St.-Jürgen-Kapelle

St.-Jürgen-Kapelle
Die St.-Jürgen-Kapelle

Die St.-Jürgen-Kapelle ist eine Kirche in Lübeck.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Die Kapelle befindet sich im Stadtteil St. Jürgen unmittelbar an der südwärts führenden Ratzeburger Allee, unweit der Wakenitz und in direkter Nachbarschaft zum Gelände der Wasserkunst.

Der Vorgängerbau

Am linken Bildrand: Die alte St.-Jürgen-Kapelle auf der Stadtansicht des Johannes Willinges, 1597

Die Kirche ist der Nachfolgebau der im Jahre 1290 erbauten St.-Jürgen-Kapelle, die zu dem unmittelbar vor dem Mühlentor gelegenen Siechenhaus gehörte. Das Aussehen dieses ersten Kirchenbaus ist durch eine Darstellung Johannes Willinges' von 1597 im Haus der Kaufmannschaft überliefert: Es handelte sich um einen einschiffigen, rechteckigen Bau mit Dachreiter und einer als Treppengiebel gestalteten Westfassade.

Da das Siechenhaus mit Legaten wohlhabender Lübecker Bürger bedacht wurde, finden sich seit 1411 urkundliche Erwähnungen von Erweiterungen, Umbauten und großzügige Ergänzungen der Ausstattung. So erhielt die Kirche 1505 ein holzgeschnitztes Standbild ihres Namenspatrons St. Jürgen, das von Henning von der Heyde geschaffen worden war.

Die St.-Jürgen-Gruppe aus der alten Kapelle, heute im St. Annen-Museum

Während der Herrschaft Jürgen Wullenwevers wurden Kapelle und Siechenhaus am 14. Oktober 1534 von aufgehetzten Anhängern des Bürgermeisters verwüstet und geplündert, wobei ein Großteil der Kunstwerke und der Einrichtung zerstört und das Gebäude selbst schwer beschädigt wurde. Das damals schon als wertvoll empfundene St.-Jürgen-Standbild konnte zuvor noch in Sicherheit gebracht werden, allerdings musste man den Drachen zurücklassen, der deswegen vernichtet wurde.

In den Jahren 1540 bis 1542 wurden Kirche und Siechenhaus wieder hergerichtet. Das Standbild des Heiligen Georg wurde restauriert und wieder an seinen alten Standort verbracht; der Bildschnitzer Hinrich Wittekop fertigte einen Ersatz für den verlorenen Drachen an, der aber im Verhältnis zu den übrigen Figuren der Gruppe sichtlich zu klein geriet.

Die neue St.-Jürgen-Kapelle

In den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts bewogen die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges den Lübecker Rat, die Befestigungsanlagen der Stadt nach neuestem Stand ausbauen zu lassen. Die Erweiterung der Bastionen am Mühlentor machte es notwendig, die St.-Jürgen-Kapelle mitsamt Siechenhaus abzureißen und an anderer Stelle neu zu errichten. Gegen diese Pläne gab es in der Stadt erheblichen Widerstand; es wurden sogar böse Omen als Argumente gegen den Abriss ins Feld geführt. Unter anderem berichtete Superintendent Nikolaus Hunnius, der Teufel sei ihm erschienen und nahm dies als Zeichen, dass die Pläne unheilvoll seien.

Trotz dieser Proteste revidierte der Rat seinen Entschluss nicht. Am 16. März 1629 hielt Domprediger Albert Reimers die letzte Predigt in der alten Kapelle, die anschließend über die folgenden Monate abgetragen wurde.

Der Nachfolgebau entstand erst 15 Jahre später. In den Jahren 1645 und 1646 wurde zusammen mit dem neuen Siechenhaus die bis heute bestehende St.-Jürgen-Kapelle weniger als einen Kilometer vom alten Standort errichtet. Der Architekt, Stadtbaumeister Andreas Jeger, konzipierte einen Backsteinbau, der stilistisch Elemente der Spätrenaissance und des Frühbarock vereinte und den er mit gotischen Zitaten anreicherte. Die Kirche mit dem Grundriss in Form eines Griechischen Kreuzes erhielt einen separat stehenden hölzernen Glockenturm, in dem die von der alten Kapelle übernommene Glocke hängt. Sie wurde 1548 von Karsten Middeldorp gegossen und ist die älteste nachreformatorische Glocke in Lübeck.[1]

Das St.-Jürgen-Standbild wurde in die Kapelle überführt, dann aber für zu altertümlich und unpassend für das neue Bauwerk empfunden. Man lagerte es auf dem Dachboden ein, wo es erst 1861 wieder aufgefunden wurde. Das Kunstwerk wurde in die Katharinenkirche gebracht, und Carl Julius Milde führte die Restaurierung durch. Seit 1915 befindet es sich im St. Annen-Museum.

