Teilbestattung

Teilbestattung
Bonifatius VIII. verbot die Teilbestattungen

Eine Teilbestattung ist ein besonderer Bestattungsritus.

Inhaltsverzeichnis

Ur- und Frühgeschichte

Aus archäologischem Zusammenhang sind besonders Kopfbestattungen (auch „Schädelbestattungen“) bekannt. Die älteste bekannte Kopfbestattung wurde bei Grabungen in der Höhle Mas d’Azil (Kanton Le Mas-d’Azil, Département Ariège, Frankreich) gefunden und datiert in die archäologische Kultur des Aziliens. Ihre Datierung liegt bei ca. 10.000 v. Chr.

Etwas jünger sind die Kopfbestattungen aus Jericho und anderen Fundstellen des Präkeramischen Neolithikums B im Vorderen Orient.

Kopfbestattungen sind auch ein besonderes Merkmal des Spätmesolithikums in Mitteleuropa. Belege dieser Tradition gibt es in der Großen Ofnet-Höhle bei Nördlingen, im Hohlenstein-Stadel im Lonetal und in der Höhlenruine „Hexenküche“ auf dem Kaufertsberg bei Lierheim (Landkreis Donau-Ries).[1]

Auch in der Bronzezeit des Vorderen Orients (3000–2700 v. Chr.) gab es Schädelbestattungen bei den Assyrern. Dies zeigen Ausgrabungen der Universität Heidelberg, die zwischen 1982 und 1991 durchgeführt wurden.

Geschichtliches

Bibel

Im 1. Buch Samuel Kapitel 31 wird Verbrennung der Körper König Sauls und seiner Söhne geschildert, während die Gebeine unter der Tamariske von Jabesch beerdigt wurden (1 Sam 31,1 EU).

Mittelalter

Während der Kreuzzüge war es üblich, dass bei einem verstorbenen Edelmann oder Ritter auf dem Weg ins Heilige Land der Leichnam mit allen Ehren beigesetzt wurde. Wenn die Kreuzritter dann in ihre Heimat zurückkehrten, wurde der Tote wieder ausgegraben, die Leiche gekocht bis das Fleisch sich ablöste. Danach wurde die Leiche erneut mit Gebeten und unter Bewachung bestattet. Die Inneren Organe wurden dann an ganz besonderen Orten, zum Beispiel im Hof einer Kapelle, beerdigt. Der Aufbewahrung und Unversehrtheit der Knochen wurde bis ins Spätmittelalter große Bedeutung beigemessen, da nach christlichem Glauben zum Jüngsten Gericht die Gebeine der Verstorbenen auferstehen würden.

Im Fall von Kaiser Barbarossa wurden sein Herz und seine Eingeweide 1190 in Tarsos, sein Fleisch jedoch in der Peterskirche von Antiochia beigesetzt.

Ein anderes Beispiel ist Richard I. Löwenherz, welcher nach seinem Tode in der Belagerung von Châlus 1199 in der Ahnengruft der Anjou in Fontevrault bestattet wurde. Sein Gehirn brachte man in die Abtei von Charroux und sein Herz nach Rouen in der Normandie.

Die Teilbestattungen der Kreuzritter waren aus praktischen Gründen erzwungen - es war unmöglich, einen Leichnam intakt aus dem Mittelmeerraum in die Heimat zu überführen. Dagegen wird an dem Begräbnis Richard Löwenherz' ein anderer Grund für die Teilbestattungen deutlich: Durch die Aufteilung des Körpers konnte man eine Mehrfachbestattung vornehmen. Da die Wahl der Grablege im Mittelalter eine politisch-religiöse Handlung war, konnte der Fürst durch die Aufteilung seiner sterblichen Überreste mehreren religiösen Institutionen seine Verbundenheit bezeugen und ihre Gebete für sein Seelenheil erbitten. Die Könige von Frankreich ließen in ihrer Familiengrablege Saint-Denis ihre Körper bestatten, das Herz und die Eingeweide jedoch getrennt in Klöstern ihrer Wahl, denen sie besonders nahe standen. Dies wird besonders bei der Herzbestattung deutlich. Dadurch vermehrten sich auch die Grabmäler: statt eines konnte es nun bis zu drei Grabmäler eines Königs geben.

Im Jahre 1299 verbot Papst Bonifatius VIII. das Kochen und Zerteilen von Leichen, das er als „Missbrauch“ ansah. Dennoch wurden Teilbestattungen – auch nachdem der Papst sein Verbot ausdrücklich wiederholt hatte – weiterhin durchgeführt. Man legte Wert darauf die Körper von „Vornehmen“ dort zu haben, wo man sich angemessen darum kümmern konnte.

