Europaparlament

Europaparlament
Europäisches Parlament

Sitzung im Jahr 2006 im Plenarsaal in Straßburg

Sitzverteilung
siehe auch: Liste der Parlamentsmitglieder
Fraktion Sitze
Konservative 288 49
(CDU, CSU)
6
(ÖVP)
Sozialdemokraten 217 23
(SPD)
7
(SPÖ)
Liberale 100 7
(FDP)
1
(LIF)
Nationalkonservative 44 0 0
Grüne 43 13
(Grüne)
2
(Grüne)
Linke 41 7
(Linke)
0
Europakritiker 22 0 0
fraktionslos 30 0 2
(HPM, FPÖ)
Summe 785 99 18
Logo des Europäischen Parlaments

Das Europäische Parlament (auch Europaparlament, EP) ist das Parlament der Europäischen Union (vgl. Art. 189 ff. EG-Vertrag). Seit 1979 wird es alle fünf Jahre in allgemeinen, unmittelbaren, freien und geheimen Europawahlen von den Bürgern der EU gewählt (Art. 190 EG-Vertrag). Somit ist das Europaparlament die einzige direkt gewählte supranationale Institution weltweit und die Vertretung von rund 500 Millionen Personen. Die Europawahlen 2009 finden zwischen dem 4. und 7. Juni 2009 statt.

Das Europäische Parlament ist eine der fünf wichtigsten Institutionen der EU. Da es unmittelbar die europäische Bevölkerung repräsentiert, kann es als die Bürgerkammer der EU bezeichnet werden (neben dem Rat der Europäischen Union als Staatenkammer). Seit der Gründung des Parlaments 1952 wurden seine Kompetenzen bei der EU-Rechtsetzung mehrmals deutlich erweitert, vor allem durch den Vertrag von Maastricht 1992, den Vertrag von Nizza 2001 und zuletzt durch den Vertrag von Lissabon 2007, der jedoch noch nicht in Kraft ist. Allerdings besitzt das Europäische Parlament insbesondere auf die Bildung der Exekutive noch immer weniger Einfluss als die meisten nationalen Parlamente: Während Regierungschefs und teilweise auch Minister auf nationaler Ebene in der Regel vom Parlament gewählt werden, wird der Präsident der Europäischen Kommission von den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten ernannt und vom Europaparlament lediglich bestätigt. Durch das Fehlen einer klaren Gegensatzes zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen sind die einzelnen Europa-Abgeordneten andererseits aber auch unabhängiger und können bei Verhandlungsgeschick und Sachkenntnis zum Teil größeren Einfluss auf die EU-Gesetzgebung nehmen, als es in nationalen Parlamenten der Fall ist, wo die Mehrheitsfraktion normalerweise loyal zur Regierung steht und deren Gesetzentwürfe prinzipiell unterstützt. Darüber hinaus kann das Parlament insgesamt die Kommission durch ein Misstrauensvotum zu Fall bringen.

Am 20. Juli 2004 konstituierte sich das Europäische Parlament für die sechste Wahlperiode. Darin umfasste es zunächst 732 Mitglieder, seit dem 15. Januar 2007 (Beitritt Rumäniens und Bulgariens) sind es 785. Der Präsident für die zweite Halbzeit der Wahlperiode ist der CDU-Abgeordnete Hans-Gert Pöttering (EVP). Das Parlament ist derzeit unterteilt in sieben Fraktionen sowie eine Reihe von fraktionslosen Abgeordneten. In ihren Heimatländern sind die Abgeordneten Mitglied in rund 160 verschiedenen Parteien, die sich auf europäischer Ebene großteils zu Europaparteien zusammengeschlossen haben. Bei den Europawahlen 2009 wird das Parlament vertragsgemäß auf 736 Mitglieder verkleinert (vgl. Art. 190 EG-Vertrag); mit dem noch nicht ratifizierten Vertrag von Lissabon soll es jedoch wieder auf 750 Mitglieder zuzüglich des Präsidenten erweitert werden.

Sitz des Europaparlaments ist Straßburg, weitere Dienstorte sind Brüssel und Luxemburg. Regelungen zu Organisation und Arbeitsweise enthält die Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Plenarsaal des Brüsseler Sitzes des Europäischen Parlaments

Vom 10. bis zum 13. September 1952 traf sich zum ersten Mal, im Rahmen der EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl), eine parlamentarische Versammlung, bestehend aus 78 nationalen Abgeordneten, die von den jeweiligen nationalen Parlamenten ausgewählt worden waren. Die Struktur der Versammlung orientierte sich damit an der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, die drei Jahre zuvor gegründet worden war. Ebenso wie diese konnte sie fast nur beratend tätig werden (sog. Konsultationsverfahren); sie hatte allerdings auch das Recht, die Hohe Behörde der EGKS mit einem Misstrauensvotum zum Rücktritt zu zwingen. 1957 wurden mit den Römischen Verträgen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) sowie die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) gegründet. Die Parlamentarische Versammlung der EGKS, die zu diesem Zeitpunkt aus 142 Abgeordneten bestand, war jetzt für alle drei Gemeinschaften zuständig. Sie erhielt keine neuen Kompetenzen, gab sich aber trotzdem selbst den Namen Europäisches Parlament (der erst 1986 auch von den Einzelstaaten offiziell anerkannt wurde). Als die Europäischen Gemeinschaften 1971 eigene Finanzmittel erhielten, wurde die Versammlung an der Aufstellung und der Verabschiedung des Haushaltsplans beteiligt – allerdings nicht im Bereich der Ausgaben für die Gemeinsame Agrarpolitik, die zu dieser Zeit rund 90% des Gesamtetats ausmachten. Diese begrenzten Kompetenzen des Parlaments wie auch ein in Deutschland verbreitetes Desinteresse führten in den siebziger Jahren zur Spottsprüchen wie „Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa“: Nach Meinung vieler deutscher Kommentatoren lag die Hauptfunktion des Europaparlaments zu dieser Zeit darin, Altpolitikern einen politisch unbedeutenden Versorgungsposten zu verschaffen. In anderen Ländern, etwa in Frankreich oder Italien, galt bereits damals ein Mandat im Europäischen Parlament als Karrieresprungbrett für politische Talente.

