- Rübezahl
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Rübezahl ist der Berggeist (Schrat) des Riesengebirges. Um ihn ranken sich zahlreiche Sagen und Märchen.
Inhaltsverzeichnis
Name
Die Herkunft des Namens Rübezahl ist nicht geklärt. 1561 schreibt Martin Helwig auf seiner Landkarte Rübenczal. 1662 gibt Johannes Praetorius verschiedene Schreibweisen, wie Rübezal, Ribezal, Riebenzahl an. In seinen Sammlungen erscheint Rübezahl vielgestaltig, mal Riese, Bewacher des Bergschatzes, als Mönch, der Menschen vom Weg abbringt, als Rabe oder Esel, und vielfach Diabolus, Satan. In seiner ersten Rübezahl-Geschichte gab Johann Karl August Musäus 1783 eine legendäre Erklärung des Namens. Laut dieser Erzählung entführt Rübezahl die Königstochter Emma, die er heiraten will, in sein unterirdisches Reich. Mit Rüben, die sie in jede gewünschte Gestalt verwandeln kann, versucht er ihre Sehnsucht nach ihrem Zuhause zu stillen. Doch die Rüben verwelken. Schließlich verspricht ihm die Frau ihre Hand, wenn er ihr die Zahl der Rüben auf dem Feld nennt. Gelingt ihm dies nicht, muss er sie gehen lassen. Sofort macht der Berggeist sich an die Arbeit. Um auch sicher zu sein, dass die Anzahl stimmt, zählt er gleich noch einmal, kommt aber zu einem anderen Ergebnis. Währenddessen flieht die Gefangene auf einer zum Pferd verwandelten Zauberrübe zu ihrem Prinzen Ratibor und verspottet den Geist mit der Anrede als Rübezahl. Daher wird er sehr zornig, wenn er mit diesem Spottnamen bedacht wird.
Neben der Sage Wie Rübezahl zu seinem Namen kam gibt es weitere mögliche Erklärungen:
- Hriob Zagel
- als aus dem Althochdeutschen und Tschechischen abgeleiteter Begriff für „Rauer Sturm“
- Riebezagel
- als Kombination des Eigennamens Riebe und des mittelhochdeutschen Wortes zagel für Schwanz, was auf die bildhafte Erscheinung als geschwänzter Dämon hinweist.
Rübezahl ist ein Spottname, dessen Erwähnung innerhalb seines Reichs, also des Riesengebirges, den Zorn des so Benannten heraufbeschwört. Die „korrekte Anrede“ lautet „Herr der Berge“. Im Tschechischen heißt er Krakonoš, im Polnischen kam nach 1945 die Bezeichnungen[1] Liczyrzepa (wörtliche Übersetzung Rübe+zählen) auf, auch Duch Gór (Berggeist) oder Rzepiór wird verwendet. Eine respektvolle Benennung lautet auch „Herr Johannes“. Im Riesengrund nahe der Schneekoppe wird eine botanische Lokalität mit besonders großem Pflanzenreichtum als „Rübezahls Gärtchen“ bezeichnet, auch sonst werden eigentümliche Steinbildungen nach ihm benannt (z. B. „Rübezahlkanzel“ an den „Schneegruben“).
