Strohballenbau

Strohballenbau
Das S-House[1] als Beispiel für den modernen Strohballenbau in Passivhaus-Qualität. Bauweise: Mit Lehm verputzte Strohballen, hinterlüftete Holzfassade in nichttragender Bauweise. Standort: Böheimkirchen, AT Baujahr: 2005
Öffentliche Bücherei in Mattawa
200 m² Lärmschutzwand aus Lärchenholz in Rahmenbauweise, gefüllt mit Strohballen.

Ein Strohballenbau ist ein Bauwerk, für dessen Wandaufbau Strohballen eingesetzt werden. Bei dieser Bauweise kommen überwiegend lokal oder regional verfügbare Ressourcen zum Einsatz (Holz, Stroh, Lehm, Schilf etc.). Verglichen mit herkömmlichen Bauweisen ist der Strohballenbau arbeitsintensiver, dafür aber kostensparender.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Den Strohballenbau (bzw. die Strohballen-Architektur) gibt es seit Ende des 19. Jahrhunderts. In Nebraska wurden die Ballen von Wanderarbeitern wie Ziegelsteine zum Wandaufbau eingesetzt. Später entwickelte sich in den USA die Ständerbauweise mit Holzständerwerk. Während ursprünglich die Ballen aus Mangel an Holz zum Häuserbau verwendet wurden, stehen heutzutage die bauphysikalischen Eigenschaften der Strohballen im Vordergrund. Nach Angaben des Fachverbands Strohballenbau gibt es in Deutschland rund 80 Strohballen-Wohnhäuser sowie einige kleinere Geschäftsgebäude, nahezu ausschließlich in Ständerbauweise. Die Lasttragende Bauweise hat sich bisher aus baurechtlichen Gründen nur in der Schweiz etabliert. Sogenannte „Hybridkonstruktionen“ haben sich in den letzten Jahren durchgesetzt und wurden auch schon in Deutschland errichtet (Haus „Schmid-Hermanutz“, Langenau bei Ulm). In Nax Mont-Noble, in den Schweizer Alpen, wurde im Oktober 2011 mit der Konstruktion des ersten Hotels komplett aus Strohballen begonnen. Es handelt es sich auch hier um eine Last tragende Bauweise.[2]

Konstruktion

Es wird zwischen tragender und nichttragender Bauweise unterschieden. Bei der tragenden Strohballenbauweise bestehen die Wände gänzlich aus Strohballen und die Dachlast wird über die Strohballen getragen. Bei der nichttragenden Bauweise bildet ein Holzständerwerk das Tragwerk und die Zwischenräume (Gefache) werden mit Stroh ausgefüllt. Diese Konstruktionsart entspricht weitgehend dem Holzrahmenbau oder auch dem klassischen Fachwerkhaus. Darüber hinaus wurden zahlreiche Mischformen ausprobiert. Strohhäuser in Betonständerbauweise, die kostengünstiger und flexibler sein soll als der Holzrahmenbau, sind in der Schweiz in Planung[3] Es gibt auch sogenannte „Hybridkonstruktionen“: ein Teil der Last wird über das Stroh abgetragen, der andere Teil über eine unterstützende Holzkonstruktion (ca. 50/50). Diese Bauweise verbindet die Vorteile beider Konstruktionsprinzipien: starke Pressung der Strohballen für hohe Dämmwerte und kontrolliertes Setzverhalten. Dieses Konstruktionsprinzip wurde von Architekt Werner Schmidt seit 2001 in der Schweiz entwickelt und ist mittlerweile sehr ausgereift (im Jahr 2011: 20 bestehende Gebäude).[4]

Bei der Konstruktion eines Strohballenbaus muss besonders auf wirksamen konstruktiven Feuchteschutz geachtet werden, da feucht gewordene Strohballen ihre Dämmwirkung verlieren und der biologische Abbau (Verfaulen) beginnt. Auf einen ausreichenden Dachüberstand sowie eine Feuchtigkeitssperre gegenüber dem Boden, zum Beispiel durch ein Punktfundament, ist in jedem Fall zu achten.

