Stern von Betlehem

Stern von Betlehem
Die Magier aus dem Morgenland.
Spätantikes Mosaik aus Sant'Apollinare Nuovo (Ravenna), um 565

Der Stern von Betlehem (auch: Dreikönigsstern, Weihnachtsstern oder Stern der Weisen) soll nach dem Matthäusevangelium Magiern oder Weisen („magoi“) aus dem Osten den Weg nach Betlehem, dem Geburtsort Jesu Christi, gewiesen haben (Mt 2,1 EU):

Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.

Vers 9 fährt fort:

Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen.

An diese Episode erinnert das christliche Fest „Erscheinung des Herrn“ (Epiphanias oder„Dreikönigstag“).

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Seit der Spätantike versuchen verschiedene astronomische und astrologische Theorien, eine Himmelserscheinung nachzuweisen, um damit das matthäische Zeugnis und die allgemeine Bedeutung von Christi Geburt zu bekräftigen. Die Suche nach dem Gestirn von Betlehem begann mit der christlichen Theologie des 2. Jahrhunderts, die stark von hellenistischer Philosophie und Kosmologie beeinflusst war. Dort war die Beobachtung des Sternhimmels wesentlich zur metaphysischen Erklärung der Welt.

Besondere Himmelsphänomene wurden in vielen Hochkulturen des Altertums – besonders in Ägypten, Mesopotamien und Persien – auf wichtige historische Ereignisse bezogen. Einige dieser Erklärungsversuche für den Stern von Betlehem erwiesen sich später als Irrtümer. Andere gelten ihren Vertretern mehr oder weniger als wahrscheinlich. Naturwissenschaftlich bewiesen sind auch sie bisher nicht.

Die historisch-kritische Bibelwissenschaft betont die späte Entstehungszeit und die auf biblische Verheißungen bezogene Verkündigungsabsicht der Geburtsberichte Jesu, deren Bedeutung nur im Glauben zugänglich sei. Daher lasse sich kein genaues Geburtsjahr bestimmen. Sie beurteilt die Geburtsgeschichten des Neuen Testaments mitsamt der Sternepisode als Legenden, die Jesus die Bedeutung eines allen Völkern (nicht nur den Juden) erschienenen Messias geben.

Bekannte Himmelsphänomene im Umfeld des Beginns unserer Zeitrechnung
Jahr Ereignis Bemerkung
12-11 v. Chr. Halleyscher Komet
7 v. Chr. dreifache Konjunktion von Saturn und Jupiter im Sternbild Fische
6 v. Chr. komplexe Konstellation u. a. mit Sonne, Jupiter, Venus und Mond im Sternbild Widder
5 v. Chr. Komet bzw. Nova chinesische Quelle
4 v. Chr. Komet bzw. Nova koreanische Quelle

möglicherweise handelt es sich um dasselbe Ereignis, das die Chinesen gesehen haben (mit einem Datumsfehler)[1]

3 v. Chr. Konjunktion von Venus und Jupiter im Sternbild des Löwen
2 v. Chr. Konjunktion von Venus und Jupiter

Die spätantike Kometentheorie

Nach Diodor von Sizilien konnten schon die Babylonier oder Chaldäer Kometen beobachten und ihre Wiederkehr berechnen. Dort hatte die „Sternenkunde“ ähnlich wie im Pharaonenreich Ägyptens eine zentrale, staatserhaltende Tradition und Funktion. Dabei wurde noch nicht zwischen Sterndeutung (Astrologie) und Sternbeobachtung (Astronomie) unterschieden. Auch der griechische Philosoph und Mathematiker Pythagoras von Samos, dessen Lehren von ägyptischem und persischem Wissen beeinflusst waren, lehrte nach einer Legende: Kometen seien Himmelskörper, die eine geschlossene Kreisbahn hätten, also in regelmäßigen Zeitintervallen wieder sichtbar würden. Dem römischen Autor Seneca zufolge war man in den antiken Großreichen enttäuscht, wenn Kometen nicht wiederkehrten, Vorhersagen darüber sich also als falsch erwiesen. Diese antike Sternenkunde beeinflusste manche biblischen Motive und von dort aus auch die christliche Theologie. Origenes (185 - ca. 253), Theologe aus der hellenistischen Schule von Alexandria (Ägypten) und Vorsteher der Theologenschule von Cäsarea, vertrat wohl als einer der ersten die Meinung, der Stern von Betlehem sei ein Komet im Sinne des Pythagoras gewesen. (Lit.: Origenes, I. LVIII-LIX)

