Satz von Bohr-Mollerup

Satz von Bohr-Mollerup
Graph der Gammafunktion im Reellen
Komplexe Gammafunktion: Helligkeit entspricht dem Betrag, Farbe dem Argument des Funktionswerts
Betrag der komplexen Gammafunktion

Die Gammafunktion ist in der Mathematik eine Funktion, die definiert wird als

\Gamma(x)=\int_0^\infty t^{x-1} \mathrm e^{-t} \mathrm{d}t

für x > 0. Sie genügt der Funktionalgleichung

\Gamma(x+1) = x\cdot\Gamma(x),

aus der sich mit der Bedingung Γ(1) = 1 der Wert der Gammafunktion für alle positiven ganzen Zahlen n als

Γ(n) = (n − 1)!

ergibt. Sie erweitert also die Fakultätsfunktion auf die positiven reellen Zahlen.

Die Gammafunktion lässt sich als meromorphe Funktion ohne Nullstellen auf die komplexe Zahlenebene mit einfachen Polstellen an den nichtpositiven ganzen Zahlen fortsetzen.

Aus der Gammafunktion leitet sich die Gamma-Wahrscheinlichkeitsverteilung ab.

Inhaltsverzeichnis

Darstellungsformen

Eine weitere Ausweitung des Definitionsbereichs erlaubt die Darstellung der Gammafunktion nach Gauß:

\Gamma(x) = \lim_{n \to \infty} \frac{n!\,n^x}{x(x+1)(x+2)\cdots(x+n)} \;\hbox{für}\; x \in \mathbb{R}\backslash \{0, -1, -2, \dots\}.

Direkt aus der Gaußschen Darstellungsform abgeleitet ist diejenige von Karl Weierstraß:

\Gamma(x) = \left[ x \cdot \mathrm{e}^{\gamma x} \cdot \prod_{k=1}^{\infty} \left(1+\frac{x}{k}\right)\mathrm{e}^{-x/k} \right]^{-1},

wobei die Eulersche Konstante γ definiert ist als

\gamma = \lim_{n \to \infty} \left( \sum_{k=1}^n \frac{1}{k} - \ln n \right).

Näherungswerte der Gammafunktion für x > 0 liefert die Stirlingsche Formel, es gilt

 \Gamma(x) \approx \sqrt{2\pi}\,x^{x-1/2}\,\mathrm{e}^{-x} .

Der Satz von Bohr-Mollerup

Der Satz von Bohr-Mollerup (H. Bohr und J. Mollerup, 1922) erlaubt eine einfache Charakterisierung der Gammafunktion:

Eine Funktion G\colon\mathbb R_{>0}\to\mathbb R_{>0} ist in diesem Bereich gleich der Gammafunktion, wenn folgende Eigenschaften erfüllt sind:
  1. G(1)=1 \
  2. G(x+1)=x\cdot G(x)
  3. G \ ist logarithmisch konvex, d.h. x\mapsto\log G(x) ist eine konvexe Funktion.

Die ersten beiden Bedingungen werden auch von Funktionen wie G(x) = \Gamma(x)\cdot(1 + c\,\sin(2\pi x)), 0 < c < 1, erfüllt.

Funktionalgleichungen

Die Gammafunktion genügt der Funktionalgleichung

\Gamma(x+1) = x\cdot\Gamma(x) mit \,\Gamma(1) = 1 und \Gamma(\tfrac 1 2) = \sqrt{\pi}.

Der Ergänzungssatz der Gammafunktion

\Gamma(x) \cdot \Gamma(1-x) = \frac{\pi}{\sin( \pi x)} für   x \in \mathbb{R} \backslash \mathbb{Z}

ermöglicht die Berechnung von Werten der Gammafunktion aus bereits bekannten Funktionswerten ebenso wie die Legendresche Verdopplungsformel

\Gamma\left(\frac{x}{2}\right) \cdot \Gamma\left(\frac{x+1}{2}\right) = \frac{\sqrt{\pi}}{2^{x-1}} \cdot \Gamma(x).

Diese ist ein Spezialfall der Gaußschen Multiplikationsformel

\Gamma\left(\frac{x}{n}\right) \cdot \Gamma\left(\frac{x+1}{n}\right)\cdot\ \ldots\ \cdot \Gamma\left(\frac{x+n-1}{n}\right)
= \frac{(2\pi)^{(n-1)/2}}{n^{\,x-1/2}}\cdot\Gamma(x) für n = 2,\,3,\,4,\,\ldots

Zusammenhang zur Riemannschen ζ-Funktion

Die Gammafunktion besitzt folgende Beziehung zur Riemannschen ζ-Funktion, was von Riemann mit Hilfe der Funktionentheorie abgeleitet wurde.

\pi^{-\frac{s}{2}}\Gamma\left(\frac{s}{2}\right) \zeta(s) = \pi^{-\frac{1-s}{2} } \Gamma\left(\frac{1-s}{2}\right) \zeta(1-s)

Unvollständige Gammafunktion

In der Literatur wird dieser Begriff, im Hinblick auf Integrationsgrenzen und Normierung (Regularisierung), nicht einheitlich verwendet.

Häufige Notationen sind:

\gamma(a,x)=\int_0^x t^{a-1} \mathrm{e}^{-t}\,\mathrm{d}t     unvollständige Gammafunktion der oberen Grenze
\Gamma(a,x)=\int_x^\infty t^{a-1} \mathrm{e}^{-t}\,\mathrm{d}t     unvollständige Gammafunktion der unteren Grenze
P(a,x)=\frac{\gamma(a,x)}{\Gamma(a)}     regularisierte (unvollständige) Gammafunktion der oberen Grenze
Q(a,x)=\frac{\Gamma(a,x)}{\Gamma(a)}     regularisierte (unvollständige) Gammafunktion der unteren Grenze

Spricht man von einer regularisierten Gammafunktion, so induziert dies schon, dass sie unvollständig ist.

\Gamma(a,x,y)=\int_x^y t^{a-1} \mathrm{e}^{-t}\,\mathrm{d}t     bzw.     \Gamma(a,x,y)=\frac{1}{\Gamma(a)}\int_x^y t^{a-1} \mathrm{e}^{-t}\,\mathrm{d}t

steht für die verallgemeinerte unvollständige Gammafunktion. Unklar ist, ob sie regularisiert ist oder nicht. Ebenso unklar ist, ob man das Wort "verallgemeinert" darauf beziehen soll, dass nun beide Integrationsgrenzen variabel sind, oder ob es sich, wie bei den obigen vier Darstellungen, um eine Verallgemeinerung der (vollständigen) Gammafunktion handelt.

Geschichtliches

1730 stellte Leonhard Euler in einem Brief an Christian Goldbach folgendes Integral zur Interpolation der Fakultätsfunktion vor:

\int_0^1 \left[\ln\left(\frac{1}{t}\right)\right]^{x-1} \mathrm{d}t

(Diese Funktionsdefinition geht durch die Substitution u = ln(1 / t) in die obige Form über.)

Dieses Integral entdeckte Euler bei der Untersuchung eines Problems aus der Mechanik, bei dem die Beschleunigung eines Partikels betrachtet wird.

Die Verwendung des griechischen Gamma-Zeichens und die uns heute vertraute Darstellung wurde erst später durch Adrien-Marie Legendre eingeführt.

Siehe auch

Literatur

Weblinks


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