- Ratschen
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Das Ratschen, in einigen Gegenden auch Räppeln, Rappeln, Klappern, Kläppern, Kleppern, Raspeln, Kliäppern, Schledern, Kläpstern, Klibberen, Karrenn, Lören oder Garren genannt, ist ein Brauch, der in katholischen Gegenden in der Karwoche gepflegt wird. Dabei ziehen Kinder (meist Ministranten) mit hölzernen Instrumenten durch die Straßen der Dörfer und Stadtteile, um die Gläubigen mit unterschiedlichen Sprüchen an die Gebetszeiten und Andachten zu erinnern.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Der Überlieferung zufolge schweigen nämlich von Karfreitag bis Ostern die Glocken bzw. deren Zungen, die Klöppel, da sie alle nach Rom geflogen seien. Da die Kirchenglocken zumeist eine festliche Stimmung ausdrücken, ist deren Geläute in der Zeit der Grabesruhe Jesu nicht angebracht. Um dennoch den Mitgliedern der Religionsgemeinschaft das Angelusläuten nahe zu bringen, wird um 6 Uhr, 12 Uhr und 18 Uhr (in vielen Gegenden auch öfter) mit dem Ratschen oder Klappern daran erinnert. Sowohl die meist um 15 Uhr stattfindende Karfreitagsliturgie als auch um 8 Uhr der Kreuzweg wird rechtzeitig vorher angezeigt und ausgerufen. Und am Ostersonntag-Morgen wird die Auferstehung Jesu verkündet. Der Anführer einer Klappergruppe wird „Klappermeister“ genannt.
Geschichte
Das Ratschen ist ein alter Brauch, der schon in einem 1482 in Coburg geschriebenen Buch erwähnt wird. Auch in Sebastian Francks „Weltbuch“ aus dem Jahr 1534 heißt es:
- „Da fährt man mit einem klopfenden Karren und vielen Tafeln in der Stadt herum und rufen das Volk in die Kirche zur Passion.“
Verse beim Umzug
Einer der Sprüche, die gerufen und anschließend von heftigem Lärm begleitet wurden, lautet:
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- „Wir ratschen, wir ratschen den Englischen Gruß, (= Engelsgruß)[1]
- den jeder katholische Christ beten muss.“
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Die Klapperbuben und heute auch Klappermädchen müssen sehr früh aufstehen, wollen sie den ersten Termin um 6 Uhr morgens wahrnehmen. Hatte ein potenzieller angemeldeter Klapperer verschlafen, so wurde er vor seinem Haus ausgeklappert und verspottet:
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- „XY, steh auf zum Beten,
- wir sind schon alle angetreten“
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Am Karsamstag (regional verschieden) wurde dann der Klapperlohn eingesammelt. Dabei zog die Klappergruppe von Haus zu Haus und sammelte Ostereier, Geld oder auch Süßigkeiten. Der Klapperspruch lautete dann:
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- „Wir haben geklappert fürs Heilige Grab
- und bitten um eine milde Gab“
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Auch am Morgen des Karsamstags wird ein Sprüchlein aufgesagt:
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- „Weiber/Frauen, steht auf zum Kuchenbacken.
- Hurra, hurra, der Kuchen geht auf“
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In der Osternacht, also von Karsamstag auf Ostersonntag, ziehen in Alsdorf (Eifel) Jugendliche durch die Dorfstraßen mit folgendem Gesang (in Hochdeutsch):
„Steht auf, steht auf zum heil'gen Grab, es ist schon an der Zeit. Es fängt schon an zu tagen, der Tag ist nicht mehr weit. Auf, auf, ihr Lieben, lasst die Faulen liegen, lasst sie liegen in ihrer Ruh', wir eilen mit Vergnügen dem heil'gen Grabe zu!“
In einer Gemeinde im Pfälzerwald erklingt beispielsweise am Karsamstagmorgen folgende Weise:
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- „Wachet auf, im Namen Herr Jesu Christ
- Der helle Tag vor Augen ist
- Der helle Tag, der über uns wacht
- Gott schenk uns einen guten Tag
- Einen guten Tag, eine fröhliche Zeit
- Gelobt sei Gott in Ewigkeit“
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Es gibt regional noch eine Vielzahl weiterer Sprüche, teilweise im örtlichen Dialekt. Am Untermain wird beispielsweise vor der Karfreitagsliturgie gerufen:
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- „Wir klippern und klappern auf Haufen,
- wer in die Kärsch (Kirche) will, der muss laufen, laufen.“
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In manchen Gegenden Mittelfrankens gibt es auch noch folgende Sprüche:
– Zum Angelusläuten:
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- „Wir klappern zum Englischen Gruß, den jeder katholische Christ beten muss, das Ave Maria, gratia plena!“
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– Zu den Zeremonien wird geklappert:
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- „Hört, ihr Leut, das ist das erste zu den Zeremonien, Zeremonien!“
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Die zweite Gruppe singt dann statt „erste“ das „zweite und letzte“.
