- Schlacht um Dünkirchen
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Schlacht von Dünkirchen Teil von: Zweiter Weltkrieg
Der Verlauf von Fall Gelb vom 16. Mai bis zum 21. Mai 1940Datum 26. Mai–5. Juni 1940 Ort Dünkirchen, Frankreich Ausgang Besetzung Dünkirchens durch die Deutschen; Entsetzung der alliierten Truppen Konfliktparteien Befehlshaber Lord Gort, Bertram Ramsay; Maxime Weygand Generaloberst von Rundstedt, Generaloberst Fedor von Bock Truppenstärke ca. 600.000 ca. 800.000 Verluste 11.000 Gefallene;
40.000 Gefangene;
50.000 Fahrzeuge, darunter Panzer;
9 Zerstörer;
über 200 Seefahrzeuge;
177 Flugzeugeca. 20.000 Gefallene und Verwundete (Schätzung);
über 100 Panzer (Schätzung);
156 Flugzeuge abgeschossen;Weserübung – Fall Gelb – Schlacht von Dünkirchen – Schlacht um Frankreich – Luftschlacht um England – Atlantikschlacht Die Schlacht von Dünkirchen im Zweiten Weltkrieg hat ihre Bedeutung darin, dass sie eine große Anzahl britischer und anderer alliierter Soldaten vor der deutschen Kriegsgefangenschaft bewahrt hat. Während des deutschen Westfeldzuges war die nordfranzösische Stadt Dünkirchen ein britischer Brückenkopf. Es gelang den Briten in der Operation Dynamo, vor der Einnahme der Stadt durch die Deutschen über 300.000 Soldaten zu evakuieren.
Inhaltsverzeichnis
Voraussetzungen
Warnungen hoher Offiziere zum Trotz begann Adolf Hitler am 10. Mai 1940 den Angriff auf die Beneluxländer und Frankreich. Im Zuge des Westfeldzuges eroberte die Heeresgruppe B unter Generaloberst Fedor von Bock Belgien.
Nach dem für die Alliierten überraschenden deutschen Vorstoß durch die Ardennen erreichten Panzerverbände unter General Heinz Guderian am 17. Mai die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges an der Somme. Gleichzeitig setzte die deutsche Heeresgruppe B im Norden ihren Vormarsch durch Belgien unaufhaltsam fort. Hitler und die Generäle der Wehrmacht waren von der Schnelligkeit des deutschen Vormarschs überrascht. Durch den Vorstoß des 19. Panzerkorps zeichnete sich am 18. Mai ab, dass die Hauptstoßrichtung des Angriffs der Heeresgruppe A weder die Maginot-Linie im Südosten noch Paris im Süden war: Guderian rollte nach Westen, in Richtung Atlantikküste.
Damit wurde deutlich, dass die britische Armee unter Lord Gort und französische Truppenteile von der französischen Hauptstreitmacht im Süden getrennt werden könnten. Am 19. Mai begann die Royal Navy im Auftrag des englischen Kriegskabinetts unter Winston Churchill und einem Vorschlag Lord Gorts folgend mit der Vorbereitung einer Rettungsaktion. Mit der Durchführung wurde Vice-Admiral Bertram Ramsay betraut, man rechnete in der Planungsphase mit der Entsetzung von 300.000 Mann.
Die Absichten
Das Hauptinteresse der Wehrmacht lag in der Niederringung Frankreichs. Der ursprünglich als Täuschungsmanöver durchgeführte Vorstoß in Richtung Küste eröffnete der Heeresgruppe A aber eine neue Option. Da sich im Süden Verbände von Charles de Gaulle auf eine Verteidigung von Paris vorbereiteten, entblößte sich dadurch die südwestliche Flanke der britischen Armee. Zwei Millionen belgische und acht Millionen französische Flüchtlinge waren auf der Flucht vor den Deutschen und behinderten die Beweglichkeit der britischen Armee.
Ablauf
Panzervorstoß
Am 20. Mai erreichte die 2. Division des 19. Panzerkorps die Kanalküste bei Abbeville. Damit waren die alliierten Truppen bei Dünkirchen zwischen der Heeresgruppe A im Süden und der Heeresgruppe B im Norden eingeschlossen. Die Entscheidung fiel, nach Norden zu rollen, um den Belagerungsring enger zu ziehen und wichtige Atlantikhäfen zu nehmen. Rund 400.000 Soldaten aus britischen, französischen und belgischen Truppenteilen waren damit eingekesselt.
Am 21. Mai führten die alliierten Kräfte unter der Führung von Lord Gort einen Gegenangriff in Richtung Arras durch. Damit verhinderten sie die frühzeitige Eroberung der Kanalhäfen Calais und Dünkirchen. Ein entscheidender Vorteil für die geplante Durchführung der Evakuierung wurde damit geschaffen. Die letzten britischen Matilda-Panzer wurden nach dem Angriff aus Mangel an Treibstoff und Munition an Ort und Stelle gelassen.
