Siegmund Weltlinger

Siegmund Weltlinger

Siegmund Weltlinger (* 29. März 1886 in Hamburg; † 18. Mai 1974 in Berlin[1]) war Gründungsmitglied und erster jüdischer Vorsitzender von 1949 bis 1970 sowie Ehrenpräsident ab 1970 der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin. Weltlinger war außerdem CDU-Mitglied.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Weltlinger wurde 1886 in Hamburg geboren und wuchs in Kassel auf, wo er nach dem Abitur seinen Militärdienst leistete und anschließend eine Banklehre absolvierte. Während des ersten Weltkrieges diente Siegmund Weltlinger zunächst als Frontsoldat, 1915 wurde er als Finanzfachmann in die Zentral-Einkaufsgemeinschaft der belgischen Zivilverwaltung versetzt. Im November 1918 kehrte Weltlinger nach Berlin zurück. 1919 heiratete er dort.

1919 verkaufte Siegmund Weltlinger die 1914 erworbene Zeitschrift "Börsenarchiv", er trat als gewinnbeteiligter Börsenprokurist in das Bankhaus Julius I. Mayer ein. 1925 verließ er die Bank und machte sich als Börsenhändler selbständig. Diesen Beruf übte er aus, bis eine Anordnung des Reichswirtschaftsministers am 20. Juni 1938 allen Juden den Besuch der Börsen untersagte[2].

Nach den Ausschreitungen des November 1938 wurde Weltlinger für zwei Monate im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert. Ab März 1939 bis Februar 1942 arbeitete er bei der Jüdischen Gemeinde Berlin und war für die Verwaltung und Erhebung der Auswanderungs-, Abwanderungs- und Theresienstadt-Heimeinkaufsabgaben verantwortlich, es gelang ihnen, beide Kinder noch vor Kriegsausbruch mit Kindertransporten nach England in Sicherheit zu bringen. 1943 tauchten Siegmund und Margarete Weltlinger vor der drohenden Deportation unter. Nichtjüdische Freunde, die Familie Möhring, versteckte das Ehepaar bis zum Kriegsende in ihrer Berliner Zweieinhalbzimmerwohnung[3].

Nach einer ersten Tätigkeit als Referent des Magistrates für jüdische Angelegenheiten trat Weltlinger 1946 in die CDU ein. Im November 1949 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Berlin e.V., deren jüdischer Vorsitzender er wurde und bis 1970 blieb. 1959 bis 1967 war er Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und schließlich Alterspräsident des Abgeordnetenhauses. 1961 wurde ihm der Titel eines Stadtältesten verliehen. Weltlinger starb 1974 in Berlin, er wurde in einem Ehrengrab auf dem Friedhof der Jüdischen Gemeinde Berlin an der Heerstraße beigesetzt.

Ehrungen

Literatur

  • Ulrich Werner Grimm: Die Berliner Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Geschichte(n) im Spiegel ihrer Quellen. In: Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin e.V. (Hrsg.): Im Gespräch. 50 Jahre Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin e.V. - Eine Festschrift, Konzeption/Redaktion: Ulrich Werner Grimm, Berlin 1999.
  • Geschichtswerkstatt am Friedrichsgymnasium Kassel / Gerd Adamski (Hrsg.): "Ich habe es nie bereut, ein deutscher Jude zu sein!" Erinnerungen an Siegmund Weltlinger (1886-1974), 1997 Kassel
  • Siegmund Weltlinger: Hast Du es schon vergessen? Erlebnisbericht aus der Zeit der Verfolgung, 1954 Berlin.
  • Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Berlin e. V. (Hrsg.): Jugenderinnerungen und Altersbekenntnisse eines deutschen Juden. Vortrag, gehalten durch Siegmund Weltlinger am 10. Januar 1968 im Amerika-Haus vor der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Berlin e.V., 1968 Berlin.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jael Geis: Übrig sein - Leben „danach“, o.J., Berlin, S. 125, Fn. 99
  2. Hartmut Berghoff / Hans Pohl: Geschichte des Finanzplatzes Berlin, 2002 Frankfurt S. 203
  3. Bund der Antifaschisten Berlin-Pankow e.V. (Hrsg.): Jüdisches Leben in Pankow. Eine zeitgeschichtliche Dokumentation, 1993 Berlin S. 168 ff.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Weltlinger — Siegmund Weltlinger (* 29. März 1886 in Hamburg; † 18. Mai 1974) war Gründungsmitglied und erster jüdischer Vorsitzender von 1949 bis 1970 sowie Ehrenpräsident ab 1970 der Gesellschaft für Christlich Jüdische Zusammenarbeit in Berlin. Weltlinger… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin (3. Wahlperiode) — Diese Liste beinhaltet alle Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin der 3. Legislaturperiode (1958–1963). Für den Senat in dieser Legislaturperiode siehe Senat Brandt II. Inhaltsverzeichnis 1 Alterspräsident 2 Präsidium des… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin (4. Wahlperiode) — Diese Liste beinhaltet alle Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin der 4. Legislaturperiode (1963–1967). Für die Senate in dieser Legislaturperiode siehe Senat Brandt III und Senat Albertz I. Präsidium des Abgeordnetenhauses Präsident: Otto …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Stadtältesten von Berlin — Stadtältester von Berlin ist eine Ehrenbezeichnung, die durch den Berliner Senat bzw. Magistrat vergeben wird. Die Ehrenbezeichnung geht auf die Stein und Hardenbergsche Städtereform von 1808 zurück. Sie sollte somit an Persönlichkeiten verliehen …   Deutsch Wikipedia

  • Ernst-Reuter-Medaille — Die Ernst Reuter Plakette wird seit 1954 vom Berliner Senat zur Ehrung des ersten Regierenden Bürgermeisters Berlins Ernst Reuter (1889 1953) verliehen. Die Plakette soll an Persönlichkeiten gegeben werden, die sich um Berlin besondere Verdienste …   Deutsch Wikipedia

  • Heinrich Vockel — (* 14. Juni 1892 in Neuhaus bei Paderborn; † 22. Januar 1968 in Berlin) war ein deutscher Wirtschaftspolitiker (Zentrum, CDU). Er war erster Berlin Beau …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Wel — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin (2. Wahlperiode) — Diese Liste beinhaltet alle Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin der 2. Legislaturperiode (1954–1958). Für den Senat in dieser Legislaturperiode siehe Senat Suhr, ab 3. Oktober 1957 Senat Brandt I. Inhaltsverzeichnis 1 Präsidium des… …   Deutsch Wikipedia

  • Stadtältester von Berlin — ist eine Ehrenbezeichnung, die bis zum Jahr 1950 durch den damaligen Berliner Magistrat und danach vom Senat von Berlin vergeben wird. Die Ehrenbezeichnung geht auf die Stein und Hardenbergsche Städtereform von 1808 zurück. Sie sollte somit an… …   Deutsch Wikipedia

  • Ernst-Reuter-Plakette — Die Ernst Reuter Plakette wird seit 1954 vom Berliner Senat zur Ehrung des ersten Regierenden Bürgermeisters Berlins Ernst Reuter (1889–1953) verliehen. Die Plakette soll an Persönlichkeiten gegeben werden, „die sich um Berlin besondere… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”