Schallquant

Schallquant

Ein Phonon ist ein Quasiteilchen, das in der theoretischen Festkörperphysik verwendet wird, um die Eigenschaften der quantenmechanisch beschriebenen Gitterschwingungen in einem Kristall mit Hilfe eines vereinfachten Modells beschreiben zu können. Phononen sind delokalisiert, das heißt ein Phonon existiert im ganzen Kristallgitter und lässt sich keinem bestimmten Ort zuordnen.

Inhaltsverzeichnis

Klassifizierung

Vergleich von optischen und akustischen Transversalwellen von Phononen bei 2-atomiger Basis

Man unterscheidet zwischen akustischen und optischen Phononen. Akustische Phononen (auch als Schallquanten bezeichnet) entsprechen weitestgehend den Schallwellen, die sich durch das Kristallgitter fortpflanzen. Hierbei bewegen sich alle Atome einer Einheitszelle in Phase, während sich die Atome einer Einheitszelle bei optischen Phononen gegenphasig bewegen. Die Bezeichnung „optisch“ beruht darauf, dass die Schwingungsfrequenzen optischer Phononen oft im Bereich des infraroten oder sichtbaren Lichts liegen. Diese Benennung erfolgt dabei unabhängig davon, ob die Phononen tatsächlich optisch aktiv sind. Optische Aktivität bedeutet, dass ein Phonon mit einem Photon wechselwirken kann, dass also ein Phonon erzeugt werden kann, indem ein Photon absorbiert wird, oder dass umgekehrt ein Photon emittiert werden kann, indem ein Phonon vernichtet wird. Optische Aktivität kann nur dann vorliegen, wenn innerhalb der Elementarzelle elektrische Polarisation vorliegt, was im Allgemeinen genau dann der Fall ist, wenn die Elementarzelle aus verschiedenen Atomen aufgebaut ist. Kristalle, die mit infraroten Photonen wechselwirken, nennt man infrarot-aktiv. Beispiele für solche Gitter sind Ionengitter, zum Beispiel in Natriumchloridkristallen.

In einem dreidimensionalen Kristall mit N Atomen in der Einheitszelle existieren zu jedem mit der Kristallsymmetrie verträglichen Wellenvektor 3N mögliche Schwingungsmoden: 3 akustische (davon eine longitudinal und zwei transversal) und 3(N − 1) optische. Der Zusammenhang zwischen Frequenz und Wellenvektor ist durch die Phononendispersion gegeben; bei Wellenlängen, die gegenüber der Gitterkonstante groß sind, gilt für akustische Phononen eine lineare Beziehung ( \omega \cong c_s k, mit der jeweiligen Schallgeschwindigkeit cs ). Die Energiezustände εn der Phononen berechnen sich äquivalent zu den Niveaus eines harmonischen Oszillators nach

\epsilon_n(\mathbf{k})=\hbar \omega(\mathbf k)\left(n + \frac{1}{2}\right).

Da Phononen zu den Bosonen zählen, berechnet sich die mittlere Besetzungszahl \langle n\rangle im thermischen Gleichgewicht gemäß der Bose-Einstein-Verteilung

\langle n\rangle = \frac{1}{e^{\hbar \omega /(k_B T)} -1}.

Das chemische Potential μ taucht in der Formel nicht auf, weil die Teilchenzahl der Phononen keine Erhaltungsgröße ist.

Das Modell der Gitterschwingungen setzt eine kristalline Ordnung des Festkörpers voraus. Auch amorphe, also nicht kristallin geordnete Festkörper wie Gläser zeigen Schwingungen der Elementarteilchen untereinander, man bezeichnet diese aber nicht als Phononen. Wenn aber die Wellenlänge sehr groß ist gegenüber dem mittleren Abstand zweier Atome des amorphen Festkörpers, gilt die gleiche Beziehung wie oben (\omega \cong c_s k\, )\,.

Üblicherweise werden (wie oben) statistische Gemische von Zuständen mit bestimmter Phononenzahl (Fock-Zustände) verwendet. Wie Roy J. Glauber für Photonen 1963 zeigte, gibt es aber auch so genannte kohärente Zustände mit unbestimmter Teilchenzahl, bei Phononen also mit unbestimmter Phononenzahl. Diese ähneln sehr stark klassischen Gitterschwingungen. Während bei Fock-Zuständen der Erwartungswert der Auslenkung 0 ist, genügt er bei kohärenten Phononen-Zuständen der klassischen Zeitabhängigkeit von Gitterschwingungen.

