- Stundung (Steuerrecht)
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Stundung im abgabenrechtlichen Sinne bezeichnet die Verschiebung der Fälligkeit eines Steueranspruches in die Zukunft. Anders als die Stundung im schuldrechtlichen Sinne stellt die Stundung von Steuern einen Verwaltungsakt dar.
Inhaltsverzeichnis
Stundung von Steuern im Allgemeinen § 222 Abgabenordnung (AO)
Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Die Stundung soll in der Regel nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Die Sicherheitsleistung kann z. B. in Form einer Sicherungshypothek erfolgen. Steueransprüche gegen den Steuerschuldner können nicht gestundet werden, soweit ein Dritter (Entrichtungspflichtiger) die Steuer für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten, insbesondere einzubehalten und abzuführen hat. Die Stundung des Haftungsanspruchs gegen den Entrichtungspflichtigen ist ausgeschlossen, soweit er Steuerabzugsbeträge einbehalten oder Beträge, die eine Steuer enthalten, eingenommen hat. (§ 222 AO)
Überbrückungsstundung
Auch Technische Stundung oder Stundung aus sachlichen Gründen genannt
Die einfachste Form der Stundung ist eine Überbrückungsstundung. Sie wird auch häufig als technische Stundung bezeichnet und wird im Gegensatz zu einer echten Stundung zunächst auch ohne Zinsen gewährt. Sie kommt in Betracht, wenn eine Schuld besteht und gleichzeitig eine vorhersehbare Möglichkeit zur Verrechnung der Abgabenschuld mit einem Steuererstattungsanspruch besteht.Hintergrund
Die sofortige Einziehung der Steuerschuld würde für den Steuerschuldner eine erhebliche Härte darstellen, wenn dem Steueranspruch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein entsprechender Steuererstattungsanspruch gegenübersteht (Urteil des BFH vom 12. Juni 1996 II R 71/94, BFH/NV 1996, 873). Es wird dabei davon ausgegangen, dass sich aus dem Rechtsgrundsatz „Treu und Glauben“ ableiten lässt, dass das Finanzamt arglistig handeln würde, wenn es eine Steuer fordern würde, die es eigentlich sofort wieder erstatten müsste. Der Steuerpflichtige trägt dabei die Last bei der Ermittlung des Gegenanspruches mitzuwirken. Im Zweifelsfall kann die Stundung verweigert werden.[1]
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in weiteren Entscheidungen mit der Thematik befasst, etwa
- den rechtlichen Grundlagen für eine Überbrückungsstundung.[2]
- dem Gegenanspruch des Steuerpflichtigen und dem Unterschied zwischen persönlichen und sachlichen Stundungsgründen.[3]
Ein Beispiel
Eine Umsatzsteuerjahreserklärung und eine Einkommensteuererklärung werden gleichzeitig eingereicht. Mit der Umsatzsteuerjahreserklärung meldet der Unternehmer eine Zahllast an, die er binnen eines Monats ohne weitere Aufforderung durch das Finanzamt zu überweisen hat, § 18 Abs. 4 Umsatzsteuergesetz (USTG). Die Einkommensteuerklärung wird dagegen veranlagt. Die Steuer wird also nicht von dem Einkommensteuerpflichtigen selbst errechnet und abgeführt. Er teilt dem Finanzamt über die Steuererklärung lediglich die Besteuerungsgrundlagen mit. Dieses berechnet die Einkommensteuerschuld oder den Erstattungsanspruch und teilt dies über einem Einkommensteuerbescheid dem Steuerpflichtigen mit. Naturgemäß kann es so sein, dass die Umsatzsteuererklärung zu einer Nachzahlung führt, die viel früher fällig wird als die Einkommensteuererstattung, die erst mit Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheides fällig wird. Nicht selten Monate, nachdem die Umsatzsteuer längst fällig war, § 36 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG).
Der Steuerpflichtige kann in diesem Fall zusammen mit seiner Umsatzsteuer- und seiner Einkommensteuererklärung einen Antrag stellen, dass die Umsatzsteuerschuld zinslos gestundet wird, bis über die zu erwartende Einkommensteuererstattung feststeht und die Verrechnung erfolgen kann. In der Regel wird die Bearbeitung der Einkommensteuererklärung (Veranlagung) in diesen Fällen vorgezogen, damit die zinslose Stundung nicht zu Unrecht erfolgt.
