei Takte nach Takt 143 in der Reprise aus).[5] [4] Gabmayer[5] schreibt zu dieser Stelle: „Wem aber könnten nun „die gelehrten Ohren“ gehört haben, wenn nicht dem Fürsten selbst, die Haydn zur Entfernung der Wendung veranlassen hätten können? (…) Vielleicht war es das noble Thema und seine schlichte Wirkung, die Haydn letztlich davon abhielt, neuerlich über H nach His zu Cis-Dur zu gelangen, sodass er die betreffenden Takte mit seiner Anmerkung „Dieses war vor gar zu gelehrte Ohren“ einfach strich. Die Stelle, wo er das vorgesehen hatte ist angesichts der „ersterbenden“ ersten Violine ohnedies schon auffällig genug.“ - Geiringer (1959)[7] sieht die Streichung der drei Takte als „Absage an den Rationalismus“ und Kennzeichen einer neuen Schaffensphase Haydns, „in der des Komponisten Ausdrucksweise einen stark ausgeprägten empfindsamen Charakter annimmt und dem literarischen „Sturm und Drang“ nahe kommt“ (zum Begriff des Sturm und Drang bei Haydns Sinfonien vgl. aber auch die Anmerkungen bei der Sinfonie Nr. 39).

Das zweite Thema wird in Takt 49 ff. nochmals unter Beteiligung der Oboen wiederholt. Es folgt eine Passage mit Synkopen und Chromatik (Takt 55 ff.) sowie einem Crescendo bis zum Fortissimo in Takt 64/65, an das sich die floskelartige Schlussgruppe im Pianissimo mit pochendem Bass auf E anschließt und die Exposition in Takt 69 beendet. Sie wird einmal wiederholt.

Die Durchführung (Takt 70-110) ist fast durchweg in Moll gehalten. Sie beginnt mit dem zweiten Thema in e-Moll und schwenkt nach einem kurzen Ausbruch vom C-Dur – Forte zum ersten Thema, das nach e-Moll, h-Moll und fis-Moll moduliert wird. Die Überleitung zur Reprise (Takt 97 ff.) beschreibt Lessing (1989)[2]: „Am Ende des Abschnitts scheint es, als suche die Musik voller Beklemmung einen Ausweg aus der dunklen Region des fis-moll, bis mit der plötzlichen Wiederkehr des Themas in A-Dur, d. h. mit der Reprise dieser Ausweg gefunden ist – eine Partie von großer Eindringlichkeit.“ An der Reprise (Takt 115 ff.) sind beim Einsatz des ersten Themas neben den Oboen auch erstmals im Satz die Hörner (z. T. mit stimmführend, T. 118 ff.) beteiligt. Der Vordersatz vom Thema wird einmal wiederholt, dafür fallen die ersten beiden Wiederholungen weg. Die übrige Reprise ist ähnlich der Exposition strukturiert. Sie wird einmal mit der Durchführung wiederholt.

3. Satz: Menuet. Allegretto

D-Dur, 3/4-Takt, mit Trio 80 Takte
Das beschwingt-volkstümliche Menuett beginnt im Forte-Tutti mit Akkordschlägen und Triolen, gefolgt von einer kontrastierenden Antwort im Piano, bei der die 1. Violine chromatisch aufwärts, der Bass chromatisch abwärts geführt wird. Im zweiten Teil (Takt 11 ff.) schließt sich eine in Triolen umspielte A-Dur – Tonleiter aufwärts an. Nach einer kurzen Zäsur und einem durch Pausen unterbrochenen Einschub der Anfangsfigur (Akkordschläge + Triolenfloskel) setzt in Takt 21 erneut eine Passage ein, bei der die Streicher in Legato-Vierteln erneut in Gegenbewegung geführt sind. Über einen E-Dur – Septakkord wird in Takt 29 die Reprise erreicht.

Das Trio steht ebenfalls in D-Dur und ist nur für Streicher gehalten. Kennzeichnend ist der Wechsel von einer „stolzierenden“[5] Figur im Pizzicato, die in der 1. Violine mit einem gebrochenen D-Dur – Akkord beginnt (von der 2. Violine imitiert), und einem wiegenden Legato-Abschnitt.