Seit Ende der siebziger Jahre veränderte sich diese Situation jedoch schrittweise. 1979 fanden die ersten Direktwahlen statt, die zunächst zwar nicht mit einer Ausweitung seiner Zuständigkeiten verbunden waren, dem Parlament jedoch eine bessere Legitimation und ein größeres Selbstbewusstsein gegenüber den anderen EG-Institutionen verschafften. Dies ging so weit, dass ein Parlamentsausschuss unter Leitung von Altiero Spinelli 1984 einen föderalistisch geprägten Vertragsentwurf für eine neu zu gründende Europäische Union ausarbeitete, in dem das Europäische Parlament die zentrale Stellung einnehmen sollte. Dieser Entwurf wurde von den Regierungen der Mitgliedstaaten zwar nicht angenommen; 1986 fand jedoch durch die Einheitliche Europäische Akte erstmals tatsächlich eine wichtige Kompetenzerweiterung für das Parlament statt: Mit dem so genannten Verfahren der Zusammenarbeit war es nun an der allgemeinen Gesetzgebung beteiligt und konnte offiziell Änderungsvorschläge an Gesetzentwürfen machen, auch wenn nach wie vor das letzte Wort beim Ministerrat verblieb. Dies änderte sich – wenigstens in einigen Politikbereichen – durch den nächsten wesentlichen Schritt bei der Ausweitung der Kompetenzen des Parlaments, den Vertrag von Maastricht 1992. In diesem wurde nun für einige Politikbereiche das so genannte Mitentscheidungsverfahren eingeführt, in dem das Parlament dem Rat gleichgestellt wurde. Es konnte nun einen Gesetzentwurf zwar noch immer nicht gegen den Willen des Rates durchsetzen; allerdings konnte auch nichts mehr ohne das Parlament beschlossen werden. Außerdem erhielt es das Recht, eigenständig Untersuchungsausschüsse einzusetzen, was seine Kontrollmöglichkeiten stark erweiterte. Durch die jüngsten Vertragsreformen von Amsterdam 1997 und von Nizza 2001 schließlich wurde das Mitentscheidungsverfahren ausgeweitet, sodass es nun für einen Großteil der Politikbereiche der Europäischen Union gilt. In manchen – und teilweise wesentlichen – Bereichen, etwa der Gemeinsamen Agrarpolitik oder der Polizeilichen und Justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, hat das Parlament zwar nach wie vor keine vollen Kompetenzen. Dennoch hat es als gemeinsamer Gesetzgeber mit dem Rat heute eine legislativ starke Position.

Aufgaben

Das Parlament hat drei wesentliche Aufgaben: Gesetzgebung, Haushaltskontrolle und Kontrolle der Europäischen Kommission.

Gesetzgebungsfunktion

Das Parlament teilt sich die Gesetzgebungsfunktion mit dem Rat der Europäischen Union, es nimmt also europäische Gesetze an (Richtlinien, Verordnungen, Entscheidungen). In den meisten Politikfeldern gilt dafür seit dem Vertrag von Nizza das so genannte Mitentscheidungsverfahren (Art. 251 EG-Vertrag), bei dem Parlament und Rat gleichberechtigt sind und jeweils in zwei Lesungen Änderungen an einem von der Kommission vorgeschlagenen Gesetzestext einbringen können. Bei Uneinigkeit müssen sich Rat und Parlament in dritter Lesung in einem Vermittlungsausschuss einigen.

Insgesamt ähnelt dieses Verfahren dem deutschen Gesetzgebungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat. Allerdings besitzt das Europäische Parlament – anders als der Bundestag – kein Initiativrecht, das heißt, es kann keine eigenen Gesetzesvorlagen einbringen. Dieses Initiativrecht hat auf EU-Ebene nur die Europäische Kommission. Auch der gescheiterte Vertrag über eine Verfassung für Europa und der Vertrag von Lissabon sehen keine Erweiterung des Initiativrechts auf das Parlament vor.

Neben dem Mitentscheidungsverfahren gibt es noch andere Formen der Rechtsetzung in der EU, bei denen das Parlament weniger Mitspracherechte besitzt. Diese erstrecken sich nach dem Vertrag von Nizza heute jedoch nur noch auf einige bestimmte Politikbereiche. So muss das Parlament im Bereich der Agrar- und der Wettbewerbspolitik der Europäischen Union lediglich angehört werden; auch die so genannten Politiken der zweiten und dritten Säule der Europäischen Union (Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen) sind stark intergouvernemental geprägt. Nicht einmal eine Anhörungspflicht besteht schließlich in der Gemeinsamen Handelspolitik. Durch den Vertrag von Lissabon ist allerdings eine weitere Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens vorgesehen, unter anderem auf die Gemeinsame Agrarpolitik und die Zusammenarbeit in Strafsachen.