Sage
Der Sage nach ist Rübezahl ein launischer Riese oder Berggeist. Schon der erste Sammler von Rübezahl-Sagen, Johannes Praetorius (s. u.), beschrieb Rübezahl als charakterlich sehr ambivalenten „Widerspruchsgeist“, der in einem Moment gerecht und hilfsbereit, im nächsten arglistig und launenhaft auftreten könne. Musäus charakterisierte ihn folgendermaßen:
„Rübezahl, sollt ihr wissen, ist geartet wie ein Kraftgenie, launisch, ungestüm, sonderbar, bengelhaft, roh, unbescheiden, stolz, eitel, wankelmütig, heute der wärmste Freund, morgen fremd und kalt; … schalkhaft und bieder, störrisch und beugsam …“
– vgl. Musäus, 1783
Der Berggeist erscheint den Menschen in verschiedenster Gestalt. Insbesondere zeigt er sich als Mönch in aschgrauer Kutte (vergleichbar Wodan im Wolkenmantel), aber auch als Bergmann, Junker, Handwerker und in ähnlicher Gestalt und Verkleidung, aber auch in Tiergestalt oder als Gegenstand (Baumstumpf, Stein, Wolke). Rübezahl ist der Wetterherr des Riesengebirges und ähnelt so dem Wilden Jäger. Unerwartet sendet er Blitz und Donner, Nebel, Regen und Schnee vom Berg nieder, während eben noch alles im Sonnenglanz lag. Gegen gute Menschen ist er im Allgemeinen freundlich, lehrt sie Heilmittel und beschenkt insbesondere Arme; wenn man ihn aber verspottet, rächt er sich schwer, etwa durch Unwetter. Bisweilen werden Wanderer von ihm in die Irre geleitet. Er soll einen Garten mit Wunderkräutern besitzen, den er gegenüber Eindringlingen verteidigt. Sich bescheiden ausnehmende Geschenke des Berggeistes wie Äpfel oder Laub können durch seine Macht zu Gold werden, wie er umgekehrt gelegentlich von ihm bezahltes Geld in eine wertlose Währung verwandelt.
Älteste Belege der Sage
Die ältesten Zeugnisse zur Gestalt Rübezahls stammen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, dürften aber auf mindestens 100 Jahre ältere Volksvorstellungen zurückgehen. Anfangs war er nur eine lokale Sagengestalt, die erst später überregional bekannt wurde. 1553 sprach ein Edelsteinsucher (Wale) in einem Itinerar eine Mahnung zur Vorsicht vor Bergwerksgeistern aus, wobei er vor allem vor Riebenzahl warnte. Dies ist ein Beleg für die Vermutung, dass Rübezahl ursprünglich ein Bergwerksgeist war. Bergleute aus dem Harz hätten die Sage im 15. Jahrhundert nach Schlesien gebracht; zur weiteren Legendenausformung sollen auch ab 1530 aus Schwaz in Tirol stammende und ins Riesengebirge gerufene Bergarbeiter beigetragen haben. Die erste Abbildung von Rübezahl stammt aus dem Jahr 1561, als er auf der ersten, vom deutschen Kartographen Martin Helwig verfertigten Landkarte Schlesiens als geschwänzter Dämon (hier Rubenczal genannt) inmitten von Bergen und Dörfern porträtiert wurde. Der lutherische Theologe Christoph Irenäus gab 1566 eine Teufelserzählung heraus, laut der Rübezahl, ein Mönchsgewand tragend, in Warmbrunn auftauche, ahnungslose Wanderer auf falsche Pfade führe und sie dann spöttisch verlache. Diese Geschichte wurde bald weiter verbreitet und fand etwa Eingang in das Promptuarium Exemplorum des Andreas Hondorff. Laut dem Eintrag einer Chronik von Trautenau soll Rübezahl 1576 eine Überschwemmung verursacht haben.
Ein Pastor Rausch behauptete, den Berggeist um 1600 beobachtet zu haben, wie er in einer Kutsche durch Schmiedeberg gefahren sei. Der schlesische Arzt Caspar Schwenckfeldt gab 1607 einen Bericht für Badegäste heraus, laut dem Rübezahl nur zornig reagiere, wenn er verspottet werde und dann Unwetter sende, Besitzer von Bergschätzen sei und in Mensch- wie Tiergestalt erscheinen könne. In den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts tauchen weitere verstreute Informationen zur Gestalt des Berggeistes auf. Darin werden ihm teilweise andere Namen wie Ronsefall beigelegt. Eine Tiroler Urkunde von 1619 bezeichnet ihn als Rubezagel. Ein Erklärungsversuch seiner Herkunft lautete, dass er ein zum Wiedergänger mutierter Franzose sei.[2]
Frühe Ausgaben
Gesammelt und aufgeschrieben wurden die Rübezahl-Sagen erstmals von dem deutschen Kompilator und Polyhistor Johannes Praetorius in dessen Daemonologia Rubinzalii Silesii (3 Bände, 1662–1665) sowie Satyrus Etymologicus. Oder der Reformirende und Informirende Rüben-Zahl (1672). Insgesamt verzeichnete Praetorius 241 Geschichten über den Berggeist. Bis heute ist kein umfassenderes Werk zu diesem Thema erschienen. Es machte Rübezahl zu einer weit über Schlesiens Grenzen hinaus bekannten Gestalt. Als Quellen gibt Praetorius einerseits gedruckte Bücher an, andererseits von Siedlern des Riesengebirges und Touristen stammende mündliche wie schriftliche Berichte. So berief er sich auf Informationen von Heilpflanzenhändlern, die Kräuter im Gebirge sammelten und dann Apothekern zur Weiterverarbeitung brachten. Die Wurzelmänner betrachteten Rübezahl als Schutzpatron und behaupteten, dass er ihre Pflanzen mit besonderer Heilkraft versehen habe. Meist wurde in den Verkaufsbuden der Quacksalber auch ein Bild des Berggeistes aufgestellt, auf dem er als Riese mit wildem Bart erschien. Aber auch eigene Erfindungsgabe ließ Praetorius in sein Werk einfließen, wie er zugab. Er übertrug auf Rübezahl außerdem Motive von Helden von Volksbüchern (Faust, Till Eulenspiegel), des Teufels, der Wilden Jagd und anderes mehr. Die Sagen haben derben Charakter, wie er zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges populär war.
