94. Sinfonie (Haydn)

94. Sinfonie (Haydn)

Die Sinfonie Nr. 94 G-Dur komponierte Joseph Haydn im Jahr 1791. Das Werk entstand im Rahmen der ersten Londoner Reise, wurde am 23. März 1792 uraufgeführt und trägt den Titel mit dem Paukenschlag bzw. Surprise (englisch: Überraschung). Insbesondere der langsame Satz zählt zu den bekanntesten Werken Haydns.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Franz Joseph Haydn (1732–1809)

Zu allgemeinen Angaben bezüglich der Londoner Sinfonien vgl. die Sinfonie Nr. 93. Der deutsche Titel mit dem Paukenschlag bezieht sich auf den zweiten Satz; er ist aber insofern unpassend, als an der betreffenden Stelle das ganze Orchester einen überraschenden Fortissimoschlag bringt. Der englische Titel Surprise ist daher treffender. Haydns erster Biograph, Georg August Griesinger berichtet dazu:

„Ich fragte [Haydn] einst im Scherz, ob es wahr wäre, dass er das Andante mit dem Paukenschlage komponirt habe, um die in seinem Konzert eingeschlafenen Engländer zu wecken? „Nein“, erhielt ich zur Antwort, „sondern es war mir daran gelegen, das Publikum durch etwas Neues zu überraschen, und auf eine brillante Art zu debütiren, um mir nicht den Rang von Pleyel ablaufen zu lassen, der zur nämlichen Zeit bey einem Orchester in London angestellt war.“ [1][2]

Die große Bekanntheit der Sinfonie beruht in erster Linie auf dem zweiten Satz. Dieser war auch für sich in zahlreichen Instrumentierungen und Bearbeitungen verbreitet, von denen die meisten noch in den ersten Jahren nach der Uraufführung entstanden. U. a. handelt es sich dabei um Textierungen der Hauptmelodie und z. T. auch einiger Variationen in verschiedenen Sprachen. Eine der frühesten Bearbeitung für Klavier und Gesang ist in englisch und italienisch mit den Texten Hither com ye blooming fair bzw. Per compenso offir non sò. Das Menuett wurde 1811 als Teil eines Quodlibets unter dem Namen Rochus Pumpernickl in Bonn veröffentlicht. Hier ist die Melodie verändert und mit einem fremden Trio zusammengestellt worden.[1] Auch Haydn selbst hat den Satz bearbeitet: In der Arie seines 1801 komponierten Oratoriums Die Jahreszeiten lässt er den Ackermann die Melodie dieses Satzes bei der Arbeit auf dem Felde flöten.

Unklar ist, ob Haydn die Melodie vollständig selbst komponiert oder ganz bzw. teilweise aus einem Volkslied übernommen hat. Ein Kandidat dafür ist bspw. das österreichische Lied Geh im Gässle auf und n’unter. Einerseits eignet sich die Melodie ihren einfachen Intervallen und wiederholten Tönen gut zum Vortrag eines Textes, andererseits sprechen aber gerade die vielen Textierungen gegen die Existenz eines allgemein bekannten Liedes.[1]

In der ersten Fassung des zweiten Satzes war der namensgebende Paukenschlag nicht vorgesehen. Nachdem allerdings gemäß den zeitgenössischen Zeitungsberichten der Paukenschlag bei der ersten Aufführung eine große Wirkung erzielte, muss Haydn ihn schon vorher angebracht und den zweiten Satz aus dem Autograph entfernt haben. Die betreffende Seite ist im enthaltenen Fragment auch durchgestrichen, aber die geänderte Fassung in der Eigenschrift des Komponisten ist bis heute nicht aufgefunden worden.[1]


Beispiele für Aussagen zur Sinfonie Nr. 94:

  • „Die Symphonie […] weist […] eine einfache und klare tonale Struktur auf. Von ihren vier Sätzen stehen drei in der Haupttonart, G-Dur. Die Einfachheit geht so weit, dass selbst die Einleitung zum ersten Satz und das Trio des Menuetts in G-Dur geschrieben sind. Allein für den zweiten […] Satz wählte Haydn eine andere Tonart, nämlich die Subdominant-Tonart C-Dur, und dieser Satz ist auch der einzige, in dem ein längerer Moll-Abschnitt vorkommt. Im ganzen Werk werden also tonale Spannungen geradezu vermieden.“[1]
  • „Insgesamt ist die Sinfonie Nr. 94 zwar nicht übermäßig komplex, aber doch auch weniger leicht zu durchschauen, als dies der Beiname suggeriert, der nicht wenige Interpreten dazu bewog, sich allein dem Überraschungseffekt des Paukenschlags zuzuwenden. Die im Vergleich zu den früher angeführten „Londoner Sinfonien“ schwerere Verständlichkeit der Nr. 94 dürfte auch der Grund sein, warum Haydn die schon 1791 komponierte Sinfonie zunächst zurückhielt und erst 1792 als fünfte Sinfonie der Serie aufführen ließ.“[3]
  • Die Sinfonie „hat im Laufe der Haydn-Rezeptionsgeschichte eine für ein tieferes Verständnis dieses Werkes geradezu ruinöse Popularität erlangt: Die 'Paukenschlag'-Symphonie nimmt im gängigen Haydn-Repertoire etwa dieselbe Stelle ein wie 'Eine kleine Nachtmusik' im Mozart- oder die 'Schicksalssymphonie' im Beethoven-Repertoire.“[4]

Zur Musik

Besetzung: zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Fagotte, zwei Hörner jeweils in G und D, zwei Trompeten in G, Pauken, zwei Violinen, Viola, Cello, Kontrabass. Das Cembalo ist nicht ausdrücklich notiert, wurde jedoch möglicherweise ebenfalls eingesetzt (vgl. Übersicht bei der Sinfonie Nr. 93).
Aufführungszeit: ca. 25 Minuten

Bei den hier benutzten Begriffen der Sonatensatzform ist zu berücksichtigen, dass dieses Modell erst Anfang des 19. Jahrhunderts entworfen wurde (siehe dort). – Die hier vorgenommene Gliederung der Sätze ist als Vorschlag zu verstehen. Je nach Standpunkt sind auch andere Abgrenzungen und Deutungen möglich. Zu weiteren Darstellungen siehe in der angeführten Literatur.[5]

1. Satz: Adagio cantabile – Vivace assai

Abb. 1: Themenmaterial des ersten Satzes: Einleitung, erstes Thema und drittes Thema mit gemeinsamer Quarte

Adagio cantabile: G-Dur, 3/4-Takt, Takt 1-17
Das Adagio beginnt mit einem zweitaktigen G-Dur – Motiv in den Bläsern, dem ein weiteres zweitaktiges Motiv der Streicher in tiefer Lage gegenübergestellt wird. Dieses führt zur Dominante D-Dur, so dass beide Motive wie Frage und Antwort wirken. Die Motive werden einmal wiederholt, das der Bläser auch mit Flöte, während das Streichermotiv nun „geschlossen“ zur Tonika G-Dur zurückführt. Die Achtelbewegung dieses Motivs wird fortgesponnen und geht über eine chromatisch aufsteigende Tonwiederholungsreihe mit betonter Bassbewegung in einen Dominantseptakkord, der den eigentlichen Schluss der Einleitung darstellt. Die 1. Violine leitet mit einer fallenden Achtelfigur zum folgenden Vivace über.

Vivace assai: G-Dur, 6/8-Takt, Takt 18-257
Der Satz hat insgesamt einen tänzerischen Charakter; kennzeichnend sind die Kürze des Hauptthemas, die abrupten Wechsel zwischen forte und piano sowie die meist fortlaufende Bewegung. Die Themen kontrastieren kaum zueinander.

Das erste Thema wird zum Satzbeginn piano nur von den beiden Violinen vorgestellt. Die Quarte aufwärts am Themenanfang erinnert an den Beginn der Einleitung. Harmonisch bleibt das Thema im Dominantbereich; erst am Anfang des fünften Taktes (Takt 22) wird die Tonika mit einer abrupt im Forte-Tutti einsetzenden „sprudelnde(n) Bewegung“[1] erreicht, die ohne Zäsur weiterläuft. Der Grundton G wird dabei neun Takte lang gehalten, während darüber in zunehmend kürzeren Abständen ein Wechsel von Tonika (G-Dur) und Dominante (D-Dur) stattfindet. Daher und durch die Verkürzung der Notenwerte entsteht der Eindruck einer Beschleunigung (Accelerando). Ab Takt 30 folgt eine Wendung zur Dominante, die acht Takte lang umspielt wird, wobei nun eine Verlangsamung (Ritardando) durch Verlängerung bzw. Auslassen (Bassfigur, Fortlassen der Bläser) erfolgt. In Takt 38 sind nur noch zwei Melodietöne eines Dominantseptakkordes übrig geblieben, ähnlich dem Schluss der Einleitung.