Seit Beginn des 14. Jahrhunderts stellen Künstler den Stern von Betlehem als Kometen dar: so als einer der ersten Giotto di Bondone aus Florenz, nachdem er 1301 den Halleyschen Kometen beobachtet hatte, von dem schon antike Quellen recht oft berichten. Beeindruckt davon malte er zwei Jahre später diesen auf dem Fresco „Anbetung der Könige“ in der Scrovegni-Kapelle in Padua als Stern von Betlehem. Gegen die Kometentheorie sprechen jedoch mehrere Gründe:

  • Kometen sind irregulär auftauchende Himmelskörper, die im Volksglauben zur Zeit um Christi Geburt meist mit Unheil, nicht mit Heil verbunden wurden.
  • Origenes versuchte zwar, dies zu relativieren, konnte aber nicht überzeugend erklären: Woher wussten die Weisen aus dem Osten, dass gerade dieser Komet mit der Geburt eines bestimmten Königs in Israel und Jerusalem zusammenhängen sollte?
  • Warum fiel ein Komet um die Zeit der Geburt Jesu zwar den Weisen aus der Ferne, aber nicht den Bewohnern Jerusalems und den anderen Judäern aus der Nähe auf?
  • Das Geburtsjahr Jesu wird zwischen 7 und 4 v. Chr. angesetzt. Der Halleysche Komet war jedoch zwischen Oktober 12 v. Chr. und Februar 11 v. Chr. sichtbar. Am 29. Dezember 12 v. Chr. (Datum des gregorianischen Kalenders) erreichte er seine größte Annäherung.[2]

Im Gegensatz zum Halleyschen Kometen passt eine Kometenerscheinung, die im Fernen Osten beschrieben wurde, in das in Frage kommende Zeitintervall. Eine chinesische und eine koreanische Quelle berichten von Kometenerscheinungen in den Jahren 5 v. Chr. bzw. 4 v. Chr. Es gibt Grund zu der Annahme, dass es sich um eine Nova gehandelt hat.[1]

Die ältere Konjunktionstheorie

Illustration aus De Stella nova in pede Serpentarii, die die Position von Keplers Supernova angibt

Im 12. und 15. Jahrhundert sahen jüdische Gelehrte in einer Konjunktion (Begegnung) der Planeten Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische ein Zeichen der Geburt des Messias, die jedoch ausblieb. Der Astronom Johannes Kepler kannte diese Berechnungen. Er konnte im Dezember 1603 am Morgenhimmel im Sternbild Schlangenträger eine Konjunktion zwischen Jupiter und Saturn beobachten. Im Herbst des folgenden Jahres gesellte sich am Abendhimmel der Planet Mars zu den beiden anderen Planeten. Am 9. Oktober 1604 wurde in über 9 Grad Distanz dazu im gleichen Sternbild das Aufleuchten einer Supernova beobachtet, deren Überreste heute noch nachgewiesen werden können. Das Aufleuchten des neuen Sterns geschah zeitgleich mit einer Konjunktion zwischen Jupiter und Mars und in einer Distanz von nur ca. 2 Grad (4 Monddurchmesser) von der damaligen Position des Jupiter.

Kepler konnte den – wie er annahm – „neuen Stern“ (nova stella) ab dem 17. Oktober 1604 beobachten, da die Supernova eine scheinbare Helligkeit von -2,m5 erreichte und damit der hellste Stern am Abendhimmel wurde. Er konnte das Phänomen mit dem Wissensstand des 17. Jahrhunderts nicht erklären und die Distanz zur Erde nicht einschätzen (sie betrug etwa 20.000 Lichtjahre). Er vermutete, der neue Stern sei durch die Aufeinanderfolge der Konjunktion von Jupiter und Saturn und die anschließende Versammlung mit dem Mars verursacht worden. Er rechnete zurück und fand eine ähnliche Abfolge von Ereignissen: 7 v. Chr. hatte es eine dreifache Konjunktion zwischen Saturn und Jupiter im Sternbild Fische gegeben. 6 v. Chr. zog Mars an den beiden Planeten vorbei. Warum also, so schloss er daraus, sollte damals nicht – analog zu den Ereignissen des Jahres 1604 – ebenfalls ein neuer Stern entstanden sein? Nicht die Konjunktion, sondern der neue Stern, war für Kepler der von Matthäus erwähnte Stern.[3][4]

Heute weiß man, dass Planetenkonjunktionen und das Aufleuchten einer Supernova in keinem Kausalverhätnis zueinander stehen. Insofern war Keplers Theorie ein Irrtum. Richtig war jedoch seine Rückberechnung und die Annahme, dass solche Phänomene auch vor Jesu Geburt schon beobachtet und mit besonderen historischen Ereignissen in Verbindung gebracht wurden.

