- Polizeirecht (Deutschland)
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Als Polizeirecht (auch Polizei- und Ordnungsrecht, teilweise abgekürzt: POR) bezeichnet man denjenigen Teil des Verwaltungsrechts, der die Materie der Gefahrenabwehr betrifft. Gefahren im Sinne des Polizeirechts sind Gefahren für die Öffentliche Sicherheit oder die Öffentliche Ordnung.
Inhaltsverzeichnis
Rechtsquellen
Das Polizeirecht ist in Deutschland Landesrecht für die Polizeien der Länder und die Landeskriminalämter. Bundesrecht ist es für die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt. Die Landesgesetze orientieren sich am Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes.
Landespolizeigesetze
Die Polizeigesetze der Landespolizeien sind:
- Baden-Württemberg: Polizeigesetz (PolG)
- Bayern: Gesetz über Aufgaben und Befugnisse der staatlichen Bayerischen Polizei (PAG); Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG)
- Berlin: Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG Bln)
- Brandenburg: Brandenburgisches Polizeigesetz (BbgPolG)
- Bremen: Bremisches Polizeigesetz
- Hamburg: Hamburger Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG)
- Hessen: Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG)
- Mecklenburg-Vorpommern: Sicherheits- und Ordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (SOG M-V)
- Niedersachsen: Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG)
- Nordrhein-Westfalen: Nordrhein-Westfälisches Polizeigesetz (PolG NRW), Ordnungsbehördengesetz (OBG NRW)
- Rheinland-Pfalz: Rheinland-Pfälzisches Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG)
- Saarland: Saarländisches Polizeigesetz (SPolG)
- Sachsen: Sächsisches Polizeigesetz (SächsPolG)
- Sachsen-Anhalt: Sachsen-Anhaltisches Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG LSA)
- Schleswig-Holstein: Schleswig-Holsteinisches Landesverwaltungsgesetz (LVwG)
- Thüringen: Thüringer Polizeiaufgabengesetz in Verbindung mit § 17 Thüringer Ordnungsbehördengesetz
Bundesgesetze
- Bundespolizei: Bundespolizeigesetz (BPolG)
- Bundeskriminalamt: Gesetz über das Bundeskriminalamt (BKAG)
- Zollverwaltung: Zollfahndungsdienstgesetz (ZFdG)
Aufgaben
In den Polizeigesetzen fast aller deutschen Länder sind innerhalb der ersten Paragraphen die Aufgaben der Polizei bestimmt. Aufgabe der Polizei ist demnach die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Nach der Verabschiedung des Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes wird zwischen Aufgabe und Befugnis unterschieden: Aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes darf nicht von der Aufgabe auf die Befugnis geschlossen werden.
Befugnisse
Generalklauseln
Die Hauptermächtigungsgrundlage im Polizeirecht ist die Polizei- und ordnungsrechtliche Generalklausel. Um gegen eine Person vorgehen zu können, muss diese grundsätzlich Störer sein. Allerdings bestimmen in neuerer Zeit häufig spezielle Ermächtigungen, dass sich Maßnahmen auch gegen jedermann richten können. Die Beschränkung des Polizeirechts auf die Gefahrenabwehr ist in Deutschland seit dem berühmten Kreuzbergerkenntnis Tradition. Die historische Grundlage für die Polizei- und ordnungsrechtliche Generalklausel ist Paragraph 10 II 17 ALR. Neben die Gefahrenabwehr im eigentlichen Sinne ist heute jedoch auch die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten und die Vorbereitung auf die Gefahrenabwehr getreten.
Polizeiliche Schutzgüter
Polizeiliche Schutzgüter sind die öffentliche Sicherheit und (meist auch) Ordnung.
Unter öffentlicher Sicherheit versteht man dabei den Bestand des Staates und der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und sonstiger Träger der Hoheitsgewalt, die Unverletzlichkeit von Individualrechtsgütern sowie das geschriebene Recht schlechthin.