Gort musste eine Entscheidung treffen: Entweder den französischen Verbündeten im Kampf beizustehen und die Hauptstreitkraft Großbritanniens aufs Spiel zu setzen oder aber zu versuchen, über die See zu entkommen. Obwohl er damit den Interessen der ihm übergeordneten französischen Armeeführung zuwider handelte, schlug er dem britischen Kriegsminister Anthony Eden per Telegramm vor, eine Evakuierung zu versuchen.
Der Haltebefehl
Am 22. Mai starteten die Panzer Guderians den Angriff in Richtung Calais und waren am 24. Mai nur 18 Kilometer von Dünkirchen entfernt. Unerwarteterweise ließ von Rundstedt, bestätigt durch Hitler, die Panzer anhalten. Derartige Haltebefehle hatte es im Verlauf des Westfeldzuges schon mehrfach gegeben, zuletzt am 17. Mai. Sie waren als Pause für die oft ohne ausreichende Begleitmaßnahmen vorangeeilte Panzerspitze gedacht, um sich mit den übrigen Truppenteilen zu konsolidieren. Auch bestand die Befürchtung, dass eine koordinierte Aktion der Engländer im Norden und der Franzosen im Süden die Panzerspitze einschließen könnte. Dass die letzten britischen Kampfpanzer längst bei Arras abgestellt waren, wusste von Rundstedt nicht. Generalfeldmarschall Hermann Göring, Oberbefehlshaber der Luftwaffe, kündigte außerdem an, die Truppen allein durch Luftangriffe zu vernichten. Von Rundstedt kam dieser Vorschlag entgegen, da er die Panzer für die bevorstehende Schlacht um Frankreich schonen wollte.
Die Gründe für den Haltebefehl vom 24. Mai werden noch heute kontrovers diskutiert. In der Regel wird der Haltebefehls Hitlers auf dessen eigene Autoritätsdurchsetzung zurückgeführt. Da er während des bisherigen Westfeldzuges als militärischer „Führer“ völlig außen vor gelassen wurde, nutzte er den Haltebefehl dazu aus, seine eigene Autorität zu festigen. Andere Gründe, beispielsweise die eingeschlossenen britischen Truppen könnten als Unterpfand für eventuelle Friedensverhandlungen mit den Briten dienen, werden allerdings als Erklärungsversuche häufig zurückgewiesen.
Zu von Rundstedts Verwunderung wurden auf einen Befehl des Generalobersts Walther von Brauchitsch, dem Oberbefehlshaber des Heeres, die Panzer im Süden und Südwesten von Dünkirchen dem Befehl der Heeresgruppe B unterstellt. Diese Heeresgruppe, die sich von Osten näherte und die belgische Armee nach Norden abdrängte, verfügte über keine Panzer. Als Hitler davon erfuhr, machte er noch am Mittag des 24. Mai diesen Befehl rückgängig: Die Heeresgruppe B werde in diesem Abschnitt auch ohne Panzer zurechtkommen. Dies trug zusätzlich zur Verwirrung über die Stoßrichtung der westlich des Fluss Aa liegenden Panzerverbände bei.
Verteidigungsring
Lord Gort und die 1. französische Armee unter Befehl von General Blanchard hatten nun vom 24. bis 27. Mai die Möglichkeit, einen Verteidigungsring um Dünkirchen zu errichten. Dies wurde durch Wetterverschlechterungen, die den Einsatz der Luftwaffe erschwerten, erleichtert.
Am 25. Mai wurde von der 10. Panzerdivision, die zum 19. Panzerkorps Guderians gehörte, Boulogne eingenommen. Zwei britische Divisionen konnten dort zuvor über den Seeweg entkommen. Der französische Zerstörer Chacal sank nach einem Luftangriff durch Junkers Ju 87 Sturzkampfbomber (Stukas) der Luftwaffe. Auch in Calais waren britische Truppen, auf deren Evakuierung verzichtet wurde mit dem Befehl, die Zitadelle im Hafen so lange wie möglich zu halten. Am Morgen des 26. Mai wurde der Hafen von Stukas und Artillerie angegriffen. Gegen Mittag setzten die Panzer der 10. Division zum Angriff an. Um 16 Uhr 45 kapitulierten die 20.000 alliierte Truppen, davon etwa 5.000 Briten.
Am selben Tag wurden die deutschen Panzer vor Dünkirchen wieder eilig in Bewegung gesetzt, als sich eine umfangreiche Rettungsaktion abzeichnete.
