- Stasiopfer
-
Als Stasiopfer (auch Stasi-Opfer oder SED-Opfer) werden Personen bezeichnet, deren Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder Eigentum aufgrund politischer Verfolgung durch Maßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit in der Zeit der DDR zu Unrecht beeinträchtigt wurde.
Inhaltsverzeichnis
Stasi-Unrecht
Als Unrechtsmaßnahme sind eindeutig alle Fälle anzusehen, in denen gegen Recht oder die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik verstoßen wurde. In der Regel werden auch solche Maßnahmen als Unrecht bezeichnet, die gegen die Menschenrechte verstoßen.
Im übrigen ist die Einschätzung zum Teil schwierig, insbesondere bei einigen Maßnahmen zur „Zersetzung“, Stasi-Jargon für psychologische Unterdrückung und Zerstörung, von Personen. Das Ministerium für Staatssicherheit bediente sich teilweise einerseits nach DDR-Verständnis formalrechtlich zulässiger Mittel, andererseits nahm es auch Einfluss auf Personen auf Leitungsebene, die ihrerseits - formal rechtmäßig - den Betroffenen Schaden zufügen konnten, indem sie beispielsweise eine Wohnraumzuweisung verweigerten, die Fahrerlaubnis entzogen oder das Arbeitsverhältnis kündigten.
Schon die Weigerung, als IM tätig zu werden oder die Ablehnung der Mitgliedschaft in einer gesellschaftlichen Organisation der DDR, wie der SED oder auch nur der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, konnte die beschriebenen Nachteile bewirken.
Im Ergebnis wurden Personen durch Verleumdung, Berufsverbot, Einschränkung des Rechts auf Bildung, Exmatrikulation, Ortsverweise, Verdienstabzug (durch Weisung in den Betrieben), Beeinflussung von Gerichtsverfahren (Rechtsbeugung), aber auch durch Zerstörung privater Beziehungen, Entfremden oder Zwangsadoption der Kinder, gesellschaftliche Isolation, bis zum gezielten Treiben in den Suizid geschädigt.[1]
Unrecht wurde auch ausgeübt als Reaktion auf eine gescheiterte Republikflucht, einen Ausreiseantrag oder als allgemeine Verfolgung aus politischen Gründen u. a. in Form von Enteignung oder schlechten Haftbedingungen. Auch das staatlich organisierte Doping von Sportlern kann man, insbesondere bei Jugendlichen, als SED-Unrecht auffassen.
Stasi-Gefängnisse
Das Ministerium für Staatssicherheit hatte eigene Untersuchungshaftanstalten in allen Bezirken der DDR. Darüber hinaus verfügte es über die Kontrolle von Strafhaftanstalten. Beispiele sind die Gefängnisse in Bützow, Brandenburg (Zuchthaus Brandenburg), Berlin (Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen), Halle (Roter Ochse), Cottbus, Bautzen (Gelbes Elend), Chemnitz (Haftanstalt Chemnitz) und in Hoheneck (Hoheneck (Gefängnis)). Betroffene aus diesen Gefängnissen haben über Zustände und Verhörpraktiken berichtet, die als Folter gewertet werden. Da jedoch keine äußeren Spuren von diesen Praktiken zu sehen waren und die Betroffenen stattdessen psychologische Schäden (Traumata) davontrugen, werden diese Verhörmethoden auch als Weiße Folter bezeichnet.
Rehabilitierung
Unter dem Stichwort „Rehabilitierung“ steht im Artikel 17 des im Zuge der staatlichen Vereinigung von Bundesrepublik und DDR geschlossenen Einigungsvertrages:
Die Vertragsparteien bekräftigen ihre Absicht, daß unverzüglich eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen wird, daß alle Personen rehabilitiert werden können, die Opfer einer politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahme oder sonst einer rechtsstaats- und verfassungswidrigen gerichtlichen Entscheidung geworden sind. Die Rehabilitierung dieser Opfer des SED-Unrechts-Regimes ist mit einer angemessenen Entschädigungsregelung zu verbinden.
Nach der Wiedervereinigung hat die Bundespublik Deutschland drei Rehabilitierungsgesetze erlassen:
Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz
Siehe auch: Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz, Opferrente
Das 1992 in Kraft getretene Gesetz enthält Regelungen zur Aufhebung grob rechtsstaatswidriger Strafmaßnahmen und Freiheitsentziehungen. An die strafrechtliche Rehabilitierung sind soziale Ausgleichsleistungen (Kapitalentschädigung, Opferrente, Versorgungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz) geknüpft.