4. Satz: Scherzando e presto

D-Dur, 2/4-Takt, 148 Takte, bezüglich der hier vorgeschriebenen zwei Fagotte vgl. oben unter „Besetzung“
Die Form des Satzes wird von mehreren Autoren hervorgehoben:

  • „(…) das Finale aber ist eine hybride Verbindung von Rondo , Variation und thematischer Arbeit, wie sie Haydn kein zweites Mal geschrieben hat.“ [6]
  • „Es ist ein „Variations-Rondo“, jene Form, die Haydn später noch in so mancher Symphonie großartig und von den Zuhörern seiner Zeit umjubelt einzusetzen weiß. Hier, in Symphonie Nr. 42, macht er das zum ersten Mal.“[5]

Der Satz, der gemäß seiner Bezeichnung „Scherzando e presto“ einige Überraschungen bereithält, lässt sich grob wie folgt strukturieren:

  • Vorstellung des Hauptthemas (Refrain) im Streicherpiano, Takt 1-20. Das Thema ist periodisch angelegt und durch eine fortlaufende Achtelbewegung in den Violinen gekennzeichnet. Vorder- und Nachsatz werden jeweils einmal wiederholt (so auch im weiteren Satzverlauf).
  • 1. Couplet Takt 21-36 für Bläser und (Kontra-) Bass, vgl. dazu Bemerkung oben unter „Besetzung“, piano.
  • Variation 1 vom Refrain Takt 37-56: Die Violinen umspielen das Thema in Sechzehnteln, piano.
  • 2. Couplet Takt 57-97: dreiteilige Anlage: 1. Teil in d-Moll mit charakteristischem Auftaktmotiv und Forte-Antwort (erstes Forte im Satz); 2. Teil in F-Dur, ab Takt 82 Wiederholung des d-Moll – Teils, dieser bleibt jedoch mit dem Auftaktmotiv im Pianissimo „stecken“.
  • Variation 2 vom Refrain Takt 98-117: Streicher wie am Anfang, dazu Bläserbegleitung, piano.
  • Coda Takt 118 ff: Der Themenkopf vom Refrain wird anfangs abwärts sequenziert, jedoch bleibt die Musik auf einem A-Dur – Akkord mit Fermate erneut hängen. Der erste „Anlauf“ mit dem Auftaktmotiv vom 2. Couplet führt nach einer Tremolopassage überraschend zu einem Trugschluss auf h-Moll. Wieder lässt Haydn nun die Streicher mit dem Auftaktmotiv die richtige Tonart suchen. Der zweite energische Anlauf hat dann Erfolg und beendet mit aufsteigenden Sechzehnteln und Tremolo die Sinfonie.

Einzelnachweise

  1. Howard Chandler Robbins Landon (Hrsg.): Kritische Ausgabe sämtlicher Sinfonien von Joseph Haydn. Philharmonia, Wien ohne Jahresangabe
  2. a b c d Walter Lessing: Die Sinfonien von Joseph Haydn, dazu: sämtliche Messen. Eine Sendereihe im Südwestfunk Baden-Baden 1987-89, herausgegeben vom Südwestfunk Baden-Baden in 3 Bänden. Band 2, Baden-Baden 1989
  3. Die Haydn-Festspiele Eisenstadt (http://www.haydn107.com/index.php?id=21&pages=besetzung, Stand September 2009, schreiben hierzu: „Haydn setzte, außer in London, für seine Symphonien höchstwahrscheinlich kein Tasteninstrument ein. Diese Ansicht, die von früheren Meinungen abweicht, wird heute unter Musikwissenschaftlern weithin anerkannt.“
  4. a b Christa Landon: Joseph Haydn, Symphony No. 42. Ernst Eulenburg Ltd. No. 568, London / Zürich ohne Jahresangabe (Vorwort und Revisionsbericht zur Taschenpartitur von 1963)
  5. a b c d e f g h Anton Gabmayer: Joseph Haydn: Symphonie Nr.42 D-Dur Hob.I:42 "Für gelehrte Ohren". Begleittext zum Konzert am 20. Juni 2009 bei den Haydn-Festspielen Eisenstadt. http://www.haydn107.com/index.php?id=32, Stand Dezember 2009
  6. a b Ludwig Finscher: Joseph Haydn und seine Zeit. Laaber-Verlag, Laaber 2000, ISBN 3-921518-94-6
  7. Karl Geiringer: Joseph Haydn. Der schöpferische Werdegang eines Meisters der Klassik. B. Schott´s Söhne, Mainz 1959

Weblinks, Noten

Siehe auch


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