Ayatollah Rafsandschānī

Ayatollah Rafsandschānī

Alī Akbar Hāschemī Rafsandschānī auch Rafsandjani oder Rafsanjani (persischعلى اكبر هاشمى رفسنجانى‎‎ [æˈliː ækʲˈbær hɔːʃeˈmiː ræfsænʤɔːˈniː]; Geburtsname: Akbar Hāschemī Bahramānīاكبر هاشمى بهرمانى‎‎; * 25. August 1934 in Bahreman nahe der Stadt Rafsandschan) ist ein iranischer Geistlicher und ehemaliger Staatspräsident. Am 4. September 2007 wurde Rafsandschani zum Vorsitzenden des Expertenrats gewählt.

Alī Akbar Hāschemī Rafsandschānī am 18. Juni 2008

Inhaltsverzeichnis

Werdegang

Rafsandschānī erhielt ab 1948 seine religiöse Ausbildung zum Hodschatoleslam in Qom und war ein Schüler von Ajatollah Ruhollah Chomeini. Während des Schah-Regimes mehrmals im Gefängnis, war er, wie nahezu das gesamte heutige religiöse Führungskader, führend an der Planung zum Sturz von Schah Mohammad Reza Pahlavi beteiligt.

Revolution und Regierungsphase

Nach dem Sturz des Schah war er von 1979 bis 1980 Mitglied im Revolutionsrat und von 1980 bis 1989 Parlamentspräsident. Von 1988 bis 1989 war Rafsandschani Oberbefehlshaber der Streitkräfte und maßgeblich für die Annahme der UN-Resolution 598 zur Beendigung des Irak-Iran-Krieges beteiligt, nachdem er bereits Anfang der 80er Jahre als Staatsminister dort Einblick hatte. Bei den Präsidentschatftswahlen am 28. Juli 1989 wurde er zum Staatspräsidenten gewählt, zum Ayatollah ernannt, trat dieses Amt als Nachfolger von Chamenei an, der, nach dem Tode Chomeinis, zum Revolutionsführer befördert wurde. Bei den Wahlen vom 13. Juni 1993 wurde er in seinem Amt bestätigt und durfte zu der Wahl im Jahr 1997 nach zwei zusammenhängenden Amtsperioden nicht mehr kandidieren. Unter seiner Regierungszeit wurde vom Iran, am 13. Januar 1993, die Chemiewaffenkonvention unterzeichnet, die für den Iran am 3. Dezember 1997 in Kraft trat. [1]

Niederlage und erstarkte Wiederkehr

Rafsandschānī versuchte in den iranischen Präsidentschaftswahlen 2005 Mohammad Chātemī abzulösen. Bei der Stichwahl unterlag er am 24. Juni 2005 seinem Gegner Mahmūd Ahmadī-Nežād. Direkt nach dieser verlorenen Wahl erfolgte für Rafsandschani die erneute Ernennung zum Vorsitzenden des Schlichtungsrates durch Revolutionsführer Chamenei (eine Position die Rafsandschani bereits seit 1989 innehat). 2006 konnte Rafsandschani bei der Wahl zum Expertenrat ein überwältigendes Wahlergebnis für den Stimmbezirk Teheran feiern. Nach dem Ableben von Ayatollah Ali Meshkini, den Revolutionsführer Chameini zum Alterspräsidenten des Expertenrates einsetzte, wurde im September 2007 als dessen Nachfolger und Vorsitzenden nun Rafsandschani offiziell mit 41 von 76 Stimmen gewählt. [2]

Beide Ämter repräsentieren weitaus mehr Machtfülle als das Präsidentenamt jemals hergeben könnte. Nach einem eventuellen Ableben des Revolutionsführers Chamenei gilt er als aussichtsreichster Kandidat für diese Stellung. [3]

