- AvGas
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AvGas Andere Namen Aviation Gasoline, Flugbenzin
Handelsnamen AvGas 80,82 UL, 91, 100 LL, 100
Kurzbeschreibung Ottokraftstoff für Flugzeuge Herkunft fossil
Eigenschaften Aggregatzustand flüssig Dichte 0,73–0,78 kg/L (15 °C)
Heizwert >43,5[1]
Oktanzahl - AvGas 100 LL: 100 MOZ[1]
Schmelzbereich < –58°C Siedebereich ~30–170 °C[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. AvGas, Kurzform von Aviation Gasoline, ist der Fachausdruck für Flugbenzin. Andere oder ähnliche Schreibweisen sind: avgas, AVGAS oder Avgas. Im Gegensatz zu MoGas ist es auf größere Höhen ausgelegt. Zurzeit werden fünf Sorten mit unterschiedlicher Verbleiung angeboten (siehe Norm ASTM D 910, Def Stan 91-90/2(MIL), ASTM D 6227)[1][2][3]. AvGas wird nur von Flugzeugen mit Ottomotor verwendet. Turbinengetriebene Flugzeuge und Flugzeuge mit Dieselmotoren benötigen den Kraftstoff Kerosin – ein leichtes Petroleum, auch JP-1 oder Jet A-1 genannt.
Inhaltsverzeichnis
Bezeichnung
Die einzelnen AvGas-Sorten werden durch das sogenannte Lean Rating[1] (s.u.) charakterisiert. Bei einigen Sorten wird der Zusatz LL (Low Lead = bleiarm) oder UL (Un Leaded = bleifrei) angehängt. Mit AvGas 100 LL wird also eine Sorte bezeichnet die (salopp) eine (Motor-)Oktanzahl (MOZ) von 100 und einen – verglichen mit der Sorte AvGas 100 – niedrigeren Bleigehalt aufweist. In der Vergangenheit wurde in der Sortenbezeichnung auch noch die „Oktanzahl“ des sogenannten Supercharge Ratings (s.u.) aufgeführt, beispielsweise AvGas 100/130. Um Fehler bei der Handhabung und Missverständnisse zu vermeiden, wird nur noch das Lean Rating zur Sortencharakterisierung verwendet[3].
Spezifikationen
Lean Rating/MOZ (ASTM D 2700): Das Lean Rating (LR, Lean = mageres Gemisch) ist eine vom US Army Air Corps entwickelte Methode (ASTM D 614), das Klopfverhalten diverser AvGas-Sorten zu charakterisieren[2]. Die Methode soll das Verhalten des Treibstoffs bei relativ niedriger Belastung des Motors beschreiben. Das Verfahren ähnelte der Motor-Oktanzahl-Bestimmung (MOZ) so stark, dass 1969 eine Umrechnungstabelle (MOZ→Lean Rating) in die Norm ASTM 2700 aufgenommen wurde und das Lean Rating nur noch eine (aus der MOZ) berechnete Größe darstellt. Im Bereich 75-100 MOZ unterscheiden sich beide Zahlen kaum. Ab 100 MOZ sind die Abweichungen nicht unerheblich (MOZ=110 → LR=128). Weiterhin wird das LR ab einem Wert von 100 als Performance Number (PN) bezeichnet.
