Swassjan

Swassjan
Karen Swassjan (2006)

Karen Arajewitsch Swassjan (russisch Kарен Араевич Свасьян; * 2. Januar 1948 in Tiflis) ist ein aus Armenien stammender Philosoph, Literaturwissenschaftler, Kulturhistoriker und Anthroposoph.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Karen Swassjan studierte Philosophie sowie englische und französische Philologie in Eriwan (Armenien) und promovierte mit einer Arbeit über Bergson. 1981 Habilitation über Das Problem des Symbols in der modernen Philosophie. Er war Professor für Philosophie, Kulturgeschichte und Ästhetik an der Staatlichen Universität Eriwan. Daneben trat er als Übersetzer ins Russische und Herausgeber von Werken Nietzsches (der ersten nachrevolutionären russischen Nietzsche-Ausgabe), Spenglers (Der Untergang des Abendlandes) und Rilkes (Die Sonette an Orpheus) hervor.

Er ist Autor zahlreicher Bücher zu Philosophie und Anthroposophie, Literatur, Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, darunter einer im russischsprachigen Raum weitverbreiteten Goethe-Biographie, einer Geschichte der europäischen Wissenschaft und des Werks Goethes philosophische Weltanschauung sowie von Büchern über Nietzsche, Spengler, Husserl und Cassirer. Dazu kommen zahlreiche deutschsprachige Publikationen, insbesondere zu anthroposophischen Themen.

Karen Swassjan ist Forschungspreisträger der Alexander von Humboldt-Stiftung in Bonn. 1997 war er Gastprofessor an der Universität Innsbruck (Philosophie, Komparatistik, Slavistik). Heute lebt er als freier Schriftsteller und Dozent in Basel (Schweiz).

Sein Denken

Für das philosophische Denken Karen Swassjans ist ein enger Bezug einerseits zu philosophiegeschichtlichen und andererseits zu philosophisch-anthropologischen Fragestellungen kennzeichnend.

Die Geschichte der Philosophie betrachtet er als Geschichte des Bewusstseins, allerdings nicht im hegelianisch-phänomenologischen Sinne eines allgemeinen Bewusstseins, sondern vielmehr als Fortsetzung von Haeckels natürlicher Schöpfungsgeschichte auf einer höheren, geistigen Ebene. Die so verstandene Philosophie – von den Vorsokratikern und Platon bis zu Eduard von Hartmann, Max Stirner und Nietzsche – hat nicht das Begreifen der Welt zum Ziel, sondern – mittels des letzteren – die Selbstoffenbarung und Selbstentwicklung der Individualität.

Kann man den Menschen als biologische Art im Sinne der Evolutionstheorie als Krone der Schöpfung auffassen, so stellt sich unausweichlich die Frage nach der „Krone der Schöpfung“ im Menschen als solchem. Diese Frage – worin im Menschen kulminiert das spezifisch Menschliche, so wie die Natur im spezifisch Menschlichen kulminiert? – verweist einzig auf das Denken: dieses ist das (geistig) Höchste im Menschen, so wie der Mensch (biologisch) das Höchste in der Natur ist. Die Philosophiegeschichte schließt, so verstanden, unmittelbar an die Schöpfungsgeschichte an und setzt diese fort. Fällt die Evolutionstheorie (thematisch) in den Bereich der Philosophiegeschichte, so nur deshalb, weil die Philosophiegeschichte ihrerseits (ontologisch) in den Bereich der Evolution fällt, und zwar als deren höchste und vollkommenste Stufe.

Bei der in dieser Weise fortgesetzten und ins Geistige überführten Anthropogenie – der Mensch als vollkommenstes Glied der Natur, das Denken als vollkommenstes Glied des Menschen – erweist sich jene Frage als die entscheidende, in der die Anthropogenese der Haeckelschen Naturgeschichte, die in die Pneumatogenese der Philosophiegeschichte hinüberwächst, im absoluten Individualismus eines Max Stirner korrigiert und potenziert wird: Wenn das Denken das Höchste im Menschen ist, so spitzt sich der Gang der Evolution nach Stirner – für den „der Mensch“ entweder eine hohle Phrase war oder aber ein konkreter Mensch – auf die Frage zu: Wessen Denken? Die Antwort auf diese Frage ist Swassjan zufolge dem Zentralproblem der Philosophiegeschichte von Parmenides bis Sartre eingeschrieben: Das Denken desjenigen Philosophen, der es vermöchte, den Hiatus zwischen Denken und Sein, zwischen Essenz und Existenz, zwischen dem, was er denkt, und dem, was er ist, zu überwinden.

