- St. Galler Management-Modell
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Das St. Galler Management-Modell (SGMM) ist ein in den 1960er Jahren an der Universität St. Gallen entwickelter Management-Bezugsrahmen, der 1972 von Hans Ulrich, dem Wegbereiter der systemorientierten Managementlehre im deutschsprachigen Raum, gemeinsam mit Walter Krieg erstmals publiziert und später zunächst von Knut Bleicher (1991) und Johannes Rüegg-Stürm (2002) weiter entwickelt wurde. Große allgemeine Bekanntheit hat die 1991 hervorgehobene Gliederung der Aufgaben der Unternehmensführung in drei Ebenen gefunden: das normative Management, das strategische sowie das operative Management.
Inhaltsverzeichnis
Drei Ebenen des Managements
Normatives Management
Als normatives Management wird die oberste der drei Managementebenen des St. Galler Management-Modells bezeichnet.
Diese Ebene „beschäftigt sich mit den generellen Zielen der Unternehmung, mit Prinzipien, Normen und Spielregeln, die darauf ausgerichtet sind, die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit der Unternehmung zu ermöglichen.“[1]
Dabei geht es vor allem um die ethische Legitimation der unternehmerischen Tätigkeit angesichts konfligierender Anliegen und Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen (Stakeholder).
Auf der normativen Managementebene legt eine Organisation ihre Unternehmenspolitik, Leitsätze/Leitlinien, Grundsätze und Unternehmensstandards fest.
Vgl. hierzu auch „Verantwortung der obersten Leitung“ in DIN EN ISO 9000/9001
Strategisches Management
Das strategische Management ist die mittlere von drei Managementebenen des St. Galler Management-Modells.
Auf der strategischen Managementebene entwickelt eine Organisation Vorgehensweisen, um ihre im Normativen Management definierten Leitsätze zu verfolgen und Ziele zu erreichen. Solche Geschäftsstrategien werden beispielsweise in einem Geschäftsplan formuliert. Das Ziel ist die Etablierung langfristiger Wettbewerbsvorteile durch eine im Vergleich zur Konkurrenz überlegene Grundkonfiguration der Unternehmung.
Die Umsetzung der Strategien obliegt dem operativen Management.
Operatives Management
Die unterste von drei Managementebenen des St. Galler Management-Modells ist das so genannte operative Management. Sie umfasst Prozesse der Mitarbeiterführung, der finanziellen Führung und des Qualitätsmanagements.
Hier werden die groben Inhalte, die im strategischen Entwicklungsprozess erarbeitet wurden, im unmittelbaren Alltagsgeschehen trotz unvorhergesehener Störungen umgesetzt. Die Strategie hilft dabei bei der Annahme und Ablehnung von Opportunitäten – sie bildet sozusagen die Leitplanken, innerhalb derer Entscheide auf operativer Ebene gefällt werden.
Auf der operativen Managementebene einer Organisation erfolgen die Führung der Mitarbeiter und/oder der Nachunternehmen, die Bereitstellung der Mittel (Ressourcen) sowie die Planung, Steuerung und Überwachung der Geschäftsprozesse. Die operative Planung setzt bestimmte Vorgaben um. Sie ist kurzfristig angelegt und ihre Dauer umfasst bis zu einem Jahr. Sie ist detailliert, relativ genau und enthält alle Einzelziele.
Das operative Management betreut auch den sozialen Aspekt des Mitarbeiterverhaltens, welcher im kooperativen Verhalten, sowie in der vertikalen und horizontalen Kommunikation eine Rolle spielt.
Das „neue“ St. Galler Management-Modell
Das Überarbeitete Modell ist seit 2002 als „Neues St. Galler Management-Modell“ oder auch „HSG-Ansatz einer integrierten Managementlehre“ bekannt. Das Motiv für die Erneuerung liefern zwei wesentliche Aspekte: Zum einen das Streben nach Integration und Ganzheitlichkeit, zum anderen die Entwicklung eines Denkmusters für den Umgang mit Weiterbildung, Forschung und Lehre. Hans Ulrich und seinem Team war bewusst, dass ein funktionierendes Managementsystem sich nicht nur an der reinen Wissenschaft orientieren kann. Es muss natürlich auch den Anforderungen der Realität entsprechen. Management ist ein umfassenderes Gebiet, daher muss es auch alle Bereiche der Organisation umfassen. Im neuen St. Galler Managementsystem werden sechs zentrale Begriffskategorien unterschieden. Auf der einen Ebene stehen die Kategorien Umweltsphären, Anspruchsgruppen und Interaktionsthemen, die sich auf das gesellschaftliche und natürliche Umfeld beziehen. Auf der anderen Ebene stehen die Kategorien Ordnungsmomente, Prozesse und Entwicklungsmodi, die sich auf die Innensicht der Organisation beziehen. Hans Ulrich führte mit der Entwicklung des ersten SGMM den Begriff „Leerstellengerüst für Sinnvolles“ ein. Damit zeigt sich das St. Galler Modell als Gestaltungsrahmen für Führungskräfte das eigene Unternehmen als ganzheitlich zu erkennen und daraus Probleme zu identifizieren und zu lösen. Darüber hinaus soll das Leerstellengerüst genügend Flexibilität bieten, weitere Methoden und Lösungsansätze zu implementieren.