Budgetierungsfunktion

Das Europäische Parlament und der Rat bilden gemeinsam die Haushaltsbehörde der EU, die über die Budgetierung des EU-Haushalts entscheidet (etwa 113 Mrd. Euro im Jahr 2006 [1]). Die Europäische Kommission schlägt einen Haushaltsentwurf vor; im Haushaltsverfahren können dann Parlament und Rat Änderungen beschließen. Bei den Einnahmen hat der Rat das letzte Wort, bei den Ausgaben das Parlament (zum Verfahren im Einzelnen: Art. 272 EG-Vertrag).

Eine bedeutende Einschränkung stellt dabei jedoch der Bereich der so genannten „obligatorischen Ausgaben“ dar, d.h. der Ausgaben für die Gemeinsame Agrarpolitik, die fast 40% des gesamten EU-Etats ausmachen. Hier verfügt das Parlament nur über stark eingeschränkte Befugnisse, das Letztentscheidungsrecht liegt beim Rat. Allerdings soll die Unterscheidung in „obligatorische“ und „nicht-obligatorische“ Ausgaben durch den Vertrag von Lissabon aufgehoben werden, sodass das Parlament dann in allen Etatbereichen die Letztentscheidung über die Ausgaben besitzt.

Kontrollfunktion

Außerdem übt das Parlament die parlamentarische Kontrolle über die Europäische Kommission und den Rat der Europäischen Union aus. Hierfür kann es Untersuchungsausschüsse einrichten und gegebenenfalls Klage beim Europäischen Gerichtshof erheben. Dies gilt auch in den Bereichen der EU, wo Kommission und Rat exekutive Funktionen innehaben und die legislativen Mitbestimmungsrechte des Parlaments eingeschränkt sind (siehe die drei Säulen der Europäischen Union). Damit das Parlament dieser Kontrollfunktion nachkommen kann, müssen die übrigen EU-Institutionen, etwa die Kommission, der Rat oder die Europäische Zentralbank, dem Parlament regelmäßig Bericht über ihre Tätigkeit ablegen; der Präsident des Parlaments nimmt auch an den Gipfeltreffen des Europäischen Rates teil. Außerdem können die Europaabgeordneten schriftliche und mündliche Anfragen an die Kommission und den Rat stellen.

Eine wichtige Rolle spielt das Parlament auch bei der Berufung der Kommission: So prüft es in den jeweiligen Fachausschüssen vor der Ernennung der designierten Kommissare deren Kompetenz und Integrität; anschließend muss das Plenum des Parlaments der Benennung der Kommission zustimmen. Allerdings kann es dabei nur die Kommission als Ganzes annehmen oder ablehnen, nicht einzelne Mitglieder. Auch ernennt das Parlament den Kommissionspräsidenten nicht selbst (anders als die meisten nationalen Parlamente, die den jeweiligen Regierungschef selbst wählen); es kann lediglich den vom Europäischen Rat vorgeschlagenen Kandidaten bestätigen oder ablehnen. In der gleichen Weise müssen auch die Direktoren der Europäischen Zentralbank vor ihrer Ernennung vom Europäischen Parlament bestätigt werden. Außerdem kann das Parlament, allerdings nur mit 2/3-Mehrheit, durch ein Misstrauensvotum einen Rücktritt der Kommission erzwingen (Art. 201 EG-Vertrag). Von Bedeutung wurden diese Rechte des Parlaments beispielsweise 2004, als der Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres sich gegen die Ernennung des umstrittenen italienischen Politikers Rocco Buttiglione als Justizkommissar aussprach. Die sozialdemokratische, die liberale und die grüne Fraktion im Parlament drohten deshalb eine Ablehnung der vorgeschlagenen Kommission an, woraufhin statt Buttiglione der liberalere Franco Frattini zum Justizkommissar designiert wurde.

Jeder europäische Bürger hat das Recht, beim Europäischen Parlament Petitionen einzureichen, die im Petitionsausschuss verhandelt werden. Außerdem ernennt das Parlament den Europäischen Bürgerbeauftragten, der Bürgerbeschwerden über Missstände in der Verwaltungstätigkeit der EU-Organe untersucht.

Organisation der Parlamentsarbeit

Fraktionen

Hauptartikel: Fraktion im Europäischen Parlament

Skulptur vor dem Europäischen Parlamentsgebäude in Straßburg

Das Europäische Parlament ist – ebenso wie ein nationales Parlament – nicht entlang nationaler Gruppen, sondern weltanschaulicher Fraktionen organisiert. Diese setzen sich aus Europaabgeordneten mit ähnlichen politischen Ansichten zusammen. Sie entsprechen im Wesentlichen den europäischen politischen Parteien. Allerdings bilden häufig verschiedene Europaparteien eine gemeinsame Fraktion (z. B. die Fraktion der Grünen/EFA, die sich aus Europäischer Grüner Partei und Europäischer Freier Allianz zusammensetzt, oder die Fraktion ALDE, die die Europäische Liberale, Demokratische und Reformpartei zusammen mit der Europäischen Demokratischen Partei bildet); und in mehreren Fraktionen sind auch parteilose Abgeordnete vertreten. Zur Gründung einer Fraktion sind derzeit mindestens 20 Abgeordnete aus einem Fünftel der Mitgliedstaaten erforderlich,[2] nach der Wahl 2009 soll die Mindeststärke der Fraktionen auf 25 Abgeordnete erhöht werden.[3]

Insgesamt existieren derzeit sieben Fraktionen mit insgesamt 755 Mitgliedern; 30 Abgeordnete sind fraktionslos.