In Takt 39 ff. wird das erste Thema wiederholt, nun mit einer weiteren gegenstimmenartigen Figur in der Oboe. Der folgende Fortetutti-Block (Takt 43 ff.) mit Tremolo und gebrochenen Akkoden lenkt zur Dominante hin. Ein weiterer Auftritt des ersten Themas erfolgt in Takt 54 ff. in d-Moll mit anschließender Fortetutti- Kadenz über A-Dur nach D-Dur.

In Takt 66 ff. setzt dann wiederum mit einem abrupten Wechsel von Forte zu Piano eine neue Passage (Takt 66-73) in D-Dur ein, die man als Motiv[1] oder eigenständiges Thema[6] ansehen kann. Es handelt sich dabei um eine schwebende Figur mit virtuosen Läufen und tanzartigem Wechsel zwischen D-Dur und A-Dur. Die Figur wird unter Hinzunahme der Bläser bis zum Forte (Takt 74 ff.) weitergesponnen.

Ein weiteres Thema (je nach Ansicht das zweite oder dritte Thema) setzt in Takt 80 ff. piano auf D-Dur ein. Es besteht aus einem zweitaktigen Motiv, das einmal wiederholt wird, und einer kadenzartigen Wendung von drei Takten. Das Thema wird einmal variiert unter Bläserbeteiligung wiederholt und endet mit einem Trugschluss, der über eine Bläserfigur mit Triller in der 1. Oboe zur Schlussgruppe (Takt 99 ff.) führt. Diese ist durch Läufe, eine Unisonobewegung und Tonrepetition gekennzeichnet. Mit einer auslaufenden Tonrepetition auf h in der 1. Violine endet die Exposition in Takt 107 und wird einmal wiederholt.

Die Durchführung (Takt 107-153) setzt mit einer Variante des ersten Themas ein, dessen Material dann fortgesponnen wird. In Takt 123 folgt ein Modulationsabschnitt mit gebrochenen Akkorden, der abrupt im Forte auf A-Dur beginnt und über d-Moll, B-Dur und g-Moll zu einer Passage mit chromatisch absteigender Bewegung (Takt 134-140) führt. Diese mündet in Fis-Dur, das als Dominante zum folgenden h-Moll fungiert. Nach einer Kadenz in h-Moll kündigen Tonrepetitionen auf h, die (im Unterschied zum Ende der Exposition und Durchführung) mit G zusammenklingen, die Tonika und damit die Reprise an. Der Reprisenbeginn erscheint dadurch verschleiert.[7] Von Takt 197-140 erfolgt eine Umstimmung der Pauke von D nach A, d. h. die Pauke wechselt in diesem Abschnitt zwischen den Tönen D und A (ansonsten: G und D).

Die Reprise (Takt 154 ff.) beginnt zunächst entsprechend der Exposition, jedoch fehlen die beiden Wiederholungen des ersten Themas. Auf das zweite Thema (Takt 183 ff.) folgt ab Takt 195 eine durchführungsartige Passage, in dem das erste Thema dreimal auftritt: im Bass, in den Oberstimmen und im Unisono. Nach einer Kadenz (Takt 210-214), deren Zielton G überraschenderweise lediglich von den Hörnern im Piano gespielt wird, folgen zwei weitere Auftritte des Themas in der 1. Violine (Takt 219 ff.) sowie in den Bläsern (Takt 222 ff.). Das dritte Thema schließt sich unmittelbar an (Takt 228), so dass die in der Exposition weit entfernten Themen 1 und 3 hier direkt nebeneinanderstehen und wie zwei Hälften eines einzigen Themas[8] wirken. Die aus der Exposition bekannte Schlussgruppe (Takt 248 ff.) beschließt den Satz.