Umweltsphären
Umweltsphären bezeichnen relevante Bezugsräume im Umfeld der Unternehmung. Das Unternehmen steht in Wechselwirkung mit den Elementen dieser Systeme, weshalb sie sehr genau auf Trends und Veränderungen zu analysieren sind. Die Gesellschaft stellt die umfassendste dieser Sphären dar. Wichtig sind jedoch auch die Technologie, Wirtschaft und die Ökologie.
Anspruchsgruppen
Anspruchsgruppen bezeichnen alle Gruppen und Individuen, die in irgendeiner Form von der Wert- oder Schadschöpfung der Unternehmen betroffen sind.[2] Aus dem Wertbeitrag für diese Stakeholder ergibt sich erst der Zweck einer Unternehmung. Ansprüche verschiedener Parteien sind jedoch notwendigerweise konfliktbeladen, weshalb die Unternehmung im Rahmen des normativen Orientierungsprozesses Regeln und Verfahren finden muss, um eine Priorisierung vorzunehmen. Die Anspruchsgruppen sind Bestandteile der Umweltsphären.
Interaktionsthemen
„Mit Interaktionsthemen werden Gegenstände der Austauschbeziehungen zwischen Anspruchsgruppen und Unternehmung bezeichnet, um die sich die Kommunikation der Unternehmung mit ihren Anspruchsgruppen dreht“.[2] Dies sind Normen und Werte, Anliegen und Interessen sowie Ressourcen. Dabei bezeichnen Werte grundlegende Ansichten über ein erstrebenswertes Leben, Normen bauen darauf auf und bezeichnen explizite Gesetze und Regelungen. Interessen bezeichnen den unmittelbaren Eigennutz, Anliegen hingegen verallgemeinerungsfähige Ziele. Diesen personen- und kulturgebundenen Elementen stehen die objektgebundenen Ressourcen gegenüber.
Prozessperspektive
Das St. Galler Management-Modell begreift eine Unternehmung als ein System von Prozessen. Prozesse bezeichnen routinisierte Abläufe, die das Alltagsgeschehen einer Unternehmung prägen. In der überlegenen Beherrschung dieser Routinen, vor allem in einer kurzen Durchlaufzeit, liegt eine wichtige Voraussetzung für unternehmerischen Erfolg. Es wird unterschieden zwischen Managementprozessen, Geschäftsprozessen und Unterstützungsprozessen.
Managementprozesse
Managementprozesse umfassen alle grundlegenden Aufgaben, die mit der „Gestaltung, Lenkung (Steuerung) und Entwicklung von zweckorientierten soziotechnischen Organisationen“[3] zu tun haben. Dabei wird unterschieden zwischen Normativen Orientierungsprozessen, Strategischen Entwicklungsprozessen und Operativen Führungsprozessen.
Geschäftsprozesse
Geschäftsprozesse verkörpern die Kernaktivitäten einer Unternehmung, die unmittelbar auf Kundennutzen ausgerichtet sind. Sie umfassen die Kundenprozesse (Markenführungsprozesse, Kundenakquisitionsprozesse und Kundenbindungsprozesse), die Leistungserstellungsprozesse sowie die Leistungsinnovationsprozesse.
Unterstützungsprozesse
Hier werden unternehmensinterne Dienstleistungen für einen effektiven Vollzug der Geschäftsprozesse vollbracht. Dazu gehören zum Beispiel Prozesse der Bildungsarbeit (Lernprozesse) und der Personalarbeit (Weiterbildungsprogramme).
Ordnungsmomente
Das Alltagsgeschehen, das in Form der Prozesse abläuft, verlangt nach einer kohärenten Ausrichtung und Sinngebung. Diese Funktionen erfüllen die Ordnungsmomente. Sie ergeben sich explizit und implizit aus dem Alltagsgeschehen und strukturieren dieses wiederum. Es besteht also ein zirkulärer Zusammenhang zwischen Prozessen und Ordnungsmomenten. Die Teilbereiche sind Strategie, Strukturen und Kultur.
