- Rat der Volksbeauftragten
-
Als Rat der Volksbeauftragten bezeichnet man ein Gremium, das 1918/1919 die höchste Regierungsgewalt in Deutschland innehatte. In der Übergangsphase vom Kaiserreich zur Weimarer Republik, der Novemberrevolution, kontrollierte es die eigentlichen Regierungsmitglieder. Der Rat wurde am 10. November 1918 von MSPD und USPD gebildet und bestand zunächst aus drei gemäßigten Mehrheitssozialdemokraten und drei radikaleren Unabhängigen Sozialdemokraten. Letztere traten am 29. Dezember zurück, und zwei weitere Mehrheitssozialdemokraten kamen hinzu.
Vorsitzender des Rates war Friedrich Ebert, dem am 9. November der Reichskanzler Max von Baden (verfassungswidrig) die Reichskanzlerschaft übertragen hatte. Ebert setzte sich für baldige Wahlen zu einer verfassungsgebenden Nationalversammlung ein, um Deutschland eine demokratisch legitimierte Regierung zu geben. Der Rat der Volksbeauftragten beschlossen außerdem, erstmals Frauen das aktive und passive Wahlrecht zu ermöglichen. Wahlberechtigt waren nach der Verordnung alle deutschen Frauen, die am Wahltag das 20. Lebensjahr vollendet hatten.[1] Die Wahlen erfolgten am 19. Januar 1919. Mit dem Antritt des Kabinetts Scheidemann am 13. Februar war die Aufgabe des Rates der Volksbeauftragten erfüllt.
Inhaltsverzeichnis
Entwicklung
Der Rat kam durch eine Koalition der beiden sozialdemokratischen Parteien MSPD und USPD zustande und wurde am 10. November 1918 von der Vollversammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte bestätigt, die als Stellvertreter aller revolutionären Räte im Reich handelten. Der Reichsrätekongress der Arbeiter- und Soldatenräte stimmte am 16.–20. Dezember gegen das Rätesystem und für die Wahl einer Nationalversammlung. Daraufhin brach der Rat der Volksbeauftragten auseinander.
Bis zum 29. Dezember 1918 gehörten dem Rat drei Mehrheitssozialdemokraten (Friedrich Ebert, Philipp Scheidemann, Otto Landsberg) und drei Unabhängige (Hugo Haase, Wilhelm Dittmann, Emil Barth) an. Den Vorsitz führten Ebert und Haase. Da Ebert noch vom letzten kaiserlichen Reichskanzler Prinz Maximilian von Baden, wenn auch verfassungswidrig, als Reichskanzler eingesetzt worden war, genoss er vor allem in der Ministerialbürokratie eine – nicht formal begründete – Vorrangstellung. Besonders die Reichskanzlei und ihr Leiter Walter Simons versorgten Ebert mit exklusiven Informationen.
In dieser Zeit organisierte der R.d.V. vor allem die Abwicklung des Waffenstillstands vom 11. November 1918, d. h. die Rückführung der deutschen Truppen, den Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte am 16.–20. Dezember und bereitete die Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 vor.
Da Ebert mit dem Ebert-Groener-Pakt mit der Obersten Heeresleitung die klaren Beschlüsse des Reichskongresses zur Demokratisierung der Armee nicht befolgte, und da die USPD auf dem Reichskongress in vielen anderen Fragen überstimmt worden war, traten die drei Unabhängigen am 29. Dezember zurück. Anlass war ein bewaffneter Kampf während der Weihnachtstage in Berlin. Der R.d.V. wurde durch die beiden Sozialdemokraten Gustav Noske und Rudolf Wissell ergänzt.
Am 19. Januar 1919 wurde die Weimarer Nationalversammlung in allgemeinen Wahlen gewählt. Diese nahm am 6. Februar ein Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt an, eine Art vorläufige Verfassung. Dem Gesetz entsprechend wählte die Nationalversammlung am 11. Ebert zum Reichspräsidenten, dieser wiederum setzte am 13. die Regierung Scheidemann ein. Damit endete die Aufgabe des R.d.V., eine demokratisch legitimierte Regierung war an der Macht.
Auch im Freistaat Sachsen und im Freistaat Braunschweig hießen die ersten beiden nachrevolutionären Regierungen Rat der Volksbeauftragten. An der Spitze der ersten Volksregierung Sachsens (15. November 1918 – 16. Januar 1919) stand Richard Lipinski (USPD); vom 16. Januar 1919 bis 14. März 1919 war Georg Gradnauer (SPD) Vorsitzender des Rats der Volksbeauftragten.
Literatur
- Die Regierung der Volksbeauftragten 1918/19. Eingeleitet von Erich Matthias, bearbeitet von Susanne Miller. 2 Bände. Droste, Düsseldorf 1969 (Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien Reihe 1: Von der konstitutionellen Monarchie zur parlamentarischen Republik 6), (die maßgebliche Quellenedition mit vielen Informationen, erhältlich nur noch in Bibliotheken. Die Einleitung von Erich Matthias erschien auch separat unter dem Titel Zwischen Räten und Geheimräten).
- Emil Barth: Aus der Werkstatt der deutschen Revolution. Hoffmann, Berlin 1919.
- Eberhard Kolb (Hrsg.): Vom Kaiserreich zur Weimarer Republik. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1972, ISBN 3-462-00868-4 (Neue wissenschaftliche Bibliothek - Geschichte 49).
- Arthur Rosenberg: Entstehung der Weimarer Republik. 14. unveränderte Auflage. Europäische Verlags-Anstalt, Frankfurt am Main 1972, ISBN 3-434-00002-X (die 1. Auflage erschien 1928).
Weblinks
Einzelnachweise
Kategorien:- Novemberrevolution
- Verfassungsgeschichte (Deutschland)
- Sozialdemokratische Partei Deutschlands
- Wahlrecht
Wikimedia Foundation.