Britische Unterhauswahlen 2010

Britische Unterhauswahlen 2010
Unterhauswahl in Großbritannien und Nordirland 2010
Konservative
  
47,1 %
Labour
  
39,7 %
Liberal Democrats
  
8,8 %
Democratic Unionists
  
1,2 %
Scottish National Party
  
0,9 %
Sinn Féin
  
0,8 %
Plaid Cymru
  
0,5 %
SDLP
  
0,5 %
Green Party
  
0,1 %
Andere
  
0,1 %
gewonnene Parlamentssitze in Prozent

Die britischen Unterhauswahlen 2010 fanden am 6. Mai statt, fast auf den Tag genau fünf Jahre nach den Wahlen von 2005 vom 5. Mai 2005. Diesen Wahltermin legte der britische Premierminister Gordon Brown am 6. April 2010 fest. Für die Labour Party, die seit drei Wahlperioden führende Regierungspartei war, trat der seit 2007 amtierende Premierminister Gordon Brown an, für die Conservative Party („Tories“) David Cameron. Die Liberal Democrats wurden von ihrem Spitzenkandidaten Nick Clegg vertreten. Im Ergebnis gewannen die Konservativen an Wählerstimmen und Wahlkreismandaten stark hinzu und wurden stärkste Kraft im Unterhaus. Sie verfehlten jedoch die angestrebte absolute Mehrheit an Sitzen. Am 11. Mai 2010 trat Gordon Brown von seinem Amt als Premierminister zurück und David Cameron wurde durch die Königin zum Premierminister ernannt. Er bildete eine Koalition mit den Liberal Democrats unter Nick Clegg. Dies war die erste Koalitionsbildung im Vereinigten Königreich seit Generationen. Zum ersten Mal seit der Unterhauswahl von 1974 kam es zu einem sogenannten Hung Parliament.

Inhaltsverzeichnis

Wahlmodus

Die Wahlen fanden am 6. Mai 2010 wie auch die vorangegangenen Wahlen nach dem relativen Mehrheitswahlrecht in 649 einzelnen Wahlkreisen statt. Im englischen Wahlkreis Thirsk and Malton fand die Wahl erst am 27. Mai 2010 statt, da der dortige Kandidat der UK Independence Party kurz vor dem Wahltermin verstorben war.[1] Seit der letzten Wahl waren vier Wahlkreise hinzugekommen, die alle in England liegen. Der Kandidat mit der höchsten Wählerstimmenzahl gewinnt (first-past-the-post), einen zweiten Wahlgang gibt es nicht. Dieses Wahlrecht begünstigt große Massenparteien wie die Konservativen und Labour und Regionalparteien wie die Scottish National Party und Plaid Cymru. Mittelgroße Massenparteien wie die Liberal Democrats oder kleinere Parteien ohne ausgesprochene regionale Schwerpunkte waren in den letzten Wahlen dagegen benachteiligt.

Neufestsetzung der Wahlkreisgrenzen

Seit der letzten Wahl 2005 wurden die Wahlkreise nach Vorschlägen der Boundary Commissions in England, Wales und Nordirland neu abgegrenzt, um Bevölkerungsveränderungen Rechnung zu tragen. Insgesamt kommen vier Wahlkreise hinzu, die Anzahl der Sitze erhöht sich von 646 auf 650. Alle vier neuen Wahlkreise liegen in England, das damit nun auf 533 Wahlkreise kam.[2] Nordirland behielt weiter 18 Wahlkreise, deren Grenzen zum Teil aber geringfügig geändert wurden.[3] Die Zahl der walisischen Wahlkreise blieb unverändert bei 40, allerdings bei zum Teil erheblich veränderten Wahlkreisgrenzen.[4] Die Grenzen der 59 schottischen Wahlkreise waren schon 2004 neu festgelegt worden, so dass jetzt keine Änderung erfolgte. Die 533 englischen Wahlkreise wiesen im Mittel 69.400 Wähler auf (Minimum: 56.000 im Wahlkreis Wirral West, Maximum: 103.500 Wähler im Wahlkreis Isle of Wight), die 18 nordirischen Wahlkreise hatten im Mittel 61.300 Wähler (Minimum: 55.000 im Wahlkreis Belfast West, Maximum: 72.800 Wähler im Wahlkreis North Antrim), die 59 schottischen Wahlkreise hatten im Mittel 67.700 Wähler (Minimum: 21.800 im Wahlkreis Na h-Eileanan an Iar, Maximum: 78.700 Wähler im Wahlkreis Linlithgow and East Falkirk) und die 40 walisischen Wahlkreise hatten im Mittel 55.600 Wähler (Minimum: 43.000 im Wahlkreis Arfon, Maximum: 68.200 Wähler im Wahlkreis Vale of Glamorgan). Damit waren die „Randgebiete“ Schottland, Wales und Nordirland insgesamt etwas überrepräsentiert.

