Polnische Heimatarmee

Polnische Heimatarmee
Die inoffizielle Flagge der Armia Krajowa

Die Armia Krajowa (polnisch für Landesarmee, abgekürzt AK; im Deutschen meist als polnische Heimatarmee bezeichnet) war die größte militärische Widerstandsorganisation zur Zeit des Zweiten Weltkrieges im besetzten Polen. Sie war eine Armee aus Freiwilligen, die sich die Befreiung Polens von den deutschen Besatzungstruppen zum Ziel gesetzt hatten. Als militärischer Arm des polnischen Untergrundstaates unterstand sie der Regierungsvertretung im Lande, einer Abteilung der polnischen Exilregierung in London. Ab Juni 1943 hatte sie ca. 380.000 Mitglieder.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

General Komorowski
Polnische Briefmarke von 1992 zum 50. Jahrestag der Gründung der Armia Krajowa

Ursprünglich wurde sie bereits im September 1939 gegründet als SZP (Służba Zwycięstwu Polski, Dienst für den Sieg Polens). Schon im Dezember desselben Jahres wurde dieser in ZWZ (Związek Walki Zbrojnej, Verband für den bewaffneten Kampf) umbenannt, aus dem dann im Februar 1942 die AK hervorging.

Die AK beanspruchte die ausschließliche Führung des militärischen Widerstandes und bemühte sich darum, alle im besetzten Polen entstandenen Widerstandsgruppen ihrem Kommando unterzuordnen. Es traten bei:

und viele kleinere Gruppen. Ihre Oberkommandierenden waren nacheinander:

Das Offizierskorps der AK bestand vorwiegend aus ehemaligen Offizieren des Sanacja-Regimes, obwohl Sikorskis polnische Exilregierung in London von Parteien getragen wurde, die vor 1939 zu diesem Regime in Opposition gestanden hatte. Etliche Widerstandsorganisationen lehnten die Eingliederung in die AK jedoch ab, weil sie politisch gegen die Sanacja gerichtet waren.

Polnische Heimatarmee und Volksgarde

Schwerpunkte des Widerstands der AK waren die Sabotagekriegsführung und der Nachrichtendienst für den britischen Ausschuss für Spezialoperationen, Special Operations Executive, SOE. Den bewaffneten Kampf lehnte sie seit der Niederlage Frankreichs und der Zerschlagung der ersten Partisaneneinheit unter Major Henryk Dobrzański („Hubal“) im April 1940 ab, stand „Gewehr bei Fuß“ und strebte stattdessen einen gesamtnationalen Aufstand an. Als allerdings ab November 1942 die Massenaussiedlungen der Aktion Zamość begannen, gegen die die Bauernbataillone sofort den bewaffneten Kampf aufnahmen, war angesichts dieses starken Widerstandes ab 1943 auch die Führung der AK bereit, im Zamość-Gebiet Partisanenabteilungen aufzustellen.[1]

Demgegenüber kämpften Widerstandsgruppen der Polnischen Arbeiterpartei (Polska Partia Robotnicza) und Partisanengruppen der Volksgarde (Gwardia Ludowa), die später in der Armia Ludowa aufging, seit Mai 1942 im Generalgouvernement mit allen Mitteln gegen die Besatzer. Sie richteten ihre Angriffe besonders gegen das Eisenbahn- und Straßenverkehrsnetz, Militärposten und Depots, um den Nachschub für die Ostfront zu behindern, der zu 90 Prozent durch Polen lief. Polnische Arbeiterpartei und Volksgarde waren vom Zusammenschluss in der AK ausgenommen. Bemühungen der Polnischen Arbeiterpartei, mit dem Londoner Lager zu einem koordinierten Vorgehen zu kommen, blieben ohne Erfolg. Als nach dem Tode des Exilpremiers Sikorski und der Verhaftung des AK-Kommandeurs General Rowecki im Sommer 1943 sich das Kräfteverhältnis in London verschob und die rechtsgerichtete NSZ einen Bürgerkrieg im Untergrund gegen die Volksgarde begann, beteiligten sich auch weitere Teile der AK daran. Die AK-Führung forcierte die politische Polarisierung des Widerstandes, vor allem die Tätigkeit des 1943 gebildeten Antikommunistischen Komitees (Antyk) der AK.[2]

In Galizien und Wolhynien kam es seit 1943 zu einem polnisch-ukrainischen Bürgerkrieg. Übergriffe der Ukrajinska Powstanska Armija auf polnische Bewohner bildeten den Anlass für die Aufstellung der 27. Wolhynier-Infanteriedivision, die mit 6.556 Mann die stärkste Division der Armia Krajowa darstellte.