Auf Praetorius folgten eine Reihe anonymer Bücher über den Berggeist, aber nachhaltig dessen überregionale Bekanntheit und Popularität fördernd erwies sich erst eine Sammlung von fünf längeren Legenden von Rübezahl, die der deutsche Schriftsteller Johann Karl August Musäus 1783 in seinen Volksmärchen der Deutschen herausgab. Hier wird der als Herr der Gnomen titulierte Berggeist bei weitem nicht so dämonisch und grobianisch wie bei Praetorius gezeichnet. In einer dieser Geschichten glaubt eine Gräfin als Anhängerin Voltaires nicht an die Existenz von Gespenstern, bis sie im Riesengebirge unterwegs überfallen und vom Berggeist gerettet wird.[3]
Spätere Rezeption
Spätestens im 19. Jahrhundert wurde Rübezahl zur Identifikationsfigur der Schlesier. Seine Gestalt wurde in den unterschiedlichsten Genres behandelt. So schrieb Carl Maria von Weber die Oper Rübezahl (1804/05). Eduard Heinrich Gehe griff den Stoff in seinem Libretto zu der von Louis Spohr komponierten Oper Der Berggeist (1825) auf. Wolfgang Menzel verfasste das Drama Rübezahl (Stuttgart 1829).
Auch bildende Künstler zeigten sich an dem Thema interessiert. Besonders nachhaltig wirkte sich das Ölbild des österreichischen Malers Moritz von Schwind (1859) auf die Vorstellungen über das Aussehen des Berggeistes aus. Bedeutende romantische Illustrationen Rübezahls schufen der deutsche Maler Ludwig Richter sowie Peter Carl Geissler. Hauptsächlich verbreitet und populär ist der Stoff als Sagenbuch für Kinder und Jugendliche. Bis heute werden Neubearbeitungen und wiederholte Auflagen, etwa des Buches von Musäus, herausgegeben. Die Vertreibung der deutschen Schlesier nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs tat der Popularität des Berggeistes wenig Abbruch. Heute wird er vom polnischen und tschechischen Tourismus als Werbeträger für das Riesengebirge eingesetzt.
Nach 1945 kam die polnische Übersetzung „Liczyrzepa“ [4] auf.Außer Carl Hauptmanns Rübezahl-Buch sind weitere Werke zum Thema Otfried Preußlers Mein Rübezahl-Buch, Ferdinand Freiligraths: Aus dem schlesischen Gebirge [5] aus Ein Glaubensbekenntnis, 1844 sowie Robert Reinicks Rübezahls Mittagstisch.
Museum
Das erste Rübezahl-Museum wurde im Mai 2005 in Görlitz eröffnet. Nach dem Tod seiner Gründerin, Ingrid Vettin-Zahn, wurde die Einrichtung wieder geschlossen. Eine Ausstellung zum Berggeist befindet sich ferner im Museum „Carl und Gerhart Hauptmann Haus” (Dom Carla i Gerharta Hauptmannów) in Szklarska Poręba.