Die öffentliche Ordnung wird definiert als die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung für ein gedeihliches staatsbürgerliches Zusammenleben betrachtet werden. In der neueren Rechtsentwicklung wird der Begriff der öffentlichen Ordnung teilweise als zu unbestimmt angesehen, um rechtsstaatlichen Ansprüchen zu genügen, weshalb der Begriff als Eingriffsermächtigung aus einigen Landespolizeigesetzen entfernt wurde. In Niedersachsen beispielsweise war der Begriff als Schutzgut im Gefahrenabwehrgesetz gestrichen worden, wurde allerdings im Rahmen der Novellierung des Polizeirechts 2004 in das nunmehr wieder Nds. SOG genannte Landespolizeigesetz wieder eingeführt. Im Allgemeinem Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz - LVwG -) ist allein die öffentliche Sicherheit als Schutzgut definiert, siehe §§ 174 und 176 Abs. 1 LVwG SH[1].
Gefahrenbegriff
Das Handeln der Polizei setzt eine Gefahr voraus. Unter Gefahr liegt nach allgemeiner Meinung vor, wenn bei ungehindertem, objektiv zu erwartendem Geschehensablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für polizeiliche Schutzgüter entstehen kann. Eine wichtige Unterscheidung ist dabei zwischen konkreter und abstrakter Gefahr zu treffen: Die konkrete Gefahr verlangt einen einzelnen Fall, also einen solchen, der räumlich-zeitlich bestimmt ist. Nur bei einer konkreten Gefahr darf sich die Polizei auf die Generalklausel stützen. Einer abstrakten Gefahr hingegen darf nur mit einer polizeilichen Verordnung begegnet werden.
Pflichtigkeit
Auch bei Vorliegen aller Eingriffsvoraussetzungen ist noch nicht entschieden, gegen wen die Polizei ihre Maßnahme zu richten hat. Folgende Pflichtigen kennt das Polizeirecht:
- Verhaltensverantwortlichkeit
- Zusatzveranwortlichkeit
- Zustandsverantwortlichkeit
- Verantwortung bei der Dereliktion von Sachen
- Nichtverantwortlichkeit
Standardmaßnahmen
Durchsuchungen und Sicherstellungen
Alle Polizeigesetze kennen die Standardbefugnis zur präventivpolizeilichen Durchsuchung von Personen. Durchsuchen ist oft legaldefiniert und meint das Suchen nach Gegenständen, die sich möglicherweise in oder zwischen den Kleidern des Betroffenen, an seiner Körperoberfläche oder in den ohne Hilfsmittel einsehbaren Körperöffnungen oder Körperhöhlen.
Ingewahrsamnahme/Festnahme von Personen
Befugnisnorm für einen Eingriff in die Freiheit der Person sind die Regeln zur Ingewahrsamnahme von Personen. Gewahrsam ist ein hoheitlich begründetes Rechtsverhältnis, kraft dessen einer Person die Freiheit dergestalt entzogen wird, dass sie von der Polizei in einer dem polizeilichen Zweck entsprechenden Weise verwahrt und daran gehindert wird, sich fortzubewegen.
