Schule mit erweitertem Russischunterricht

Schule mit erweitertem Russischunterricht

Die Schule mit erweitertem Russischunterricht in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), auch Russischschule, Klasse mit erweitertem Russischunterricht, R-Schule, R-Klasse genannt, war eine Polytechnische Oberschule (POS) oder Erweiterte Oberschule (EOS) mit besonderem Schwerpunkt im Russisch-Sprachunterricht. Sie zählte als Spezialschule zu den Einrichtungen der Begabtenförderung in der DDR.

An den R-Schulen wurde der gleiche Lehrplan wie an den Polytechnischen Oberschulen verwendet. Die Bewertungsmaßstäbe waren dabei um etwa eine Note von anderen Schulen verschieden, der Unterricht somit anspruchsvoller. Etwa 50 Prozent der Schüler an den Russischschulen durften das Abitur machen, an den Polytechnischen Oberschulen ohne Begabtenförderung waren es etwa fünf bis zehn Prozent.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

In den 1950er Jahren wurden in der DDR die Russischschulen eingerichtet, um eine Elite im Dienste der Staatsregierung heranzuziehen. Sie sollte den Staats- und Parteiapparat mit aufbauen und festigen. Unterrichtet wurden darum vor allem die als linientreu geltenden Arbeiter- und Bauernkinder. Mittelfristiges Ziel war ein osteuropäischer Wirtschaftsraum mit der Sowjetunion als wirtschaftlicher Hauptmacht und Russisch als wichtigster Sprache. Ein weiterer Grund war die enge ideologische Bindung der DDR an die Sowjetunion.

Die Schulen verfügten über einen verstärkten Russisch-Unterricht und hatten in anderen Fächern das gleich Angebot wie andere Schulen. Mit Festigung des Machtapparates fanden Umdenken und Reformen statt, die Russischschulen wandelten sich von einstigen Kaderschmieden zu Begabtenschulen ohne soziale Beschränkung.

Zugang

Für den Zugang zu den Schulen waren gute Leistungen (Numerus Clausus von 2,0) und gute Kopfnoten zwingende Voraussetzung, was auch der Grund für das sehr hohe Niveau im Vergleich zu den Polytechnischen Schulen ohne Begabtenförderung war. Die Schüler wurden auf Vorschlag der Schulleitung der Schule, die das Kind besuchte, und im Gespräch der Eltern mit der Direktion der Russischschule ausgewählt. Bei ihrer Entscheidung konnte die Direktion die ihr vorliegenden Informationen über politische, gesellschaftliche oder kirchliche Aktivitäten der Eltern nach eigenem Ermessen berücksichtigen. Kaderkinder hatten hierbei in vielen Fällen Vorteile.

Lehrinhalte

Ab der Klassenstufe 3, statt ab der fünften Klasse wie an den POS ohne Begabtenförderung, und somit mit Eintritt in diese Schulform wurde Russisch als Fremdsprache gelehrt. Im Rahmen des DDR-Bildungssystems war Russisch an allen Schulen als erste Fremdsprache vorgesehen.

Während in der dritten Klasse das gleiche Lehrbuch benutzt wurde wie in der fünften Klasse der POS ohne Begabtenförderung, kamen ab der vierten Klasse wegen des zusätzlichen Russisch-Unterrichts besondere Lehrbücher zum Einsatz. Für den Unterricht wurden teilweise zwei Lehrer pro Klasse eingesetzt, wobei die Klassen in zwei Gruppen mit einer Stärke von je sieben bis zehn Schülern eingeteilt wurden, um die Sprache so effektiver und besser lehren zu können. Allgemein waren die R-Klassen kleiner als die normalen Klassen.

In der fünften Klassenstufe kam der an den Russischschulen obligatorische Unterricht in der zweiten Fremdsprache hinzu, der an den POS ohne Begabtenförderung fakultativ war. Im Regelfall wurde Englisch oder Französisch als zweite Fremdsprache gelehrt. Die Schüler legten in der Klassenstufe 10 die Abiturprüfung in der Fremdsprache Russisch ab. Zusätzlich konnte beim Wunsch nach Vertiefung der Kenntnisse an den Erweiterten Oberschulen die Sprachkundigenprüfung in Russisch absolviert werden.