Beim Eiersammeln wird häufig geratscht:
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- „Feieramt, Feieramt Hausfra (bzw. Hausmo) pack dei Eier zam! Zehne, zwölfe wöl mer ham!“
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In der Eifel ist es üblich, anstelle von Versen kurze Wörter oder Sätze zu rufen, bzw. am Abend direkt vor der Ostermette zu singen. Morgens lautet der Ruf Morjensglock oder Morjensglock loud (Morgenglocke läutet), am Mittag Mähdachsglock (Mittagsglocke), am Abend Nateglock oder Owendsglock (Nacht- bzw. Abendsglocke), vor der Andacht am Karfreitag und der Osternachtsmette ruft man Zesaame (zusammen). In der Voreifel lautet der laut ausgesungene Ruf Es läuten die Glocken zur Morgen-/Mittags-/Abendstund!
In der Gegend um Daun herum singen die Kinder Mettaach, Honnekraach, iwwermuer os Usterdaach (Mittag, Hahnenschrei, übermorgen ist Ostern), am nächsten Tag … muer os Usterdach.
In Rivenich rufen sie: Meetisch (mittags); Betklock (abends) und morgens und dann jeweils entweder iwermuer/bzw. muer is heilich Ustrdach.
Im Saarland:
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- Morgens und Abends zur Betstunde: „Beetklock, Rosenstock, wenn'd nemme laut/klingelt dann kläppert et noch“ (Betglocke, Rosenstock, wenn es nicht mehr läutet dann kläppert es noch!)
- Mittags: „Mittach, Mittach, Hohnekrach, Sunndach, Meendach is Osterdach, Osterdach“ (Mittag, Mittag, Hahnengeschrei, Sonntag und Montag ist Ostertag)
- Zur heiligen Messe am Karfreitag und am Ostersonntag zur Auferstehung gehen die Jugendlichen im Saarland in der Regel dreimal. Sie singen dazu: „Zum ersten Mal“ bzw. „zum zweiten Mal“. Beim dritten Mal lautet der Vers wie folgt: „Zu haaf, zu haaf, wer in de Kirch will, der laaf“ (Zu Hauf, zu Hauf, wer in die Kirche will, der laufe)
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In anderen Orten im Saarland: „Steht alle auf, Ihr lieben Leut’, und eilt zum heilgen Grab hinauf.“ Insgesamt gibt es unzählige verschiedene Sprüche. Oft sind diese sogar innerhalb eines Ortes verschieden.
Instrumente
Es werden vor allem folgende Lärminstrumente verwendet:
- Die Ratsche oder auch Räppel ist ein Resonanzkasten aus Holz, der ungefähr 30 cm lang ist und mit einer Kurbel betätigt wird. Dabei werden Holzleisten durch Nocken auf einer Walze in Bewegung gesetzt und ergeben dabei ein schnarrendes Geräusch.
- Die Klapper ist ein Hämmerchen, das – ähnlich einer Handglocke – auf eine Holzleiste schlägt und dabei ein klapperndes Geräusch ergibt.
- Die Raspel, ein durch heftiges Drehen bewegtes Instrument, wobei bei der Drehung eine sehr dünne Holzplatte über die Zähne eines hölzernen Zahnrades schnarrt.
