Stromlinienlokomotive

Stromlinienlokomotive

Stromlinienlokomotive ist die allgemeine Bezeichnung für eine Lokomotive, bei der die Lehren der Stromlinie in Form einer verbesserten Aerodynamik angewendet werden bzw. bei der die Lokomotive von ihrem Design her diesen Eindruck vermittelt.

Class L Lokomotive der C & O; Baujahr 1946

Im engeren Sinne werden nur solche Loks als Stromlinienlokomotiven bezeichnet, die aus einer Epoche stammen, in der die Aerodynamik gerade erst anfing, in die Gestaltung von Fahrzeugen Einzug zu finden. Mit dem Aufkommen von Flugzeugen versuchten die Bahngesellschaften in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts zunächst, der neuen Konkurrenz durch verkleidete Dampflokomotiven entgegenzutreten. Mit aerodynamisch verkleideten Dampflokomotiven gelang es, Geschwindigkeiten von etwas über 200 km/h zu erreichen. Beispiele solcher Lokomotiven sind die 05 002 der Baureihe 05 der deutschen Reichsbahn, der Mallard in Großbritannien, die Atlantique in Frankreich oder die K4S, S1 und T1 der Pennsylvania Railroad (PRR), die 4-6-4 „Hudson“ der New York Central RR, die 4-8-4 J-1 der Norfolk&Western RR in den USA.

Union of South Africa, eine A4-Stromlinienlokomotive der LNER auf der Severn Valley Railway

Es zeigte sich allerdings, dass Diesellokomotiven eine bessere Energieausnutzung boten und so kamen die Schnelldampflokomotiven nicht in größeren Stückzahlen zum Einsatz. Auch die dann gebauten Diesellokomotiven wiesen vielfach eine Stromlinienverkleidung auf, so die E und F-Reihen von GM ab 1934 in den USA.

Der Begriff Stromlinie wird auch auf Eisenbahnwagons erweitert, die ein entsprechend schnittiges Design aufwiesen, auch wenn der tatsächliche aerodynamische Beitrag des Designs eher vernachlässigbar ist. Besonders berühmt wurden die „Corrugated“ (gewellten) Wagons in den USA, die eine seitliche Verkleidung aus Edelstahlwellblech hatten.

Alle modernen Passagierzüge sind nach aerodynamischen Gesichtspunkten entworfen. Der Begriff der „Stromlinie“ im Sinne eines optischen Erkennungszeichens wird jedoch bei diesen modernen Lokomotiven bzw. Triebeinheiten nicht mehr verwendet.

Entwicklung von Stromliniendampfloks in Deutschland

Preußische „Altona 561“, später „S9“

Seit etwa 1900 gab es Bestrebungen, die Windschlüpfigkeit von Dampflokomotiven zu verbessern. Ein typisches Beispiel aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ist die Schnellfahrlokomotive S 2/6 der Königlich Bayerischen Staatsbahn, welche Windschneiden an Führerhaus, Rauchkammertür und Schornstein aufwies. Auch die ersten Lokomotiven der Gattung P 8 (spätere Baureihe 38.10) der Preußischen Staatseisenbahnen hatten wegen der geplanten Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h eine Windschneide an der Führerhausvorderwand erhalten. Einzelstücke blieben die beiden ganz bzw. teilweise verkleideten preußischen Versuchsloks S9

Stromlinienlokomotive 05 001 bei der Auslieferung
Stromlinienlokomotive 61 001 vor dem Henschel-Wegmann-Zug
03.10 als polnische Pm 3-3 Warszawa

Systematische Versuche zur Aerodynamik von Dampflokomotiven wurden in Deutschland jedoch erst in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts vorgenommen. Als erstes wurde 1934 eine Lokomotive der Baureihe 03 (03 154) mit einer teilweisen Verkleidung versehen und von der Deutschen Reichsbahn getestet. Neben der Untersuchung der Aerodynamik galt es auch zu ermitteln, inwieweit sich das Triebwerk der Lokomotive, insbesondere die Lager, durch fehlende Luftzufuhr erwärmen. Auch die ausreichende Zufuhr von Verbrennungsluft unter den Rost war ein wichtiger Punkt.

