Politische Polizei

Politische Polizei

Die Politische Polizei war in Deutschland eine Einrichtung zur Bekämpfung von politisch motivierten Straftaten mit nachrichtendienstlichen und polizeilichen Befugnissen. Im Kaiserreich und in noch verschärfter Form in der Zeit des Nationalsozialismus wurde sie als Instrument der Repression gegen den politischen Gegner genutzt. Seit dem Zweiten Weltkrieg gibt es in Deutschland keine vergleichbare Einrichtung mehr. In der Schweiz wurde ein Teil des Polizeidienstes der Bundesanwaltschaft mit nachrichtendienstlichen Aufgaben im Inland als politische Polizei bezeichnet. Sie wurde im Rahmen einer Reorganisation nach dem Fichenskandal in ihrer damaligen Form abgeschafft.

Inhaltsverzeichnis

Deutschland

Die Politische Polizei war bis 1934 in den meisten deutschen Ländern eine Einrichtung der Polizei, welche sich mit der Aufklärung und Vorbeugung von Straftaten mit politisch radikalem Hintergrund befasste. Dabei arbeitete sie mit nachrichtendienstlichen (z. B. Aufklärung aus Quellen, Informanten) und polizeilichen Maßnahmen (z. B. Hausdurchsuchungen).

1934 wurde die Preußische Politische Polizei aufgelöst und in die Geheime Staatspolizei (Gestapo) überführt. Sogenannte „politisch unzuverlässige“ Beamte wurden entweder ganz aus dem Dienst entfernt oder zunächst anderen Polizeidienststellen zugeordnet und meist im weiteren Verlauf entlassen. Die Polizeien in den anderen deutschen Ländern wurden nach und nach dem preußischen System nach organisiert. 1936 wurde die inzwischen im ganzen Reichsgebiet tätige Geheime Staatspolizei mit der Kriminalpolizei in der Sicherheitspolizei vereinigt und ging 1939 im Reichssicherheitshauptamt auf.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Konzept der Politischen Polizei im Polizeibrief verworfen, da nach den Erfahrungen mit den Gestapo „Sicherheitsmaßnahmen“ eine zu große Machtfülle einer zentralisierten Polizeibehörde vermieden werden sollte. Die nachrichtendienstlichen Aufgaben der politischen Polizei nehmen heute die Behörden des Verfassungsschutzes, die polizeilichen Aufgaben Einrichtungen des Staatsschutzes wahr. Keine der beiden Einrichtungen verfügt alleine aber über die Machtfülle der Politischen Polizei. 2009 wurden Pläne des Innenministeriums bekannt, den Verfassungsschutz mit Polizeibefugnissen auszustatten.[1] Unter dem neuen Innenminister, Thomas de Maizière (CDU), wurden sie aber zurückgenommen.

Schweiz

In der Schweiz wurde die Einrichtung des Inlandnachrichtendienst als Politische Polizei bezeichnet. Mit dem Fichenskandal wurde der Begriff der Politischen Polizei allerdings unpopulär; sodass man die Staatsschutzorgane des Bundes heute als „Präventive Polizei“ bezeichnet. Offiziell heißt der Inlandnachrichtendienst der Schweiz Dienst für Analyse und Prävention (DAP).

Organisation und Aufgaben

Zusammen mit der Gerichtlichen Polizei bildete die Politische Polizei den Polizeidienst der Bundesanwaltschaft, welche in den 80er-Jahren noch dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement untergeordnet war. Über den Polizeidienst der Bundesanwaltschaft („Bundespolizei“, abgekürzt Bupo) wurden außer der hierarchischen Kontrolle (d. h. die Kontrolle der Vorgesetzten) keinerlei Überprüfungen durchgeführt. Im Zusammenhang mit der Fichenaffäre wurde diese Problematik mit dem Schlagwort „Staat im Staate“ umschrieben. Ebenfalls kritisiert wurde die Personalunion des Chefs der Bundespolizei und des Chefs des Militärischen Geheimdienstes im EMD.

Die Aufgabe der Politischen Polizei war laut einer Bundesratsverordnung aus dem Jahre 1958 die „Beobachtung und Verhütung von Handlungen“, welche die Sicherheit der Schweiz gefährden könnten. Die Politische Polizei funktionierte also nach dem Konzept des präventiven Staatsschutzes, das während des Fichenskandals ebenfalls für Diskussionen sorgte. Nach dem Konzept des präventiven Staatsschutzes konnten Ermittlungen aufgenommen werden, noch bevor ein Verbrechen überhaupt geschehen war. Das Gegenstück dazu war die Gerichtliche Polizei, die – wie reguläre Polizeistellen heute – erst zu ermitteln begann, nachdem eine Straftat geschehen war. Streng juristisch genommen war die Politische Polizei laut BStP Artikel 17 Absatz 3 der „Fahndungs- und Informationsdienst“ der Gerichtlichen Polizei. Als solcher legte sie eine gigantische Kartei an, die während des Fichenskandals in den Jahren 1989-90 für große Empörung sorgten.