Der Brauch findet sich heute noch in Bayern, Österreich, Luxemburg, der Pfalz, der Rhön, an der Mosel, im Saarland, in der Eifel, im Rheinland, in katholischen Gebieten Baden-Württembergs und im Ruhrgebiet (Waltrop).
Auch in den christlichen Städten im Heiligen Land (Israel und Westjordanland) gibt es solche Umzüge, jedoch ohne Ratschen. Dort ziehen die Pfadfinder mit Trommeln durch die Straßen.
Rheinland und Westfalen
Die Tradition im Rheinland, z. B. in Hochkirchen und in Westfalen, vor allem im Erzbistum Paderborn, wird von den Eltern an die Kinder weiter gegeben. Einige Klapperjungen und -mädchen sind Messdiener.
Manche haben keine Klappern, sondern Ratschen. Diese Geräte sind von den Vätern vererbt worden.
Geklappert wird sowohl an Karfreitag wie auch an Karsamstag, und zwar um 7 Uhr, 11:30 Uhr und 18 Uhr. Samstags vormittags ziehen die Kinder mit einem Bollerwagen und einer Sammelbüchse von Haus zu Haus und bringen die Ostergrüße im Chor dar. Sie sammeln Ostereier, Süßigkeiten und Geld. Diese Sachen werden dann an Karsamstag vom Ältesten verteilt.
In Krefeld-Hüls ziehen die Messdiener in der Karwoche mit Instrumenten ähnlich den Raspeln durch die Gemeinde und sammeln Eier und Geld als Dank für im vergangenen Jahr geleisteten Dienste. Die Eier werden unter den Messdienern aufgeteilt, das Geld wird für Ausflüge und Fahrten verwendet.
In Waltrop ziehen die Jugendlichen mit Räppeln durch die Straßen. Sie werden Räppler genannt und sammeln Eier, Süßigkeiten und Geld. Die Räppler räppeln in einem einheitlichen Takt (zwei Umdrehungen am Stück und danach ein einzelner Klack) durch die Straßen von Waltrop. Unterwegs sind sie am Karfreitag und Karsamstag jeweils um 6 Uhr, 12 Uhr und 18 Uhr. Außerdem laden einige von ihnen als "Turmräppler" zum Ostergottesdienst ein.
In Kaldauen und Braschoß ziehen die Messdiener die gesamte Karwoche über durch die Gemeinde und sammeln Eier für die Agape nach der Osternacht. Diese werden am Karfreitag gemeinsam gekocht und gefärbt.
Andere Bedeutungen
Der Begriff Ratschen ist in alemannischen, fränkischen und bairischen Dialekten aber auch eine Bezeichnung für eine Unterhaltung. Dabei wird speziell einkaufenden sich unterwegs treffenden Hausfrauen diese Tätigkeit zugeschrieben, die dann beim Ratschen, oft auch Tratschen, zu sehen sind.
Darüber hinaus sind Ratschen die Mehrzahl des Werkzeuges Ratsche oder auch Knarre (Werkzeug), welche hauptsächlich zum Lösen und Festziehen von Schraubverbindungen eingesetzt wird, wobei der Name (auch) gedeutet wird aus dem sich ergebenden Geräusch, wenn man das ursprünglich rein mechanische Werkzeug am abgehenden Adapter festhält und den Hebel im (Teil-)Kreis ohne Kraft zurückdreht.
Literatur
- Fränkischer Tag: 5. April 2007, S. 17.
- Jules Mersch: T Klibberen. In: Luxemburger Illustrierte. Nr 7/1928, S. 82 und S. 84.
Weblinks
- Westdeutscher Rundfunk (WDR)-Reportage: Karklappern in Hersel 2008
- Erinnerungsseite eines Klapperers
- Ratschen in Theres
- Klapperer 2004
- Turmratsche für Mariazell
- Tschagguser Rätschner
- Das Räppeln in Waltrop
- Brauchtümer in der Gemeinde Burg-Reuland
- Ratschen anhören
Einzelnachweise
- ↑ Stadtmuseum Bad Ischls Abgerufen am 2. Januar 2010
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