Die Fraktionen am 30. September 2007

     EVP-ED, „Christdemokraten/Konservative“ (288)

     SPE, „Sozialdemokraten“ (217)

     ALDE, „Liberale“ (100)

     UEN, „Nationalkonservative“ (44)

     Grüne/FEA, „Grüne“ (43)

     GUE/NGL, „Linke“ (41)

     Ind/DEM, „Europakritiker“ (22)

     fraktionslos (30)

Stand: 11. März 2009 [4]

Fraktionen in den Wahlperioden seit 1979. Von links nach rechts:
██ (Post)Kommunisten, GUE/NGL
██ Sozialdemokraten, SPE
██ Grüne/Regionalisten (1984–94 „Regenbogen“), Grüne/EFA
██ Grüne (ohne Regionalisten, 1989–94)
██ „technische“ Fraktion (1979–84, 1999–2001)
██ Fraktionslose
██ Liberale, ALDE
██ Radikale Allianz (1994–99)
██ Christdemokraten, EVP-ED
██ Forza Europa (1994–95)
██ Konservative (1979–92)
██ Europaskeptiker, Ind/Dem
██ Nationalkonservative, UEN
██ Rechtsextreme (1984–94)

Da das Europaparlament – anders als nationale Parlamente – keine Regierung im traditionellen Sinn wählt, ist die Gegenüberstellung von Regierungskoalition und Oppositionsfraktionen hier weniger stark ausgeprägt. Statt Konfrontation herrscht zwischen den großen Parteien ein weitgehender Konsens. Dabei dominieren allerdings traditionell die beiden größten Fraktionen, die konservativ-christdemokratische EVP-ED und die sozialdemokratische SPE, das Geschehen. Bis 1999 stellten die Sozialdemokraten die größte Fraktion, seither die EVP-ED. Eine einzelne Fraktion hatte bisher noch zu keinem Zeitpunkt eine absolute Mehrheit im Europaparlament; für diese informelle „Große Koalition“ aber gab es stets eine Mehrheit von 50–70 %.

Diese Konstellation wurde zusätzlich gefördert und gestärkt durch die Einheitliche Europäische Akte 1986, die dem Europaparlament erstmals Mitspracherechte bei der EU-Rechtsetzung zugestand: Da gemäß dem Mitentscheidungsverfahren für die Verabschiedung eines Beschlusses in zweiter Lesung jeweils eine absolute Mehrheit der gewählten (nicht der anwesenden) Mitglieder des Europaparlaments notwendig ist, kann das Parlament faktisch nur durch eine Zusammenarbeit aus EVP und SPE die notwendigen Mehrheiten organisieren. Ein deutliches Kennzeichen der Großen Koalition ist auch ihre Vereinbarung, das fünfjährige Mandat des Parlamentspräsidenten untereinander aufzuteilen. Allerdings ist die Große Koalition nach wie vor nicht formalisiert, es gibt weder einen Koalitionsvertrag noch ein festes gemeinsames „Regierungsprogramm“. Im Arbeitsalltag des Europäischen Parlaments werden Entscheidungen meist mit wechselnden Mehrheiten aus verschiedenen Fraktionen getroffen, wenn auch fast immer ausgehend von einem Kompromiss zwischen EVP und SPE.

Die Praxis der Großen Koalition wurde jedoch wiederholt von den Mitgliedern der kleineren Fraktionen, insbesondere von Liberalen und Grünen, kritisiert. Während der Legislaturperiode 1999-2004 kam es in Folge des Korruptionsskandals um die Kommission Santer vorübergehend zu einem Bruch der Großen Koalition und zu einer Kooperation zwischen EVP und Liberalen. Bei der Diskussion um die Ernennung von Rocco Buttiglione zum Justizkommissar im Jahr 2004 distanzierten sich EVP und Liberale allerdings wieder voneinander, sodass es – trotz der Differenzen zwischen EVP und SPE – letztlich zu einer neuen informellen „Großen Koalition“ kam. Vor den Europawahlen 2009 kündigte Graham Watson, der Fraktionsvorsitzende der Liberalen, sein Ziel an, in der nächsten Legislaturperiode mit seiner Fraktion an einer stabilen Koalition mit EVP oder SPE teilzuhaben.[5] Allerdings ist es fraglich, ob eine solche „kleine“ Koalition nach den Wahlen eine Mehrheit haben wird.

Präsidium und Konferenz der Präsidenten

Hauptartikel: Präsident des Europäischen Parlamentes

Das Präsidium des Europäischen Parlaments wird von den Abgeordneten mit absoluter Mehrheit aus ihrer Mitte gewählt. Es besteht aus dem Parlamentspräsidenten, vierzehn Vizepräsidenten und sechs (ab 2009 nur noch fünf) Quästoren. Der Parlamentspräsident vertritt das Parlament nach außen und leitet die Plenarsitzungen, wobei er aber auch von den Vizepräsidenten vertreten werden kann. Außerdem ist das Präsidium für die Verwaltung des Parlaments und seines Budgets zuständig. Die Quästoren, die im Präsidium nur eine beratende Stimme haben, übernehmen vor allem Verwaltungstätigkeiten, die die Abgeordneten unmittelbar betreffen.

Die Präsidiumsmitglieder werden jeweils für eine halbe Legislaturperiode, also für zweieinhalb Jahre gewählt. Traditionell teilen sich die beiden größten Fraktionen, EVP und SPE, das Mandat des Präsidenten auf, sodass das Parlament jeweils für die Hälfte der Legislaturperiode von einem Sozialdemokraten und für die andere Hälfte von einem EVP-Mitglied geleitet wird. Lediglich in der Periode 1999-2004 kam es stattdessen zu einer ähnlichen Vereinbarung zwischen EVP und der liberalen Fraktion ALDE. Derzeit (2. Hälfte der Legislaturperiode 2004-09) ist der Deutsche Hans-Gert Pöttering (EVP) Parlamentspräsident. Die vierzehn Vizepräsidenten entstammen den Fraktionen EVP-ED (4), SPE (5), ALDE (2), Grüne/EFA, GUE/NGL und UEN (je 1); die sechs Quästoren sind Mitglieder der EVP-ED (3), SPE (2) und ALDE (1).

