- Roland Girtler
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Roland Girtler (* 31. Mai 1941 Wien-Ottakring) ist ein österreichischer Soziologe und Kulturanthropologe. Er ist Vertreter der "verstehenden" Soziologie nach Alfred Schütz und hat sich der qualitativen Sozialforschung verschrieben.
Inhaltsverzeichnis
Biographie
Roland Girtler – Sohn des späteren Gemeinde- und Landarztes von Spital am Pyhrn (Oberösterreich) Dr. Roland Girtler und der Landärztin Dr. Leopoldine Girtler – verbrachte seine Kindheit und Jugend in Spital am Pyhrn, wo er die Volksschule besuchte. Von 1951 bis 1959 besuchte er das humanistische Gymnasium des Klosters Kremsmünster, an dem er auch maturierte. Ab 1967 studierte Girtler an der philosophischen Fakultät der Universität Wien Ethnologie, Urgeschichte, Philosophie und Soziologie. Während des Studiums heiratete er und arbeitete als Bierausfahrer, Arbeiter am Naschmarkt und als Filmkomparse. 1971 wurde er zum Doktor der Philosophie promoviert, 1979 habilitierte er sich an der Universität Wien. Er ist Mitglied bei der österreichischen Studentenverbindung Corps Symposion, des Österreichischen Alpenvereins, der Naturfreunde, der Anthropologischen Gesellschaft in Wien, usw.
Anlässlich seines 65. Geburtstages wurde ihm die Festschrift Die Wahrheit liegt im Feld gewidmet. Er ist ein Enkel des Bauingenieurs und Hochschullehrers Rudolf Girtler.
Forschungen
Anfang der 1970er Jahre betrieb er Feldforschung in Indien über Die "demokratische" Institution des Panchayat in Indien, deren Ergebnisse er 1971 im gleichnamigen Buch veröffentlichte. Seine abwechslungsreiche Forschertätigkeit führte ihn in die Bauerndörfer von Gujarat (Indien) und in die Slums von Mumbai (damals Bombay), aber auch zu „feinen Leuten“ (Aristokraten, Politiker, Jäger), in städtische Randkulturen (Dirnen, Sandler, Ganoven), zu Bergbauern, Schmugglern, (damals ausschließlich städtischen) Polizisten, den Landlern in Siebenbürgen, zu Landärzten, Klosterschülern und zu Wilderern.[1]
Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte sind die Kultursoziologie, Randkulturen und der Bauernstand in Österreich und Siebenbürgen. Als Forscher und akademischer Lehrer unkonventionell, hat Girtler auch als Leitbild für soziologische Untersuchungen 10 Gebote der Feldforschung aufgestellt, in denen er Hinweise zum Verhalten des Forschers im Feld im Umgang mit den untersuchten Menschen gibt.
Bekannt ist Girtler auch als eifriger Verfechter des Fahrrads als Transportmittel. So ist beispielsweise sein Buch "Vom Fahrrad aus: Kulturwissenschaftliche Gedanken und Betrachtungen" aus der Perspektive eines Radfahrers geschrieben. Seine in der Sonntagsausgabe der Kronen Zeitung erscheinende Kolumne, in der er sich selbst als "vagabundierenden Kulturwissenschaftler" bezeichnet, beginnt er oft mit dem Hinweis, dass er sein im Text beschriebenes Ziel mit Bahn und/oder Fahrrad erreicht hat. Die Kolumne endet meistens mit den Worten "Ich wünsche [meinen Gesprächspartnern] das Beste und ziehe weiter", was das Selbstbild als "vagabundierender" Wissenschaftler unterstreicht.
Beschäftigungen
Roland Girtler ist außerordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Soziologie der Universität Wien (Institutsmitglied seit 1972). Zwischen 1973 und 1975 lehrte er an der Universität München. Seit 2000 leitet er das Museum „Wilderer im Alpenraum – Rebellen der Berge“ in St. Pankraz bei Hinterstoder, Oberösterreich.
Publikationen (Auswahl)
- Abenteuer Grenze. Von Schmugglern und Schmugglerinnen, Ritualen und "heiligen" Räumen, Pocket Bd. 7, LIT Verlag, Wien u.a. 2006, ISBN 3-8258-9575-0
- Kulturanthropologie. Eine Einführung., Pocket Bd. 8, LIT Verlag, Wien u.a. 2006, ISBN 3-8258-9576-9
- Der Adler und die drei Punkte. Die gescheiterte, kriminelle Karriere des ehemaligen Ganoven Pepi Taschner. Böhlau Verlag, Wien 1983, ISBN 3-205-07207-3. Neu aufgelegt 2007 als 2. Aufl., Jubiläumsausgabe, ISBN 978-3-205-77610-9.
- Verbannt und vergessen - der Untergang der Landler in Siebenbürgen. Linz 1992. ISBN 3-85329-978-4
- Der Strich. Soziologie eines Milieus., Pocket, Bd. 1, LIT Verlag, Wien 1994, ISBN 3-82587-699-3
- Randkulturen: Theorie der Unanständigkeit. Wien 1995, ISBN 3-20598-559-1
- Wilderer – Soziale Rebellen in den Bergen. Wien 1998, ISBN 3-20598-823-X
- Rotwelsch: Die alte Sprache der Diebe, Dirnen und Gauner. Böhlau, Wien 1998, ISBN 3-205-98902-3
- Die alte Klosterschule. Eine Welt der Strenge und der kleinen Rebellen. Wien-Köln-Weimar 2000.
- Methoden der Feldforschung. LIT Verlag, Wien 2001, ISBN 3-82522-257-8
- Die feinen Leute. Campus-Verlag, Frankfurt 1989. Neu aufgelegt bei Böhlau Verlag, Wien 2002. ISBN 3-59334-133-6
- Franz Boas. Burschenschafter und Schwiegersohn eines österreichischen Revolutionärs von 1848. (Online, PDF, 2003).
- 10 Gebote der Feldforschung. Pocket Bd. 2, 2. Aufl.,Wien u.a.: LIT Verlag 2009, ISBN 978-3-8258-7700-2
- Vom Fahrrad aus. Pocket Bd. 3, 2. Aufl., Wien u.a.: LIT Verlag 2011, ISBN 978-3-8258-7826-9
- Irrweg Jakobsweg. Die Narbe in den Seelen von Muslimen, Juden und Ketzern. Wien 2005 ISBN 3-900323-85-2
- Das letzte Lied vor Hermannstadt. Böhlau, Wien 2007 ISBN 978-3-205-77662-8
- "Herrschaften wünschen zahlen". Die bunte Welt der Kellnerinnen und Kellner. Böhlau Verlag, Wien 2008, ISBN 978-3-205-77764-9
Literatur
- Hubert Christian Ehalt, Josef Hochgerner, Wilhelm Hopf (Hrsg.): Die Wahrheit liegt im Feld. Roland Girtler zum 65. Geburtstag. LIT Verlag, Wien u. a. 2006, ISBN 3-7000-0508-3.
Weblinks
- Literatur von und über Roland Girtler im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- 10 Gebote der Feldforschung
- Roland Girtler im Interview zu seinem Werk Echte Bauern. Der Zauber einer alten Kultur.
- Soziologe Roland Girtler wurde vom Standard eingeladen, das Spiel Admira gegen Rapid live zu erleben
- Von Jägern, Wilderern und edlen Hirschen
Einzelnachweise
- ↑ Roland Girtler: Abenteurer der Feldforschung wird 70 univie.ac.at, abgerufen am 1. Juni 2011
Kategorien:- Kultursoziologie
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