Zur Evakuierung Dünkirchens siehe den Hauptartikel: Operation Dynamo
27. und 28. Mai
Am 27. Mai war der Verteidigungsring um Dünkirchen hart umkämpft. Im Westen wurden französische Verbände über die Aa zurückgedrängt. Die Panzer des 19. Panzerkorps drangen wie Speerspitzen durch die Front, mussten aber immer wieder auf nachrückende Infanterie zur Absicherung der Flanken warten. Der Frontverlauf war unregelmäßig.
Im Südwesten konnte die 2. Division der British Expeditionary Force (BEF) den Bassée-Kanal bis zum 28. Mai gegen die 7. Panzerdivision General Erwin Rommels halten. Die Alliierten verfügten hier über keinerlei panzerbrechende Waffen, von den 400 Panzern Rommels gingen dennoch 22 verloren. Danach zogen sich die Briten nach Norden auf die Lys zurück.
Auch im Osten wurde der Ypern-Komen-Kanal gegen die anrückende Infanterie der Heeresgruppe B bis zum 28. Mai gehalten. Dabei wurde der Kanal am 27. Mai bereits von deutschen Grenadieren überschritten, in der darauffolgenden Nacht jedoch zurückerobert. Beide Seiten erlitten dabei starke Verluste. Durch diese Maßnahmen wurde es möglich, die schlecht bewaffneten und für den Kampfeinsatz unzureichend ausgebildeten Truppen der britischen 23. und 46. Division aus dem Korridor nach Dünkirchen zu bringen.
Am 28. Mai um 0 Uhr kapitulierten auf Befehl des belgischen Königs Leopold III. die im Kessel von Dünkirchen eingeschlossenen belgischen Truppen. Damit war die östliche Flanke gegen die Heeresgruppe B entblößt. Die Verteidigungslinie fiel bis zum 29. Mai auf einen Kanal etwa 15 Kilometer südlich von Dünkirchen zurück. Der Einbruch des östlichen Abschnittes war damit verhindert.
Am Nachmittag des 28. Mai erfuhr General Blanchard durch Lord Gort persönlich von der Weisung des britischen Kriegsministers Sir Anthony Eden, die britischen Tuppen von Dünkirchen aus zu evakuieren. Blanchard wollte einen Brückenkopf halten und bis Lille erweitern. Große Teile der französischen Armee gerieten dabei in Gefangenschaft. Das 3. Korps der 1. Armee schlug sich nach Dünkirchen durch und nahm an der Evakuierung Teil.
29. und 30. Mai
Britische Truppen und Reste der französischen 1. Armee konnten einen Abschnitt westlich von Dünkirchen bei Mardyck entlang eines Kanals bis kurz vor Nieuport stabilisieren und zwei Tage lang halten. Die deutschen Panzer wurden bereits im von der Luftwaffe sturmreif gebombten Hafen von Dünkirchen erwartet. Sie umgingen stattdessen die Stadt im Süden, um die Aktionen der Luftwaffe nicht zu behindern.
Lord Gort wurde von Winston Churchill durch einen direkten Befehl nach England beordert, um nicht in deutsche Gefangenschaft zu geraten. Zu seinem Nachfolger als Oberbefehlshaber des BEF bestimmte Gort Generalmajor Harald Alexander, der gemeinsam mit Admiral Jean Abrial, dem französischen Stadtkommandanten von Dünkirchen, den Verteidigungsring um Dünkirchen so lange wie möglich halten sollte. Inzwischen hatten sich auf der Südseite des Kanals die Panzer der Heeresgruppe A mit der Infanterie der Heeresgruppe B vereinigt.
31. Mai bis 3. Juni
Am 31. Mai wurde die vorletzte Verteidigungslinie vermutlich an mehreren Stellen überschritten. Die Panzer beteiligten sich nicht an diesem Vorstoß, sie wurden bereits nach Süden für die Schlacht um Frankreich abgezogen.
Die deutsche Artillerie hatte nun die schweren Geschütze bei Gravelingen im Westen und Nieuport im Osten erobert und belegten von dort aus die Hafeneinfahrt und große Teile der An- und Abfahrtsrouten mit Störfeuer. Auch der Hafen und die Stadt Dünkirchens lagen unter Artilleriefeuer. Französische und englische Truppen zogen sich auf die letzte Verteidigungslinie, einen 5 km breiten Streifen zwischen La Panne und Dünkirchen, zurück. Dabei wurden die britische Nachhut mehr und mehr durch Franzosen ersetzt, welche nicht daran dachten, ihr Land zu verlassen. Der Großteil dieser Nachhut geriet noch am 3. Juni in deutsche Kriegsgefangenschaft.
