Tier

Tier
Verschiedene Tiere

Tiere sind nach dem herkömmlichen Verständnis Lebewesen, die ihre Energie nicht durch Photosynthese gewinnen und Sauerstoff zur Atmung benötigen. An Stelle einer Photosynthese ernähren sich Tiere von anderen tierischen und/oder pflanzlichen Organismen (Heterotrophie). Die meisten Tiere sind ortsbeweglich und mit Sinnesorganen ausgestattet. Die Naturwissenschaft der Tiere ist die Zoologie. Systematisch spielen die Tiere in ihrer Gesamtheit heute keine Rolle, meistens wird in der Taxonomie mit dem „Reich der Tiere“ die Gruppe der Vielzelligen Tiere (Metazoa) gemeint.

Inhaltsverzeichnis

Taxonomie

Der Begriff Tiere (lat. animal) wurde bereits im Altertum geprägt, die anerkannte wissenschaftliche Erstbeschreibung eines Tierreichs stammt allerdings von Carl von Linné aus dem Jahr 1758. Taxonomisch werden Tiere häufig als ein Reich innerhalb der Domäne der Eukaryoten beschrieben und den Pflanzen sowie den Pilzen gegenübergestellt. Die Zellen der Tiere haben im Gegensatz zu Pilzen und Pflanzen keine Zellwand, sie sind von einer Membran umgeben. Heute sind als Tiere taxonomisch ausschließlich die Vielzelligen Tiere (Metazoa) gemeint.

Traditionell werden in diese Gruppe vielzellige Tiere und eine ganze Reihe von tierlichen Einzellern, die Protozoa, gestellt. In der phylogenetischen Systematik ist diese Zusammenfassung nicht haltbar, da die Protozoa nicht eine in sich geschlossene, monophyletische, Gruppe darstellen, sondern gemeinsam mit verschiedenen, traditionell als Algen bezeichneten und zu den Pflanzen gestellten, Einzellergruppen mehrere nicht näher miteinander verwandte Organismengruppen bilden.

Systematik der Tiere

Vielzellige Tiere

Die mit den Vielzelligen Tieren am engsten verwandte Gruppe sind die Kragengeißeltierchen (Choanoflagellata), die mit den Choanozyten der Schwämme (Porifera), einem Zelltyp innerhalb der Strudelkammern, identisch sind. Nahe verwandt sind zudem die Pilze, die traditionell zu den Pflanzen gerechnet wurden. Tiere (in dieser Definition) und Pilze sowie die Kragengeißeltierchen und einige weitere Gruppen einzelliger Organismen zusammen werden heute als Opisthokonta in die Eukaryoten eingeordnet.

Die derzeit in der Wikipedia verwendete Systematik der Tiere ist einsehbar in dem Artikel Systematik der Vielzelligen Tiere. An dieser Stelle sollen bloß die aktuelleren Entwicklungen der Systematik kurz dargestellt werden. Die Systematik der Tiere wird zurzeit intensiv erforscht. Die folgende Darstellung ist deshalb sicherlich nicht die endgültige Fassung. Sie basiert auf einer Reihe aktueller phylogenomischer Arbeiten, wobei den jüngeren/umfangreicheren Publikationen jeweils mehr Gewicht eingeräumt wurde.[1][2][3][4][5]

In der dargestellten aktuellen Systematik ist besonders auffällig, dass die Coelenterata wieder berücksichtigt werden. Dies geschieht nach Philippe et al. (2009) und widerspricht zum Beispiel Dunn et al. (2008). Darüber hinaus werden einige gebräuchliche Gruppenbezeichnungen aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr verwendet:

  • Choanoflagellates - Synonym zu Choanoflagellata
  • Choanoflagellida - Synonym zu Choanoflagellida
  • Choanomonada - Synonym zu Choanoflagellata
  • Choanozoa - Paraphylum aus Ichthyosporea, Filasterea und Choanoflagellata
  • Coelomata - Synonym für Eubilateria
  • Diploblasta - Synonym zu Coelenterata
  • Parazoa - Paraphylum aus Porifera und Placozoa
  • Radiata - Synonym zu Coelenterata
  • Triploblasta - Synonym zu Bilateria
  • Urmetazoa - Synonym zu Metazoa

Häufig wird Animalia als Synonym zu Metazoa benutzt. Die ein- bis wenigzelligen Choanoflagellata werden demzufolge nicht als echte Tiere betrachtet, sondern als Schwestergruppe zu den Animalia/Metazoa. Das Monophylum, das Choanoflagellata und Metazoa zusammenfasst, trägt dann keinen Namen.