2. Satz: Andante

C-Dur, 2/4-Takt, 156 Takte, Variationsform. Mögliche Struktur:

Abb. 2: Thema
Abb. 3: Schema der Charakteristika der Motive des Andante-Themas

Vorstellung des Hauptthemas Takt 1-32 (vgl. Abb. 2-3). Die zugrunde liegende, sehr einfache und einprägsame Melodie ist achttaktig mit je vier Takten Vorder- und Nachsatz. Grundbestandteil ist ein zweitaktiges Motiv. Begleitet wird die Melodie anfangs lediglich durch einen Ton am Anfang des Taktes im Bass. Nach ihrem ersten Durchlauf (Takt 1-8) wird das Thema einmal wiederholt, nun im Pizzicato-Pianissimo. In Takt 16 setzt unvermittelt ein Fortissimo-Schlag des ganzen Orchesters auf G-Dur ein (der Paukenschlag), nachdem die Melodie schon zu Beginn von Takt 16 beendet ist. Als wäre nichts gewesen, folgen nun vier Takte eines weiteren Motivs (B-Teil des Themas), der mit seinen Sechzehnteln etwas beweglicher ist als der vorangegangene, recht starre A-Teil. Anschließend (Takt 21-24) wird der A-Teil in einer Variante wiederholt, so dass sich ein Grundgerüst von ABA bzw. der dreiteiligen Liedform ergibt. B und A-Teil werden nun nochmals mit Bläserbeteiligung wiederholt, bevor die eigentlichen Variationen beginnen.

Im Detail ergibt sich für das Thema folgende Struktur (vgl. Abbildung 2):

a-b-a-c :||: d-d’-a’-c’ :||

Diese Motive lassen sich melodisch und harmonisch kontrastierenden Bereichen zuordnen (Abb. 3):

  • Drei- oder Vierklang (a, b, c, a’, c’) – Tonleiter (d, d’)
  • aufsteigend (a, a’) – abfallend (b, c, d, d’, c’)
  • Tonika von C-Dur (a, a’, c’2. Takt) – Dominante von C-Dur (b, d, d’, c’1. Takt)

Auch rhythmisch lassen sich kontrastierende Bereich feststellen:

  • Die Motive a, b und a’ bestehen aus einer Kette von sechs Achteln und einer Viertel, die das Ende des Motivs markieren.
  • Die Motive d und d’ sind durch einen punktierten Rhythmus / Sechzehntelnoten angereichert. Deshalb wirkt der Beginn des zweiten Teils lebhafter als der erste Teil. Diese Sechzehntel sind aber nur „Füllnoten“ oder Verzierungen.
Abb. 4: Schema zur 1. Variation
Abb. 5: Gegenstimme und Thema der 1. Variation (Takt 33 bis 37)

Die 1. Variation (Takt 33-48, C-Dur, Abb. 4-5) beginnt mit einem weiteren Fortetuttischlag (nicht mehr Fortissimo). 2. Violine und Viola spielen das Thema, während 1. Violine und z. T. Flöte (bei Motiv c) mit einer Gegenstimme einsetzen. Diese Gegenstimme (Abb. 5) verläuft im Wesentlichen in Terz- und Sextparallen zum Thema, verdichtet aber durch Vorhalte und Durchgangsnoten den gleichförmigen Rhythmus der Achtelnoten des Themas zu einer Kette von Sechzehntelnoten. Eine Ausnahme bildet der erste Takt von Motiv d’, hier werden den Sechzehnteln des Themas Achtel in der Begleitung entgegengesetzt. In den letzten beiden Takten (Motiv c’) verlaufen Begleitstimme und Thema parallel.

Die 2. Variation (Takt 49-74, c-Moll, Abb. 6-8) bringt eine Verkürzung, indem die vier Anfangstakte der ersten Hälfte (Fortissimo, Unisono des ganzen Orchesters) mit den vier Schlusstakten der zweiten Hälfte (Streicher, Piano) verknüpft werden. Anstatt der zu erwartenden zweiten Hälfte erfolgt dann eine freie Fortspinnung im Forte mit einem Dialog zwischen 1. und 2. Violine über Es-Dur, f-Moll sowie punktierten Rhythmen im Unisono. Die Überleitung zur 3. Variation erfolgt über eine fallende Figur der 1. Violine.