Ein weiteres wichtiges Gremium für die Organisation des Europäischen Parlaments ist die Konferenz der Präsidenten, die sich aus dem Parlamentspräsidenten sowie den Vorsitzenden aller Fraktionen zusammensetzt. Die Konferenz der Präsidenten beschließt unter anderem über die Tagesordnung der Plenartagungen und über die Zusammensetzung der Parlamentsausschüsse.

Präsidenten des Europaparlaments seit 1960

Ausschüsse

Anna-Lindh-Saal in Brüssel kurz nach dem Ende einer Sitzung des Auswärtigen Ausschusses, der hier tagt

Wie in Parlamenten üblich, spezialisieren sich die Abgeordneten, um Themen fachkundig behandeln zu können. Sie werden von den Fraktionen bzw. der Gruppe der Fraktionslosen in insgesamt zwanzig ständige Ausschüsse und zwei Unterausschüsse entsandt, die für bestimmte Sachbereiche zuständig sind und die Arbeit der Plenarsitzungen vorbereiten.[6] Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, Nichtständige Ausschüsse sowie Untersuchungsausschüsse einzurichten; derzeit (2008) existiert ein Nichtständiger Ausschuss zum Thema Klimawandel. Die Vorsitzenden der Ausschüsse bilden die Konferenz der Ausschussvorsitzenden, die der Konferenz der Präsidenten (d.h. der Fraktionsvorsitzenden) Vorschläge zur Arbeit der Ausschüsse und zur Aufstellung der Tagesordnung unterbreiten kann.

Die offiziellen Abkürzungen der Ausschüsse, die in der folgenden Liste aufgeführt sind, gehen im Allgemeinen auf die englische oder französische Bezeichnung zurück.

Abkürzung Bezeichnung Vorsitzende/-r
AFET Auswärtige Angelegenheiten Jacek Saryusz-Wolski (EVP-ED)
DEVE Entwicklung Josep Borrell Fontelles (SPE)
INTA Internationaler Handel Helmuth Markov (GUE/NGL)
BUDG Haushalt Reimer Böge (EVP-ED)
CONT Haushaltskontrolle Herbert Bösch (SPE)
ECON Wirtschaft und Währung Pervenche Berès (SPE)
EMPL Beschäftigung und soziale Angelegenheiten Jan Andersson (SPE)
ENVI Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit Miroslav Ouzký (EVP-ED)
ITRE Industrie, Forschung und Energie Angelika Niebler (EVP-ED)
IMCO Binnenmarkt und Verbraucherschutz Miroslav Ouzký (EVP-ED)
TRAN Verkehr und Fremdenverkehr Paolo Costa (ALDE)
REGI Regionale Entwicklung Gerardo Galeote (EVP-ED)
AGRI Landwirtschaft und ländliche Entwicklung Neil Parish (EVP-ED)
PECH Fischerei Philippe Morillon (ALDE)
CULT Kultur und Bildung Katerina Batzeli (SPE)
JURI Recht Giuseppe Gargani (EVP-ED)
LIBE Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres Gérard Deprez (ALDE)
AFCO Konstitutionelle Fragen Jo Leinen (SPE)
FEMM Rechte der Frau und Gleichstellung der Geschlechter Anna Záborská (EVP-ED)
PETI Petitionen Marcin Libicki (UEN)
DROI Menschenrechte (AFET-Unterausschuss) Hélène Flautre (Grüne/EFA)
SEDE Sicherheit und Verteidigung (AFET-Unterausschuss) Karl von Wogau (EVP-ED)
CLIM Klimawandel (Nichtständiger Ausschuss) Guido Sacconi (SPE)

Europawahl

Die Wahl zum Europaparlament („Europawahl“) findet alle fünf Jahre statt. Die jüngste Wahl, die Europawahl 2004, war am 10., 11. und 13. Juni 2004 in den damaligen 25 Mitgliedstaaten, in Rumänien und Bulgarien am 15. Januar 2007. Die nächste Wahl, die Europawahl 2009, ist für den 4. bis 7. Juni 2009 vorgesehen und findet in allen deutschsprachigen Mitgliedsstaaten am Sonntag, 7. Juni, statt.

Die Abgeordneten werden dabei für jeden Mitgliedstaat getrennt gewählt. Wahlberechtigt sind Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union, entweder in dem Land ihres Wohnsitzes oder in ihrem Herkunftsland. Das genaue Wahlsystem wird in den einzelnen Mitgliedsländern durch jeweils nationale Regelungen bestimmt; vor der Wahl 2004 mussten die Staaten jedoch eine Richtlinie umsetzen, die eine gewisse Vereinheitlichung des Wahlrechts bewirkte. So wird nun in allen Staaten nach dem Verhältniswahlrecht gewählt, auch wenn dessen genaue Ausprägung je nach Land schwanken kann.