Supercharge Rating (ASTM D 909): Im Zweiten Weltkrieg entwickelten die Briten eine Methode, die Klopfeigenschaften diverser AvGas-Sorten bei hoher Belastung des Motors zu charakterisieren (Startphase, fettes Gemisch)[2]. Hierbei wird – vereinfacht dargestellt – die durch den Test-Kraftstoff ermöglichte mechanische Leistung des modifizierten CFR-Motors mit der mechanischen Leistung eines Referenztreibstoffes (Isooktan/N-Heptangemisch) verglichen. Das Klopfverhalten wird mit Hilfe eines Klopfsensors für den Test- und den Referenztreibstoff auf dem gleichen – niedrigen – Niveau gehalten. Ermöglicht der Testkraftstoff die gleiche Leistung wie der Referenztreibstoff, so wird seine Oktanzahl {nach der „Supercharge Rating“ Methode, SR) mit dem Isooktangehalt der Referenzmischung definiert. Das ist natürlich nur mit Oktanzahlen unter 100 möglich. Über 100 besteht der Referenzkraftstoff aus einer Mischung von Isooktan mit Tetraethylblei (TEL). ASTM D 909 liefert eine Tabelle um den TEL-Gehalt in eine sogenannte Performance Number (PN) umzurechnen. Unter Umständen ergeben sich dann zwei PNs – eine das Lean Rating charakterisierende sowie eine zweite für das Supercharge Rating. Das SR ist nicht mit der Research Oktanzahl (ROZ) vergleichbar.
ROZ (ASTM D 2699): Die „Research Oktane Number“ spielt bei der technischen Charakterisierung von AvGas keine Rolle. Sie wird aber überraschenderweise bei der Steuerbefreiung von verbleitem, kommerziell genutztem Flugbenzin herangezogen (§_27 EnergieStG: ...dessen Researchoktanzahl den Wert von 100 nicht unterschreitet..)[4]. AvGas 100 (1,12 g-Pb/L) und 100 LL (0,56 g-Pb/L) wären dann für den kommerziellen Gebrauch bestimmt steuerbefreit, AvGas 80 (0,14 g-Pb/L) definitiv nicht, für AvGas 91 (0,56 g-Pb/L) wäre es zumindest zweifelhaft (unverbleites AvGas 82 UL fällt ohnehin nicht unter die Steuerbefreiung).
AvGas Farbe Blei ON ON Performance T10 FBP DVPE* FRP Schwefel g/L lean (min) rich (min) Number/rich (min) (max) (max) kPa °C (max) ppm (max) AvGas 80 rot 0,14 80 87 – 75 170 38–49 –58 500 AvGas 82 UL purpur[2] 0,00 82 – – 70 225 38–62 –58 500 AvGas 91 braun 0,56 91 96 – 75 170 38–49 –58 500 AvGas 100 LL blau 0,56 100 – 130 75 170 38–49 –58 500 AvGas 100 grün 1,12(MIL:0,85) 100 – 130 75 170 38–49 –58 500 - DVPE: Dry Vapour Pressure Equivalent (Dampfdruck bei 38 °C)
Verwendung
AvGas wird heute in US-amerikanischen (beispielsweise Lycoming und Continental Motors) und russischen Flugottomotoren sowie auch für Wankel-Flugmotoren verwendet. Die meisten benötigen aufgrund ihrer Bauart, die fast unverändert auf die 1940er- und 1950er-Jahre zurückgeht, hochverbleites Benzin mit einer hohen Oktanzahl. Diese Voraussetzungen erfüllt AvGas 100 (hohes Lean Rating, hoher Bleigehalt).
Gab es noch vor wenigen Jahren weltweit unterschiedliche Sorten von AvGas, ist inzwischen in vielen Ländern aus umweltpolitischen Gründen (Emission von Blei und Bleivergiftung durch Tetraethylblei) nur noch eine verbleite Sorte (AvGas 100 LL) erhältlich.
Früher gab es sowohl hochverbleite Varianten (AvGas 108/135:0,84 g-Pb/L, AvGas 115/145:1,28 g-Pb/L)[5] als auch Varianten mit geringerer Oktanzahl (Avgas 73)[6], die aber kommerziell nicht mehr angeboten werden.
Für ältere Hochleistungs-Flugmotoren, vor allem bei Maschinen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs und danach, die sehr hohe Oktanzahlen über 100 benötigen, muss der entsprechende Kraftstoff extra hergestellt bzw. mit speziellen Zusätzen versehen werden, um einen störungsfreien Betrieb zu gewährleisten. Hierbei sind die Sorten AvGas 108 sowie AvGas 115 zu nennen.
