Straßenkind

Straßenkind

Straßenkinder im erweiterten Wortsinn sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, die obdachlos oder von Zuhause weggelaufen sind oder ohne Angehörige für sich selbst sorgen müssen. Sie erledigen kleine Jobs für eine warme Mahlzeit oder erbetteln Geld, Lebensmittel und Zigaretten von Passanten oder Touristen; stehlen bisweilen. Gelegentlich ist dieses Leben mit Drogenkonsum und -Handel verknüpft, manchmal auch mit Prostitution und „Strich“ beiderlei Geschlechts. Sie leben zumeist an Bushaltestellen, in Bahnhöfen und leerstehenden Gebäuden, auf Bürgersteigen und in U-Bahn-Schächten. Werden Kinder im engeren Sinn erfasst, also unter 14-Jährige, entfallen die unten genannten Zahlen für Deutschland und die Schweiz, da Polizei und/oder Jugendhilfe sensibel sind; die USA-Zahlen müssten stark dezimiert werden.[1]

So zu leben, führt in armen Ländern viele Straßenkinder faktisch zu Diebstahl und Prostitution. Drogenmissbrauch (wie das Schnüffeln von Lösungsmitteln) ist weit verbreitet, um von fehlender Liebe, Hunger und Schmerz abzulenken. In vielen Ländern richten karitative Organisationen unter anderem Waisenhäuser und Wohnheime sowie Ausbildungsstätten für die Kinder und Jugendlichen ein, sei es erst einmal mit einem Fürsorge-Konzept für die hilflosen Sozialwaisen und/oder, um ihnen durch Empowerment ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Gelegentlich sind diese Kinder und Jugendlichen Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch und können wg. fehlender Schulbildung keine Ausbildung zur Ausübung eines Berufs erlangen.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsklärung

Der Begriff Straßenkind wurde zu einem Universalbegriff für verschiedene Phänomene in Industrie- und Entwicklungsländern, für Obdachlosigkeit und arbeitende Kinder etc. Die UNICEF unterscheidet zwischen:

  • Kindern auf der Straße: verbringen hier einen Großteil des Tages, um zu arbeiten etc.
  • Kindern der Straße: haben tatsächlich ihren Lebensmittelpunkt, schlafen dort.

Die Begriffe geraten regelmäßig in die Kritik. In Brasilien wird häufig kritisiert, der Ausdruck Straßenkind errege den Anschein, das Leben auf der Straße sei ein statischer Zustand. Daher nennen wissenschaftliche Beiträge zunehmend Crianças e Adolescentes em Situação de Rua, also Kinder und Jugendliche in der Lebenssituation der Straße, was auf die Dynamik hinweist: Sie sind zeitweise auf der Straße, immer mit der Möglichkeit einer Veränderung der Lebenslage (vgl. Schwinger 2005). Liebel schlug (2000) vor, nur noch von arbeitenden Kindern zu reden.

Zahlen

Weltweit wird die Zahl der Straßenkinder incl. Jugendliche (manchmal werden auch noch Heranwachsende hinzugezählt), die überwiegend in Metropolen zu finden sind, auf über 100 Mio. geschätzt.

Auswahl:

Lage in Deutschland

Die 1994 in Deutschland gegründete Hilfsorganisation Off Road Kids geht (2007) von jährlich bis zu 2500 Minderjährigen aus, die zeitweise auf der Straße leben (wenige hundert seien gefährdet, obdachlos zu bleiben). Das Kinderhilfswerk Terre des hommes hatte 2001 – in der weit gefassten Definition „…auf der Straße“ – bis zu 9000 Straßenkinder vermutet.

Beispiele anderswo

Die Brasilienhilfe Padre Bene arbeitet in Brasilien in den Städten Arapiraca und Recife. 160 ehemalige Straßenkinder sind in eigenen Häusern untergebracht. Die Kinder werden medizinisch und psychologisch betreut und besuchen die öffentlichen Schulen. In einer hauseigenen Holzwerkstatt wird ihnen die Gelegenheit gegeben, sich auf einen Handwerksberuf vorzubereiten.

Die Zahl der Straßenkinder in Rumänien wurde zeitweise auf bis zu 100.000 geschätzt.