Wahlkreise der Spitzenkandidaten

Gordon Brown trat in seinem schottischen Heimatwahlkreis Kirkcaldy and Cowdenbeath (Fife) an. Auch David Cameron und Nick Clegg gingen in ihren angestammten Wahlkreisen (seit 2001 bzw. 2005) ins Rennen: Cameron in Witney (Oxfordshire), Clegg in Sheffield Hallam (südwestliches Sheffield, South Yorkshire).

Prognosen vor der Wahl

Umfrageergebnisse in den Jahren 2005–2010:
                     Konservative                      Labour                      Liberal Democrats                      Andere
Umfrageergebnisse seit dem 6. April 2010

In praktisch allen Wahlumfragen seit dem Jahr 2008 lagen die Konservativen vor Labour. Seit der Bekanntgabe des Wahltermins hat sich ein deutlicher Zugewinn der Liberal Democrats in den Meinungsumfragen abgezeichnet, so dass diese mittlerweile etwa gleichauf zumindest mit Labour liegen.[5] Das relative Mehrheitswahlrecht macht genaue Prognosen der Mehrheitsverhältnisse im zukünftigen Unterhaus besonders schwierig, da schon kleine Mehrheitsänderungen in den Wahlkreisen gravierende Sitzverschiebungen im Parlament zur Folge haben können.

Wahlkampf

Sowohl die Konservativen als auch Labour strebten eine deutliche Sitzmehrheit im Unterhaus an. Falls die Sitzmehrheit nur knapp ist, ist es wahrscheinlich, dass die Regierung im Laufe der Legislaturperiode allmählich die Mehrheit verliert, da im Laufe der Zeit immer wieder Nachwahlen in einzelnen Wahlkreisen (byelections) aufgrund des Ausscheidens eines Sitzinhabers stattfinden, die häufig dann zugunsten der Oppositionskandidaten ausgehen. Der Logik des einfachen Mehrheitswahlrechts folgend konzentrierten sich die großen Parteien stark auf die Wahlkreise, in denen bei der letzten Unterhauswahl der Stimmenabstand zwischen den beiden bestplatzierten Kandidaten gering war. Bei der letzten Wahl gab es insgesamt 31 Wahlkreise, in denen der relative Stimmenabstand zwischen den ersten beiden Kandidaten weniger als 1 % betrug.

Einige Parteien traten nur in bestimmten Regionen an, so die Scottish National Party nur in Schottland, Plaid Cymru nur in Wales und Sinn Féin, die Social Democratic and Labour Party (SDLP), die Alliance Party of Northern Ireland und die Ulster Unionist Party nur in Nordirland. Die Respect Party, eine linksgerichtete Abspaltung von Labour, die bei den letzten Wahlen einen Londoner Wahlkreis gewonnen hatte, stellte nur Kandidaten in England und Wales auf. In insgesamt drei großen öffentlichen Debatten[6] traten die drei Kandidaten Gordon Brown, David Cameron und Nick Clegg gegeneinander an. Bei allen Kandidaten stand die Wirtschaftskrise und deren Überwindung im Mittelpunkt. Premierminister Brown betonte dabei seine ökonomische Kompetenz und sein entschlossenes Handeln, die es ermöglicht hätten, dass die Bankenkrise nicht in eine allgemeine Rezession übergegangen sei. David Cameron wies darauf hin, dass eine verfehlte Wirtschaftspolitik mit zur Krise geführt hätte, warf der Labour-Regierung Verschwendung öffentlicher Gelder vor und betonte, dass Großbritannien unter seiner Führung nie der Eurozone beitreten würde. Nick Clegg forderte einen grundlegenden Umbau des Bankensystems und des Steuersystems, zu dem Labour nicht in der Lage gewesen sei und die Konservativen nicht willens seien.

Ergebnisse

Landesweite Ergebnisse

Ergebnisse nach Wahlkreisen (die Farbgebung entspricht der der nebenstehenden Tabelle).

