Sinn Féin

Sinn Féin
Sinn Féin
Gerry Adams 2001
Partei­vorsitzender Gerry Adams
Gründung 1905
Haupt­sitz 44 Parnell Street, Dublin 1
Farbe(n) grün
Parlamentsmandate 5 von 650 (House of Commons, 2010),
14 von 166 (Dáil, 2011),
1 von 60 (Seanad, 2007)
EP-Fraktion GUE-NGL
Website www.sinnfein.ie
Éamon de Valera (ca Mitte 1920er)
Bairbre de Brún im Straßburger Europaparlament (2008)
Mary Lou McDonald, seit 2009 Vize-Vorsitzende von Sinn Féin (2009)
Martin McGuiness (2009)

Sinn Féin ([ˌʃinʲ ˈfeːnʲ] bzw. [ˌʃinʲ ˈheːnʲ], ir.: „wir selbst“) ist eine irisch-republikanische Partei. In Nordirland ist sie seit 2005 die unter den katholischen Bewohnern stärkste Partei, in der Republik Irland ist sie seit 1997 im Parlament vertreten und verfügt dort vor allem in den Grenzregionen zu Nordirland über eine historische Verankerung. Damit ist sie die einzige bedeutende Partei, die sowohl im Norden als auch im Süden Irlands aktiv ist.

Inhaltsverzeichnis

Ziele

Das Hauptziel von Sinn Féin besteht darin, die unter britischer Herrschaft befindlichen Grafschaften Nordirlands in das Staatsgebiet der Republik Irland einzugliedern. Dabei strebt die Partei laut Programm eine „vereinigte, demokratische und sozialistische Republik Irland“ an, wobei die Bezugnahme auf sozialistische Ansätze und Ziele in den Aussagen führender Parteivertreter in den letzten zehn Jahren sehr selten geworden sind, tendenziell aber eher noch in der südirischen Sinn Féin verfolgt werden. Als mittelfristiges Ziel nennt Sinn Féin die Umsetzung des Karfreitagsabkommens.

Vertretung in Parlamenten

Bei den britischen Unterhauswahlen am 5. Mai 2005 wurden fünf Abgeordnete für das House of Commons gewählt, neben den vier bisherigen Mandatsträgern (u. a. Gerry Adams und Martin McGuinness) konnte Conor Murphy der gemäßigten Social Democratic and Labour Party den Sitz im Wahlkreis Newry and Armagh abnehmen. Die Unterhaus-Abgeordneten der Sinn Féin weigern sich allerdings, ihre Sitze anzunehmen, denn dazu müssten sie einen Treueeid auf die britische Königin schwören.

Im Parlament der Republik Irland (dem Dáil Éireann) ist Sinn Féin mit vierzehn Abgeordneten vertreten, nachdem sie bei den Wahlen von 2011 zehn Mandate gegenüber den Wahlen des Jahres 2007 hinzugewinnen konnte. Parteivorsitzender Gerry Adams ist seither Parlamentsabgeordneter (Teachta Dála) für den Wahlkreis Louth, der auch nach der Wahl mit Seamus Kirk weiterhin den Parlamentssprecher (Ceann Comhairle) stellt.

Bei den Wahlen zum Europaparlament gewann Sinn Féin je einen Sitz für Dublin (Mary Lou McDonald) und Nordirland (Bairbre de Brún). Die beiden Abgeordneten sind Mitglieder der Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken, in der sich zahlreiche sozialistische und kommunistische Parteien zusammengeschlossen haben.

Im Nordirischen Parlament (Northern Ireland Assembly) stellt Sinn Féin seit der letzten Wahl 28 Abgeordnete (vorher: 24). Von 1998 bis 2003, als die Exekutive arbeitete, stellte die Partei zwei Minister. Die stärkste britisch-protestantische Partei, die Democratic Unionist Party, hat sich am 26. März 2007 (Vereinbarung von St. Andrews) auf ein Machtteilungsabkommen mit Sinn Féin geeinigt. Seit 8. Mai ist der Sinn-Féin-Abgeordnete Martin McGuinness der stellvertretende Erste Minister von Nordirland. Des Weiteren hat Sinn Féin mit Pearse Doherty im Ausschuss für Landwirtschaft einen Abgeordneten im irischen Oberhaus (Seanad Éireann) und mit Gráinne Mhic Géidigh für das County Donegal ein Mitglied in der Organisation für soziale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung Údarás na Gaeltachta.