Der bewaffnete Kampf der polnischen Heimatarmee 1944

Die Partisanentätigkeit der Volksgarde nahm seit dem Frühjahr 1944 stark zu, besonders im Distrikt Lublin. Mit der Operation Sturmwind unternahm die Wehrmacht vom 8. bis zum 25. Juni 1944 den ersten Großeinsatz, um die Partisanenverbände zu zerschlagen. In den Wäldern von Janów Lubelski kam es zur größten und blutigsten Partisanenschlacht auf polnischem Boden. Gegen zwei Brigaden der Volksgarde, eine Abteilung der Heimatarmee, und fünf sowjetische Partisanenabteilungen mit zusammen etwa 5.000 Partisanen setzte General Siegfried Haenicke die 154. und die 174. Reservedivision, Teile der 213. Sicherungsdivision, das 1. motorisierte Gendarmeriebataillon, das SS-Polizei-Regiment 4, das Kalmücken-Kavallerie-Korps, weitere Einheiten sowie eine Staffel Schlachtflieger ein, insgesamt rund 30.000 Mann. Trotz der Überzahl gelang es ihnen nicht, die Partisanenverbände zu zerschlagen. Sie erlitten hohe Verluste.[3]

Zeitgleich mit dem Warschauer Aufstand entfalteten die polnischen Partisanen eine intensive Kampftätigkeit in den Frontabschnitten, in denen die Rote Armee und die 1. Polnische Armee sich westlich der Weichsel Brückenköpfe erkämpften. Die 2., 7. und 106. Division der polnischen Heimatarmee, zu denen auch Bauernbataillone gehörten, und weitere selbständig operierende größere Einheiten nahmen an diesen Kämpfen teil. Auch die Volksgarde, die inzwischen in der Polnischen Volksarmee (Armia Ludowa) aufgegangen ist, formierte größere Einheiten, so die Brigaden Ziemia Kielecka, Świt, Ziemia Krakowska und die Fallschirmbrigade Grunwald.

Anfang 1944 bestand die polnische Heimatarmee in Warschau aus etwa 16.000 Mann. Während des Warschauer Aufstandes seit dem 1. August 1944 wuchs die polnische Heimatarmee auf etwa 45.000 Kämpfende an. Der Aufstand war unzureichend vorbereitet, zunächst sogar nur ein Zehntel der Soldaten der AK bewaffnet, schwere Waffen fehlten anfangs völlig. Zudem entbehrte der Aufstand weitgehend der Unterstützung der bis zur Weichsel vorgerückten Roten Armee. Er wurde von der deutschen Wehrmacht niedergeschlagen, Warschau danach großflächig zerstört und die Heimatarmee fast völlig aufgerieben. Der Kommandant des Aufstandes, General Komorowski, kapitulierte am 2. Oktober 1944 und ging mit dem Rest seiner Truppen in deutsche Kriegsgefangenschaft. An den Kämpfen der polnischen Partisanen im Herbst 1944 nahm die AK ab Oktober nicht mehr teil.[4]

Die Truppen der Heimatarmee wurden vom NKWD entwaffnet, viele ihrer Offiziere wurden erschossen oder in den Gulag geschickt. Diejenigen, die sich nicht entwaffnen ließen, setzten ihren Kampf in den verschiedenen neuen Widerstandsbewegungen fort. Sie wurden als Verstoßene Soldaten bezeichnet.

Prominente Mitglieder

  • Stefan Rowecki (1895–1944), Anführer der Heimatarmee
  • Adam Borys (1909–1986), Gründer des Bataillons „Parasol“
  • Witold Pilecki (1901–1948)
  • Elżbieta Zawacka (1909–2009), einzige Frau, die als Fallschirmspringerin für die AK im Krieg aktiv war, Mitbegründerin des Museums Archiwum i Muzeum Pomorskie Armii Krajowej in Toruń

Siehe auch

Literatur

  • Bernhard Chiari (Hrsg.): Die polnische Heimatarmee. Geschichte und Mythos der Armia Krajowa seit dem Zweiten Weltkrieg. Beiträge zur Militärgeschichte 57. Oldenbourg, München 2003, ISBN 3-486-56715-2
  • Wolfgang Jacobmeyer: Heimat und Exil. Die Anfänge der polnischen Untergrundbewegung im Zweiten Weltkrieg. Leibniz-Verlag, Hamburg 1973, ISBN 3-87473-006-9
  • Julian Eugeniusz Kulski: Dying we live. Holt, Rinehart and Winston, New York 1979, ISBN 0-03-040901-2
  • Timothy Snyder: The Reconstruction of Nations: Poland, Ukraine, Lithuania, Belarus, 1569–1999. Yale University Press, New Haven [unter anderem] 2003, ISBN 0-300-09569-4
  • ders.: Sketches from a Secret War – A Polish Artists Mission to Liberate Soviet Ukraine. Yale University Press, New Haven/London 2005, ISBN 0-300-10670-X

Weblinks

 Commons: Armia Krajowa – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. Bundesarchiv (Hrsg.): Europa unterm Hakenkreuz. Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus (1938–1945). Band 8. Hüthig, Heidelberg 1996, ISBN 3-7785-2338-4, S. 180f., S. 191f.
  2. Bundesarchiv (Hrsg.): Europa unterm Hakenkreuz. Band 8. Hüthig, Heidelberg 1996, ISBN 3-7785-2338-4, S. 179f.
  3. Bundesarchiv (Hrsg.): Europa unterm Hakenkreuz. Band 8. Hüthig, Heidelberg 1996, ISBN 3-7785-2338-4, S. 195
  4. Bundesarchiv (Hrsg.): Europa unterm Hakenkreuz. Band 8. Hüthig, Heidelberg 1996, ISBN 3-7785-2338-4, S. 214

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