Strategie
Wie bereits erwähnt, beruht die Strategie auf langfristigen Entscheidungen, die dem Aufbau von Wettbewerbsvorteilen dienen. Die Strategie als Ordnungsmoment bezeichnet dabei die inhaltliche Dimension (Was?). Sie sollte dabei über die Anliegen, Bedürfnisse und Kommunikationsformen der Anspruchsgruppen (Stakeholder), das Leistungsangebot, den Fokus der Wertschöpfung, mögliche Kooperationsfelder sowie Kernkompetenzen Auskunft geben. Der strategische Entwicklungsprozess (siehe Managementprozesse) konzentriert sich demgegenüber auf das „Wie?“: Wie soll der Generierungsprozess ausgestaltet sein? Wie werden die Inhalte effektiv auf den verschiedenen Ebenen kommuniziert und vergemeinschaftlicht?
Strukturen
Strukturen werden benötigt, um das nötige Maß an Arbeitsteilung zu definieren, und darauf diese Teilbereiche effektiv zu koordinieren. Dies geschieht durch Aufbaustrukturen (Organigramm) und Ablaufstrukturen (Festlegung, welche Aufgaben in welcher Abfolge zu erledigen sind, zum Beispiel in Form eines Prozessplans). Das Management kann hier vergleichsweise einfach Veränderungen bewirken, da es sich hier um explizit festgelegte Sachverhalte handelt.
Kultur
Kultur bezeichnet die impliziten, hintergründigen Strukturen einer Unternehmung. Dazu gehören Normen und Werte, Einstellungen und Haltungen, Argumentationsmuster, etc. Durch die Arbeitsteilung kommt es zu einer Ausdifferenzierung der Kultur innerhalb der Unternehmung. In der Kultur kann ein wesentlicher Erfolgsfaktor einer Unternehmung begründet sein, da Elemente dieses Bereichs auch von ihren Trägern schwer in Worte gefasst werden können. Mithin ist es fast unmöglich, die Kultur einer anderen Unternehmung zu kopieren. Allerdings stellt es auch eine sehr große Herausforderung für das Management dar, auf diese Sphäre einzuwirken, da dieser Bereich, im Gegensatz zur Struktur, organisch und unbewusst in den Hinterköpfen der Mitarbeiter gewachsen ist.
Entwicklungsmodi
Entwicklungsmodi bezeichnen die verschiedenen Arten der Weiterentwicklung einer Unternehmung. Die kontinuierliche, ständig ablaufende Verbesserung des Bestehenden wird dabei als Optimierung bezeichnet, während die diskontinuierliche, nur sprunghaft stattfindende Schaffung von völlig Neuem durch Erneuerung repräsentiert wird.
Abgrenzung zu anderen Managementkonzepten
Das St. Galler Management-System grenzt sich von anderen Systemen, wie zum Beispiel dem DaimlerChrysler Produktionssystem (DCPS) oder dem Toyota Produktionssystem (TPS) ab, da der Aspekt der Aus- und Weiterbildung einen wesentlich höheren Stellenwert einnimmt. Zudem konzentrieren sich diese Systeme stärker auf Produktion und Prozessmanagement. Das SGMM ist ein komplexes Modell, das in die wirtschaftswissenschaftliche Systemtheorie eingeordnet und als ganzheitliches Managementsystem oder auch integriertes Managementsystem interpretiert wird. Im Gegensatz zu den produktionsorientierten DCPS und TPS geht das SGMM von einem völlig anderen Grundsatz aus. Das SGMM ist ein offenes System, das stärker auf Rückmeldung und Kommunikation angewiesen ist, um daraus Schwachstellen aufzudecken und diese zu optimieren. Daher werden vor allem reflexionsfähige, rückmeldefreudige Leistungsträger gefördert. Die produktionsorientierten Systeme sind geschlossener gestaltet und lassen durch die strikte Struktur von Oben nach Unten keine Abweichungen zu. Hier sind mathematische Ergebnisse gewollt.
Literatur
- Rolf Dubs (Hrsg.): Einführung in die Managementlehre. Haupt, Bern 2004, ISBN 978-3-258-07528-0 (Leseprobe als PDF: Johannes Rüegg-Stürm: Das neue St. Galler Management-Modell. S. 65–141; 316 kB, abgerufen am 5. April 2010).
- Ulrich Gonschorrek, Werner Pepels: Ganzheitliches Management. Berlin 2004.
- Peter Gomez, Tim Zimmermann: Unternehmensorganisation. Profile, Dynamik, Methodik. 2. Auflage. Frankfurt am Main 1993.
- Peter Hauser, Emil Brauchlin: Integriertes Management in der Praxis. Die Umsetzung des St. Galler Erfolgskonzeptes. Frankfurt am Main 2004.
- Markus Schwaninger: Managementsysteme. Das St. Galler Management-Konzept. Frankfurt am Main 1994.
- Fredmund Malik: Systemisches Management, Evolution, Selbstorganisation. 2. Auflage. Bern 2000.
Einzelnachweise
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