Eine nachträgliche Verzinsung der gestundeten Beträge erfolgt, wenn der Steuererstattungsanspruch geringer ist, als ursprünglich erwartet. Verzinst wird der nicht getilgte Teilbetrag. Eine Verzinsung ist aber auch möglich, wenn z. B. das Guthaben ganz oder teilweise nach § 233a Abgabenordnung (AO) verzinst wurde. Diesen Guthabenzinsen werden zu zahlende Stundungszinsen gegengerechnet.
Stundung zur Überbrückung einer finanziellen Notlage (echte Stundung gegen Zinsen)
Auch als „Stundung aus persönlichen Gründen“ bezeichnet. Eine echte Stundung kann gegen Zinsen nur zur Überbrückung einer vorübergehenden finanziellen Notlage gewährt werden (Stundungsbedürftigkeit). Die finanzielle Notlage darf der Steuerschuldner nicht selbst schuldhaft herbeigeführt haben (Stundungswürdigkeit). Der Steueranspruch darf durch die Stundung nicht gefährdet werden. Nur wenn Stundungsbedürftigkeit und Stundungswürdigkeit gleichzeitig vorliegen, kommt eine Stundung aus persönlichen Gründen in Betracht. Von Bedeutung ist auch, um welche Art von Steuer es sich handelt, da es Steuern gibt, die grundsätzlich nicht gestundet werden dürfen oder werden.
Stundungsbedürftigkeit
Die Stundungsbedürftigkeit ist gegeben, wenn die sofortige Einziehung der Steuerschuld für den Steuerschuldner eine erhebliche Härte bedeuten würde. Eine erhebliche Härte liegt dann vor, wenn die sofortige Zahlungsverpflichtung den Steuerschuldner seiner wirtschaftlichen Existenz berauben würde. Der Steuerschuldner sollte daher bei seinem Antrag durch Belege deutlich machen, dass er sich in einer vorübergehenden finanziellen Krise befindet, die sich aber in nächster Zeit beheben wird. Der Steueranspruch muss dabei allen anderen Verpflichtungen des Steuerbürgers gleich gestellt werden. Es ist dem Steuerpflichtigen daher ohne weiteres zuzumuten, dass er einen Kredit aufnimmt, um seine Steuerschuld zu tilgen. Es gilt der Grundsatz, „das Finanzamt ist keine Bank“, z.B. Urteil des Bundesfinanzhofes vom 19. März 1981 IV R 59/77. Dabei sollte beachtet werden, dass aufgrund des geringen Jahreszinssatzes von 6 Prozent (0,5 Prozent pro angefangenen Monat) es häufig vorkommt, dass Steuerschuldner versuchen, ihre privaten Schulden zu tilgen, während sie sich ihre Steuerschulden vom Finanzamt günstig stunden lassen. Diese Form des Cash Managements auf Kosten des Finanzamtes ist natürlich nicht erwünscht.
Nach § 234 Abs. 1 AO werden Stundungszinsen für die Dauer der gewährten Stundung erhoben. Ihre Höhe ändert sich nicht, wenn der Stpfl. vor oder nach dem Zahlungstermin zahlt, der in der Stundungsverfügung festgelegt ist (Sollverzinsung). Die Stundungszinsen sind grundsätzlich zusammen mit der letzten Rate zu erheben. Der Zinslauf beginnt an dem ersten Tag, für den die Stundung wirksam wird und endet mit Ablauf des letzten Tages, für den die Stundung ausgesprochen worden ist.
Der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart ist auf den nächsten durch 50 € teilbaren Betrag abzurunden.
Stundungswürdigkeit
Der Steuerschuldner darf die finanzielle Notlage nicht selbst herbeigeführt haben, z.B. BFH Urteil vom 19. März 1981 IV R 59/77. In diesen Fällen wäre eine Stundungswürdigkeit beispielsweise grundsätzlich gegeben:
- Durch gesundheitliche Gründe wurden Rücklagen, die für die erwartete Steuernachzahlung angespart worden sind, aufgebraucht.