Die moderne Konjunktionstheorie

Konradin Ferrari d'Occhieppo wies schon seit 1965[5] in mehreren Büchern auf die bereits von Kepler gefundene und sehr seltene dreifache Jupiter-Saturn-Konjunktion im Zeichen der Fische hin (Lit.: Ferrari d' Occhieppo, 2003). Diese schien gut in den ungefähren Zeitraum der Geburt Jesu zu passen. Ferrari D´Occhieppo argumentiert dafür wie folgt:

Ein babylonischer Astronom habe eine solche Konjunktion als Hinweis auf ein Ereignis in Israel (Judäa) verstehen müssen. Denn Jupiter war der Stern des babylonischen Gottes Marduk, während Saturn als Planet des jüdischen Volkes gegolten habe. Der westliche Teil des Fischezeichens habe unter anderem für Palästina gestanden. Daraus könnte sich folgende Schlussfolgerung ergeben: Königstern (Jupiter) + Israelschützer (Saturn) = „Im Westen (Sternbild der Fische) ist ein mächtiger König geboren worden.“

Die drei Konjunktionen ereigneten sich im Abstand von Monaten, sodass die babylonischen Sterndeuter genügend Zeit hatten, nach Judäa zu reisen. Den Ausdruck: „Wir haben seinen Stern aufgehen sehen“, bezieht er auf das Beobachten des nahe beieinander stehenden Planetenpaares am dunkler werdenden Abendhimmel, um den 15. September 7 v. Chr. herum. Zu diesem Zeitpunkt seien die Magier auch von Babylon aus nach Jerusalem aufgebrochen.

Der Südsternhimmel am 12. November 7 v. Chr. über Jerusalem.

Am 12. November 7 v. Chr., kurz vor Sonnenuntergang, hätten sie die Planeten Jupiter und Saturn in der Abenddämmerung direkt vor Augen gehabt, als sie von Jerusalem gen Süden auf das nur etwa 10 Kilometer entfernte Betlehem zugeritten seien. Auf diesen konkreten Zeitpunkt beziehe sich Mt 2,10: Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut.

Nach dem Eintritt der astronomischen Dämmerung hätten die Sterndeuter an diesem 12. November das Planetenpaar an der Spitze des Zodiakallichtkegels stehen sehen. Es habe ausgesehen, als gehe das Licht von diesem Planetenpaar aus. Die Achse des Lichtkegels habe während der folgenden Stunden beständig auf das vor ihnen liegende Betlehem gezeigt, dessen Häuser sich, wie bei einem Scherenschnitt, gegen das Zodiakallicht abzeichneten. Dadurch habe man den Eindruck gehabt, dass die Planeten, trotz der weiterlaufenden Drehung des Sternhimmels, über der Stelle stehenblieben, wo das Kind war.[6] Demnach sei dieses Datum als Tag der Auffindung des Geburtsortes Jesu anzunehmen. Es komme gar nicht so sehr auf die drei Konjunktionen der beiden Planeten an, sondern dass jene sehr dicht beieinander erstmals seit 854 Jahren im Sternbild der Fische stillstanden und damit auf ein ungewöhnliches Ereignis hinwiesen.[7]

Ein dreimaliges Zusammentreffen von Jupiter und Saturn mit zweimaligen Phasen des Stillstands der Planetenbewegungen relativ zum Fixsternhintergrund ist den Astronomen als nicht ungewöhnlicher, rein perspektivischer Effekt bekannt: Die Erde überholt die äußeren Planeten auf der Innenbahn, wodurch sich scheinbar die Bewegung der Planeten umkehrt. [8] Eine Dreifachkonjunktion im gleichen Zeichen dagegen ist ein recht seltenes Ereignis.