Die Wahlbeteiligung lag mit 65,1% merklich höher als bei der Wahl 2005 (61,3%).

Partei Stimmen Sitze +/− Stimmen
in %
+/− Sitze
in %
+/−
  Conservative Party 10.726.614 307 +97 36,1% +3,8% 47,2% +17,3%
  Labour Party 8.609.527 258 −91 29,0% −6,2% 39,7% −15,4%
  Liberal Democrats 6.836.824 57 −5 23,0% +1,0% 8,8% −1,0%
  Democratic Unionist Party 168.216 8 −1 0,6% −0,3% 1,2% −0,1%
  Scottish National Party 491.386 6 0 1,7% +0,1% 0,9% 0,0%
  Sinn Féin 171.942 5 0 0,6% −0,1% 0,8% 0,0%
  Plaid Cymru 165.394 3 +1 0,6% −0,1% 0,5% +0,1%
  Social Democratic and Labour Party (SDLP) 110.970 3 0 0,4% −0,1% 0,5% +0,1%
  Green Party of England and Wales 285.616 1 +1 1,0% −0,1% 0,1% +0,1%
  Alliance Party of Northern Ireland 42.762 1 +1 0,1% 0,0% 0,1% +0,1%
  Parteiunabhängige Kandidaten 21.181 1 +1 0,1% +0,1% 0,1% +0,1%
  United Kingdom Independence Party 919.546 0 0 3,1% +0,9% 0,0% 0,0%
  British National Party 564.331 0 0 1,9% +1,2% 0,0% 0,0%
  Ulster Unionist Party 102.361 0 −1 0,3% −0,1% 0,0% −0,1%
  English Democrats 64.826 0 0 0,2% +0,2% 0,0% 0,0%
  Respect 33.251 0 −1 0,1% −0,1% 0,0% −0,1%
  Traditional Unionist Voice 26.300 0 0 0,1% 0,0% 0,0%
  Christian Party 18.623 0 0 0,1% 0,0% 0,0%
  Independent Kidderminster Hospital and Health Concern 16.150 0 −1 0,1% 0,0% 0,0% 0,0%
  Trade Unionist and Socialist Coalition 12.275 0 0 0,0% 0,0% 0,0%
  Scottish Socialist Party 3.157 0 0 0,0% −0,1% 0,0% 0,0%
  Weitere Parteien 298.710 0 0 1,1% 0,0% 0,0% 0,0%
  Gesamt 29.691.380 650 100,0 % 100,0 %

Ergebnisse nach einzelnen Landesteilen

England

In England gewannen die Konservativen mit 298 von 533 die absolute Mehrheit an Wahlkreisen (55,9%). Die Liberaldemokraten gewannen mit 24,2% kaum weniger Stimmen als Labour (28,1%), erhielten aufgrund des Wahlrechtes jedoch nur 8,1% der englischen Sitze. Eine Überraschung war der Sieg von Caroline Lucas, der Parteivorsitzenden der Green Party of England and Wales gegen die Labour-Kandidatin im englischen Wahlkreis Brighton Pavilion.[7] Im Wahlkreis Thirsk and Malton konnte erst am 27. Mai 2010 gewählt werden, da der Kandidat der United Kingdom Independence Party kurz vor dem Wahltermin verstorben war. Der Wahlkreis wurde mit großer Mehrheit durch die konservative Kandidatin Anne McIntosh gewonnen.[8]

England (533 Wahlkreise)
Partei Sitze Sitze
Änderung
Stimmen  %  %
Änderung
  Conservative Party 298 +92 9.931.029 39,6 +3,9
  Labour Party 191 -87 7.042.398 28,1 -7,4
  Liberal Democrats 43 -4 6.076.189 24,2 +1,3
  Green Party of England and Wales 1 +1 258.954 1,0 -0,1
  United Kingdom Independence Party 0 0 866.633 3,5% +0,9%
  British National Party 0 0 532.333 2,1% +1,3%
  English Democrats 0 0 64.826 0,3% +0,2%
  Respect 0 -1 33.251 0,1% -0,2%
  Independent Kidderminster Hospital and Health Concern 0 -1 16.150 0,1% 0,0%
  Christian Party 0 0 15.841 0,1%
  Trade Unionist and Socialist Coalition 0 0 8.404 0,0%
  Andere Parteien und Unabhängige 0 0 239.089 0,9% 0,0%
Wahlbeteiligung: 25.085.097 65.5 +4.5