Diese heute sehr teuren speziellen AvGas-Sorten sind vor allem bei historischen Flugschauen sowie Flugzeugrennen wie jene in Reno/Nevada (USA) anzutreffen. Ein ganz ähnliches „Renn-Benzin“ wird auch für die unteren Klassen bei Beschleunigungsrennen verwendet.Aufgrund des hohen Preises für AvGas verbreitete sich in den letzten Jahren in Europa verstärkt sog. MoGas (Kurzform für Motor Gasoline). Dieses entspricht genau Tankstellen-Superbenzin mit einigen Zusätzen. Einige der klassischen Flugmotoren (etwa viele Versionen des Vierzylinders Lycoming O-320, wie er in vielen Piper- und Cessna-Typen eingebaut ist) können ohne jegliche Modifikation mit MoGas betrieben werden, andere müssen aufwendig modifiziert werden. Mit der Zwangsbeimischung von Bio-Alkohol im Motorenbenzin seit 2007 erlöschen aber die Zulassungen für die Verwendung von MoGas, sofern es über 1 % Alkohol enthält. Insofern ist der Trend „weg vom Avgas“ wohl gestoppt. Ein "bleifreies" AvGas (82UL) ist von der Industrie zwar seit Jahren angekündigt worden, bis dato wird es aber noch nicht produziert[7]
Herstellung
AvGas 100 LL ist – wie Motorenbenzin auch – ein Blend aus verschiedenen Komponenten[2], wie:
- Butan (zur Einstellung des Dampfdruckes)
- Isopentan (dito, zur Einstellung des Dampfdruckes)
- Leichtes Alkylat (C7-C9 Isoparaffine, hergestellt mit Hilfe des sogenannten Alkylierungs-Prozesses. Schwere Anteile des „Full-Range“-Alkylats werden entfernt, um die AvGas-Siedeende-Spezifikation einhalten zu können)
- Toluol
- Tetraethylblei (0,56 g-Pb/l)[8]
- 1,2-Dibromethan (sogenannter Scavenger)
- Additive
wobei das synthetische Leicht-Alkylat den Hauptbestandteil der Mischung darstellt. Des Weiteren enthält AvGas noch diverse Additive wie ein Antioxidans, Vereisungsschutz-Additiv, Korrosionsinhibitor sowie einen Leitfähigkeitsverbesserer[1].
Verbrauch
In Deutschland wurden 2007 etwa 14.000 Tonnen Flugbenzin verbraucht[9], gegenüber 21.292.000 Tonnen Motorenbenzin eine verschwindend geringe Menge. In Deutschland wird kein AvGas produziert[9], die gesamte Menge wird aus dem (EU-) Ausland importiert.
Besteuerung
In der Allgemeinen Luftfahrt ist jede Sorte Flugzeugtreibstoff seit 1976 mineralölsteuerpflichtig. Flugbenzin (AVGAS) wird in Deutschland höher besteuert als Autokraftstoff. Es fallen dabei nach geltendem Mineralölsteuergesetz pro Liter 0,721 Euro Mineralölsteuer[10] an und zusätzlich wird auf die Summe von unbesteuertem Literpreis und Energiesteuer noch einmal 19 % Mehrwertsteuer erhoben. Zurzeit (Sept. 2008) kostet ein Liter AvGas am Flugplatz Bonn-Hangelar 2,32 Euro pro Liter (siehe www.edkb.de). Eine Modellrechnung auf dieser Basis ergibt 1,23 Euro als unbesteuerter Literpreis. Inklusive 0,721 Euro Mineralölsteuer ergibt dies 1,95 Euro pro Liter, zusammen mit 19 % Mehrwertsteuer macht es dann 2,32 Euro. Der staatliche Steueranteil beträgt in diesem Beispiel folglich insgesamt 47 %. Bei MOGAS liegt der Mineralölsteueranteil mit 0,655 Euro pro Liter etwas niedriger. Der im Vergleich zum Autobenzin höhere Preis für AVGAS rührt von der sehr geringen Produktionsmenge dieser besonderen Benzinsorte her.
