Stadtbad Lichtenberg

Stadtbad Lichtenberg
Blick auf das Stadtbad Lichtenberg von Nordwesten

Das Stadtbad Lichtenberg (auch Hubertusbad genannt) ist eine im Jahre 1928 eröffnete Bade- und Schwimmanstalt im Berliner Bezirk Lichtenberg, die seit 1991 wegen Baumängeln und fehlendem Geld geschlossen ist.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Als Lichtenberg 1907 in den Rang einer Stadt erhoben wurde und sein erstes Rathaus besaß, plante die Stadtverwaltung auch die entsprechenden städtischen Einrichtungen wie ein Amtsgericht, ein Krankenhaus, ein Entbindungsheim, Schulen und ein Volksbad.

Ein 3.800 m² großes Grundstück an der Frankfurter Allee wurde erworben. Die baulichen Entwürfe für das Stadtbad wurden in der Zeit des Ersten Weltkriegs angefertigt. Der erste Spatenstich erfolgte im Jahre 1919 und die Fundamente wurden gelegt. Weil Lichtenberg 1920 als Bezirk nach Berlin eingemeindet wurde und seinen Stadtstatus verlor (und sicherlich auch wegen knapper Kassen), wurden die Bauarbeiten eingestellt.

Erst 1925 wurde weitergebaut, nachdem die vorhandenen Pläne durch die Architekten Rudolf Gleye und Otto Weis aktualisiert werden konnten. Es entstand ein mehrgliedriger kubischer Baukörper im Stile des Expressionismus mit - nach damaligen Vorstellungen - sehr modernen Ausstattungen:

  • medizinische Bäder
  • eine russisch-römische Abteilung als Saunabereich mit Warm- und Heißluftraum, Massagekabinen und einem Duschenraum mit Kaltwasserbecken
  • je ein großer Wassertauschbehälter im Keller (wodurch eine schnelle Reinigung des Wassers der Schwimmbecken möglich war),
  • je ein frei gelagertes Schwimmbecken (Bau im Bau) für Frauen (20 Meter lang: kleines Becken) und Männer (25 Meter lang: großes Becken)
  • Wannenabteilung und Brauseabteilung sowie Galerien zu den Schwimmhallen
  • ein Gymnastiksaal und Bereiche für physiotherapeutische Behandlungen
  • eine Sonnenterrasse über dem Mitteltrakt des Baukörpers, die von hölzernen Umkleidekabinen umgeben ist und auf der Liegestühle ausgeliehen werden konnten sowie
  • ein Fahrstuhl.

Die Einweihung des Hubertusbades erfolgte am 2. Februar 1928 durch den Berliner Oberbürgermeister Gustav Böß.

Sonnenterrasse mit Dusche für Männer (Zustand 2009)

Unter der Parole „Volksgesundheit und Ertüchtigung“ nutzten Lichtenberger Familien und auch erste Schwimmsportvereine die beiden Hallen; die Geschlechtertrennung war bald nicht mehr aktuell.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude stark beschädigt, anschließend notdürftig repariert. – Da organisierter Volkssport von den Alliierten Siegermächten nach 1945 nicht sofort zugelassen wurde, stand das Bad leer oder wurde anderweitig genutzt - hierzu fehlen genauere Überlieferungen.

Schwimmunterricht im Stadtbad Lichtenberg um 1950

Erst ab 1948 ließen die sowjetischen Behörden die Gründung von Betriebssportgemeinschaften wieder zu und es entstand die BSG Medizin Lichtenberg mit ihrer Schwimmsektion, die das Stadtbad Lichtenberg als Trainings- und Wettkampfstätte benutzte. In den beiden Hallen fand dann jahrelang der in der DDR obligatorische Schwimmunterricht statt. Die Schüler kamen aus den Stadtbezirken Lichtenberg, Friedrichshain, ja sogar aus Köpenick. Weitere Vereine wie der Sportclub Dynamo trainierten hier, Rettungsschwimmer wurden ausgebildet, auch Wettkämpfe wurden in den Hallen organisiert. Weitere Sportabteilungen beispielsweise Wasserball oder Turmspringen gründeten sich und die Jugendlichen trainierten in den Hallen erfolgreich. (Die Knaben der BSG Medizin Lichtenberg, Sektion Wasserball, wurden 1957 Berliner Meister der Betriebssportgemeinschaften.)[1] – In dieser Zeit gab es in den Ost-Berliner Bezirken nur Schwimmhallen in Lichtenberg, Prenzlauer Berg (Stadtbad Oderberger Straße), Friedrichshain (Friesenstadion) und Mitte (Gartenstraße).