Die St.-Jürgen-Kapelle von der Ratzeburger Allee aus gesehen

Der Einweihungsgottesdienst wurde am 31. August 1646 abgehalten; die Weiherede hielt Adam Elms, Hauptpastor zu St. Petri, als Organist fungierte Franz Tunder. Zwei Jahrhunderte lang diente die Kapelle, die nur eine uneigenständige Filialkirche des Lübecker Doms ohne eigene Gemeinde war, den Insassen des Siechenhauses als Kirche; nachdem das St.-Jürgen-Hospital 1847 aufgelöst worden war, gab es zunächst keine Verwendung mehr für das Bauwerk. Erst ab 1880 wurden zunächst Bibelstunden, dann regelmäßige Gottesdienste abgehalten, die steigenden Zuspruch fanden, nachdem die Kapelle 1882 eine Heizung und 1885 Gasbeleuchtung erhalten hatte. 1886 bewilligte der Lübecker Senat der Kapelle eine eigene Orgel. Ab 1961 gehörte die St.-Jürgen-Kapelle nicht mehr zum Dom, sondern war eine Pfarrkirche mit eigener Gemeinde, bis die Gemeinde 2002 mit den anderen evangelischen Kirchengemeinden im Stadtteil fusionierte.

Die St.-Jürgen-Kapelle hat eine wechselvolle Orgel-Geschichte. Das erste Instrument wurde 1886 von Friedrich Albert Mehmel gebaut und 1905 von dem Orgelbauer Emanuel Kemper (Lübeck) umgebaut. 1957 - 1976 stand in der Kapelle die Hausorgel von Hugo Distler. Die heutige Orgel wurde 1976 von der Orgelbaufirma Hinrich Otto Paschen (Kiel) erbaut. Das Schleifladen-Instrument hat 18 Registern auf zwei Manualen und Pedal. Die Spieltrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen elektrisch.[2]

I Hauptwerk C–g3
1. Prinzipal 8’
2. Rohrflöte 8’
3. Oktave 4’
4. Flachflöte 2’
5. Sesquialtera III
6. Mixtur IV-VI
Tremulant
II Schwellwerk C–g3
7. Gambe 8’
8. Holzgedackt 8’
9. Prinzipal 4’
10. Rohrflöte 4’
11. Oktave 2’
12. Quinte 11/3
13. Krummhorn 8’
Tremulant
Pedal C–f1
14. Subbass 16’
15. Prinzipal 8’
16. Gedackt 8’
17. Oktave 4’
18. Fagott 16’

Friedhöfe

Die Leichenhalle

Die Reste des alten Friedhofs befinden sich in der Grünanlage Am Brink bei den Lübecker Wallanlagen vor dem Mühlentor. Der Friedhof um die neue Kapelle wurde beginnend mit dem späten 18. Jahrhundert durch die Lübecker Friedhofsreformbewegung mit belegt, als sich hier demonstrativ einige wohlhabende Bürger Grabstellen kauften, wie es auch westlich der Stadt auf dem Friedhof der St. Lorenzkirche geschah, die das Zentrum dieser Bewegung bildete. Von dieser Zeit zeugen einige schöne Grabmale, die unter Denkmalschutz stehen, das Grabmal Souchay ist von dem dänischen Architekten Joseph Christian Lillie entworfen.

Die zum Friedhof gehörige Leichenhalle mit kleinem Treppengiebel auf dem rückwärtigen Teil des Friedhofes entstand mit der Kapelle, wurde aber bereits 1645 fertiggestellt. Das unscheinbare Bauwerk, heute als Gerätehaus eines Kindergartens genutzt, ist das älteste bestehende Gebäude des Stadtteils St. Jürgen.

Literatur

  • Rolf König: Die Vorstadt St. Jürgen. Schmidt-Römhild, 1998. ISBN 3-7950-1226-0
  • Rainer Andresen: Lübeck – Das alte Stadtbild. Lübecker Rundschau, 1988
  • Heinrich Christian Zietz: Ansichten der Freien Hansestadt Lübeck und ihrer Umgebungen. Frankfurt a. M. 1822, S. 108

Weblinks

 Commons: St. Jürgen (Lübeck) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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Einzelnachweise

  1. Theodor Hach: Lübecker Glockenkunde. Lübeck: Max Schmidt 1913 (Veröffentlichungen zur Geschichte der Freien und Hansestadt Lübeck 2), S. 82
  2. Nähere Informationen zur Geschichte und heutigen Orgel

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