Ferrari D´Occhieppo betrachtet Mt 2,1-12 also wegen der inhaltlichen Details als schriftlichen Augenzeugenbericht der Weisen oder eines ihrer Begleiter. Er habe Matthäus vorgelegen, dieser habe ihn abgeschrieben. Demzufolge übersetzt er den oben zitierten Text wie folgt wortwörtlich:

Als nun Jesus geboren worden war in Betlehem in Judäa in den Tagen des Königs Herodes, siehe, da gelangten Magier von den Aufgängen (von Osten: griechisch: magoi apo anatolón, απο ανατολων) nach Jerusalem. Sie fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben nämlich seinen Stern in dem Aufgang (griechisch: εν τη ανατολη) gesehen und sind gekommen, um ihm demütig zu huldigen. … Und siehe, der Stern, den sie in dem Aufgang gesehen hatten, zog ihnen voran, bis er im Gehen stehenblieb oben darüber, wo das Kind war. Als sie nun den Stern erblickten, wurden sie froh in großer Freude gar sehr.

Die Konjunktionstheorie Ferrari d´Occhieppos ist zurzeit sehr populär und gehört jedes Jahr in der Weihnachtszeit zum Standardprogramm von Planetarien. Sie erscheint zunächst plausibel, ist aber vielen gravierenden Einwänden und ebenso skeptischen Fragen ausgesetzt wie die frühere Kometentheorie. Beispiele:

  • Matthäus gebraucht das griechische Wort für „Stern“ und nicht das für „Planet“. Er habe damals sehr wohl zwischen Fixsternen und Planeten unterscheiden können. Dieser Einwand setzt allerdings seinerseits ein bestreitbares astronomisches Fachwissen beim Evangelienautor voraus.
  • Zweifelhaft ist vor allem, ob Saturn für die babylonischen Astronomen der kosmische Repräsentant des Volkes Israel gewesen ist. Saturn (akkadisch kewan) wurde nach babylonischer Deutung mit dem Land Syrien verbunden, nach griechischer Deutung mit dem Gott Kronos, der in manchen antiken Zauberbüchern mit dem jüdischen Gott Jahwe gleichgesetzt wurde – möglicherweise wegen des jüdischen Sabbat, der mit dem „dies Saturni“ (Saturnstag, vgl. engl. Saturday) zusammenfiel. Eine Siebentagewoche mit Planetennamen als Tagesnamen war bei den Babyloniern gebräuchlich. Trotzdem erscheint die Übertragung vom Planeten Saturn auf das Judentum zweifelhaft – zumal dieses Gestirne als Götter ablehnte. Die Verehrung des Saturn erscheint im Alten Testament geradezu als ein Zeichen des Abfalls vom Judentum. (Am 5,26 EU) An diese Auffassung wird auch im Neuen Testament in der Apostelgeschichte erinnert. (Apg 7,43 EU).
  • Heute sind mindestens vier Keilschrifttafeln bekannt – darunter die aus Borsippa, über die Paul Schnabel 1925 berichtete –, auf denen die Babylonier die Ephemeriden (Umlaufbahnen) von Planeten wie Saturn und Jupiter im Jahr 7 v. Chr. vorausberechnet haben. Dort spielte deren große Konjunktion keinerlei Rolle. Ob die Babylonier ihr überhaupt Bedeutung beimaßen, ist daher ebenfalls zweifelhaft.[9]

Konjunktionstheorien für die Jahre 3 und 2 v. Chr.

Die vielfachen historischen und astronomischen Argumente gegen Ferrari d´Occhieppos Theorie brachten einige Astronomen dazu, nach anderen Konjunktionen um die Zeitenwende zu forschen. Sie fanden weitere sehr enge Konjunktionen bzw. Bedeckungen, diesmal von Jupiter und Venus. [10]

Am 12. August 3 v. Chr. passierte Venus den Jupiter im Sternbild des Löwen mit einem Abstand von 0°4'. Bei dieser Konjunktion schienen die Planeten mit bloßem Auge betrachtet fast miteinander zu verschmelzen. So waren sie als gemeinsamer Morgenstern in der Dämmerung zu sehen. Nach diesem Treffen mit Venus führte der „königliche“ Planet Jupiter seine Oppositionsschleife direkt oberhalb des Königsterns Regulus aus, wobei er dreimal in enge Konjunktion mit dem Hauptstern des Löwen kam.