Als im Zuge der Errichtung kompletter Neubauviertel in den östlichen Stadtbezirken dort auch neue lichtdurchflutete Schwimmhallen entstanden, verlor das Hubertusbad seine Bedeutung. Hinzu kommt, dass nun Baumängel, die bereits seit der Fertigstellung vorhanden waren, immer gravierender wurden, 1988 musste deshalb zunächst die kleine Halle schließen. Sie wurde als Lagerhalle zweckentfremdet genutzt. Danach traten auch Defekte an der Wasseraufbereitungs- und der Heizungsanlage auf, sodass 1991 das Bezirksamt Lichtenberg auch die große Halle sowie alle weiteren Badeeinrichtungen und sonstigen Räume in dem Gebäude schließen musste.

Aus einer Bürgerinitiative heraus gründete sich 1999 ein „Förderverein Hupe e.V.“, um eine Sanierung und Wiederinbetriebnahme zu unterstützen. Nachdem die Stadtverwaltung die Immobilie an den Liegenschaftsfonds übertragen hatte, kümmerte dieser sich um neue Besitzer mit einem vernünftigen Konzept - doch bislang vergeblich; das Stadtbad steht seitdem leer. - Der Verein „Hupe“ löste sich 2003 auf.

Ansicht des Eingangsbereiches mit Freitreppe und karyatidengleichen Figuren über den zugemauerten Portalen

Baubeschreibung

Detailaufnahme der Springerfiguren

Der dreigliedrige Baukörper steht in Ost-West-Richtung zwischen der Atzpodienstraße und der rechtwinklig geführten Hubertusstraße unmittelbar neben dem Oskar-Ziethen-Krankenhaus. Sein Mittelteil ist um zwei Lichthöfe herum ausgebildet, deren Fassaden mit ockerfarbenen Klinkern verkleidet sind. Alle Außenfassaden sind mit grauem Putz ausgeführt, zum dreitürigen Haupteingang führt eine Freitreppe hinauf.

Über dem Eingang, zwischen den Fenstern des Obergeschosses, gibt es in frakturähnlichem Stil den Schriftzug Stadtbad Lichtenberg und symmetrisch mittig vier grob dargestellte Springerfiguren, die der Bildhauer Ludwig Isenbeck schuf.

Das Stadtbad betrat man durch diesen Haupteingang in der Hubertusstraße im Erdgeschoss. Das Foyer, ein sogenanntes Attikageschoss, war mit einem Kassenbereich (später Kassenautomaten), einer 1919 geschaffenen Bronzeplastik Ruhendes Mädchen mit Badekappe von Karl Trumpf und geschwungenen Treppen einladend gestaltet. Die mit gusseisernen Geländern geschmückten Treppen verbanden alle Etagen des Hauses. Ein als Stiefelgang bezeichneter Bereich führte zu jeder Halle.

Die Schwimmhallen waren mit türkisfarbenen und in verschiedenen Brauntönen gehaltenen Fliesen gegliedert und geschmückt, der geneigte Boden der Wasserbecken reichte von etwa 50 Zentimeter bis zu zirka 2,50 Meter Wassertiefe. Beiderseits an den Schmalseiten, an denen sich auch die Duschräume befanden, führten Treppen in den Flachbereich. Bei einer Länge von 5 Metern trennte eine lederummantelte Kette den Nichtschwimmer- vom Schwimmerbereich. Für die Schwimmer gab es im Tiefwasserbereich seitwärts Ausstiegsleitern, von denen auch die Sprunggelegenheiten erreicht werden konnten. Bei normaler Benutzung waren dies feste kleine Startblöcke, für Sprungübungen oder Wettkämpfe konnten Ein-Meter-Sprungbretter oder (in der großen Halle) auch ein Fünf-Meter-Brett heruntergelassen werden, die bei Nichtgebrauch senkrecht am Galeriegeländer befestigt waren. Ein auf Metallrohren ruhender Drei-Meter-Turm stand in der Mitte an der tiefen Wasserseite.

Die zahlreichen Umkleidemöglichkeiten verteilten sich auf den Erdgeschossbereich und auf den Galeriebereich. Die bequemeren Kabinen waren von der Rückseite mit Straßenschuhen betretbar, an der Tür befand sich ein Schiefertäfelchen, auf das die angestellten Badefrauen die Zeit des Eintritts notierten, da der normale Aufenthalt auf eine Stunde begrenzt war. Nach vorn, zum Badebereich verließ man die Kabinen und musste, wie heute auch üblich, vor dem Betreten des Schwimmbeckens eine Körperreinigung ohne Badebekleidung vornehmen; die Badefrauen kontrollierten dies stichprobenartig.

