Naturdämmstoff

Naturdämmstoff
Wärmedämmung eines Hausdachs mit Holzfaserdämmplatten kombiniert mit Einblasdämmung aus Zellulose.

Unter dem Begriff Naturdämmstoffe werden Dämmstoffe aus Materialien pflanzlicher oder tierischer Herkunft zusammengefasst.

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsstoffe

Naturdämmstoffe werden auf Basis verschiedener Nutzpflanzen wie zum Beispiel Flachsfaser (Faserlein), Getreide, Hanf, Holz, Jute, Kork, Schilfrohr, Sisalfaser, Kokos und Wiesengras hergestellt. Außerdem gibt es Naturdämmstoffe auf Basis tierischer Rohstoffen wie Schafwolle. Teilweise werden auch Dämmstoffe aus Recyclingmaterial als Naturdämmstoffe bezeichnet, sofern diese auf biogenen Rohstoffen bestehen (z.B. Cellulosefasern aus Altpapier).

Zum Schutz gegen Schädlings- und Schimmelbefall und zum Brandschutz sowie teilweise zur Verbesserung der Verarbeitungseigenschaften werden Naturdämmstoffen in der Regel geringe Anteile an Zusatzstoffen zugesetzt. Die schützenden Zusätze reichen von Molke, Borsalzen, Soda oder Zement bei Hobelspänen oder Holzwolle-Leichtbauplatten, über Aluminiumsulfat, Paraffin oder Ammoniumsulfat bei Holzfaserdämmplatten. Die meisten der verwendeten Zusätze sind bei Herstellung und Verwendung unbedenklich, in einigen Fällen (zum Beispiel synthetische Faseranteile in Naturfasermatten) behindern die Zusätze allerdings die chemische oder biologische Abbaubarkeit bei der Entsorgung. Um die Formstabilität zu erhöhen werden in zahlreichen Naturdämmstoffen synthetische Polyesterfasern als Stützfasern genutzt. Alternativ hierzu können Kokosfasern, Kartoffelstärke oder Wasserglas eingesetzt werden.

Eigenschaften

Dämmwirkung

Die Wärmedämmwirkung von Naturdämmstoffen entspricht der üblicher mineralischer und fossiler Dämmstoffe (Wärmeleitfähigkeitsgruppe 035 bis 055). Im Bereich der Hochleistungsdämmstoffe befinden sich Vakuum-Isolationspaneele aus polymergetränkten Zellulose-Wabenplatten in der Entwicklung, die zumindest teilweise aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen.[1] Der sommerliche Wärmeschutz ist bei den meisten Naturdämmstoffen (besonders bei Holzfaserdämmstoffen) deutlich höher als bei den üblichen fossilen und mineralischen Materialien, die gedämmten Räume bleiben daher auch bei hohen Außentemperaturen im Tagesverlauf kühler.

Feuchtigkeitsaufnahme

Im Gegensatz zu den anderen Dämmstoffen sind die meisten Naturdämmstoffe sorptionsfähig, sie können Feuchtigkeit aufnehmen und abgeben, ohne dass die Dämmwirkung verloren geht. Kurz- bis mittelfristige Feuchteeinwirkungen sind in vielen Fällen problemlos und können anschließend wieder abgegeben werden, so dass auch die Gefahr der Schimmelpilzbildung verringert ist. Mehrmonatige ununterbrochene Feuchtigkeit jedoch kann Naturdämmstoffe dauerhaft schädigen.

Weitere Eigenschaften

Die gängigen Naturbaustoffe sind entweder als normal entflammbar oder als schwer entflammbar eingestuft. Die Schallschutzwirkung unterscheidet sich zwischen den Dämmstoffen erheblich, gute Schallschutzeigenschaften haben u.a Dämmstoffe aus Kokosfasern, Zellulose oder Holzfasern.

Normen und Zulassungen

Vor allem für eine Reihe von Dämmstoffen auf Basis von Holzprodukten (Holzwolleleichtbauplatte, Holzfaserdämmplatte porös, Holzfaserplatte bitumenhaltig), aber auch für Kokosfasern und Kork existieren einschlägige DIN-Normen. Dämmstoffe, die keiner DIN unterliegen, können eine bauaufsichtliche Zulassung vom Deutschen Institut für Bautechnik erhalten. Eine weitere Form der Qualitätssicherung stellen Übereinstimmungzertifikate dar. Diese werden durch Zertifizierungs- und Überwachungsstellen ausgestellt und bestätigen die Übereinstimmung mit den rechtlichen Anforderungen. Nicht zugelassene Dämmstoffe können über Einzelfallentscheidungen zugelassen werden.