Am 17. Juni 2 v. Chr.passierte die Venus erneut den Planeten Jupiter, mit einem minimalen Abstand von nur 26". Diese Konjunktion war ebenfalls im ganzen Nahen und Mittleren Osten sichtbar, dieses Mal am Westhimmel in der Abenddämmerung, während über dem entgegengesetzten Osthorizont der Vollmond stand. Zur Zeit des geringsten Abstands erschienen die beiden Planeten für das bloße Auge zu einem Punkt verschmolzen. Die Annäherung war zuvor über mehrere Wochen am nächtlichen Westhimmel zu verfolgen und daher gut als Wegweiser von Babylon oder Persien her geeignet.

Als Begründung für eine symbolische Ausdeutung dieser astronomischen Ereignisse[11] [12] wird insbesondere auf Genesis 49,9-10 verwiesen: Ein junger Löwe ist Juda. Vom Raub, mein Sohn, wurdest du groß. Er kauert, liegt da wie ein Löwe, wie eine Löwin. Wer wagt, sie zu scheuchen? Nie weicht von Juda das Zepter, der Herrscherstab von seinen Füßen, bis der kommt, dem er gehört, dem der Gehorsam der Völker gebührt.Gen 49,9 EU

Diese Theorie verlangt jedoch, das Todesjahr des Herodes auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen, als dies zumeist angenommen wird.[11]

Die Supernovatheorie Werner Papkes

Der Altorientalist Werner Papke nimmt an, dass der Stern von Betlehem eine Supernova war, die im Sternbild Haar der Berenike aufleuchtete.[13] Außerbiblische Quellen mit Berichten über Beobachtungen einer solchen Supernova oder Überreste einer Supernova in diesem Sternbild sind nicht bekannt. In Babylon habe man in dieser Gegend des Sternhimmels die Gestalt einer Jungfrau gesehen, die den Namen Erua trug. Die Keilschriftzeichen dieses Namens übersetzt Papke mit „die den Samen von Eden gebiert“, worin er eine Anspielung auf die Paradieserzählung in Genesis 3,15 sieht, und darin wiederum die Ankündigung der Geburt eines Erlösers. Die Magier des Matthäusevangeliums waren laut Papke Anhänger der Lehre Zarathustras, die auch die Ankündigung des Propheten Jesaja gekannt hätten:

"Hört doch, Haus David! ... der HERR selbst wird euch ein Zeichen geben: Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären und wird seinen Namen Immanuel (Gott mit uns) nennen." (Jes 7,14 EU)

Diese Prophezeiung, zusammen mit der Voraussage des Zarathustra: ein „neuer Stern“ werde am Himmel die Geburt eines wunderbaren Knaben anzeigen, den sie anbeten sollten, habe die Magier auf den Weg ins jüdische Land gebracht, nachdem die Supernova am Abend des 30. August 2 v. Chr. mitten in diesem Sternbild Erua aufleuchtete. Die genaue Datierung dieses Aufleuchtens leitet Papke her aus einem Bezug zur Offenbarung des Johannes, in deren 12. Kapitel EU er eine Konstellation des Mondes in diesem Sternbild Erua beschrieben sieht, die in dem in Frage kommenden Zeitraum nur am Abend dieses 30. Augusts möglich gewesen sei.

In Jerusalem angekommen, hätten die Magier als endgültiges Ziel Betlehem genannt bekommen. Von Jerusalem aus habe sie die Supernova – jetzt hoch am Himmel stehend und langsam westwärts ziehend – am Morgen des 28. November 2 v. Chr. nach Betlehem geleitet. Dort angekommen, sei die Supernova über einem ganz bestimmten Haus genau im Zenit gestanden, während sie im heller werdenden Morgenhimmel verblasste.

Die astrologische Theorie von Michael Molnar

1999 präsentierte Michael M. Molnar seine Theorie: Ausgehend von der Vermutung, dass die „Magier“ von Mt 2 Astrologen bzw. Chaldäer waren, denen Horoskope und die geometrischen Relationen zwischen den Planeten und bestimmten Sternbildern wichtig waren, argumentiert er, dass sie sich nur dann auf den weiten Weg nach Judäa gemacht hätten, wenn ihre Berechnungen ein außergewöhnlich wichtiges Ereignis – wie die Geburt eines sehr mächtigen Königs – vorhergesagt hätten und sie dieses Ereignis in Judäa vermuten mussten. Er zog dazu den Tetrabiblos des Ptolemäus heran. Dieser besagt, dass das herodianische Königtum in Judäa vom Sternbild Widder regiert wurde. Daher hätten zeitgenössische Astrologen eine Geburt, die unter dem Zeichen des Widders stattfinden würde, in Judäa lokalisiert.