Die Versuche haben ergeben, dass eine verkleidete 03 bei 120 km/h einen Leistunggewinn von 290 PS gegenüber der unverkleideten Version hat, bei 140 km/h sind es sogar 385 PS. Bei einer indizierten Leistung von 1980 PS ist dies ein Gewinn von zirka 15 beziehungsweise 20 Prozent. Eine weitere Lok dieser Baureihe – die 03 193 – wurde 1935 mit einer ebensolchen Stromschale ausgerüstet.

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen flossen in die Gestaltung der zwei Schnellfahrlokomotiven der Baureihe 05 ein, die beide mit vollständiger Stromlinienverkleidung 1935 abgeliefert wurden. Den beiden konventionell konstruierten Lokomotiven der Baureihe 05 folgte 1937 die 05 003, die über einen Frontführerstand verfügte und für die Verfeuerung von Steinkohlenstaub ausgelegt war.

Zwischenzeitlich entstand, ebenfalls mit Vollverkleidung, die Tenderlokomotive der Baureihe 61, die für den Schnellverkehr zwischen Berlin und Dresden vorgesehen war. Hierzu gab es eine passende Wagengarnitur, den sogenannten Henschel-Wegmann-Zug, der sich aerodynamisch der Lokomotive anpasste. Ein zweites Exemplar dieser Lokomotivbauart wurde 1939 in leicht veränderter Form gebaut.

Eine weitere Schnellzuglok mit Stromlinienverkleidung war die DRB-Baureihe 06, die 1939 von Krupp in zwei Exemplaren abgeliefert wurde. Im gleichen Jahr wurden auch die ersten Lokomotiven der DRB-Baureihe 01.10 und DRB-Baureihe 03.10 in Dienst gestellt. Hier wurde erstmals eine größere Serie von Lokomotiven mit Stromlinienverkleidung gefertigt, nämlich 55 Stück der Baureihe 0110 und 60 Stück der Baureihe 0310. Die Form der Verkleidung beider Baureihen ähnelte sich, unterschied sich aber optisch von den bisherigen Stromlinienlokomotiven.

Als letzte Reichsbahnlokomotive mit Stromlinienverkleidung kam 1941 noch mit der Baureihe 1910 eine Dampfmotorlokomotive mit Einzelachsantrieb hinzu. Ihre Verkleidung glich optisch jener der 0110.

Bei allen aufgezählten Lokomotiven wurde, sofern sie nicht ausgemustert wurden, nach dem Zweiten Weltkrieg die Stromlinienverkleidung entfernt.

BR 10 der DB 1957

Die Deutsche Bundesbahn erhielt 1957 mit der DB-Baureihe 10 nochmals zwei verkleidete Dampflokomotiven. Es handelte sich hierbei um eine Teilverkleidung, bei der lediglich die Frontpartie des Triebwerks, die Rauchkammer und der Tender abgedeckt wurden. Der Kessel und das Führerhaus blieben unverkleidet.

Bei der Deutschen Reichsbahn der DDR entstanden durch Umbau zwei Schnellfahrlokomotiven, die der Baureihe 18 zugeordnet wurden. Beide erhielten eine Teilverkleidung ähnlich der Baureihe 10. Heute noch erhalten ist die 18 201, die zugleich die schnellste noch betriebsfähige Dampflokomotive der Welt ist. Im Jahr 1972 wurde bei einer Testfahrt der 18 201 eine Geschwindigkeit von 182 km/h gemessen.

Siehe auch

Literatur

  • Alfred B. Gottwaldt: Stromlinien-Album. Deutsche Dampflokomotiven der dreißiger Jahre. Transpress, Berlin 1993, ISBN 3-344-70781-7

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