Für die gewerbliche Luftfahrt bei der Beförderung von Passagieren und Fracht besteht dagegen weitgehende Steuerfreiheit. International gilt dabei das seit dem 7. Dez. 1944 bestehende Chicagoer Abkommen (ICAO-Abkommen), in dem sich alle 187 Mitgliedsstaaten zur Steuerbefreiung von Flugtreibstoffen bei internationalen Flügen verbindlich bekannt haben (siehe www.icao.int). Diese Regelung ist innerhalb der EU durch die „Richtlinie 92/81/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle“ inklusive möglicher Sonderregelungen im Hinblick auf die nationale Steuererhebung konkretisiert. Danach sind mehrere Fälle zu unterscheiden.
1. Fall (internationaler, gewerblicher Flug): Der Flugtreibstoff ist gemäß ICAO-Abkommen komplett steuerfrei.
2. Fall (national, gewerblicher Flug, Turbinenflugzeuge mit Kerosin als Treibstoff): Es wird ausschließlich die nationale Umsatzsteuer erhoben; es fällt keine Mineralölsteuer an.
3. Fall (national, gewerblicher Flug, Kolbenmotorflugzeuge mit AVGAS als Treibstoff): Es wird ausschließlich die nationale Umsatzsteuer erhoben. Ob hierbei zusätzlich Mineralölsteuer erhoben wird, unterliegt der nationalen Gesetzgebung.
Für den sogenannten Werkverkehr (gewerblicher Verkehr von Nicht-Luftfahrt-Unternehmen) hat im Oktober 2007 ein Musterprozess vor dem Finanzgericht Düsseldorf ebenfalls Befreiung von der Mineralölsteuer bestätigt und mit EU-Richtlinien begründet. Ob die unterlegene Zollverwaltung dieses Urteil endgültig hinnehmen muss, bleibt abzuwarten.
Alternativen
Seit dem Beginn der 1990er-Jahre gibt es Bestrebungen in der Allgemeinen Luftfahrt und hier speziell bei Kleinflugzeugen mit Kolbenflugmotoren, Dieselkraftstoff und Kerosin als Alternative zu AvGas einzusetzen. Dabei wird unterschiedlichen Konstruktionsprinzipien gefolgt. Es gibt sowohl Viertakt-Dieselmotoren, Zweitaktmotoren als auch Wankelmotoren. Vorteile der Dieselmotoren sind vor allem der geringere Verbrauch und der – regional unterschiedlich – häufig günstigere Kraftstoff. Aufgrund des Selbstzündungsverfahrens und der hohen Kompressionsdrücke sind die Dieselmotoren allerdings robuster und damit schwerer gebaut. Das höhere Gewicht bedeutet einen Nachteil gegenüber konventionellen Flugmotoren.
Marktreife und zugelassene Diesel- und Kerosin-Kolbenflugmotoren bieten die Firmen Société de Motorisations Aéronautiques (SMA) (Teil der SAFRAN GroupSMA), Centurion Aircraft Engines (vormals Thielert) und neuerdings Austro Engine an. Weitere Hersteller sind Wilksch, Mistral oder DeltaHawk, deren Motoren derzeit nur in Experimentalflugzeugen und Drohnen eingesetzt werden. Die Motoren leisten zwischen 88 kW und 257 kW (120 bis 350 PS). Somit sind sie leistungsmäßig geeignet, die meisten ein- und zweimotorigen Kleinflugzeuge anzutreiben. In den Leistungsklassen darüber hinaus werden in der Regel Turbinen eingesetzt (Strahlturbine und Turbo-Prop).
Literatur
- Götsch, Ernst - Luftfahrzeugtechnik, Motorbuchverlag, Stuttgart 2003, ISBN 3-613-02006-8
Siehe auch
Quelle
Kategorien:- Luftfahrtkraftstoff
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