Abb. 6: Schema zum Vordersatz der 2. Variation
Abb. 7: Harmonieschema zur freien Fortführung in der 2. Variation.
Abb. 8: Freie Fortspinnung Takt 57-74. Farbgebung nach Stimmführung

Die 3. Variation (Takt 75-106, C-Dur) umspielt die Grundtöne des Themas mit gebrochenen Terzen in einer Sechzehntel-Bewegung. Die Wiederholungen von Vorder- und Nachsatz sind auskomponiert, da sie sich durch kleinere Abweichungen voneinander unterscheiden. Zunächst trägt die 1. Oboe, von den Streichern begleitet, die durch Sechzehntel-Repetitionen rhythmisierten Motive a und b vor. Der Rest der Variation wird von einem Trio bestritten: Das Thema, beiden Violinen unisono gespielt, übernimmt als tiefste Stimme die Bassfunktion, Flöte und 1. Oboe fügen eine Gegenstimme hinzu. Bei der Wiederholung des B-Teils treten die Hörner zur Stützung der Harmonie hinzu. Im Motiv d’ übernimmt die Flöte vorübergehend die Hauptnoten des Themas, die Schlussnoten (Motiv c’) werden zur Betonung der Kadenz Subdominante - Dominante - Tonika zu f’-g’-c’ geändert. Das Material dieses Trio-Teiles verwendete Haydn später in der Arie Nr. 4 „Schon eilet froh der Ackersmann“ seines OratoriumsDie Jahreszeiten“.


Abb. 9: Veränderungen der Motive a und b des Vordersatzes in der 4. Variation

.

Die 4. Variation (Takt 107-138, C-Dur, Abb. 9) ist marschartig-pompös gehalten. Der A-Teil steht zunächst im Fortissimo und verwendet das volle Orchester mit synkopierter Begleitung. Bevor der B-Teil im Forte folgt, ist ein weiterer kompletter Durchlauf mit völlig anderem Charakter für Streicher und Fagott im Piano eingeschaltet, wobei der A-Teil den punktierten Rhythmus vom B-Teil übernimmt (Takt 115-130, ggf. als Variation Nr. 5 interpretierbar). Bei der Wiederholung des Vordersatzes weist Motiv a in Violine I und II eine weitere rhythmische und melodische Variation auf, Motiv b wird in die Unterstimmen verlegt und von den beiden Violinen mit der bereits aus Variation 1 bekannten Oberstimme begleitet, die dort allerdings Begleitung im Nachsatz ist.

Eine Coda (Takt 139 ff.) mit Fanfare und anschließendem Verhallen des Themas über gehaltenen Sept- und Septnonakkorden der Streicher und einem Orgelpunkt auf C beendet den Satz.

Walter (2007)[3] interpretiert den Satz dahingehend, dass Haydn mit dem absichtlich banal-einfachen Thema und der „kunstvollen Kunstlosigkeit“ der Variationen die Erwartungshaltung der Zuhörer täuschen wollte, so bleibt z. B. auch der Fortissimo-Schlag vom Anfang für den weiteren Satzverlauf folgenlos.

3. Satz: Menuetto. Allegro molto

G-Dur, 3/4-Takt, mit Trio 89 Takte
Das Menuett ist aus mehreren Floskeln zusammengesetzt, die neu kombiniert und variiert werden. Bemerkenswert ist daneben auch die Tempobezeichnung, die sich deutlich vom Tanzmenuett löst, mit der des 4. Satzes identisch ist und in Richtung auf das Scherzo weist, das sich später als 3. Satz in Sinfonien etablierte.

Der Satz beginnt forte mit einer ländlerartigen Melodie (Takt 1-8), wobei Flöte, Fagott und 1. Violine stimmführend sind. Die Melodie besteht bis auf den Achtelauftakt aus fortschreitenden Vierteln mit Sprüngen und abgesetzter Bewegung. Ab Takt 9 folgt im Kontrast ein neuer Teil im Piano mit einer Pendelfigur im Dialog zwischen Oberstimme und Bass. Eine Kadenzfigur mit Achtellauf beendet die erste Menuetthälfte.