Bei den Britischen Unterhauswahlen 2010 im Mai 2010 wurden erneut fünf Abgeordnete für das House of Commons gewählt.

Beziehung zur IRA

Sinn Féin ist geschichtlich und in einigen Inhalten mit der Provisional Irish Republican Army verbunden und wird deswegen gelegentlich auch „als politischer Arm der IRA“ bezeichnet. Sinn Féin kam damit auch eine besondere Bedeutung im Friedensprozesses in Nordirland zu. Von der irischen Regierung wird der Oppositionspartei vorgeworfen, dass sie auch lose organisatorisch mit der IRA verbunden ist. 2005 ging der Justizminister (im Zusammenhang mit der britischen nachfolgenden Entscheidung) über den Vorwurf hinaus, indem er äußerte, einige führende Mitglieder der Partei seien auch führende Mitglieder in der IRA.[1] Sinn Féin wies die Vorwürfe zurück. Nach einem Banküberfall Ende 2004 in Belfast, dessen Täter nicht ermittelt wurden, wurde der IRA der Überfall zur Last gelegt (was diese dementierte). Das House of Commons (Vereinigtes Königreich) beschloss im März 2005 mit der Mehrheit der Stimmen daraufhin den dortigen Abgeordneten der Sinn Féin die Parlamentsgelder (u.a. zur Finanzierung von Reisen und Angestellten) für ein Jahr vorzuenthalten.[2]

Geschichte

Sinn Féin wurde am 28. November 1905 von Arthur Griffith in Dublin gegründet. Griffith wollte mit der Parteigründung ursprünglich vor allem ein eigenes Parlament für ganz Irland im Verbund des Vereinigten Königreiches durchsetzen. Vorbild für die Partei und ihr Programm waren die Nationalbewegungen im Osten Mitteleuropas. Griffith orientierte sich insbesondere an der Struktur in Österreich-Ungarn mit einem Monarchen und zwei Parlamenten.

Beim Osteraufstand von 1916 trat Sinn Féin erstmals als gewaltbereite Bewegung auf und entwickelte sich in den folgenden Jahren unter dem neuen Präsidenten Eamon de Valera zur führenden Organisation der Bewegung für eine „nationale Selbstbestimmung“ der Iren. 1918 verzeichnete sie bei den Wahlen zum Unterhaus einen ersten durchschlagenden Erfolg: Sie stellte 73 der 105 irischen Abgeordneten. 1919 rief sie das erste irische Parlament, das First Dáil, in Dublin aus, woraus sich der irische Unabhängigkeitskrieg und die erste Teilung der Insel im Anglo-Irischen Vertrag von 1922 entwickelten.

Vor allem an dem im Vertrag verlangten Treueschwur zum britischen König, weniger an der Teilung, spaltete sich darauf Sinn Féin. Die Befürworter des Vertrages stellten eine knappe Mehrheit im Dáil, in der Partei eine knappe Minderheit. Sie bildeten unter der Führung von W.T. Cosgrave die neue Partei Cumann na nGaedhael, die später in der Fine Gael aufging. Die streng republikanische Mehrheit der Mitglieder wollte diese Bedingung nicht akzeptieren. Im Irischen Bürgerkrieg bekämpften sich beide Seiten erbittert. Nach dem Waffenstillstand 1926 spaltete sich Sinn Féin erneut an einer grundsätzlichen Frage: Sollte man den Status Quo akzeptieren und den neuen Freistaat Irland als ersten Schritt auf dem Weg zur Republik anerkennen, oder blieb man besser auf dem Standpunkt der Fundamentalopposition? Die weniger radikalen Gegner des Vertrags um Eamon de Valera bildeten am Ende dieser Auseinandersetzung die neue Partei Fianna Fáil. Die übrig gebliebene, fundamentalrepublikanische Sinn Féin trat nach dem Bürgerkrieg nur noch als Splitterbewegung auf. In den 1960er Jahren verfolgte die Sinn Féin vorübergehend einen marxistischen Kurs.

In den 1970er Jahren kam es zu einer inneren Reform der Partei. Sie verstand sich zunehmend als politischer Flügel der IRA. Politiker einer neuen Generation wie Gerry Adams und Martin McGuinness sowie eine nordirisch dominierte Funktionärsschicht führten die Partei wieder zurück in die politische Handlungsfähigkeit. Ein Waffenstillstand Mitte der 1970er Jahre machte die Sinn Féin zu einem akzeptablen Verhandlungspartner für andere Parteien.