Einsatzbereiche

Für nahezu alle Anwendungsbereiche können Naturdämmstoffe eingesetzt werden, vom Wärmedämmverbundsystem für die Wand über die Dämmung von Decke und Boden bis zur Dachdämmung. Für Anwendungsbereiche an erdberührten oder spritzwassergefährdeten Bauteilen (Perimeterdämmung) sind Naturdämmstoffe wegen der beständigen Feuchtigkeit jedoch nicht geeignet.

Absatz und Markt

In Deutschland nimmt der Absatz von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen zu. Der Marktanteil von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen lag im Jahr 2005 bei 5%. Zum Einsatz kommen vor allem weiche Holzfaserdämmplatten (im Jahr 2006 28% des Naturdämmstoffmarktes), Einblaszellulose (32%), sonstige Leichtbauplatten (20%), Flachs- und Hanfdämmstoffe (9%) sowie Dämmstoffe aus Schafwolle (4%) [2].

Naturdämmstoffarten

Flexible Holzfaserdämmung
Holzwolle-Leichtbauplatte als Fensterlaibung
Zelluloseflocken werden über den Dosierer (Tonne) eingebracht und durch den Schlauch in Hohlräume eingeblasen.
Dämmstoffblock aus Hanffasern

Holzfaser

Holzfaserplatten bestehen aus Nadelholzresten, die - mit zwei unterschiedlichen Verfahren - behandelt und zerfasert und mit Zusätzen versehen werden. Holzfaserdämmplatten als dauerhafter und dämmstarker Faserverbund ohne fremde Bindemittel werden in verschiedenen Ausführungen angeboten (u.a. fest und flexibel) und sind universell verwendbar. Die Quadratmeterkosten sind etwas höher, allerdings bei sehr gutem sommerlichem Wärmeschutz und guter Bearbeitbarkeit (ähnlich wie Holzplatten und auch in Eigenleistung verarbeitbar). Als Einblasdämmstoff kommen auch lose Holzfasern zum Einsatz.

Hobelspäne zum Einblasen

Mit Zusätzen gegen Schädlingsbefall und Schimmel sowie zum Feuerschutz versehene Hobelspäne aus der Holz verarbeitenden Industrie werden als Einblasdämmstoff verwendet. Die Dämmschicht ist dampfdiffusionsoffen und Feuchte ausgleichend. Die Schallschutzeigenschaften und der sommerliche Wärmeschutz sind hoch. Verwendung finden Hobelspäne vor allem bei der Zwischensparrendämmung, im Holzskelettbau und im Holztafelbau.

Holzwolleleichtbauplatten

Bereits seit 1938 sind Holzwolleleichtbauplatten (HWL-Platten) als Dämmstoff genormt. Die formstabilen und sehr festen Bauteile bestehen aus Holzwolle, die mit Zement oder Magnesit als Bindemitte in einer Form gepresst werden und anschließend aushärten. Die Platten sind resistent gegen Fäulnis, Pilze und tierische Schädlinge; zusätzlich feuerhemmend und feuchtigkeitsabsorbierend. Eingesetzt werden sie vor allem als Putzträger - auch im Außenbereich, außerdem für die Dämmung gut wärmeleitender Bauteile im Mauerwerks- und Betonbau und als Beplankung im Holzbau. Ihre wärmedämmende Wirkung ist mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,090 W/m2K nur etwa halb so hoch wie die anderer Naturdämmstoffe. Sonderprodukte optimieren die Dämmwirkung durch Einlegen wirksamerer Dämmstoffe zwischen zwei Holzwolle-Leichtbauplatten. Unverputzt absorbieren die Platten Schall, als verputzte Bauteile wirken sie schalldämmend. Daher werden Holzwolleleichtbauplatten auch als Akustikplatten eingesetzt. Diese können auch mit speziellen Oberflächenprofilen für den Schallschutz optimiert werden. Herstellung, Verwendung und Entsorgung der Platten gelten als gesundheitlich unbedenklich, der Dämmstoff ist recyclingfähig und kann thermisch verwertet werden.