Schottland

Die Wahlergebnisse in Schottland unterschieden sich deutlich von denen in England. In Schottland konnten die Konservativen 18,9% der Stimmen und nur einen einzigen der 59 Wahlkreise gewinnen. In Bezug auf die gewonnenen Wahlkreise ergab sich (ebenfalls im Gegensatz zu England) überhaupt kein Unterschied im Vergleich zur letzten Unterhauswahl. Die Labour Party konnte sogar an Stimmenzahl noch etwas zulegen und blieb mit dem Gewinn von mehr als 2/3 der Wahlkreise die dominierende politische Kraft in Schottland. Dabei hat sicher der Umstand, dass der Labour-Vorsitzende und bisherige Premierminister Gordon Brown ein Schotte ist, eine Rolle gespielt. Die Liberal Democrats erreichten mit 11 gewonnenen Parlamentssitzen ebenfalls ein Ergebnis, das über ihrem Landesdurchschnitt lag. Der Parteiführer der Scottish National Party Alex Salmond sprach vom „besten Ergebnis der SNP seit den 1970ern“.[9]

Schottland (59 Wahlkreise)
Ergebnisse in Schottland[10]
Partei Sitze Sitze
Änderung
Stimmen  %  %
Änderung
  Labour Party 41 0 1.035.528 42,0 +2,5
  Liberal Democrats 11 0 465.471 18,9 -3,7
  Scottish National Party 6 0 491.386 19,9 +2,3
  Conservative Party 1 0 412.855 16,7 +0,9
  United Kingdom Independence Party 0 0 17.223 0,7 +0,3
  Scottish Green Party 0 0 16.827 0,7 -0,3
  Trade Unionist and Socialist Coalition 0 0 3.530 0,1 +0,3
  Scottish Socialist Party 0 0 3.157 0,1 -1,7
  Christian Party 0 0 835 0,0
  Andere 0 0 10.000 0,4 -0,6
Wahlbeteiligung: 2.465.722 63,8 +3,0

Wales

Auch in Wales blieb die Labour Party die dominierende Partei und gewann mit 26 Sitzen mehr als die Hälfte aller walisischen Wahlkreise. Allerdings musste sie merkliche Stimmen- und Sitzverluste im Vergleich zur Wahl vor 5 Jahren hinnehmen. Die Konservativen konnten 5 Mandate hinzugewinnen und damit ihre walisischen Abgeordneten in Westminster mehr als verdoppeln. In den drei Wahlkreisen Arfon, Dwyfor Meirionnydd und Carmarthen East & Dinefwr gewannen Kandidaten der regional-walisischen Partei Plaid Cymru die Wahl. Der Parteiführer von Plaid Cymru Ieuan Wyn Jones zeigte sich enttäuscht und kritisierte den Ausschluss seiner Partei (und der SNP) von den Fernsehdebatten der großen Parteiführer, die mit dazu beigetragen hätten, dass seine Partei nicht mehr Mandate errungen hätte.[11]

Wales (40 Wahlkreise)
Ergebnisse in Wales[12]
Partei Sitze Sitze
Änderung
Stimmen  %  %
Änderung
  Labour Party 26 -4 531.601 36,2 -6,5
  Conservative Party 8 +5 382.730 26,1 +4,7
  Liberal Democrats 3 -1 295.164 20,1 +1,7
  Plaid Cymru 3 +1 165.394 11,3 -1,3
  United Kingdom Independence Party 0 0 35.690 2,4 +1,0
  British National Party 0 0 23.088 1,6 +1,5
  Green Party of England and Wales 0 0 6.293 0,4 -0,1
  Christian Party 0 0 1.947 0,1
  Trade Unionist and Socialist Coalition 0 0 341 0,0
  Andere und Unabhängige 0 -1 24.442 1,7 -1,1
Wahlbeteiligung: 1.446.690 64,9 +2,2

Nordirland

Die bedeutendsten Ergebnisse in Nordirland waren der Verlust des Wahlkreises East Belfast durch Peter Robinson (DUP) an die Kandidatin der Alliance Naomi Long.[13] Das Wahlergebnis im Wahlkreis Fermanagh South Tyrone konnte aufgrund des knappen Ausgangs erst nach dreimaliger Stimmenauszählung zugunsten von Michelle Gildernew (Sinn Fein) gegen den unionistischen Kandidaten Rodney Connor entschieden werden. Den Wahlkreis Down North gewann mit großem Abstand die parteiunabhängige Kandidatin Sylvia Hermon, die wenige Wochen zuvor aus der Ulster Unionist Party ausgetreten war. Auffällig war die insgesamt deutlich geringere Wahlbeteiligung im Gegensatz zur Wahl vor 5 Jahren.