Stundentafeln für Schulen mit erweitertem Russischunterricht 1957

Im Frühjahr 1957 erschien die erste veröffentlichte Stundentafel für Schulen mit erweitertem Russischunterricht, die sogleich die nicht veröffentlichte Stundentafel im Statut für Schulen mit erweitertem Russischunterricht außer Kraft setzte[1]. Der Ausbau der Grundstufe der Einheitsschule zur zehnklassigen Mittelschule war zu dieser Zeit bereits weit fortgeschritten. Die Russischschulen gab es im Ggs. dazu zunächst als Grundschule und Oberschule. Wie jede nichtberufliche Schule zählten auch die Russischschulen, und später alle Spezialschulen und Spezialklassen, zu den allgemeinbildenden Schulen und haben somit ihren Ursprung in Strukturplanungen des MfV. Es scheint, als daß nur die Spezialklassen physikalisch-technischer Ausrichtung später der Aufsicht des MfHF überantwortet worden sind, da die Kontrolle über die Klassen mit erweitertem Russischunterricht, die Klassen mit verstärktem neusprachlichen Unterricht und die Klassen mit verstärktem altsprachlichen Unterricht stets beim MfV blieb. Die Anweisungen zu den Lehrplänen und Stundentafeln ergingen ebenfalls in den VuMMfV.

Stundentafel für die erweiterte 12klassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule 1982

Die Klassen mit erweitertem Russischunterricht, was die Abiturstufe an einer EOS meint, gehörten seit 1970/71 im Sinne des Ministeriums für Volksbildung strukturell zu den Spezialklassen und waren mehrheitlich als angeschlossene Schulteile von Spezialschulen zu finden. Zum Ende der 12. Klasse fand im Fach Russisch nicht das Abitur statt, denn das wurde ja bereits nach der 10. Klasse an der Russischspezialschule abgelegt, sondern die Sprachkundigenprüfung.

Die Stundenzahlen waren fast identisch mit den Festlegungen für die normalen Erweiterten Oberschulen und deren stark mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Kern. Der Russischunterricht erging in gleichen Umfängen; die 2. Fremdsprache war in jedem Halbjahr um 1 Std. erhöht, wofür der fakultative Unterricht eine Kürzung um 1 Std. erfuhr. Die seit 1946 implizit errichtete und seit 1959 streng beachtete Schallmauer von 36 Wochenstunden als Normbelastung für Schulkinder wurde nicht überschritten.

Spezialschulen

Neben den Schulen mit erweitertem Russischunterricht gab es noch drei Spezialschulen für Fremdsprachen, eine in Wickersdorf, der heutigen Gemeinde Saalfelder Höhe, (bekannt als Freie Schulgemeinde Wickersdorf), eine in Wiesenburg/Mark (Schloss Wiesenburg) und eine weitere in Neubrandenburg. Diese Schulen waren hinsichtlich ihrer Ausrichtung und Konzeption Erweiterte Oberschulen mit angeschlossenem Internat. Ziel war die Vorbereitung der Schüler auf ein Lehrerstudium für das Fach Russisch. Im Unterschied zu den normalen EOS begannen diese Spezialschulen auch nach 1981 ab der Klassenstufe 9. Abgeschlossen wurden diese Schulen mit dem Abitur und der Sprachkundigenprüfung. Der Zugang zu diesen Schulen war vergleichbar mit den R-Schulen beziehungsweise R-Klassen. Hinzu kam allerdings eine schriftliche Verpflichtung für die Schüler, nach Abschluss der Schule ein Lehrerstudium zu beginnen.

Einzelnachweise

  1. Ministerium für Volksbildung der Deutschen Demokratischen Republik: Verfügungen und Mitteilungen Lfd. Nr. 18/57
    Anweisung über die Stundentafeln der allgemeinbildenden Schulen
    Vom 4. April 1957

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