Die Opferrente hat der Gesetzgeber 2007 eingeführt. Sie beträgt bis zu 250 € monatlich für zwischen 8. Mai 1945 und der Wiedervereinigung unrechtmäßig Inhaftierte vor, sofern sie mindestens 6 Monate Haft erlitten haben und Bedürftigkeit nachweisen. Das sind Alleinstehende mit monatlich weniger als 1041 € und in Partnerschaft Lebende mit weniger als 1388 € Einkommen. Renten aller Art werden hierauf nicht angerechnet, so dass Rentner nur bei hohen anderen Einnahmen mit Kürzungen zu rechnen haben. Schätzungsweise 43.000 Personen haben einen Anspruch.
Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz
Gesetz über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche vom 23. Juni 1994.
Berufliches Rehabilitierungsgesetz
Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet vom 23. Juni 1994.
Diskussion
Die politische und juristische Diskussion über die Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit und dessen Opfer wird sehr emotional geführt. Teils werden die Maßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit als Recht eines souveränen Staates verteidigt, teils wird die DDR mit dem Naziregime gleichgesetzt. Dieser Thematik ist in dem Buch „Das Schwarzbuch des Kommunismus“ ein eigener Abschnitt gewidmet.
Die Rehabilitierungsgesetze erfassen nach Darstellung der Opferverbände die Nachteile, die Stasi-Opfer erlitten haben, nur unvollkommen und sind deshalb weiterhin Gegenstand politischer Diskussionen. Beispielsweise werde eine zu Unrecht erlittene Haft oder ein Berufsverbot bzw. Einkommensminderung bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigt mit der Folge, dass Betroffene jetzt unter der Armutsgrenze leben, während Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit Rente entsprechend ihrem DDR-Verdienst erhalten. Auch die 2007 in das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz eingefügten Regelungen zur Opferrente reichten noch nicht aus.
Siehe auch
- Politische Haft (DDR)
- Aktion Rose
- Aktion Ungeziefer
- Waldheimer Prozesse
- Denkmal für die Opfer des Kommunismus
Quellen
- ↑ Sandra Pingel-Schliemann: Zersetzen – Strategie einer Diktatur. Roert-Havelmann-Gesellschaft e.V., Berlin 2002, ISBN 3-9804920-7-9, S. 277 ff.
Literatur und Film
- Jürgen Aretz / Wolfgang Stock, Die vergessenen Opfer der DDR, Lübbe 1997, ISBN 3-404-60444-X
- Neubert, Ehrhart, 1998: Politische Verbrechen in der DDR, in: Stéphan Courtois (Hg.), Das Schwarzbuch des Kommunismus, München, S. 829-884
- Das Leben der Anderen
- Gerald Praschl/Marco Hecht: Zivilcourage in der DDR, Berlin, 2003
- Die Frau vom Checkpoint Charlie
- Hubertus Knabe, Die Täter sind unter uns - Über das Schönreden der SED-Diktatur, ISBN 978-3-549-07302-5
- Stefan Appelius, Bulgarien, Die vergessenen Opfer, ISBN 3-416-03154-7
- Bettina Greiner: Verdrängter Terror. Geschichte und Wahrnehmung sowjetischer Speziallager in Deutschland. Hamburger Edition, 2010, 526 Seiten
Weblinks
- Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes "Birthlerbehörde"
- Bundesministerium der Justiz: Rechtsfolgen der Deutschen Einheit
- Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen bzw. die Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur
Beratung in Rehabilitierungsfragen bieten folgende Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen (LStU) an:
LStU Mecklenburg-Vorpommern
LAkD Brandenburg
LStU Berlin
LStU Sachsen-Anhalt
LStU Sachsen
LStU Thüringen
Rehabilitierungsgesetze
- Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz - StrRehaG)
- Gesetz über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche (Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz - VwRehaG)
- Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet (Berufliches Rehabilitierungsgesetz - BerRehaG)
weiterführende Links
- Archiv des Portals für Stasiopfer der Berliner Havemanngesellschaft
- Politische Strafgefangene in der DDR (PDF-Datei; 1,99 MB)
- Menschenhandel
- Rente vom Klassenfeind
- CDU-Fraktion verurteilt Verunglimpfung der Stasi-Opfer
- Was war die Stasi ? (PDF-Datei; 646 kB)
- Selbsthilfegruppe für politisch Verfolgte durch die SED und Staatssicherheit der DDR
Kategorien:- Staatssicherheit (DDR)
- Opfer der DDR-Diktatur
Wikimedia Foundation.