Die rote Eminenz

Rafsandschānī gilt als gemäßigter Islamist, Pragmatiker und gewiefter Taktiker, der selbst mit sogenannten "Erbfeinden" durchaus Geschäfte abzuwickeln vermag, so zeigen seine waffenbezogenen Treffen z.B. während des Irak-Iran-Krieges mit amerikanischen und israelischen Regierungsbeamten (Iran-Contra-Affäre), seinen Instinkt für das Notwendige. Hinter Chamenei gilt Rafsandschani als zweiter Mann des iranischen Staates und einer der wenigen, die sich seit der iranischen Revolution an der Macht befinden. Aufgrund seiner politischen Fähigkeiten wird er mit dem französischen Richelieu verglichen.

Atombombe

Rafsandschani hat mit einer faktisch zutreffenden Äußerung, anlässlich des Al-Quds-Tages in Teheran am 14. Dezember 2001, weltweit für Aufsehen gesorgt:

„If one day, the Islamic world is also equipped with weapons like those that Israel possesses now, then the imperialists' strategy will reach a standstill because the use of even one nuclear bomb inside Israel will destroy everything. However, it will only harm the Islamic world. It is not irrational to contemplate such an eventuality.“ [4]

Israel

Im Oktober 2005 nahm Rafsandschani gegen die Position des Präsidenten Ahmadinedschad Stellung, indem er während der Freitagspredigt in Teheran sagte:

„Wir haben keine Probleme mit Juden und dem hoch geschätzten Judentum als Buchreligion.“ [5]

sowie seine Position auf den Staat Israel indirekt erweiterte:

„Wir haben stets das Judentum hoch geachtet und haben auch nie die Absicht gehabt, die Souveränität irgendeines anderen Landes in Frage zu stellen oder anzugreifen.“ [6]

Nuklearstreit

Im Januar 2006 nahm Rafsandschani zum iranischen Atomprogramm folgendermaßen Stellung:

„Wir können nicht auf unser Recht verzichten (...) Wir werden mit Weisheit unsere Rechte verteidigen und wenn man uns Schwierigkeiten bereitet, werden sie es bereuen und Iran wird als Sieger hervorgehen.“

Rafsandschani unterstrich, laut SPIEGEL [7]: „Iran werde die Atomtechnologie niemals für militärische Zwecke missbrauchen. Das habe Teheran schon während des Kriegs mit dem Irak (1980 - 1988) unter Beweis gestellt.“

Frauen

Angesprochen ob (islamische) Gesetze nicht per se für Frauen problematisch seien, meinte Rafsandschani im Juni 2007: „Es zeigt sich, dass diese Gesetze nicht mehr in unsere Zeit passen (...) Jedes Land, das sich entwickeln will, darf nicht auf wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Teilnahme und Aktivitäten der Hälfte seiner Bevölkerung verzichten.“ [8]

Das andere Gesicht

  • Außenpolitisch:

Am 9. November 2006 erließ Argentinien einen internationalen Haftbefehl gegen Rafsandjani und acht weitere Personen, da er nach Ermittlungen der Staatsanwälte, zusammen mit anderen ranghohen Politikern des Iran aus dem Sicherheitsrat, für das Attentat vom 18. Juli 1994 auf das jüdische Gemeindezentrum Amia [9] in Buenos Aires verantwortlich sein soll. Bei diesem Bombenanschlag kamen 85 Menschen ums Leben und mehr als 300 wurden verletzt. Danach wurde von Rafsandschānī und anderen Führern des Iran die Hisbollah mit dem Anschlag betraut. [10] Bereits am 12. März 2003 erließ der argentinische Richter Juan José Galeano einen internationalen Haftbefehl gegen vier iranische Diplomaten und Minister. [11] Kritik am Ermittlungsrichter Galeano, Druckmittel gegen 17 Zeugen und Beschuldigte angewendet zu haben [12] sowie Anschuldigungen die nicht etwa auf in Argentinien selbst ermittelten Beweisen, sondern auf Informationen der US-amerikanischen und israelischen Geheimdienste beruhen [13] führten bislang nicht zur Aufklärung.