Der ideale Putz eines Strohballenhauses besteht aus einen Grundputz aus Kalk mit einem Abrieb aus Lehm, da dieser eindringende Feuchtigkeit rasch aufnehmen und später wieder abgeben kann.

Die Außenwände werden entweder als hinterlüftete Fassade ausgeführt, zum Beispiel als Holz- oder alsPutzfassade. Die Hinterlüftung bewirkt einen Kamineffekt, der eine dauerhafte Austrocknung gewährleistet und im Sommer einer Überhitzung durch Sonneneinstrahlung entgegenwirkt. Das Stroh muss in vielen Ländern direkt mit einem Material abgedeckt sein, das einem Brandwiderstand EI30 entspricht. In diesen Ländern darf kein Zwischenraum zwischen Stroh und Fassade sein, das heißt keine direkte Hinterlüftungsebene über dem Stroh.

Baustoff Stroh

Ein mit Lehm verputzter Strohballenbau in Swalmen, NL

Stroh als Baustoff ist für den ökologischen Hausbau sehr gut geeignet. Er schont die Umwelt, weil beim Wachstum des Getreides das Treibhausgas Kohlendioxid gebunden wird, das Material ohne großen Transportaufwand beschafft werden kann und eine energieintensive Verarbeitung entfällt.

Stroh ist ein guter Naturdämmstoff. Die gemessene Wärmeleitfähigkeit (Lambda10,tr) beträgt 0,038–0,067  W/mK, damit ist die wärmedämmende Wirkung ähnlich wie die herkömmlicher Dämmstoffe. Stroh besitzt eine Ausgleichsfeuchte von 8–18 %. Fachgerecht verbaute Strohballen weisen eine große Schimmelresistenz auf. Die Rohdichte der Ballen lässt sich zwischen 80 und 210 kg/m³ einstellen. Die optimale Dichte in Bezug auf Dämmwirkung liegt bei etwa 100–120 kg/m³. Bei zunehmender Dichte steigt die Wärmeleitfähigkeit, die wärmedämmende Wirkung nimmt also ab.

Die Herstellung der Strohballen für den Hausbau erfolgt mit landwirtschaftlichen Ballenpressen. Die Ballen enthalten ausschließlich Stroh und die für den Zusammenhalt erforderlichen Bindeschnüre, keine weiteren Zusätze.

Rechtliche Einstufung

In Deutschland besitzen nach definierten Kriterien erzeugte Baustrohballen eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung als Wärmedämmstoff und können damit in nichttragender Bauweise verarbeitet werden.[5]

Strohballen erfüllen die Voraussetzungen für den Brandschutz, da sie – im stark gepressten Zustand – in die Kategorie „normal entflammbar“ fallen. Das entspricht der Mindestanforderung im Baurecht. Beidseitig mit 5 cm Lehmputz versehen entsprechen moderne Strohballengebäude der Brandschutzklasse F90 (Feuerwiderstandsdauer 90 min), was einer 20 cm dicken Betonwand entspricht.[6]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. S-House als Beispiel für den modernen Stohballenbau in passivhaus Qualität
  2. Blog über das erste Hotel, das in Strohballenbauweise realisiert wird
  3. Lebensgemeinschaft SeelLeuDe: Strohballennbau. (Abgerufen am 4. August 2009)
  4. Schweizer Seite mit vielen Infos und Fotos zu lasttragender Bauweise und realisierten Gebäuden
  5. Allgemeine Bauaufsichtliche Zulassung für den Wärmedämmstoff „Baustrohballen“ (PDF) Deutsches Institut für Bautechnik, 2009
  6. Prüfbericht der MA 39 (Abgerufen am 27. August 2009)

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