Einzellige Tiere (Protozoa)

Die ehemals zu den Tieren eingeordneten einzelligen Tiere (Protozoa) entstammen einer Reihe verschiedener Taxa innerhalb der Eukaryoten. Es handelt sich bei ihnen um alle einzelligen Organismen, die einen Zellkern, aber keine Chloroplasten, besitzen und sich somit heterotroph ernähren.

Neben den bereits genannten Opisthokonta, die neben den vielzelligen Tieren und Pilzen auch einzellige Formen beinhaltet, finden sich Einzeller ohne Chloroplasten auch in den Amoebozoa, den Rhizaria und den Excavata, während die Archaeplastida und die Chromalveolata fast ausschließlich photosynthetisch aktive Einzeller enthalten.

Philosophische Trennung zwischen Mensch und anderen Tieren

Naturwissenschaftlich gesehen ist auch der Mensch ein Tier. Jedoch umfasst umgangssprachlich (in fast allen Sprachen) und in der Philosophie der Begriff Tier nicht den Menschen, sondern wird oft als explizites Antonym verwendet. Mit dem Verhältnis des Menschen zu anderen Tieren („Mensch-Tier-Verhältnis“) befasst sich die Philosophische Anthropologie bzw. die Anthrozoologie.

Die Verhaltensbiologie hat gezeigt, dass höher entwickelte Tiere sich komplizierterer Verhaltensmuster und gewisser Zeichensysteme bedienen (Tiersprache) als weniger hoch entwickelte. Auch zu abstraktem Denken zeigen sich neben dem Menschen einige Tierarten zumindest in Ansätzen fähig[8]. Selbsterkenntnis (das „Sichselbsterkennen“ im Spiegel) findet man bei Schimpansen und sogar Vögeln (Elstern). Außer dem Menschen sind allerdings keine Tierarten bekannt, die in der Lage sind, hochentwickelte Kulturen hervorzubringen. Diese Kulturen unterscheiden sich bei der Art Homo sapiens untereinander ganz wesentlich, selbst innerhalb biologisch ähnlicher Lebensräume. Bei anderen Tieren hingegen sind gesellschaftliche Strukturen (wie Gruppenrituale, Dominanz eines Geschlechts etc.) innerhalb einer Art weitgehend gleich. Wenn Unterschiede überhaupt auftreten, sind sie durch Einflüsse des jeweiligen Lebensraumes bedingt. Emotionen jedoch sind etwa bei Säugetieren und Vögeln zweifelsfrei beobachtbar, und Schmerz-Reaktionen können auch bei niederen Tierarten registriert werden. Zum Bewusstsein höherer Tierarten siehe Bewusstsein.

Literatur

  • David Burnie (Hrsg.): Tiere. Die große Bild-Enzyklopädie mit über 2000 Arten. Dorling Kindersley Verlag, München 2006, ISBN 978-3-8310-0956-5