Die zweite Hälfte (Takt 19 ff.) beginnt imitatorisch mit der Achtelfigur, die die erste Hälfte beendet hat. Der Schlussteil dieser Figur wird dann fortgesponnen (Takt 25 ff.) und mit markanten Akkordschlägen unterstützt (Takt 28 ff., jeweils eine Folge von Subdominant-Septakkord und zugehöriger Tonika). Nach vier Takten Verharren auf der Dominante erklingt wie ein Echo der Auftakt in den Oberstimmen, der unerwarteterweise von seiner Umkehrung im Bass beantwortet wird, bevor die Hauptmelodie vom Satzanfang wieder einsetzt. Das Thema wird aber nun nicht zu Ende geführt, sondern verharrt wiederum fünf Takte auf der Dominante inklusive Fermate und Paukenwirbel. Mit wiederholten Auftaktwendungen in der Tonika G-Dur folgt der Schlussabschnitt des Menuetts: Über einem Orgelpunkt auf G erklingt die Pendelfigur von Takt 9 ff.

Das Trio steht ebenfalls in G-Dur und ist für Streicher und Fagott im Piano gehalten. Die Kadenzfigur vom Ende des ersten Menuettteils tritt als Umkehrung (abwärts statt aufwärts) in Kombination mit Intervallsprüngen in Vierteln wieder auf. Die erste Hälfte des Trios ist symmetrisch in 4 + 4 Takte aufgebaut. In der zweiten Hälfte wird die Intervallfigur aus Vierteln sequenziert. Die Rückführung zur Hauptmelodie des Trios ist durch laufende Wiederholungen der Auftaktfigur verzögert, so dass vorübergehend ein neuer metrischer Schwerpunkt entsteht.

4. Satz: Allegro (di) molto

G-Dur, 2/4-Takt, 268 Takte
Das erste Thema mit tänzerischem Charakter zeigt einen periodischen Aufbau und wird zunächst von den Streichern piano vorgestellt. Nach einer Wiederholung mit Flöte (Takt 9-16) folgt ein neuer Teil für Streicher (B-Teil des Themas, Takt 17-30), an den sich wiederum eine Wiederholung der Anfangsmelodie (A-Teil) anschließt (Takt 31-37, nun neben den Streichern auch mit Flöte und Fagott). Für den weiteren Satzaufbau sind zum einen die Auftaktfloskel des Themas (Motiv 1), eine Sechzehntel-Floskel vom B-Teil (Motiv 2) sowie die Schlusswendung vom ersten Thema in Takt 37 (Motiv 3) von Bedeutung.

Ohne Zäsur folgt ein Überleitungsabschnitt im Forte-Tutti. Während die Violinen durchgehende Läufe spielen, treten Motiv 3 und Motiv 1 im Bass auf. In Takt 59 ff. spielen die 2. Violine und die Viola den Kopf vom ersten Thema. Nach einer chromatisch absteigenden Akkordfolge (Takt 64 ff.) mündet die Passage in eine Kadenz auf der Dominante, deren Zielakkord jedoch durch eine Generalpause (Takt 74) ersetzt wird. Dadurch wird die Aufmerksamkeit auf das nun einsetzende zweite Thema gelenkt.

Dieses steht wie das erste Thema im Piano, wird von den Streichern vorgestellt und besteht aus zwei viertaktigen Einheiten, von denen die erste wiederholt wird. Mit Ausnahme der Schlusskadenz stellt das Thema ein Pendeln zwischen Tonika und Dominante dar, wobei der Bass ständig den Ton D wiederholt. Als Begleitung verwendet Haydn in der 2. Violine Motiv 1.

In der Schlussgruppe (Takt 87 ff.) dominieren Sechzehntel-Läufe der Violinen und Akkordmelodik. Die Exposition endet in Takt 99 mit drei Forte-Schlägen auf D und geht ohne Wiederholung in die Durchführung über (alternativ könnte man das Ende der Exposition auch in Takt 103 sehen).