Damit wollte er zwei Fragen beantworten: Weshalb zogen die Magier nach Westen, obwohl der Stern doch im Osten sichtbar war? Und warum kümmerte sich in Jerusalem damals niemand um diese Erscheinung? Zur ersten Frage führt Molnar aus, dass die Aussage „...wir haben seinen Stern hervorkommen gesehen...“ für einen Astrologen seinerzeit den heliakischen Aufgang – also im Osten – bedeutet habe. Zur zweiten Frage stellt er fest, dass die Juden in Judäa grundsätzlich kein Interesse an Astrologie hatten. Daraufhin suchte er ein Datum, an dem eine berechnete Planetenkonstellation aus der Sicht damaliger außerisraelischer Sterndeuter nicht nur eine königliche Geburt in Judäa vorhersagte, sondern auch besonders bedeutend war.

Am 17. April des Jahres 6 v. Chr. hatte Jupiter seinen heliakischen Aufgang im Sternbild Widder. Ferner war die Sonne laut Molnar „exaltiert“ (besonders mächtig) im Sternbild Widder, ebenso die Venus. Die „Regenten der Widderdreiheit“ waren sämtlich in diesem Sternbild versammelt, die Sonne und der Mond hatten ihre planetarischen „Diener“ nahebei und – um das Maß voll zu machen – erfolgte noch am selben Tag eine Jupiterbedeckung durch den Mond. Nach dieser Theorie hätten die Astrologen tatsächlich die Geburt eines bedeutenden Königs in Judäa vorhersehen können und wären auch dorthin gereist. Ebenso ist aber auch denkbar, dass der Evangelist die Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland Jahrzehnte später erdachte – allerdings auf der von Molnar dargestellten Basis damaligen astrologischen Wissens.

Da der Tetrabiblos des Ptolemäus erst etwa ein Jahrhundert nach den Evangelien verfasst wurde, lässt auch dieser Erklärungsansatz viele Fragen offen. Ungewiss ist u. a., ob babylonische Astrologen die dort beschriebenen Deutungen kannten, wie der Jupiteraufgang im Osten genau an den Geburtsort Jesu leitete, wie ihr Bericht davon zu einem Evangelisten gelangte, warum damalige jüdische Quellen davon schweigen.

Historisch-kritische Bibelexegese

In der historisch-kritischen Bibelexegese wird der Stern als mythologisches oder symbolisches Verkündigungsmotiv ohne realen Hintergrund aufgefasst. Dabei wird der Matthäustext auf seine eigene Aussageabsicht, seinen unmittelbaren Kontext und weitere biblische Bezüge befragt, um nicht zu vermeintlich wissenschaftlichen Fehldeutungen zu gelangen.

Außergewöhnliche Himmelsphänomene wurden sowohl in der antiken Umwelt als auch im biblischen Israel als Hinweise auf besondere Geschichtsereignisse aufgefasst. Sie waren in Israels Prophetie jedoch meist Zeichen für kommendes Unheil. So sollten im Zusammenhang des angekündigten Endgerichts Sterne „vom Himmel fallen“ (z.B. Mk 13,25) oder „sich verfinstern“ (z.B. Joel 4,15). Dagegen heißt es in 4. Mose 24,17ff:

Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen. Und Er wird zerschmettern die Schläfen der Moabiter und den Scheitel der Söhne Seths. Edom wird er einnehmen, und Seir, sein Feind, wird unterworfen werden. Israel aber wird den Sieg erhalten.

Diese Weissagung ist eine der frühesten biblischen Ankündigungen, die später auf den Messias als Retter Israels bezogen wurden. Dabei ist dieser hier mit einem gewöhnlichen, außenpolitisch erfolgreichen König identisch. Das Zitat steht im Rahmen der Erzählungen vom Seher Bileam (4. Mose 22,24) und verweist, laut manchen Historikern, wahrscheinlich auf das Königtum Davids, als die angekündigten Siege über Israels Nachbarvölker schon errungen oder absehbar waren. Sie geben einen ersten Hinweis auf die spätere jüdische Messiaserwartung, die in der Davidzeit ihre historischen Wurzeln hat.