Die Suche nach einem solchen Philosophen, die den Kreis der Interessen Swassjans umschreibt, führte ihn nach langen Umwegen im Raum der Philosophiegeschichte (mit den Hauptetappen: Heraklit, Platon, Aristoteles, Origenes, Neuplatonismus, Abaelard, Thomas von Aquin, Descartes, Leibniz, Kant, Deutscher Idealismus, Stirner, Hartmann, Husserl) zur Weltanschauung Rudolf Steiners.

Auszeichnungen

Bibliographie (Auswahl)

Werke in deutscher Sprache

  • Aufgearbeitete Anthroposophie. Eine Geisterfahrt, Verlag am Goetheanum, Dornach 2007; 2. erweiterte Aufl.: Dornach 2008, ISBN 978-3-7235-1324-8
  • Rudolf Steiner. Ein Kommender, Verlag am Goetheanum, Dornach 2005, ISBN 3-7235-1259-3
  • Anthroposophische Heilpädagogik. Zur Geschichte eines Neuanfangs, Verlag am Goetheanum, Dornach 2004, ISBN 3-7235-1206-2
  • (als Herausgeber) Louis M. I. Werbeck: Die Gegner Rudolf Steiners und der Anthroposophie, durch sich selbst widerlegt, Forum für Geisteswissenschaft, Wallisellen 2003.
  • Was ist Anthroposophie?, Verlag am Goetheanum, Dornach 2001, ISBN 3-7235-1115-5 Textauszug (PDF)
  • Das Schicksal heisst: Goethe, Rudolf Geering Verlag, Dornach 1999, ISBN 3-7235-1048-5
  • (als Herausgeber) Karl Ballmer: Umrisse einer Christologie der Geisteswissenschaft. Texte und Briefe, Rudolf Geering Verlag, Dornach 1999, ISBN 3-7235-1072-8
  • Der Untergang eines Abendländers. Oswald Spengler und sein Requiem auf Europa, Heinrich Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-932458-08-7
  • (als Herausgeber) Max Stirner: Das unwahre Prinzip unserer Erziehung. Einleitung von Willy Storrer, Nachwort von Karen Swassjan, Rudolf Geering Verlag, Dornach 1997, ISBN 3-7235-0983-5
  • Urphänomene II. Die Zerstörung der Kultur: 1. Streiflichter / 2. Lichtblicke, 2 Bände, Rudolf Geering Verlag, Dornach 1996/1998, ISBN 3-7235-0938-X / ISBN 3-7235-0942-8
  • Urphänomene I. Die Überwindung der Philosophie / Die Umwandlung der Theosophie / Die Erschaffung der Anthroposophie, 3 Bände, Rudolf Geering Verlag, Dornach 1995, ISBN 3-7235-0975-4
  • Nietzsche – Versuch einer Gottwerdung. Zwei Variationen über ein Schicksal, Verlag am Goetheanum, Dornach 1994, ISBN 3-7235-0767-0
  • Die Karl-Ballmer-Probe. Mit zwei Aufsätzen von Karl Ballmer (Co-Autor), Edition LGC, Siegen/Sancey le Grand 1994, ISBN 3-930964-80-5
  • Das Abendmahl des Menschen. Zum hundertsten Geburtstag der ‚Philosophie der Freiheit‘, Verlag am Goetheanum, Dornach 1993, ISBN 3-7235-0710-7
  • Unterwegs nach Damaskus. Zur geistigen Situation zwischen Ost und West, Verlag Urachhaus, Stuttgart 1993, ISBN 3-87838-967-1


Werke in russischer Sprache


Werke in englischer Sprache

  • The Ultimate Communion of Mankind: A Celebration of Rudolf Steiner's Book „The Philosophy of Freedom“, ISBN 0-904693-82-1

Weblinks


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