Nordirland (18 Wahlkreise)
Ergebnisse in Nordirland[14]
Partei Sitze Sitze
Änderung
Stimmen  %  %
Änderung
  Democratic Unionist Party 8 -1 168.216 25,0 -8,7
  Sinn Féin 5 0 171.942 25,5 +1,2
  Social Democratic and Labour Party (SDLP) 3 0 110.970 16,5 -1,0
  Alliance Party of Northern Ireland 1 +1 42.762 6,3 +2,4
  Ulster Unionist Party 0 -1 102.361 15,2 -2,6
  Traditional Unionist Voice 0 0 26.300 3,9
  Green 0 0 3.542 0,5
  Andere und Unabhängige 1 +1 21.181 3,1
Wahlbeteiligung: 673.871 57,6 -7,8

Ablauf der Wahlen und erste Reaktionen

Auswirkungen des einfachen Mehrheitswahlrechts:
innerer Kreis = Wählerstimmen
äußerer Kreis = gewonnene Mandate

Die Wahlen verliefen weitgehend planmäßig ohne größere Zwischenfälle. Als Skandal wurde allerdings empfunden, dass etliche 100 Wahlberechtigte in verschiedenen Wahlkreisen nicht dazu kamen ihre Stimme abzugeben, da sie sich in lange Schlangen vor den Wahllokalen einreihen mussten und die Wahllokale pünktlich schlossen, bevor sie an der Reihe gewesen waren.[15][16] Im Wahlkreis Liverpool Wavertree fehlten in einigen Wahllokalen Stimmzettel, nachdem die Wahlbeteiligung unerwartet hoch ausfiel, so dass mindestens ein Wahllokal zeitweilig geschlossen werden musste, bis neue Stimmzettel herangeschafft worden waren.[17] Die Auszählung einiger Wahlkreise zog sich bis in den Nachmittag des Folgetages hin. Das knappeste Resultat ergab sich im nordirischen Wahlkreis Fermanagh & South Tyrone, den die bisherige Sitzinhaberin Michelle Gildernew von Sinn Féin mit ganzen vier Stimmen Mehrheit (21.304 gegen 21.300) verteidigen konnte.[18]

Nach Bekanntwerden der ersten vorläufigen Ergebnisse gab es erste Reaktionen der Parteiführer. Nick Clegg bezeichnete das Ergebnis als "Enttäuschung"[19], David Cameron sprach davon, dass Labour das Mandat verloren habe[20] und kündigte eine Regierungsbildung unter seiner Führung an. Premierminister Gordon Brown bekundete seinen Stolz, dass er den schottischen Wahlkreis Fife zum siebten Mal in Folge gewonnen hatte und zeigte sich stolz auf die Leistung von Labour.[21] Führende Labourpolitiker wie Peter Mandelson und Chris Grayling lehnten den Rücktritt Browns ab mit dem Hinweis, dass Cameron "kein Mandat" erhalten habe.

Analyse der Wählerbewegungen: der Swing

In suburbanen und ländlichen Wahlkreisen kam es zu einer starken Wählerbewegung von Labour hin zu den Konservativen. Viele städtische Zentren und schottische Wahlkreise zeigten jedoch kaum eine Veränderung.

Wählerbewegungen von Labour zu den Konservativen Wählerbewegungen von den Liberal Democrats zu den Konservativen Wählerbewegungen von Labour zu den Liberal Democrats