- Das Finanzamt streicht überraschend Werbungskosten, wodurch es zu einer Steuernachzahlung kommt. Erwartet wurde eine Steuererstattung.
- Bei einer Betriebsprüfung kommt es zu einem erheblichen Mehrergebnis. Steuerhinterziehung liegt nicht vor.
Bei diesen Fällen wäre sie in der Regel zu verneinen:
- Fälle der Steuerhinterziehung (z. B. BFH Urteil vom 2. Juli 1986 – I R 39/83 (NV), BFH/NV 1987, 696)
- Die Bearbeitung (Veranlagung) der Steuererklärung führt zu einer hohen Steuernachzahlung. Offensichtlich wurden die Einkommensteuervorauszahlungen aufgrund falscher Angaben des Steuerpflichtigen viel zu niedrig festgesetzt.
Stundungszinsen
Für die Dauer einer gewährten Stundung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis werden Zinsen erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ablauf der Stundung aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt. Auf die Zinsen kann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. (§ 234 AO). Wie bei anderen Stundungszinsen nach der Abgabenordnung betragen die Stundungszinsen 0,5 % Prozent des auf den nächsten durch 50 teilbaren abgerundeten Betrages pro vollen Monat. Einzelheiten hierzu sind im Abschnitt 172 AEAO (Anwendungserlass zur Abgabenordnung).
Stundungszeitraum
Eine Stundung kann nur gewährt werden, wenn der Steueranspruch nicht gefährdet erscheint (z. B. Urteil des Bundesfinanzhofes vom 27. April 2001, BFH/NV 2001 S. 1362 bzw. § 222 Abgabenordnung Satz 1) und der jeweilige Steuerpflichtige durch die Stundung nicht besser gestellt wird als der normale ehrliche Steuerpflichtige. Daraus folgt, dass auch wenn das Gesetz keine Zeitraumbeschränkung für eine Stundung vorgibt, die Steuerverwaltung in der Regel nur eine Stundung über einen Zeitraum von sechs Monaten gewährt.
Hierdurch wird auch vermieden, dass das Finanzamt zum günstigen Kreditgeber wird. Bei einem Jahreszins von 6 Prozent (0,5 Prozent pro Monat) wird das Finanzamt schnell zum günstigen Kreditgeber.
Sicherheitsleistungen
Die Stundung soll in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden, § 222 Satz 2 Abgabenordnung (AO). Was unter einer Sicherheitsleistung im Sinne der Abgabenordnung zu verstehen ist, steht im dritten Abschnitt der Abgabenordnung §§ 241 bis 248 Abgabenordnung (AO). Dazu gehören z. B. Hypotheken, Grund- oder Rentenschulden, § 241 Abs. 1 Nr. 5 a) Abgabenordnung (AO).
Üblich sind Sicherheitsleistungen aber nur bei höheren Beträgen.
Stundung der durch den Arbeitgeber abzuführenden Lohnsteuer
Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer für den Arbeitnehmer abzuführen, § 38 Abs. 2 und Abs. 3 Einkommensteuergesetz. Somit kann die Lohnsteuer, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abzuführen hat, aufgrund gesetzlicher Vorgaben nicht gestundet werden (§ 222 Satz 3 AO).
Stundung der Umsatzsteuer
Grundsätzlich kann eine Umsatzsteuerzahllast gestundet werden. Es ist aber gängige Verwaltungspraxis, dies nicht zu tun. Man geht davon aus, dass der Unternehmer die Umsatzsteuer lediglich für den Staat von seinen Umsätzen einbehält. Diese Gelder sind nur noch durch diesen abzuführen. Sie dürfen daher nicht vom Unternehmer zu eigenen Zwecken „missbraucht“ werden. Es spielt somit auch keine Rolle, wenn der Unternehmer z. B. verschuldet ist. Er hat die Umsatzsteuer unabhängig von seiner finanziellen Lage an das zuständige Finanzamt abzuführen.
Eine der wenigen denkbaren Ausnahmen kann vorliegen, wenn die Umsatzsteuerschuld sich aufgrund einer Betriebsprüfung ergeben hat und die Erhöhung der Umsatzsteuerschuld für den Unternehmer nicht vorhersehbar war. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn bei einer Betriebsprüfung überraschend festgestellt wird, dass Vorsteuerbeträge zu Unrecht in Anspruch genommen wurden, da die Eingangsrechnungen nicht den Vorgaben des Umsatzsteuergesetzes genügen, §§ 14 und 15 Umsatzsteuergesetz (UStG).