Zellulose

Zellulose aus Altpapier wird in Mühlen (zum Beispiel Wirbelstrommühlen) aufgefasert und mit Zusätzen gemischt. Die losen Flocken werden im Dach- Wand- und Deckenbereich in Hohlräume eingeblasen, als lose Schüttung aufgebracht oder feucht aufgespritzt. Gepresst kommt Zellulose als sehr elastische und formbare Zellulosedämmplatte zum Einsatz. Zellulose hat eine gute Wärmedämm- und Speicherfähigkeit und eine hohe Setzungssicherheit, der Dämmstoff ist brandwidrig, wiederverwertbar und hat eine hohe Feuchteresistenz bei gleich bleibender Dämmwirkung. Für die Kerndämmung, bei der eine dauerhafte Feuchtigkeitswirkung möglich ist, ist Zellulose allerdings nicht zugelassen. Als reines Recyclingmaterial benötigt Zelluloseeinblasdämmung den geringsten Primärenergieeinsatz aller Dämmstoffe (55-70 kWh/m3), unter den kommerziell erhältlichen Naturdämmstoffen ist sie der preiswerteste.

Flachs und Hanf

Hanf- und Flachsfasern werden zu Dämmmatten verarbeitet, die bei der Hanffasererzeugung als Koppelprodukt anfallenden Schäben benutzt man gemischt mit Bitumen und Tongranulat als Schüttdämmstoffe oder man presst sie zu festen Platten. Die Dämmstoffmatten finden in Wand, Dach und Boden Verwendung. Interessant ist die angenehme Verarbeitung (hautverträglich, staubarm). Vor allem die Dämmprodukte mit Hanfschäben bieten neben der wärmedämmenden Wirkung auch eine hohe Schalldämmung.

Weitere Naturdämmstoffe

Roggenschrot kann in Granulatform als Schüttdämmung, Ein- oder Aufblasdämmung verwendet werden. Schafwollematten, Strohmatten, Baustrohballen, Korkplatten oder Korkgranulat, Schilfmatten, Kokosfasern und -matten sind Beispiele von Naturdämmstoffen, die in Nischenmärkten oder in Spezialeinsatzbereichen verwendet werden.

Umweltaspekte

Gegenüber mineralischen oder synthetischen Dämmstoffe ist die Umweltbelastung von Naturdämmstoffen in der Regel weitaus geringer, sowohl bei der Produktion als während des Einsatzes und bei der Entsorgung. Statt begrenzter fossiler oder mineralischer Rohstoffe kommen nachwachsende Rohstoffe zum Einsatz. Da die Schadstoffbelastung von Naturdämmstoffen in der Regel sehr gering ist, werden sie als baubiologisch vorteilhaft eingestuft. Wegen der natürlichen Materialbasis bereiten Naturdämmstoffe nach der Verwendung keine Entsorgungsprobleme, viele sind biologisch abbaubar.

Der Energieeinsatz bei der Herstellung und damit der Ausstoß klimarelevanter Gase liegt um ein Mehrfaches bis Vielfaches unter dem anderer Dämmstoffe. In Bezug auf die Energie- und Klimabilanz spielt neben dem Energieverbrauch der Dämmstoffe bei Herstellung, Anwendung und Entsorgung die Einsparung von Energie (zum Beispiel von Heizenergie) durch die Verwendung der Dämmstoffe eine wesentliche Rolle. Da in der Gesamt-Energiebilanz der Energieverbrauch der Herstellung bereits nach wenigen Wochen bis Monaten des Einsatzes durch die eingesparte Heizenergie ausgeglichen wird, ist die erreichte Dämmwirkung entscheidend für die Gesamtbilanz. Bei baulich begrenzter Dämmstoffdicke kann die Verwendung synthetischer oder mineralischer Hochleistungsdämmstoffe mit besonders hoher Dämmwirkung (zum Beispiel Plattendämmstoffe bis Wärmeleitgruppe 023, Vakuum-Isolationspaneele bis 0,004) energetisch positiver sein als die Verwendung von Naturdämmstoffen. Wo ausreichende Dämmstoffdicken möglich sind, bleiben Naturdämmstoffe jedoch deutlich im Vorteil.

Literatur

  • aid e.V., 2005: Bauen auf die Kraft der Natur. Baumaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen. ISBN 3830805438
  • Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V., 2009: Dämmstoffe aus Nachwachsenden Rohstoffen. 3. Auflage, 67 Seiten. (pdf)
  • Bauzentrum München, 2010: Ökologische Wärmedämmstoffe im Vergleich 2.0 - Leitfaden zur Dämmstoffauswahl für den normgerechten Einsatz. (pdf)

Einzelnachweise

  1. Profact.de: Produktion der SwissCell angelaufen. 2009-01
  2. Michael Carus et al.: Studie zur Markt- und Konkurrenzsituation bei Naturfasern und Naturfaser-Werkstoffen (Deutschland und EU). Gülzower Fachgespräche Band 26, Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. 2008, S.180f

Links

Naturdämmstoffe im Informationsportal Natur-Baustoffe der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR)


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