Rattlar

Rattlar
Rattlar
Koordinaten: 51° 19′ N, 8° 39′ O51.3111555555568.64845580Koordinaten: 51° 18′ 40″ N, 8° 38′ 54″ O
Höhe: 580–739 m ü. NN
Einwohner: 381 (15. Jan. 2010)
Postleitzahl: 34508
Vorwahl: 05632

Rattlar ist ein Ortsteil der Gemeinde Willingen in Nordhessen und mit 580 bis 738 m ü. NN. einer der höchstgelegenen Erholungsorte im Upland. Es liegt nördlich davon zu Füßen des Dommels.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Frankenkaiser Karl der Große unterwarf zwischen 772 und 804 die Sachsen in heftigen kämpferischen Auseinandersetzungen und setzte ihre Zwangschristianisierung durch. Der Legende nach soll der heilige Sturmius, ein Anhänger des Bonifatius, die Upländer am "Christenbörnchen", einer kleinen Quelle an der Landstraße nach Rattlar, getauft haben. Noch heute wird Taufwasser aus dieser Quelle geholt.

Seit 1230 gehörte Rattlar zur Grafschaft Waldeck. 1529 wurde die Grafschaft Waldeck und damit auch Rattlar protestantisch reformiert (heute Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck).

Ab etwa 1540 verbesserte sich die wirtschaftliche Lage des traditionell armen Uplands durch die im Upland entstehende "Eisenindustrie" etwas. Die dadurch ausgelösten Abholzung aller Wälder löste allerdings eine länger anhaltende Holzknappheit aus.

Der 30-jährige Krieg (1618-1648) und die im Sauerland wütenden Pestepidemien (1636-1638) trafen das Dorf und die ganze Umgebung hart. Davon erholten sich die Orte der Gegend nur langsam. Vom 17. bis ins 19. Jahrhundert waren im Upland Hungersnöte nicht ungewöhnlich und das Upland galt als Armenhaus Waldecks.

Mit Einsetzen der Industrialisierung an Rhein und Ruhr zogen viele Menschen aus der Gegend daher ins Bergische Land, um Arbeit zu finden. Die Lage der Zurückgebliebenen verbesserte sich dagegen kaum. Erst ab etwa 1870 verbesserten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse nachhaltig.

Historische Herrschaft und Verwaltungszuordnung

Seit 1230 gehörte Rattlar zur Grafschaft Waldeck, nach dessen Teilung dann ab 1474 zu Waldeck-Eisenberg. Seit 1712 hieß das Fürstentum dann Waldeck-Pyrmont, das in der Weimarer Republik ab 1918 einen eigenen Freistaat (Republik) bildete. 1929 kam Rattlar zum Freistaat Preußen. 1974 wurde im Rahmen der zweiten Gebietsreform durch Zusammenlegung der Dörfer Bömighausen, Eimelrod, Hemmighausen, Neerdar, Rattlar, Schwalefeld, Usseln, Welleringhausen und Willingen (Upland) die Verbandsgemeinde Willingen gegründet, die zum Landkreis Waldeck-Frankenberg gehört.

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts gehörte Rattlar zum Kirchspiel und zum Freigericht Usseln.

Persönlichkeiten

Rattlar war lange Jahre bevorzugter Ferienort und später Wohnort des rechtskonservativen Publizisten Wilhelm Schwaner (1863–1944). Dieser hatte sich 1910/1911 in Rattlar ein Svantehus genanntes Ferienhaus errichten lassen, das ihm in den Folgejahren während der Sommermonate regelmäßig als Rückzugsort diente (westlich von Rattlar am Hermannsberg gelegen, heute: Zum Park 5; nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Haus lange Zeit vom Evangelischen Hilfswerk genutzt). Am 31. Mai 1914 wurde das Hermannshaus bei Rattlar, durch Spenden von Mitgliedern finanziert und bereits im Vorjahr errichtet, als Bundesheim des von Schwaner geführten Bundes deutscher Volkserzieher eingeweiht (nördlich von Rattlar, heute: In der Hege 6; nach der Auflösung des Bundes deutscher Volkserzieher im Oktober 1936 wurde das Gebäude zunächst vom „Reichsarbeitsdienst“ und von der „Hitlerjugend“ genutzt, um dann 1939 an den „Nationalsozialistischen Lehrerbund“ verpachtet zu werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude in ein Freizeitheim für Schulklassen umgewandelt). Der seit Mitte der 1890er-Jahre in Berlin lebende Schwaner verließ die deutsche Reichshauptstadt nach dem Tod seiner Frau im Jahre 1928 und dem Verlust des Sohnes im Jahre 1930 und siedelte endgültig ins Svantehus bei Rattlar über. Für den Volkserzieher-Verlag hatte er dort 1929 ein eigenes Verlagsgebäude errichten lassen. Schwaner starb im Alter von 81 Jahren am 13. Dezember 1944 in Rattlar und wurde am 18. Dezember auf dem dortigen Friedhof beigesetzt.

Auf dem Hermannsberg (705 m) bei Rattlar war Pfingsten 1912 der (bis heute an Ort und Stelle erhaltene) Hermannstein – ein großer quadratischer Feueraltar mit Sonnenrad und einem (nicht erhaltenen) hölzernen Runentor – als Feierstätte der Volkserzieher und der „Germanisch-Deutschen Religions-Gemeinschaft“ eingeweiht worden. Bei der Einweihung waren neben Schwaner u. a. Karl Engelhard, Ludwig Fahrenkrog, Gustav Simons, Philipp Stauff und Carl Weißleder zugegen.

Der Jurist und hessischer Landtagsabgeordnete Wilhelm Saure (*25. September 1899 in Rattlar,† 18. April 1951) ist in Rattlar geboren.

Weblinks

Literatur

Walther Rathenau / Wilhelm Schwaner: Eine Freundschaft im Widerspruch. Der Briefwechsel 1913−1922 (Hg. Gregor Hufenreuter / Christoph Knüppel), Berlin 2008. ISBN 978-3-86650-271-0


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