Trotz des stetig steigenden Einflusses des Europäischen Parlaments war die Wahlbeteiligung bei Europawahlen stets rückläufig: Während sie bei der ersten Direktwahl 1979 in den damaligen Mitgliedsstaaten noch durchschnittlich 63,0% betrug, gingen 2004 nur noch 45,6% der Wahlberechtigten zu den Urnen. In Deutschland sank die Beteiligung zwischen 1979 und 2004 von 65,7% auf 43,0%, in Österreich zwischen 1996 (der ersten Europawahl des Landes) und 2004 von 67,7% auf 41,8%. Besonders hoch ist die Beteiligung an Europawahlen traditionell in Belgien und Luxemburg (um 90%), aber auch in Italien (um 75%), besonders niedrig ist sie in den Niederlanden und Großbritannien (um 35%). Auch die mittel- und osteuropäischen Länder, die 2004 erstmals an der Europawahl teilnahmen, verzeichneten großteils eine sehr niedrige Wahlbeteiligung. Am geringsten war sie in der Slowakei mit 16,7%. Als einer der Gründe für die niedrige Wahlbeteiligung wird die mangelnde Präsenz der Politik des Europäischen Parlaments und der europäischen Parteien in den Massenmedien gesehen: Da die Wahl nach Ländern getrennt stattfindet, konzentriert sich der Wahlkampf vor Europawahlen oft auf nationale statt auf europapolitische Themen; häufig wird die Europawahl so zu einem „Sympathiemesser“ für die jeweilige nationale Regierung umfunktioniert.

Sitzverteilung nach Ländern

Die Zahl der Sitze, die bei den Europawahlen in den einzelnen Mitgliedstaaten verteilt werden, spiegelt nicht alle Wählerstimmen gleich wieder: Größere Staaten haben grundsätzlich mehr Abgeordnete als kleinere Staaten, allerdings haben kleinere Staaten mehr Abgeordnete pro Einwohner als größere Staaten. Dieses Prinzip wird als „degressive Proportionalität“ bezeichnet. Es geht auf die Anfangszeit des Parlaments zurück und wurde seitdem immer beibehalten. Die beiden Extreme bilden dabei Deutschland als das bevölkerungsreichste und Malta als das bevölkerungsärmste Land der EU: So entfielen bei den Europawahlen 2004 auf Deutschland (82,5 Mio. Einwohner) 99 Sitze, d.h. ein Sitz auf 833.000 Einwohner, auf Malta (0,4 Mio. Einwohner) 6 Sitze, d.h. ein Sitz auf 70.000 Einwohner. Im Durchschnitt kam europaweit ein Sitz auf je rund 615.000 Einwohner.

Turm des Europäischen Parlaments

Diese Regelung der degressiven Proportionalität soll gewährleisten, dass auch die Parteienvielfalt der kleineren Staaten im Europaparlament repräsentiert wird, wofür eine gewisse Mindestgröße der nationalen Delegationen notwendig ist. Umgekehrt würde das Europaparlament bei einer entsprechenden Gewichtung der Wählerstimmen aus den großen Ländern eine nicht mehr arbeitsfähige Größe annehmen. Allerdings widerspricht das Prinzip der degressiven Proportionalität der demokratischen Basisregel, nach der grundsätzlich jede Wählerstimme das gleiche Gewicht haben soll. Daher wurden immer wieder Alternativvorschläge für das Europawahlrecht diskutiert, insbesondere die Einführung europaweiter Parteilisten, durch die die Sitzverteilung nach Ländern entfallen würde. Für eine solche Reform wäre allerdings eine Änderung der EU-Verträge notwendig, für die es bislang keinen Konsens unter den nationalen Regierungen gibt.

Auch im (noch nicht ratifizierten) Vertrag von Lissabon ist keine grundsätzliche Reform des Europawahlrechts, sondern nur eine Neuverteilung der Sitze pro Land vorgesehen. Geplant ist eine Erweiterung des Parlaments von 736 auf 751 Mitglieder, wobei mehrere Staaten zusätzliche Abgeordnete stellen dürfen, während Deutschland erstmals auf Abgeordnete verzichten muss. Bei der Europawahl 2009 wird allerdings noch nach der im Vertrag von Nizza vorgesehenen Sitzverteilung gewählt. Sollte der Vertrag von Lissabon während der darauffolgenden Legislaturperiode in Kraft treten, so würden für die betreffenden Staaten, die mehr Abgeordnete stellen dürfen, Nachrücker ins Parlament einziehen; die drei überzähligen deutschen Parlamentarier behielten allerdings ihr Mandat bis zu den nächsten Europawahlen. Das Parlament würde somit vorübergehend auf 754 Mitglieder erweitert.[7]

Tabelle

Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Sitze pro Mitgliedstaat seit Gründung des Parlaments.

  1952   1958   1973   1979   1981   1986   1990   1994   1995   2004   2007   2009 (Nizza)   2009 (Lissabon)[8]  
  Sitze %
Europa Europa 78 142 198 410 434 518 536 567 626 732 785 736 750 + 1
Belgien Belgien 10 14 14 24 24 24 24 25 25 24 24 22 22
Deutschland Deutschland 18 36 36 81 81 81 99 99 99 99 99 99 96
Frankreich Frankreich 18 36 36 81 81 81 81 87 87 78 78 72 74
Italien Italien 18 36 36 81 81 81 81 87 87 78 78 72 73[A 1]
Luxemburg Luxemburg 04 06 06 06 06 06 06 06 06 06 06 06 06
Niederlande Niederlande 10 14 14 25 25 25 25 31 31 27 27 25 26
Dänemark Dänemark 10 16 16 16 16 16 16 14 14 13 13
Irland Irland 00 00 10 15 15 15 15 15 15 13 13 12 12
Vereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich 00 00 36 81 81 81 81 87 87 78 78 72 73
Griechenland Griechenland 00 00 00 00 24 24 24 25 25 24 24 22 22
Spanien Spanien 00 00 00 00 00 60 60 64 64 54 54 50 54
Portugal Portugal 00 00 00 00 00 24 24 25 25 24 24 22 22
Finnland Finnland 00 00 00 00 00 00 00 00 16 14 14 13 13
 OesterreichÖsterreich Österreich 00 00 00 00 00 00 00 00 21 18 18 17 19
Schweden Schweden 00 00 00 00 00 00 00 00 22 19 19 18 20
Estland Estland 00 00 00 00 00 00 00 00 00 06 06 06 06
Lettland Lettland 00 00 00 00 00 00 00 00 00 09 09 08 09
Litauen Litauen 00 00 00 00 00 00 00 00 00 13 13 12 12
Malta Malta 00 00 00 00 00 00 00 00 00 05 05 05 06
Polen Polen 00 00 00 00 00 00 00 00 00 54 54 50 51
Slowakei Slowakei 00 00 00 00 00 00 00 00 00 14 14 13 13
Slowenien Slowenien 00 00 00 00 00 00 00 00 00 07 07 07 08
Tschechien Tschechien 00 00 00 00 00 00 00 00 00 24 24 22 22
Ungarn Ungarn 00 00 00 00 00 00 00 00 00 24 24 22 22
Republik Zypern Zypern 00 00 00 00 00 00 00 00 00 06 06 06 06
Bulgarien Bulgarien 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 18 17 18
Rumänien Rumänien 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 35 33 33