  • Innenpolitisch:

Rafsandschani ist als einer der mutmaßlicher Drahtzieher sowohl beim Mykonos-Attentat als auch in die Kettenmorde involviert. Akbar Gandji beschuldigte im Januar 2000 in einem Zeitungsartikel Rafsandschani der Verantwortung für insgesamt 80 Morde an Dissidenten und Schriftstellern, die der Geheimdienst während seiner Regentschaft als Präsident beging.[14]

Der Private

Er ist einer der reichsten Männer des Landes, sein Vermögen, nach Schätzungen über 1 Milliarde US-Dollar, wurde u.a. durch die Verwaltung von Stiftungen sowie ein nahezu Monopol auf bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Pistazien) erwirtschaftet. „Wer immer auf der Welt Pistazien knackt“, schreibt Rudolph Chimelli, „lässt Rafsandschani mitverdienen“. [15] Sein Familienclan - ein Sohn gründete 1991 die iranische Fluggesellschaft Mahan Air - hat sich nach Bahman Nirumand [16] zu einem Imperium entwickelt.

„Sein ältester Sohn Mohsen baut die Teheraner Untergrund-Bahn, sein zweiter Sohn Mehdi macht Erdgas- und Erdöl-Geschäfte, sein jüngster Sohn besitzt große Weideländer, züchtet Schafe, Ziegen und Pferde, seine beiden Töchter Faezeh und Fatemeh sind im In- und Ausland im Immobilienbereich tätig.“

Fazit

Seit 25 Jahren spielt er eine wichtige Rolle, schreiben Ulrich Ladurner und Gero von Randow, er hat „in ihr die unterschiedlichsten Gesichter gezeigt. Einmal ist er radikaler als die radikalsten Revolutionäre, ein andermal gemäßigter als jeder Reformer. Am nächsten kommt man dem Politiker Rafsandjani, wenn man ihn als Seismographen für die Stimmung unter den Eliten im Iran versteht. Er weiß immer ziemlich genau, wie weit man mit der Öffnung gehen kann, ohne von den Radikalen abgebremst zu werden. (...) Rafsandjani, das ist der Korken[,] der meist oben schwimmt, ganz gleich, wie stark der Wellengang ist.“ [17]

Literatur

  • Katajun Amirpur: Die Entpolitisierung des Islam. Ergon 2003. ISBN 3-89913-267-X

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.opcw.org/html/db/members_ratifyer.html
  2. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,503789,00.html
  3. http://www.zeit.de/online/2007/36/rafsandschani-expertenrat?page=all
  4. Al-Quds-Tag
  5. http://www.zeit.de/online/2005/44/iran_beschwichtigungen
  6. http://www.boell.de/downloads/presse2005/iran-report1205.pdf
  7. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,394612,00.html
  8. http://www.bielefeld.ihk.de/fileadmin/redakteure/international/kv-Golfstaaten/iran-report0607.pdf
  9. http://news.bbc.co.uk/2/hi/middle_east/6089788.stm
  10. http://www.verfassungsschutz-bw.de/downloads/jabe/2006/jabe-islam-2006.pdf
  11. http://www.boell.de/downloads/presse/iran-report042003.pdf
  12. http://www.tageblatt.com.ar/archivo/2004/09/18-09-04.pdf
  13. http://www.monde-diplomatique.de/pm/2007/03/09.mondeText.artikel,a0059.idx,25
  14. Katajun Amirpur. Seite 139
  15. http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/373cf1c3-f096-49f3-8d32-18e281a70860.aspx
  16. http://www.boell.de/de/14_presse/3160.html
  17. Gero von Randow/Ulrich Ladurner: Die iranische Bombe. Hamburg. 2006. Seite 90. ISBN 3455095526

Siehe auch



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