An einer Schmalseite der Galerie gab es einen offenen Umkleidebereich mit kleinen Spinden, die durch Vereine oder Schüler zu benutzen waren.

In der ersten Etage des mittleren Baukörpers befanden sich die Wannenbäder, kleine Räume mit je einer Emaillebadewanne darin. Hier konnten Personen, die in der Wohnung weder Dusche noch Badewanne hatten, für wenig Geld die Körperreinigung durchführen. Zusammen mit der Eintrittskarte wurden dazu kleine Seifenstückchen erworben. – Im gleichen Geschoss erreichte man (über dem Stiefelgang) die Galerie über den Schwimmbecken. Hier gab es neben den schon genannten Umkleidemöglichkeiten auch eine kleine Tribüne für Zuschauer bei Wettkämpfen.

Kaltwasserbecken (Zustand im Jahr 2009)

Die beiden Baukörper mit den darunterliegenden Schwimmhallen sind mit Walmdächern abgeschlossen. Rückwärtig, in Richtung Frankfurter Allee, schließen sich der Wirtschaftshof des Stadtbades und einige später errichtete Wohnbauten an.

Bademeister bei der Wasserreinigung: Schwebstoffe werden entfernt (1950)

Im Kellerbereich war die Technik für den Wasserdurchfluss und die Reinigungsanlage untergebracht. Zu den Aufgaben der Bademeister gehörte auch deren Wartung.

Vorstellungen zur Wiederbelebung des Stadtbades

Im Jahre 2006 befasste sich eine Gruppe von Studenten der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) (heute Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin) ausführlich mit dem Stadtbad Lichtenberg. Außer einer Zustandsanalyse, der Darstellung der Gesamtsituation im Bezirk Lichtenberg und anderen sozialen und wirtschaftlichen Faktoren entwickelten die Studenten eine Konzeption, wonach mit einem Kostenaufwand von circa 6 Millionen Euro ein innovatives Gesundheitszentrum entstehen sollte. Dies kann im Gebäude Arztpraxen, Sporttherapieeinrichtungen, Rehabilitationsmöglichkeiten, Wasserbehandlungen und alternative Therapien anbieten, in enger Zusammenarbeit mit dem benachbarten Krankenhaus. Als Nutzer sind betroffene Bevölkerungsschichten vorgesehen sowie Schulen, Kinder- und Senioreneinrichtungen.

Als Kaufinteressent trat 2006 die Suchthilfe-Organisation Blaues Kreuz Deutschland auf, die den Gebäudekomplex für einen Euro erwerben und als Jugendzentrum betreiben wollte. Es fanden sich jedoch keine Banken bereit, das Geld für eine minimale Sanierung bereitzustellen, deren Summe auf 3 Millionen Euro beziffert wird. – Eine Nutzung als türkisches Bad wird ebenfalls für denkbar gehalten.[2] Gelegentlich dient der Bau als Drehort für Filmaufnahmen. Zuletzt wurden hier Szenen für den Vampirfilm Wir sind die Nacht des Regisseurs Dennis Gansel gedreht.

Verschiedene Initiativen und auch der Förderverein Hupe e.V. kämpften bislang erfolglos für eine Sanierung.

Nach einer Führung durch das Gebäude im Sommer des Jahres 2010 beschloss eine Gruppe engagierter Bürger, einen weiteren Anlauf zur Rettung des Bades zu unternehmen. Sie wertete die Ergebnisse der Bürgerbefragung zum Sanierungsgebiet Frankfurter Allee Nord aus, führte zahlreiche Gespräche und am 19. März konstituierte sie sich als Initiativgruppe „Licht an im Hubertusbad! Initiative für die Sanierung und Belebung des Stadtbades Lichtenberg“. Zu den Erstunterzeichnern gehört auch die Abgeordnete Birgit Monteiro. Durch den Beschluss des Senats vom März 2011, das Gebiet Frankfurter Allee Nord zum Sanierungsgebiet zu erklären, sind die Chancen für eine Wiederbelebung des Hubertusbades deutlich gestiegen. Die Initiative sammelt ab sofort Unterschriften und lädt alle Interessenten, Investoren und Entscheidungsträger ein, an der Entwicklung eines Nachnutzungskonzeptes mitzutun. Die Akteure haben inzwischen viele Ideen entwickelt, die von einer kleinteiligen Nutzung, generationenübergreifendes Wohnen, Galerien, Gastronomie bis zu neuen Bademöglichkeiten reichen.[3]