Nachweis

Experimentell lassen sich die optischen Phononen mittels Raman-Spektroskopie oder Infrarot-Spektroskopie bestimmen. Zur Ermittlung des Gesamtspektrums der Phononen wird sowohl die Information über die Energie als auch über den Impuls der Gitterschwingungen benötigt. Diese Forderung wird durch die Neutronenstreuung, die Röntgenstreuung sowie durch die hochauflösende Elektronenenergieverlust-Spektroskopie (HREELS) erfüllt.

Dispersion

Die Dispersion bezeichnet die Abhängigkeit der Kreisfrequenz ω von der Wellenzahl k. Bei Phononen ergibt sich diese Beziehung aus der Newtonschen Bewegungsgleichung. Dazu nimmt man an, dass sich die Atome in einem periodischen Potential V befinden, in dem sie Schwingungen ausführen.

Zwei benachbarte Atome haben einen Phasenunterschied von ka, wobei a der Abstand zweier benachbarter Atome in der Ruhelage ist. Ein Phasenunterschied von entspricht einem von Null; höhere Phasenunterschiede sind dementsprechend äquivalent mit einem Wert zwischen 0 und . Aus Symmetriegründen betrachtet man das Intervall zwischen − π und π. Das entspricht k-Werten aus der ersten Brillouin-Zone, also k\in\lbrack -\pi/a,\pi/a \rbrack . Dadurch hat man alle physikalisch relevanten Wellenzahlen abgedeckt.

Akustische Phononen

Für das einfache Modell einer linearen Kette von Atomen, die durch Federn miteinander verbunden sind, lautet die Dispersionsrelation

 \omega (k) = 2 \sqrt{\frac{f}{m}} \left| \sin \left( \frac{k a}{2}\right) \right| ,

wobei f die Kraftkonstante zwischen zwei benachbarten Ebenen und m die Masse eines Atoms ist.

Für niedrige Werte von k \left( a k \ll 1 \right) lautet der Ausdruck näherungsweise

 \omega (k) \approx a \sqrt{ \frac{f}{m}} |k|=c_s k .
cs ist die Schallgeschwindigkeit.

An den Zonengrenzen gilt

 \omega = 2 \sqrt{ \frac{f}{m}}=\mathrm{const} .

Die Gruppengeschwindigkeit, also die Geschwindigkeit des Energietransports im Medium, ergibt sich zu

v_g = \frac{ \mathrm{d} \omega}{ \mathrm{d}k}= \sqrt{ \frac{f a^2}{m}} \cos \left( \frac{k a}{2}\right) .

Am Zonenrand ist die Gruppengeschwindigkeit Null: die Welle verhält sich wie eine stehende Welle.

Optische Phononen

Für den optischen Ast gilt bei einer zweiatomigen Basis

\omega^2(k)=\frac{C(m_1+m_2)}{m_1\cdot m_2}\Biggl[ 1 + \sqrt{1- \frac{4m_1\cdot m_2}{(m_1+m_2)^2}\cdot \sin^2(kd)}         \Biggr].

Der optische Zweig ist höherfrequent als der akustische und nahezu dispersionslos. Optische Phononen treten nur bei Atomgittern mit mehr als einem Atom pro Elementarzelle auf.

Begriffsbildung

Der Begriff Phonon wurde in Analogie zu den Schwingungsquanten des elektromagnetischen Feldes, den Photonen gewählt und zum ersten Mal von J. I. Frenkel (1894–1952) 1932 in seinem Buch „Wave Mechanics, Elementary Theory“ verwendet.[1]

Einzelnachweise

  1. Jakow Iljitsch Frenkel: Wave Mechanics. Elementary Theory. Clarendon Press, Oxford 1932.

Literatur

  • Michael A. Stroscio, Mitra Dutta: Phonons in nanostructures. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2005, ISBN 978-0-521-01805-0.
  • Lawrence J. Challis: Electron-phonon interaction in low-dimensional structures. Oxford Univ. Pr., Oxford 2003, ISBN 978-0-19-850732-1.
  • Jean-Pierre Leburton: Phonons in Semiconductor Nanostructures. Kluwer, Dordrecht 1993, ISBN 0-7923-2277-0.

Weblinks


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