Die Durchführung beginnt mit einer zweifachen Wiederholung der Viertelschläge auf C, die harmonisch als Dominantseptakkord zum folgenden Auftritt des ersten Themas in G-Dur wirken. Dadurch entsteht beim Hörer zunächst der Eindruck, als ob die Exposition wiederholt wird (hier allerdings mit, am Satzanfang dagegen ohne Fagott). Abweichend davon folgt jedoch ab Takt 112 eine Passage mit Motiv 3 im Bass und starken harmonischen Wechseln insbesondere ab Takt 121 (C-Dur – A-Dur – D-Dur – H-Dur – e-Moll bis Takt 124). Durch Wiederholung von Motiv 1 beruhigt sich das Geschehen einerseits, andererseits so wird ein weiterer Durchlauf des ersten Themas ab Takt 146 angekündigt. Ein überraschender Einsatz im Fortetutti mit dem Thema auf g-Moll setzt den Beginn für einen weiteren Modulationsabschnitt über die B-Tonarten (Es, F und B – Dur), wobei auch Motiv 2 in den Violinen im Fortissimo (Takt 160 ff.) auftritt. Nach Rückmodulation zur Dominante D-Dur folgt ein Auslaufen in Sechzehnteln in der 1. Violine.

Die Reprise (Takt 182 ff., bei[6] Reprisenbeginn in Takt 145) stellt einen verkürzten Ablauf der Exposition dar: Die Wiederholungen des ersten Themas fallen weg, es erscheint gleich mit dem B-Teil; zudem ist der Abschnitt zwischen den beiden Hauptthemen verkürzt. Unmittelbar auf das zweite Thema folgt eine Coda (Takt 222 ff.) mit Motiv 1 im Piano und einer von einem Paukenwirbel[9] angekündigten überraschenden Wendung nach Es-Dur mit dem ersten Thema im Forte. Mit Akkordmelodik im Fortissimo endet der Satz, wobei Motiv 3 zwischengeschaltet ist (Takt 255).

Finscher (2000)[7] meint zu diesem Satz, dass „die thematischen Gedanken nur dazu dienen, eine schwindelerregende, kaleidoskopische Fülle thematischer Verwandlungen auszulösen (…).“ Die Struktur des Satzes kann - wie auch bei einigen anderen Schlusssätzen der Londoner Sinfonien - als Mischung zwischen Sonatensatzform und Rondo interpretiert werden („Sonatenrondo“).

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Marie Louise Martinez-Göllner: Joseph Haydn – Symphonie Nr. 94 (Paukenschlag). Wilhelm Fink Verlag, München 1979, ISBN 3-7705-1609-5.
  2. Wolfgang Stähr: Symphonie in G-Dur, Hob. I:94 („Mit dem Paukenschlag“). In: Renate Ulm (Hrsg.): Haydns Londoner Symphonien. Entstehung – Deutung – Wirkung. Im Auftrag des Bayerischen Rundfunks. Gemeinschaftsausgabe Deutscher Taschenbuch-Verlag München und Bärenreiter-Verlag Kassel, 2007, ISBN 978-3-7618-1823-7, S. 101-106
  3. a b Michael Walter: Haydns Sinfonien. Ein musikalischer Werkführer. C. H. Beck-Verlag, München 2007, ISBN 978-3-406-44813-3.
  4. Informationstext zur Aufführung der Sinfonie Nr. 94 am 2. Oktober 2010 der Haydn-Festspiele-Eisenstadt, http://www.haydn107.com/index.php?id=32, Stand August 2010.
  5. insbesondere Martinez-Göllner (1979)
  6. a b Howard Chandler Robbins-Landon (Hrsg.): Joseph Haydn: Sinfonia No. 94 G-Dur “Paukenschlag / Surprise” Hob. I/94. Reihe: Kritische Ausgabe sämtlicher Sinfonien. Philharmonia No. 794, Universal Edition, Wien ohne Jahresangabe, 67 S. mit Anhang. Taschenpartitur mit Vorschlag einer Satzstruktur
  7. a b Ludwig Finscher: Joseph Haydn und seine Zeit. Laaber-Verlag, Laaber 2000, ISBN 3-921518-94-6
  8. G. A. Marco: A Musical Task in the „Surprise“ Symphony. In: JAMS Bd. 11, 1958, S. 41 ff. Zitiert bei: Marie Louise Martinez-Göllner (1979)
  9. der Paukenwirbel wechselt einen Takt vor den übrigen Instrumenten von piano zu forte und erinnert damit als „Paukenschlag“ an die entsprechende Stelle im Andante

Weblinks, Noten

Siehe auch


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