Am 8. Juni 2011 fand unter Leitung der Initiative eine Hubertusbad-Konferenz in der Alten Pfarrkirche mit rund 60 Teilnehmern statt. Hier wurde festgestellt, dass ein großes Interesse an einer Sanierung des Stadtbads vorhanden ist und zwar seitens der Einwohner, auch seitens des benachbarten Sana-Klinikums und der Bezirksbehörden. Im August 2011 soll die Unterschriftensammlung an das Bezirksamt übergeben werden.[4]

Verkehrsanbindung

Das Stadtbad war und ist an das öffentliche Nahverkehrsnetz sehr gut angeschlossen. Es liegt in der Nähe des Bahnhofs Lichtenberg (U-Bahn, S-Bahn, Regionalbahn). Auch mit der Straßenbahn (Linien 18 und 21) bzw. mit Bussen (Linien 256 und 293) ist es erreichbar.

Parkmöglichkeiten für Pkw sind jedoch kaum vorhanden.

Quellen und Literatur

  • Preindl: Das Städtische Volksbad in Berlin-Lichtenberg, in: Deutsche Bauzeitung, 1929, S. 19-26
  • Bezirksamt Lichtenberg (Hrsg.): Aufbauarbeit im Bezirk Lichtenberg, Berlin 1929, S. 65-69
  • Die Bau- und Kunstdenkmale der DDR in Berlin, Band II, Seite 187; Hrsg. Institut für Denkmalpflege im Henschelverlag, Berlin 1984
  • Hans-Jürgen Neßnau: Pack die Badehose weg - Artikel in der Tageszeitung „Neues Deutschland“ vom 19. Februar 2007
  • ehemalige Homepage des Vereins Hupe e.V. („Verein zu Erhaltung des Stadtbades Lichtenberg“): seit 2003 nicht mehr existent, da Verein aufgelöst

Weblinks

 Commons: Stadtbad Lichtenberg – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Belege

  1. Homepage des Schwimmsportvereins Ostring
  2. Die Ladenhüter – Artikel im Tagesspiegel am 6. Februar 2007
  3. Viele Ideen für teure Sanierung. Initiative will die Wiederbelebung des alten Hubertusbades. In: Berliner Woche, Ausgabe Lichtenberg, vom 8. Juni 2011, S. 4
  4. Webseite von Birgit Monteiro mit Text und Bildern von der Hubertusbad-Konferenz, abgerufen am 24. Juli 2011
52.513113.493644444444

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Liste der Straßen und Plätze in Berlin-Lichtenberg — Ortsteil Lichtenberg in der open street map …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Kulturdenkmale in Berlin-Lichtenberg — Lage von Lichtenberg in Berlin In der Liste der Kulturdenkmale von Lichtenberg sind die Kulturdenkmale des Berliner Ortsteils Lichtenberg im Bezirk Lichtenberg aufgeführt. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Hubertusbad — Blick auf das „Stadtbad Lichtenberg“ von Nordwesten Das Stadtbad Lichtenberg (auch Hubertusbad genannt) ist eine im Jahre 1928 eröffnete Bade und Schwimmanstalt im Berliner Bezirk Lichtenberg, das seit 1991 wegen Baumängeln und fehlendem Geld… …   Deutsch Wikipedia

  • Tröpferlbad — Ehemaliges Volksbad in Braunschweig Ein Volksbad ist eine öffentliche Badeanstalt mit Dusch oder Wannenbädern, die vor allem den Unterschichten die Möglichkeit zu regelmäßiger Körperpflege bieten soll. In Österreich ist die übliche Bezeichnung… …   Deutsch Wikipedia

  • Volksbad — Ehemaliges Volksbad in Braunschweig Ein Volksbad war ursprünglich eine öffentliche Badeanstalt mit Dusch oder Wannenbädern, die vor allem den Unterschichten die Möglichkeit zu regelmäßiger Körperpflege bieten sollte. In Österreich war die übliche …   Deutsch Wikipedia

  • Lichtenberger Brücke — 52.51138888888913.499166666667 Koordinaten: 52° 30′ 41″ N, 13° 29′ 57″ O f1 …   Deutsch Wikipedia

  • Wir sind die Nacht — Filmdaten Deutscher Titel Wir sind die Nacht …   Deutsch Wikipedia

  • August Wagner, vereinigte Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei — Die Muse der Kunst – Reklamemosaik von Puhl Wagner für das Neue …   Deutsch Wikipedia

  • Bezirk Prenzlauer Berg — Prenzlauer Berg Ortsteil von Berlin …   Deutsch Wikipedia

  • Prenzelberg — Prenzlauer Berg Ortsteil von Berlin …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”