Sitzungsorte

Europäisches Parlamentsgebäude in Straßburg

Sitz des Europäischen Parlaments ist Straßburg. Dort finden zwölf viertägige Plenarsitzungswochen im Jahr statt. Die Ausschüsse und Fraktionen tagen jedoch in Brüssel, wo zudem sechsmal im Jahr kürzere Plenarsitzungen stattfinden. In Luxemburg hat das Generalsekretariat seinen Sitz.[9]

Diese Vielzahl von Sitzungsorten geht auf die historische Entwicklung des Europaparlaments zurück. Als Hauptsitz wurde bei der Gründung der EGKS 1952 Straßburg festgelegt, das auch Sitz des Europarats ist und die deutsch-französische Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg symbolisiert. Die übrigen Institutionen der EGKS, etwa die Hohe Behörde, waren dagegen in Luxemburg angesiedelt, sodass dort auch ein großer Teil der Parlamentsverwaltung untergebracht wurde. 1957 schließlich wurde Brüssel Sitz der neu gegründeten Kommission für EWG und Euratom.

EU-Parlamentsgebäude in Brüssel im Oktober 2008

Durch den Fusionsvertrag 1965 wurden die drei Gemeinschaften EGKS, EWG und Euratom vereinigt und auch die Sitzungsorte neu verteilt. Brüssel wurde nun der alleinige Sitzungsort von Rat und Kommission; für Luxemburg blieb nur der Europäische Gerichtshof. Zur Kompensation beschlossen die Mitgliedstaaten, nun die Verwaltung des Europaparlaments in diese Stadt zu verlagern.

Europäisches Parlamentsgebäude in Brüssel

Da in der Folgezeit Brüssel als Sitz der Europäischen Union immer mehr an Bedeutung gewann, begann das Parlament schließlich einen Großteil seiner Sitzungen dort abzuhalten, um sich besser mit den übrigen EU-Institutionen zu verzahnen. Da dem Vertrag zufolge jedoch Straßburg der Parlamentssitz blieb, begannen die Abgeordneten zwischen den beiden Orten zu pendeln: Während der Arbeitsalltag in Fraktionen und Ausschüssen sich in Brüssel abspielt, erfolgt zwölfmal im Jahr eine so genannte „Straßburgwoche“ mit Plenartagungen.

Diese Lösung ist allerdings auch im Parlament nicht unumstritten. Immer wieder gab und gibt es Initiativen von Abgeordneten, den Sitz gänzlich nach Brüssel zu verlegen; das Parlament hat sogar verschiedene Resolutionen verabschiedet, in denen die Auflösung des Standortes Straßburg gefordert wurde. Wichtigste Argumente dabei sind der sehr hohe logistische Aufwand, den der regelmäßige Umzug nach Straßburg bereitet, und die damit verbundenen Kosten von geschätzt 200 Mio. Euro pro Jahr [10]. Für eine Sitzverlegung wäre jedoch eine Vertragsänderung und damit eine Zustimmung aller Mitgliedstaaten notwendig. Das scheitert bislang an Frankreich, das „seinen“ Sitz nicht aufgeben will.

Die Gebäude, die das Parlament in den jeweiligen Städten nutzt, wurden von den entsprechenden Staaten gebaut. Das Parlament versucht, sie an den Tagen, an denen sie nicht für Sitzungen gebraucht werden, zu vermieten. Auch der Europäische Bürgerbeauftragte hat seinen Sitz in den Gebäuden in Straßburg.

Parlamentsverwaltung

Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments werden in ihrer Arbeit von der Parlamentsverwaltung unterstützt: Das Generalsekretariat gliedert sich in zehn Generaldirektionen (nicht zu verwechseln mit den Generaldirektionen der Europäischen Kommission!) und den Juristischen Dienst. Es wird geleitet vom Generalsekretär, seit März 2009 ist das der Deutsche Klaus Welle. Die politiknäheren Generaldirektionen befinden sich mit ihren Mitarbeitern in Brüssel, die übrigen in Luxemburg. Hier arbeiten mit ca. 3500 Mitarbeitern etwas mehr als die Hälfte der insgesamt ca. 5000 Bediensteten, darunter viele Übersetzer und sitzungsferne Verwaltungsdienste.