Die Erwartung eines Königs der Heilszeit, der Israel aus der Hand seiner übermächtigen Feinde befreit und diese vernichtet, hat nach vielen Wandlungen auch das Bild der Evangelien von Jesus mitbestimmt. Der durchgängige Rückbezug auf biblische Verheißungen ist gerade für den Evangelisten Matthäus typisch. So kann der Stern von Betlehem, der vor den Weisen herging und sie nach Israel führte, eine Erinnerung an den Stern aus Jakob sein, der in Israel „aufgehen“ sollte: Er will offenbar die universale Bedeutung dieses neuen, ganz anderen Königs aussagen, der Israels Feinde nicht vernichtete, sondern von deren Weisen als ihr König erkannt wurde – im bewussten Kontrast zu Herodes, dem König und Nachfolger Davids, der Jesus ablehnte und wie der Pharao verfolgte (Mt 2,13-20). Er wurde erst durch die „Heiden“ aus dem Ausland darauf aufmerksam gemacht, dass seine Macht begrenzt war, und musste sich daran erinnern lassen, dass schon ein jüdischer Prophet nicht die Hauptstadt Jerusalem, sondern das unscheinbare Dorf Betlehem als Geburtsort des Messias angekündigt hatte (Mt 2,3-8 / Mi 5,1 EU).

Siehe auch

Literatur

  • Die Bibel. Genfer Bibelgesellschaft, Genf 2003, ISBN 2-608-25311-3 (Schlachter-Übersetzung Version 2000).
  • Konradin Ferrari d'Occhieppo: Der Stern von Bethlehem in astronomischer Sicht. 4. Auflage. Brunnen-Verlag, Verlagsort 2003, ISBN 3-7655-9803-8.
  • Dieter B. Herrmann: Der Stern von Bethlehem, 2. Aufl., Paetec, Berlin 1998, ISBN 3-89517-695-8
  • Johannes Kepler: De Stella Nova in Pede Serpentarii. Frankfurt 1606.
  • Michael R. Molnar: The Star of Bethlehem: The Legacy of the Magi, Rutgers University Press, Verlagsort 1999, ISBN 0-8135-2701-5.
  • Werner Papke: Das Zeichen des Messias. 1. Auflage. CLV, Bielefeld 1995, ISBN 3-89397-369-9#.
  • Christoph Wrembeck: Quirinius, die Steuer und der Stern. Verlag Topos Plus, Verlagsort 2006, ISBN 978-3-7867-8612-2.
  • Gerhard Voss: Astrologie christlich, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1980, ISBN 3-7917-0643-8.
  • Kocku von Stuckrad: Das Ringen um die Astrologie – Jüdische und christliche Beiträge zum antiken Zeitverstaendnis. Walter de Gruyter, Berlin etc. 2000, ISBN 3-11-016641-0.

Weblinks

Einzelbelege

  1. a b http://www.astrosurf.com/comets/Star_of_Bethlehem/English/Chinese.htm
  2. Vgl. dazu das Berechnungsprogramm Southern Stars Systems – SkyChart III –, Saratoga, California 95070, United States of America.
  3. http://www.ips-planetarium.org/planetarian/articles/common_errors_xmas.html
  4. http://www.astronomie-heute.de/artikel/1015935&_z=798889, Artikel in „Sterne und Weltraum“, 1/2010, S.42–46
  5. ÖAW.SmnII/173, Wien 1965, S.343-376, aus: Occhieppo, Der Stern von Bethlehem, 1994, S.7
  6. Occhieppo, a.a.O. 1994, S.38 u. 66
  7. Occhieppo, a.a.O. 1994, S.52 und 155-157
  8. WDR.de, Themen: Blick ins All, dann auf Start AstroViewer
  9. Werner Papke: Der Stern von Bethlehem: Abschied von alten und neuen Märchen, S. 9
  10. Sinnott, Roger, Thoughts on the Star of Bethlehem, Sky and Telescope, Dezember 1968, S. 384–386.
  11. a b Hans Zekl: Der Stern von Bethlehem auf astronews.com am 24. Dezember 2002
  12. http://bethlehemstar.net/
  13. Werner Papke: http://www.kahal.de/017-WP-ZDM.pdf

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