Der Stundungsantrag
Unabhängig davon, ob man eine Überbrückungsstundung (technische Stundung) oder eine echte Stundung beantragen will, sollte man den Antrag stellen, bevor die Steuerschuld fällig wird. Also in der Regel sobald ein Steuerbescheid vorliegt, aus dem sich die Steuerschuld ergibt. Im Falle der echten Stundung sollte man die erste Stundungsrate ohne Zinsen sofort überweisen und gleichzeitig einen Stundungsantrag an die zuständige Finanzbehörde stellen. Durch die Zahlung der ersten Stundungsrate wirkt man dem Eindruck entgegen, dass der Steueranspruch gefährdet ist. Es ist auch empfehlenswert, den Stundungsantrag vorab mit dem zuständigen Bearbeiter telefonisch abzustimmen.
Beginn der Stundung - Eingang des Antrages beim Finanzamt
Die Stundung wird grundsätzlich nicht rückwirkend gewährt. Ist eine Steuerschuld also schon fällig und geht beim Finanzamt dann erst ein Antrag auf Stundung ein, kann dieser frühestens mit Wirkung ab dem Tag des Einganges des Antrages gewährt werden Abschnitt 178 Nr. 6a AEAO 4. Absatz. Da Säumniszuschläge pro angefangenen Tag der Säumnis entstehen, sollte der Antrag daher nach Möglichkeit vor der Fälligkeit der Steuerschuld gestellt werden.
Folgen bei Ablehnung des Antrages
Die Finanzbehörde entscheidet über den Antrag auf Stundung entweder durch den Erlass eines Stundungsbescheides (Beispiel) oder durch den Erlass eines Ablehnungsbescheides. Gegen beide kann der Antragssteller ggf. einen Einspruch nach § 347 AO einlegen. Sollte der Antrag abgelehnt werden, gewährt das Finanzamt aber grundsätzlich einen Zahlungsaufschub bis zu einer Woche ab Datum des Ablehnungsbescheides, Abschnitt 178 Nr. 6a AEAO 2. Absatz.
Der Vollstreckungsaufschub ("Ratenzahlung")
Wenn eine Stundung abgelehnt wird, kann man versuchen, mit der zuständigen Vollstreckungsstelle eine Ratenzahlung in Verbindung mit einem Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO zu vereinbaren. Auch wenn die Abgabenordnung (AO) bzw. der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) nicht explizit zwischen einer Stundung und einer Ratenzahlung unterscheiden, wird dies in der Praxis als Ratenzahlung bezeichnet. Die Vollstreckungsstelle wird in diesem Falle keine weiteren Vollstreckungsmaßnahmen, wie z. B. Kontenpfändungen veranlassen. Im Ergebnis erreicht man praktisch eine Stundung. Zunächst fallen allerdings, anstelle der Stundungszinsen von 0,5 % pro Monat, weiterhin Säumniszuschläge von 1 % nach § 240 AOpro angefangenen Monat der Säumnis an. Nach Zahlung der letzten Rate (Tilgung der Hauptschulden, also aller Beträge bis auf die Säumniszuschläge selbst) können die bis dahin entstandenen Säumniszuschläge auf Antrag zur Hälfte erlassen werden (Hälftiger Erlass), Abschnitt 178 Nr. 5d AEAO. Der Antrag auf hälftigen Erlass kann zusammen mit dem Antrag auf Ratenzahlung gestellt werden.
Quellen und weitere Informationen
- Formular zum Antrag auf Stundung (Finanzamt Tübingen, gültig für ganz Baden-Württemberg) (PDF-Datei; 33 kB)
Einzelnachweise
- ↑ Niedersächsisches Finanzgericht Urteil vom 12. Januar 1999 Az.: VII (III) 346/96.
- ↑ BFH-Beschluss vom 21. Januar 1982 VIII B 94/79 und BFH-Urteil vom 6. Oktober 1982 I R 98/81
- ↑ BFH-Urteil vom 6. Oktober 1982 (I R 98/81)
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