Literatur
- Allgemeine Texte:
- Christoph Gusy: Polizeirecht. 7. Aufl. 2009, ISBN 978-3-16-148921-1
- Franz-Ludwig Knemeyer: Polizei- und Ordnungsrecht. 11. Aufl. 2007, ISBN 3-406-52634-9
- Hans Lisken† / Erhard Denninger (Hrsg.): Handbuch des Polizeirechts. Gefahrenabwehr, Strafverfolgung, Rechtsschutz. 1438 S., 4. Auflage 2007, München, C. H. Beck, ISBN 978-3-406-55432-2
- Pieroth / Schlink / Kniesel: Polizei- und Ordnungsrecht mit Versammlungsrecht. 5. Aufl., C.H. Beck, München 2008. ISBN 9783406558276
- Wolf-Rüdiger Schenke: Polizei- und Ordnungsrecht. 7. Aufl., Heidelberg 2011, Verlag: Müller (C. F.), ISBN 978-3-8114-9819-8
- Bundespolizei
- Michael Drewes / Karl M. Malmberg / Bernd Walter: Bundespolizeigesetz BPolG. Kommentar, 4. Aufl., 2010, Verlag Boorberg, ISBN 978-3-415-04324-4
- Baden-Württemberg
- Belz / Mußmann: Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7.Aufl., 2009, Verlag Boorberg, ISBN 978-3-415-04312-1
- Heinz Wolf / Ulrich Stephan / Johannes Deger: Polizeigesetz BW. Kommentar, 6.Aufl., 2009, Verlag Boorberg, ISBN 978-3-415-04313-8
- Bayern
- Schmidbauer / Steiner: Bayerisches Polizeiaufgabengesetz. 3. Auflage 2011, Verlag C.H. Beck, ISBN 978-3-406-61167-4
- Berlin
- Michael Knape / Ulrich Kiworr / Günter Berg / Karl-Ernst von Hein: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht für Berlin. Kommentar für Ausbildung und Praxis, 10.Aufl., 2009, Verlag Deutsche Polizeiliteratur, ISBN 978-3-801-10611-9
- Brandenburg
- Bremen
- Rolf Schmidt: Bremisches Polizeigesetz. Studien- und Praxiskommentar, 1. Aufl., Grasberg 2006, Verlag Rolf Schmidt, ISBN 978-3-866-51001-2
- Hamburg
- Guy Beaucamp / Ulrich Ettemeyer / Josef Konrad Rogosch / Jens Stammer: Hamburger Sicherheits- und Ordnungsrecht - SOG/PolDVG. Kommentar, 2. Aufl., 2009, Verlag Boorberg, ISBN 978-3-415-04200-1
- Hessen
- Mecklenburg-Vorpommern
- Niedersachsen
- Nordrhein-Westfalen
- Henning Tegtmeyer / Jürgen Vahle: Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen (PolG NRW). mit Erläuterungen. Kommentar, 10. Auflage, 2011, Verlag Boorberg, ISBN 978-3-415-04542-2
- Wolffgang, Hans-Michael / Hendricks, Michael / Merz, Matthias: Polizei- und Ordnungsrecht Nordrhein-Westfalen. Studienbuch mit Fällen, 3. Auflage, München 2011, Verlag C.H. Beck, EAN 9783406615788
- Rheinland-Pfalz
- Dietrich G. Rühle / Hans-Jürgen Suhr: Polizei- und Ordnungsbehördengesetz Rheinland-Pfalz: Kommentar für Studium und Praxis, 4.Aufl., 2009, Verlag Deutsche Polizeiliteratur, ISBN 978-3-801-10609-6
- Saarland
- Herbert Mandelartz / Helmut Sauer / Bernhard Strube: Saarländisches Polizeigesetz. Kommentar für Studium und Praxis, 2002
- Sachsen
- Online-Kommentar von RiFG Pratt
- Reiner Belz / Hartwig Elzermann: Polizeigesetz des Freistaates Sachsen. Kommentar für Praxis und Ausbildung, 4.Aufl., 2009, Deutscher Gemeindeverlag, ISBN 978-3-555-54040-5
- Sachsen-Anhalt
- Schleswig-Holstein
- Thüringen
Weblinks
- Polizeirecht in Deutschland. In: Das Parlament. Ausgabe 48, 2008. (Beilage Polizei)
- Polizeirecht anhand von fiktiven Beispielen
- Polizeiaufgabengesetz Bayerns
- Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG)
- Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung
- Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Mecklenburg-Vorpommern
- Polizeigesetz von Niedersachsen
- Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen (PDF-Datei)
- Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) Rheinland-Pfalz
- Kommentiertes Polizeigesetz Sachsen
- Polizeiaufgabengesetz Thüringens (PDF-Datei; 317 kB)
Fußnoten und Einzelnachweise
- ↑ § 174 und Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz - LVwG -)
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