Bis zum Morgen des 4. Juni bestiegen alliierte Soldaten Seefahrzeuge aller Art. Dann erst wurde Dünkirchen erobert. Generalstabschef des Heeres General Franz Halder schrieb in sein Tagebuch: „Stadt und Küste in unserer Hand. Franzosen und Engländer sind weg.“ Tatsächlich gingen etwa 40.000 alliierte Soldaten, zum größten Teil Franzosen, in deutsche Kriegsgefangenschaft. 50.000 Fahrzeuge aller Art und anderes schweres Kriegsgerät wurde erbeutet.
Luftüberlegenheit
Die Angriffe der deutschen Luftwaffe forderten hohe Verluste. Dennoch konnte die Royal Air Force mit insgesamt 18 Squadrons den Verbänden der Luftflotten II und III erstmals in über 2700 Einzeleinsätzen die Luftüberlegenheit abringen, wenn auch zeitlich und räumlich eingegrenzt. Für den Einsatz der RAF über Dünkirchen war Air Vice-Marshall Keith Park verantwortlich, der wenig später in der Luftschlacht um England mitverantwortlich für die Niederlage der deutschen Luftwaffe war.
Erstmals traten die modernen Jagdflugzeuge des Typs Supermarine Spitfire in Staffelstärke gegen die Luftwaffe an. Der Respekt der deutschen Piloten vor diesem Kampfflugzeug ging soweit, dass sich ein Spitfire-Snobismus verbreitete. Abgeschossene Piloten gaben häufig an, dass das gegnerische siegreiche Flugzeug eine Spitfire war. Das war für die Fliegerehre leichter verkraftbar, als zugeben zu müssen, von einer als veraltet angesehenen Hawker Hurricane besiegt worden zu sein. Tatsächlich war die Hurricane das Flugzeug, mit dem über den ganzen Krieg hindurch bei weitem die meisten deutschen Flugzeuge vernichtet wurden.
Ergebnis
Insgesamt 338.226 alliierte Soldaten konnten bei Dünkirchen nach England übergesetzt werden. Auf dem Festland hinterließ die Evakuierung ein Gefühl des „im-Stich-gelassen-seins“. Kriegsmüdigkeit und der Wunsch nach baldiger Waffenniederlegung unter der Zivilbevölkerung und bei den Militärs war die Folge. Die Schlacht um Frankreich begann unmittelbar nach der Einnahme von Dünkirchen und endete nur zwei Wochen später am 17. Juni 1940.
In Großbritannien führte die Schlacht zunächst zu einer Verschärfung der Defence Regulation 18B, mit deren Hilfe eine Verhaftungswelle initiiert wurde, um die Öffentlichkeit von dem Debakel abzulenken. Sympathisanten des Gegners wie Archibald Maule Ramsay, weitere Abgeordnete sowie der US-Chiffrierer Tyler Kent wurden inhaftiert.
Die im Ergebnis jedoch unerwartet erfolgreiche Operation führte zu enormer Erleichterung. Die verlorene Schlacht wurde unter dem Ausnahmezustand durch die vom Ministry of Information gelenkte Presse wie ein Sieg gefeiert. Es wurde vom Wunder von Dünkirchen gesprochen. Winston Churchill betonte in seiner berühmten Rede We Shall Fight on the Beaches vor dem Unterhaus, dass man mit einer Evakuierung keinen Krieg gewinnen könne.
Der Haltebefehl vom 24.-26. Mai wird von manchen Publizisten als kapitaler taktischer Fehler angesehen, von anderen als militärische Routine. Die Gefangennahme des gesamten britischen Expeditionskorps hätte die Kraft Großbritanniens, den Krieg gegen Hitler fortzuführen, jedenfalls entscheidend beeinträchtigt. Görings Ankündigung, die eingekesselten Truppen allein durch Luftangriffe vernichten zu können, konnte die Luftwaffe nicht erfüllen. Die Gründe dafür liegen in einer Überschätzung der Möglichkeiten des Luftkrieges zum damaligen waffentechnischen Entwicklungsstand und in der Gegenwehr der RAF.
Siehe auch: Massaker von Wormhout
Literatur
- Ralph Baker: Die RAF im Krieg. Bechtermünz Verlag, Eltville am Rhein 1993, ISBN 3-86047-051-5
- Richard Collier: Dünkirchen. Heyne Verlag, 1982, ISBN 3-453-01164-3
- Karl-Heinz Frieser: Blitzkrieg-Legende. Der Westfeldzug 1940, Oldenbourg, 3. Auflage, 2005, Google-Books
- Hugh Sebag-Montefiore: Dunkirk – Fight to the last man . Penguin, 2007. ISBN 0-141-02437-2
Weblinks
- BBC: Dunkirk remembered – BBC online-Artikel zum 60. Jahrestag der Evakuierung (Englisch)
- NZZ 12. Juli 2008 - Ian Kershaw: Wie der Zweite Weltkrieg ganz anders hätte verlaufen können
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