Die wichtigsten Mitglieder der Parlamentsverwaltung[11] sind derzeit:

  • GD Präsidentschaft: Generaldirektor David Harley (GB) - unterstützt v.a. das Präsidium und bereitet Plenartagungen vor
  • GD Interne Politiken: Generaldirektor Riccardo Ribera d'Alcala (I) - unterstützt v.a. die innenpolitischen Ausschüsse
  • GD Externe Politiken: Generaldirektor Dietmar Nickel (D) - unterstützt außenpolitische Ausschüsse und Delegationen
  • GD Kommunikation: Generaldirektorin Francesca Ratti (I) - zuständig für Öffentlichkeitsarbeit
  • GD Personal: Generaldirektor Barrington Wilson (GB)
  • GD Infrastruktur und Logistik: Generaldirektor Costas Stratigakis (GR)
  • GD Übersetzung: Generaldirektorin Juana Lahousse-Juarez (E)
  • GD Dolmetschen und Konferenzen: Generaldirektorin Olga Cosmidou (GR)
  • GD Finanzen: Generaldirektor Roger Vanhaeren (B)
  • GD Innovation und technologische Unterstützung: Jean-Marc Laforest (F)
  • Juristischer Dienst: Rechtsberater Christian Pennera (F)

Sprecher des Europäischen Parlaments ist der Spanier Jaume Duch Guillot.

Neben der Unterstützung durch die Verwaltung haben die Abgeordneten die Möglichkeit, von ihrer monatlichen Sekretariatszulage persönliche Mitarbeiter zu beschäftigen, die im Europäischen Parlament als parlamentarische Assistenten bezeichnet werden.[12] Insgesamt gibt es 1.400 beim Parlament akkreditierte Assistenten.

Sonstiges

Seit 1988 verleiht das Europäische Parlament jedes Jahr den Sacharow-Preis an Persönlichkeiten oder Organisationen, die sich für die Verteidigung der Menschenrechte einsetzen. Der Preis ist nach dem russischen Physiker und Menschenrechtler Andrei Sacharow benannt und mit 50.000 Euro dotiert. Im Jahr 2008 wurde der Preis[13] trotz Warnungen Chinas an den inhaftierten chinesischen Menschenrechtsaktivisten Hu Jia verliehen. Weitere Preisträger waren bisher unter anderem Leyla Zana, Aung San Suu Kyi, Kofi Annan und die Vereinten Nationen.

Im Jahr 2005 wurde dem Europäischen Parlament der österreichische Big Brother Award in der Kategorie Positiv-Preis „Defensor Libertatis“ verliehen wegen der Ablehnung eines Entwurfs zur Patentierbarkeit von Software und wegen der Weigerung, Passagierdaten von Flugreisen an die USA weiterzugeben.[14]

Das Europäische Parlament unterhält einen eigenen Fernsehsender namens EuroparlTV. Außerdem organisiert es zusammen mit der Europäischen Kommission in Deutschland die Veranstaltungsreihe Mitreden über Europa.

Listen der Mitglieder des Parlaments

Einzelnachweise

  1. Informationen zum EU-Budget auf der Homepage der EU-Kommission
  2. Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments, Art. 29, Abs. 2 (Fassung vom Oktober 2008)
  3. Neue Regelung für Gründung von Fraktionen
  4. Vgl. Übersicht über die Abgeordneten auf der Homepage des Europäischen Parlaments.
  5. EurActiv, 6. November 2008, Interview: Europäisches Parlament braucht ‚ideologische Koalition‘.
  6. Liste der Ausschüsse des Europäischen Parlaments
  7. Vgl. die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 11./12. Dezember 2008.
  8. Vorschlag für die Zusammensetzung des Parlaments ab 2009
  9. Organisation und Arbeitsweise auf der Homepage des Europäischen Parlaments.
  10. Fakten und Zahlen bei oneseat.eu
  11. Europaparlaments-Website, Rubrik Generalsekretariat
  12. Parlamentarische Assistenten - die rechten Hände der Europa-Abgeordneten EP-Website 2.4.2007
  13. derstandard.at, zugegriffen am 30.10.2008
  14. Big Brother Awards Österreich: Das EU-Parlament als „Verteidiger der Freiheit“ Heise online vom 17. Oktober 2005
Anmerkungen
  1. Für Italien waren im ursprünglichen Entwurf des Vertrags von Lissabon 72 Sitze vorgesehen, auf dem Gipfeltreffen im Oktober 2007 erhielt es jedoch einen zusätzlichen Sitz (Ratsbeschluss auf der Homepage des Europäischen Rats)

Literatur

  • R. Corbett/ F. Jacobs/ M. Shackleton: The European Parliament, 7. Aufl., London: John Harper Publishing 2007.
  • Stephan Dreischer: Das Europäische Parlament und seine Funktionen. Eine Erfolgsgeschichte aus der Perspektive von Abgeordneten, Baden-Baden: Nomos 2006.
  • D. Earnshaw/ N. Nugent: The European Parliament, 2. Aufl., Houndmills: Palgrave/Macmillan 2008
  • S. Hix/ A. Noury/G. Roland: Democratic Politics in the European Parliament, Cambridge: Cambridge University Press 2007.
  • Andreas Maurer/ Dietmar Nickel (Hrsg.): Das Europäische Parlament. Supranationalität, Repräsentation und Legitimation, Baden-Baden: Nomos 2005.
  • Andreas Maurer/ Wolfgang Wessels: Das Europäische Parlament nach Amsterdam und Nizza: Akteur, Arena oder Alibi Baden-Baden: Nomos 2003, ISBN 3832902708.
  • Julian Priestley, Six Battles that shaped Europe's Parliament, London: John Harper Publishing 2008.

Weblinks


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