Verfilmungen
- 1916: Rübezahls Hochzeit
- 1957: Rübezahl – Herr der Berge
- 1981: Rübezahl und die Skiläufer
- 1975–1982: 13 Animationskurzfilme DEFA
Besonderheiten
- Das erste polnische Buch, das nach der Vertreibung der Deutschen 1945 in den „Nord- und Westgebieten“ publiziert wurde, war eine Sammlung von übersetzten Rübezahlsagen. Der Lehrer Józef Sykulski hatte dabei den Namen des Berggeistes wörtlich in Liczyrzepa übersetzt, was später von Sprachwissenschaftlern kritisiert wurde. Den Namen Liczyrzepa trugen in den Folgejahren Herbergen, ein Lotteriespiel, ein Fruchtwein und ein Skilift. In dem Dorf Sosnówka (früher Seidorf) bei Karpacz gibt es die einzige „ul. Liczyrzepy” (Rübezahlstraße) in Polen.
Siehe auch
Literatur
- Johann Karl August Musäus und andere: Sagen vom Rübezahl. Mit einem Vorwort von Otfried Preußler und einem farbig bebilderten Nachwort des Herausgebers Harald Salfellner. Prag: Vitalis 2011. ISBN 978-3-89919-170-7
- R. Münchgesang: Rübezahl, Der Geist des Riesengebirges, Sagen und Schwänke nacherzählt für die Jugend mit Bildern von F. Müller-Münster, Enßlin & Laiblins Verlagsbuchhandlung Reutlingen 1933
- Mateusz J. Hartwich: Rübezahl zwischen Tourismus und Nationalismus. Vom umkämpften Symbol zum einigenden Patron des deutsch-polnisch-tschechischen Grenzlandes?, in: Petr Lozoviuk (Hg.): Grenzgebiet als Forschungsfeld. Aspekte der ethnografischen und kulturhistorischen Erforschung des Grenzlandes, (= Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde, Band 29), Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2009, S. 192–218.
- Lucyna Biały: Duch Gór – Rübezahl. Geneza i upowszechnienie legendy, Jelenia Góra: Plan 2007.
- Ines Köhler-Zülch; Rübezahl. In: Enzyklopädie des Märchens, Bd. 11, Sp. 870–879.
- Henning Eichberg: Rübezahl. Historischer Gestaltwandel und schamanische Aktualität. In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, Sigmaringen, 1991; 32: 153–178.
- Stephan Kaiser: Der Herr der Berge Rübezahl. Katalog zur Ausstellung. Königswinter-Heisterbacherrott: Museum für schlesische Landeskunde, 2000 (Hrsg.)
- Helmut Berndt: Sagenhaftes Europa, 1987, ISBN 3-404-60338-9, S. 427–441.
- Chr. Kutschera: Rübezahl. Sagen und Schwänke, Stuttgart 1950
Weblinks
Commons: Rübezahl – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Literatur von und über Rübezahl im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Ausgaben von Rübezahl von Johann Karl August Musäus in LibraryThing
- Rübezahl und die Musik
- Die fünf Legenden vom Rübezahl
Literatur online lesen
- Musäus: Rübezahl und das Hirschberger Schneiderlein, illustriert von Arpad Schmidhammer, Fischer & Franke, Berlin 1901
- Carl Hauptmann: Rübezahl-Buch bei Projekt Gutenberg-DE
- Legenden vom Rübezahl
- Johann Karl August Musäus: Vierte Legende von Rübezahl, illustriert von Ludwig Richter
Einzelnachweise
- ↑ Übersetzung ins Polnische: Liczyrzepa
- ↑ Ines Köhler-Zülch, Enzyklopädie des Märchens, Bd. 11, Sp. 870f.
- ↑ Ines Köhler-Zülch, Enzyklopädie des Märchens, Bd. 11, Sp. 871ff.; Gertraud Meinel: Rübezahl. In: Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur, Hrsg. Klaus Doderer, Weinheim und Basel, Bd. 3, S. 221ff.
- ↑ Übersetzung nach 1945 ins Polnische: Liczyrzepa
- ↑ Aus dem schlesischen Gebirge bei Spiegel Online
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