Seit 1970 bringt Sinn Féin eine eigene Zeitschrift heraus, die An Phoblacht, die zunächst monatlich und heute (2010) wöchentlich erscheint.

Wahlerfolge im größeren Umfang und damit politische Macht erlangte die Partei aber erst nach dem Hungerstreik gefangener IRA-Mitglieder 1980/81 um den Sinn Féin-Unterhauskandidaten Bobby Sands. Der Wahlkampf für ihn und sein Tod wenige Wochen nach der Wahl verschafften der Partei große Popularität.

Die Sinn Féin erkannte am 28. Januar 2007 auf einem Sonderparteitag in Dublin in einer historischen Abstimmung von 2000 Delegierten die nordirische Polizei an. Damit räumte sie ein wichtiges Hindernis auf dem Weg zur Wiederherstellung einer nordirischen Regionalregierung aus dem Weg. Laut dem Parteivorsitzenden Gerry Adams habe sie damit „die Möglichkeit geschaffen, die politische Landschaft auf dieser Insel für immer zu verändern“. Die britische Regierung versicherte im Gegenzug, die Rolle des Geheimdienstes MI5 auf dem Gebiet der Provinz zu beschränken.[3]

Liste der Parteivorsitzenden

1923 wurde ein erheblicher Teil der Mitglieder zu Cumann na nGaedheal
1926 trat de Valera aus der Sinn Féin aus und gründete Fianna Fáil
  • John J. O’Kelly (Sceilg) (1926-1931)
  • Brian O’Higgins (1931-1933)
  • Fr. Michael O’Flanagan (1933-1935)
  • Cathal Ó Murchadha (1935-1937)
  • Margaret Buckley (1937-1950)
  • Pádraig Mac Lógáin (1950-1953)
  • Tomás Ó Dubhghaill (1953-1954)
  • Pádraig Mac Lógáin (1954-1962)
  • Tomás Mac Giolla (1962-1970)
1970 spaltete sich Sinn Féin in zwei Parteien, die sich beide als die einzig legitime Sinn Féin ansahen
  • Sinn Féin (Gardiner Place), häufiger Official Sinn Féin genannt. Die Partei benannte sich in Sinn Féin, the Workers Party (1977) um, später nannte man sich nur noch Workers Party (1982).
  • Sinn Féin (Kevin Street), häufiger Provisional Sinn Féin genannt. Dieser Flügel ist inzwischen allgemein als „die“ Sinn Féin bekannt.
  • Ruairí Ó Brádaigh (1970-1983)
1986 verließ Ó Brádaigh die Partei und gründete Republican Sinn Féin

Bekannte Politiker

Literatur

  • T. Ryle Dwyer: Michael Collins, ISBN 3-928300-62-8 (deutsch)
  • Michael Collins: The Path to Freedom, ISBN 1-85635-148-3, Mercier Press (englisch)
  • Danny Morrison: Aus dem Labyrinth. Schriften auf dem Weg zum Frieden in Nordirland. ISBN 3-89771-000-5
  • Dietrich Schulze-Marmeling (Hg.): Nordirland – Geschichte Landschaft Kultur & Touren Die Werkstatt, 1996, ISBN 3-89533-177-5
  • Pit Wuhrer: Die Trommeln von Drumcree. Nordirland am Rande des Friedens, Rotpunktverlag, 2000 ISBN 3-85869-209-3
  • Brian Feeney: Sinn Féin – A hundred turbulent years, The O'Brien Press Ltd. Dublin, 2002 ISBN 0-86278-770-X
  • William O'Reilly, Andrea Penz: Freiheit und Unabhängigkeit als imperative Postulate. Nationale Bewegungen in Irland und Ungarn im Vergleich 1780-1870, Grazer Universitätsverlag, 2006 ISBN 3-7011-0061-6
  • Dominic Vogel: Zwischen Terrorismus und Politik – Sinn Féin im Wandel. Deutscher Hochschulverlag, 2009 ISBN 3-8366-7576-5

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Sinn Féin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen und Quellen

  1. [The Independent: McGuinness and Adams on IRA army council, says Dublin], 21. Februar 2005
  2. SF stripped of Commons allowances. BreakingNews.ie (10. März 2005). Abgerufen am 7. März 2011.
  3. www.tagesschau.de (nicht mehr online verfügbar).

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