Streetkids International (2001 in Frankfurt a. M. gegründet) hilft Aids-Waisen in Tansania. 30 von rund zwei Millionen wohnen schon in vereinseigenen Waisenhäusern. Die vergleichsweise kleine Hilfsorganisation engagiert sich persönlich regelmäßig vor Ort. Im Februar 2007 eröffnete sie ein Ausbildungszentrum in Daressalam, das junge Leute zu Gärtnern, Schreinern, Schlossern, Elektrikern, Maurern und Schneidern ausbildet.

Berühmte ehemalige Straßenkinder

Literatur

  • Anna Schmid: Das Straßenkinderprojekt als Organisation: Strukturen, Prozesse und Qualität am Beispiel eines Heims in Brasilien. Wiesbaden 2010.
  • Friederike Rausch: Non-formale Bildung für Straßenkinder. Eine Untersuchung von pädagogischen Ansätzen zur beschäftigungsorientierten Bildung am Beispiel von Projekten in Antananarivo, Madagaskar. Saarbrücken 2009.
  • Holger Thiel: Partizipation und Selbstbestimmung. Chancen zivilgesellschaftlicher Organisation indischer Straßenkinder. Münster 2008.
  • Michael Schwinger: Du kannst sogar Fotograf sein! Medienpädagogische Arbeit mit brasilianischen Straßenkindern. Frankfurt 2005.
  • Morton Rhue: Asphalt Tribe, Ravensburg 2004.
  • Hartwig Weber, Sor Sara Sierra: Narben auf meiner Haut. Straßenkinder fotografieren sich selbst. Frankfurt am Main 2003.
  • Brandy Blackman: Intervening in the Lives of Street Children. A Case from Zambia (Eingriffe in das Leben von Straßenkindern. Ein Fall aus Sambia), o. O. 2001.
  • Manfred Liebel 2000: Straßenkinder gibt es nicht. Über die verschlungenen Wege einer paternalistischen Metapher. In: Soziale Arbeit Nr. 4, S.122–130

Nachweise

  1. Lemma Straßenkinder. In: Manfred Günther: Wörterbuch Jugend – Alter. Berlin 2010
  2. Street Children „our lives our words“ – NI 377 – The Facts. www.newint.org. Abgerufen am 5. Februar 2008.
  3. 'Young doctors' minister to India's street children, CNN.com
  4. homelesschildrenamerica.org, The National Center on Family Homelessness: State report card on child homelessness, II. Snapshot of Child Homelessness, S. 8, in englischer Sprache
  5. UNICEF – Press centre – British Airways staff visit street children centres in Cairo. www.unicef.org. Abgerufen am 5. Februar 2008.
  6. World Street Children News :: Children in detention in the Philippines :: November :: 2003. streetkidnews.blogsome.com. Abgerufen am 5. Februar 2008.
  7. Guardian. www.guardian.co.uk. Abgerufen am 5. Februar 2008.
  8. http://www.sescsp.org.br/sesc/revistas_sesc/pb/artigo.cfm?Edicao_Id=329&breadcrumb=1&Artigo_ID=5145&IDCategoria=5903&reftype=1
  9. Hope Unlimited launches $4.8 million campaign for street kids. www.christianexaminer.com. Abgerufen am 5. Februar 2008.
  10. Tracey Skelton, Tim Allen (1999). Culture and global change, Routledge, S. 217
  11. Growing number of street children in Germany, report says : Europe World. www.earthtimes.org. Abgerufen am 22. März 2008.
  12. No night out for street kids – JAMAICAOBSERVER.COM. www.jamaicaobserver.com. Abgerufen am 5. Februar 2008.
  13. Ecpat International. www.ecpat.net. Abgerufen am 5. Februar 2008.
  14. Straßenkinder in der Mongolei. www.streetchildren.de. Abgerufen am 4. August 2011.
  15. Street Children „our lives our words“ – NI 377 – Ricardo: ‘The only thing I hate in the world is the police’. www.newint.org. Abgerufen am 5. Februar 2008.
  16. frommelt.ag, Strassenkinder in Bukarest, 2003

Weblinks


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