Geschichtliches

Faktisch existierte die Politische Polizei bereits Ende des 19. Jahrhunderts, allerdings unter anderem Namen. Folgende eigentlich geheime Weisung des Bundes an die Kantone schuf die Polizeistelle 1888, kam aber bald an die Öffentlichkeit: „In betreff [der] Personen [die sich mit Fragen unserer sozialen Organisation beschäftigen] sammeln die kantonalen Polizeidirektoren sorgfältig alle Notizen […] über deren Namen, Herkunft, Beschäftigung, Subsistenzmittel und Antezedentien […].“ Die Entstehung der Politischen Polizei muss im Kontext der sozialistischen bzw. sozialdemokratischen Bestrebungen in Europa zur Jahrhundertwende gesehen werden. Zu ihrer Schaffung führten nämlich dieselben Tendenzen, die in Deutschland zum Sozialistengesetz geführt hatten.

Während des Zweiten Weltkriegs, vor allem aber während des Kalten Kriegs wurde die Politische Polizei weiter ausgebaut, 1958 auf Verordnungsebene gesetzlich fixiert (siehe oben). Dies wird heute damit erklärt, dass in diesen Zeiten die Angst vor einer feindlichen Übernahme groß war. Prägend wirkte sich vor allem der Kalte Krieg aus: Bis in die 1990er-Jahren lag das Schwergewicht der Staatsschutz-Aktivitäten auf Kommunisten und deren Sympathisanten, in letzter Konsequenz sogar auf politisch links gerichtete Personen und Organisationen.

Die Überwachungspraktiken der Politischen Polizei erregten bis zum Fichenskandal nie das Interesse der breiten Öffentlichkeit, linke Gruppen und auch die Sozialdemokraten allerdings protestierten immer wieder gegen die Maßnahmen, die sie als „Unterdrückungsinstrument der bürgerlichen Klasse“ taxierten. Im Rahmen der Fichenaffäre wurde die Politische Polizei abgeschafft.

Einzelnachweise

  1. Verfassungsschutz soll zur Polizei werden

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • politische Polizei — politische Polizei,   Bezeichnung für besondere Polizeiorgane (zum Teil auch Geheimpolizei genannt), deren Aufgabenfeld die politischen Strafsachen sind. Die politische Polizei bildete sich in der absolutistischen Monarchie aus, spielte eine… …   Universal-Lexikon

  • Politische Polizei — Politische Polizei, s. Polizei …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Politische Polizei (Preußen) — Die Preußische Geheimpolizei oder Politische Polizei war zuständig für die Überwachung des politischen Lebens sowie die Verfolgung politischer Straftaten in Preußen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Aufgehen der Behörde in der Geheimen… …   Deutsch Wikipedia

  • Preußische politische Polizei — Die Preußische Geheimpolizei oder Politische Polizei war zuständig für die Überwachung des politischen Lebens sowie die Verfolgung politischer Straftaten in Preußen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Aufgehen der Behörde in der Geheimen… …   Deutsch Wikipedia

  • Bayerische Politische Polizei — Die Bayerische Politische Polizei (BPP) war eine von 1933 bis 1936 bestehende politische Polizei, die im Gebiet des Landes Bayern mit der Bekämpfung „politischer Staatsfeinde“ beauftragt war. Sie bildete den institutionellen Ausgangspunkt der… …   Deutsch Wikipedia

  • Polizei in Deutschland — Verkehrsschild an Bundesautobahnen (Zeichen 363) Die bis Baujahr 2004 grün weißen Fahrzeuge … …   Deutsch Wikipedia

  • Polizei (Deutschland) — Verkehrsschild an Bundesautobahnen (Zeichen 363) Polizei zu Pferde bei …   Deutsch Wikipedia

  • Polizei Bayern — Bayerische Polizei Staatliche Ebene Land Stellung der Behörde Landespolizei Aufsich …   Deutsch Wikipedia

  • Polizei- und ordnungsrechtliche Generalklausel — Die polizei bzw. polizei und ordnungsrechtliche Generalklausel ist im deutschen Polizeirecht ein Auffangtatbestand, der Maßnahmen der Gefahrenabwehr ermöglicht, wo keine spezielleren Eingriffsermächtigungen (z. B. Standardmaßnahmen wie… …   Deutsch Wikipedia

  • Polizei- und ordnungsrechtliche Generalklauseln — Die polizei bzw. polizei und ordnungsrechtliche Generalklausel ist im deutschen Polizeirecht ein Auffangtatbestand, der Maßnahmen der Gefahrenabwehr ermöglicht, wo keine spezielleren Eingriffsermächtigungen (z. B. Standardmaßnahmen wie… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”