Siehe auch

Weblinks

 Wikisource: Tierliteratur – Quellen und Volltexte
Wiktionary Wiktionary: Tier – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Wikiquote: Tier – Zitate
 Commons: Animalia – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Philippe H, Derelle R, Lopez P, Pick K, Borchiellini C, Boury-Esnault N, Vacelet J, Renard E, Houliston E, Quéinnec E, Da Silva C, Wincker P, Le Guyader H, Leys S, Jackson DJ, Schreiber F, Erpenbeck D, Morgenstern B, Wörheide G, Manuel M: Phylogenomics Revives Traditional Views on Deep Animal Relationships. In: Current Biology. 19, Nr. 8, 28. April 2009, S. 706-712. doi:10.1016/j.cub.2009.02.052. PMID 19345102.
  2. Dunn CW, Hejnol A, Matus DQ, Pang K, Browne WE, Smith SA, Seaver E, Rouse GW, Obst M, Edgecombe GD, Sørensen MV, Haddock SH, Schmidt-Rhaesa A, Okusu A, Kristensen RM, Wheeler WC, Martindale MQ, Giribet G: Broad phylogenomic sampling improves resolution of the animal tree of life. In: Nature. 452, Nr. 7188, 10. April 2008, S. 745-749. doi:10.1038/nature06614. PMID 18322464.
  3. Shalchian-Tabrizi K, Minge MA, Espelund M, Orr R, Ruden T, Jakobsen KS, Cavalier-Smith T: Multigene Phylogeny of Choanozoa and the Origin of Animals. In: PLoS ONE. 3, Nr. 5, 7. Mai 2008, S. e2098. doi:10.1371/journal.pone.0002098. PMID 18461162. Volltext bei PMC: 2346548.
  4. Gaidos E, Dubuc T, Dunford M, McAndrew P, Padilla-Gamino J, Studer B, Weersing K, Stanley S: The Precambrian emergence of animal life: a geobiological perspective. In: Geobiology. 5, Nr. 4, 17. September 2007, S. 351-373. doi:10.1111/j.1472-4669.2007.00125.x.
  5. Steenkamp ET, Wright J, Baldauf SL.: The Protistan Origins of Animals and Fungi. (PDF) In: Molecular Biology and Evolution. 23, Nr. 1, Januar 2006, S. 93-106. doi:10.1093/molbev/msj011. PMID 16151185.
  6. Baguñà J, Riutort M: Molecular phylogeny of the Platyhelminthes. In: Canadian Journal of Zoology. 82, Nr. 2, 2004, S. 168-193. doi:10.1139/z03-214.
  7. Hejnol A, Obst M, Stamatakis A, Ott M, Rouse GW, Edgecombe GD, Martinez P, Baguñà J, Bailly X, Jondelius U, Wiens M, Müller WE, Seaver E, Wheeler WC, Martindale MQ, Giribet G, Dunn CW: Assessing the root of bilaterian animals with scalable phylogenomic methods. In: Proceedings of The Royal Society B Biological Sciences. 276, Nr. 1677, 22. Dezember 2009, S. 4261-4270. doi:10.1098/rspb.2009.0896. PMID 19759036. Volltext bei PMC: 2817096.
  8. Taylor AH, Elliffe D, Hunt GR, Gray RD.: Complex cognition and behavioural innovation in New Caledonian crows.. In: Proceedings of The Royal Society B Biological Sciences. 21. April 2010. doi:10.1098/rspb.2010.0285. PMID 20410040.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Tier- — Tier …   Deutsch Wörterbuch

  • Tier 1 — операторы (Интернет операторы первого яруса) это ISP), которые соединены со всем Интернетом исключительно через неоплачиваемые соединения, обычно называемые пирингом. Другое название Tier 1 оператора transit free, потому что он не получает полную …   Википедия

  • tier — [tɪə ǁ tɪr] noun [countable] one of several levels of quality, usually three: • Investors are going for the better value represented by middle tier and lower tier junk bonds (= bonds that have a high risk of not being repaid ) . • Iberia will… …   Financial and business terms

  • Tier 1 — may refer to: Tier 1 capital Tier 1 network or Tier 1 carrier, an ISP which can connect to the entire Internet without paying transit fees Scaled Composites Tier One, Scaled Composites suborbital human spaceflight program Tier 1b, The Spaceship… …   Wikipedia

  • Tier 1b — is Burt Rutan s nickname for the suborbital tourist human spaceflight platform in development at Scaled Composites with Mojave Aerospace Ventures by The Spaceship Company for Virgin Galactic. It is an evolutionary development of Tier One, the… …   Wikipedia

  • Tier TV — Senderlogo Allgemeine Informationen Empfang …   Deutsch Wikipedia

  • Tier — Sn std. (8. Jh.), mhd. tier, ahd. tior, as. dior Stammwort. Aus g. * deuza n. Tier , auch in gt. dius, anord. dýr, ae. dēor, afr. diār. Gemeint sind wilde Tiere im Gegensatz zu den Haustieren (Vieh). Semantisch am nächsten steht l. bēstia (und l …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • Tier — Tier: Das gemeingerm. Wort mhd. tier, ahd. tior, got. dius, engl. deer, schwed. djur bezeichnete ursprünglich das wild lebende Tier im Gegensatz zum Haustier (↑ Vieh). So benennt jetzt noch weidmännisch »Tier« das weibliche Stück Rotwild und engl …   Das Herkunftswörterbuch

  • tier — [tıə US tır] n [Date: 1400 1500; : Old French; Origin: tire order, rank ; ATTIRE] 1.) one of several levels or layers that rise up one above the other ▪ The lower tier has 10,000 seats. in tiers ▪ Terraces of olive trees rose in tiers. two… …   Dictionary of contemporary English

  • Tier — may refer to: Taiwan Institute of Economic Research, one of two major economic research institutes in Taiwan Tier may refer to: a layer or ranking or classification group in any real or imagined hierarchy a layer in a multitiered software… …   Wikipedia

  • Tier 2 — may refer to: Tier 2 capital Tier 2 network or carrier Tier 2 Vehicle and Gasoline Sulfur Program; see United States emission standards Tier Two, orbital human spaceflight program This disambiguation page lists articles associated with the same… …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”