Koalitionsverhandlungen

Erste Spekulationen über mögliche Koalitionen zeigten zwei Szenarien: eine Koalitionsregierung aus Konservativen, Democratic Unionist Party und Independent Unionists unter Cameron auf der einen Seite oder eine Koalition aus Labour, Liberal Democrats und nordirischer SDLP und Alliance Party unter Brown auf der anderen Seite.[22] Bei beiden Szenarien hätten die Koalitionen jedoch keine absolute Mehrheit gehabt. Am Tag nach der Wahl verkündete David Cameron, er wollte Gespräche mit den Liberaldemokraten über die Bildung einer möglichen Koalitionsregierung oder die Duldung einer konservativen Minderheitsregierung aufnehmen.[23] Der Führer der Liberaldemokraten Nick Clegg meinte, angesichts des Wahlergebnisses hätten die Konservativen das Recht als erste eine Regierungsbildung zu versuchen.[23] Premierminister Brown sagte, er respektiere die Position Cleggs, dass dieser zunächst mit den Konservativen verhandeln wolle. Sollten jedoch diese Verhandlungen zu keinem Ergebnis führen, wäre er bereit mit Clegg über die Punkte zu sprechen, bei denen es Möglichkeiten der Übereinkunft gäbe.[23] Als zentraler Punkt in allen Koalitionsverhandlungen kristallisierte sich die Forderung der Liberaldemokraten nach Änderung des bisherigen relativen Mehrheitswahlrechts in Richtung eines Verhältniswahlrechts ab, eine Forderung, die bisher sowohl von den Konservativen als auch von Labour abgelehnt wurde.

Rücktritt Gordon Browns und Ernennung David Camerons zum Premierminister

Am 11. Mai erklärte Gordon Brown seinen Rücktritt vom Amt des Premierministers und Labour-Vorsitzenden.[24] Zuvor waren die Verhandlungen zwischen Labour und den Liberaldemokraten über die Bildung einer Koalitionsregierung gescheitert.[25] Daraufhin ernannte die Königin David Cameron zum neuen Premierminister und beauftragte ihn mit der neuen Regierungsbildung.[26][27] In den folgenden Tagen formierte sich das Koalitionskabinett unter David Cameron.

Einzelnachweise

  1. Thirsk and Malton election postponed after candidate John Boakes dies, The Press, Meldung vom 23. April 2010
  2. The Parliamentary Constituencies (England) Order 2007
  3. The Parliamentary Constituencies (Northern Ireland) Order 2008
  4. The Parliamentary Constituencies and Assembly Electoral Regions (Wales) Order 2006
  5. Poll tracker: Interactive guide to the opinion polls, BBC News
  6. Final TV debate: Key moments in text and video, BBC video
  7. Election: Green Party gain first MP with Brighton win, BBC News vom 7. Mai 2010
  8. Tories win final election seat of Thirsk and Malton, BBC News, 28. Mai 2010
  9. SNP result 'best since the 1970s', BBC News, 7. Mai 2010
  10. Election 2010: Scotland, BBC News
  11. TV debates 'dashed' Plaid's hopes, says Jones, BBC News, 7. Mai 2010
  12. Election 2010: Wales, BBC News
  13. East Belfast: Alliance takes first seat at Westminster, BBC News, 7. Mai 2010
  14. Election 2010: Northern Ireland, BBC News
  15. Election 2010: Voters turned away as polls close, BBC News vom 7. Mai 2010
  16. Election 2010: Voters' frustrations at polling problems , BBC News vom 7. Mai 2010
  17. Liverpool polling station runs out of ballots, BBC News vom 7. Mai 2010
  18. Fermanagh & South Tyrone, BBC News vom 7. Mai 2010
  19. Election 2010: Clegg 'disappointed' at Lib Dem results, BBC News vom 7. Mai 2010
  20. Election 2010: Cameron says Labour have 'lost mandate', BBC News vom 7. Mai 2010
  21. Election 2010: Gordon Brown 'proud of Labour's record', BBC News vom 7. Mai 2010
  22. Nick Robinson's Newsblog: Two possible blocs, BBC News vom 7. Mai 2010
  23. a b c Election: Cameron makes offer to Lib Dems on government, BBC News vom 7. Mai 2010
  24. Weg frei für Konservative: Gordon Brown tritt zurück (nicht mehr online verfügbar), tagesschau.de, Meldung vom 11. Mai 2010
  25. Offenbar keine Einigung mit den Liberalen: Packt Brown schon jetzt die Koffer? (nicht mehr online verfügbar), tagesschau.de, Meldung vom 11. Mai 2010
  26. Regierungswechsel in Großbritannien: Brown tritt zurück - Cameron neuer Premier (nicht mehr online verfügbar), tagesschau.de, Meldung vom 11. Mai 2010
  27. David Cameron is UK's new prime minister, BBC News vom 12. Mi 2010

Weblinks

 Commons: Britische Unterhauswahlen 2010 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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