Ein Fallbeispiel: Bertrand du Guesclin

Ein beispielhafter Fall für Teilbestattung ist Bertrand du Guesclin: In Südfrankreich gefallen, hatte er den Wunsch geäußert, in seiner Heimat, der Bretagne, begraben zu werden. Der Leichnam wurde für die Überführung einbalsamiert, wobei seine Eingeweide entnommen und in der Dominikanerkirche von Le Puy bestattet wurden. Die Einbalsamierung war nicht erfolgreich, der Leichnam zerfiel und in Montferrand wurde das Fleisch von den Knochen gekocht und in der Franziskanerkirche des Ortes bestattet. Das Herz wurde vorher entnommen. Wegen der Verdienste du Guesclins um das Königreich ordnete der König an, die Gebeine in der Königsgrablege Saint-Denis zu bestatten. Das Herz dagegen bestattete man nach dem Wunsch du Guesclins in seiner bretonischen Heimat, in der Dominikanerkirche von Dinan, später verlegte man das Grab nach der Kirche Saint Sauveur. Du Guesclin ist also an vier Stellen begraben.

Nordamerika

Eine spezielle Methode der Teilbestattung hatten bis in das 19. Jahrhundert hinein die kalifornischen Achumawi Indianern berichtet. Sie haben ihre Verstorbenen stehend beerdigt, so dass die Schultern gerade noch von der Erde bedeckt wurden und der Kopf aus dem Grab herausragte. Als Grabbeigabe wurden verschiedene Lebensmittel wie getrockneter Fisch, Wurzeln und Gewürze, sowie Pfeil und Bogen dem Toten beigelegt. Anschließend wurde der Kopf vom Körper abgetrennt und der Körper vollständig mit Erde bedeckt. Der Kopf wurde auf einem Holzstapel verbrannt. Die zurückbleibende Asche wurde mit Teer oder einem anderen Bindemittel versetzt. Mit ihren Fingern nahmen die weiblichen Angehörigen des Verstorbenen die Farbe auf und setzten sich damit drei schwarze Streifen auf die rechte Wange. Dies symbolisierte ihre Trauer, die bis zum Verschwinden der Streifen andauerte.[2]

Teilbestattung von Tieren

In Ungarn wurden früher Teilbestattungen von Pferden vorgenommen. Dabei wurde neben dem toten Reiter nicht das ganze Pferd, sondern nur dessen Kopf und Schienbein (beides in der abgezogenen Haut) beerdigt.[3]

Teilbestattungen von Tieren reichen zurück bis ins Alte Ägypten, wo Tiermumien als Opfergaben gereicht wurden. Händler boten zu diesem Zwecke vorgefertigte Mumien feil, die oft jedoch nur einen einzigen Knochen des betreffenden Tieres enthielten. Inzwischen gehen Forscher davon aus, dass es sich hierbei keineswegs um Betrug handelte, da die Ägypter glaubten auch ein einzelnes Teil könnte stellvertretend für das Ganze stehen.

Neuzeit

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In Deutschland sind Teilbestattungen, wie Schädelbestattung oder Herzbestattung gestattet.[4]

2011 starb Otto von Habsburg; er war vor der Abschaffung der Monarchie nach dem ersten Weltkrieg Kronprinz. Sein Körper wurde in Wien beigesetzt; sein Herz in der ungarischen Benediktinerabtei Pannonhalma.

Teilbestattete bekannte Persönlichkeiten

Philipp II. der Kühne wurde teilbestattet

Einzelnachweise

  1. Jörg Orschiedt: Ergebnisse einer neuen Untersuchung der spätmesolithischen Kopfbestattungen aus Süddeutschland. In: Conard, N. J. & Kind, C.-J. (Hrsg.): Aktuelle Forschungen zum Mesolithikum – Current Mesolithic Research. Urgeschichtliche Materialhefte 12. Tübingen, 1998. S. 147-160.
  2. C. Y. Yarrow: An Introduction to the Mortuary customs of the north american indian. Kessinger Publishing, 2004, E-Book #6462, S.36, ISBN 1-4191-0662-7
  3. Pferdesport in Ungarn, abgerufen am 8. April 2008
  4. P. Rödler: Unter allen Wipfeln ist Ruh'. In: Linie Eins, 2007
  5. R. Prochno: Die Kartause von Champmol: Grablege der burgundischen Herzöge 1364-1477., Akademie Verlag, 2002, S.124 ISBN 3-05-003595-1

Literatur

  • A. Hermann: Zergliedern und Zusammenfugen: Religionsgeschichtliches zur Mumifizierung. In: Numen 3/1956 S.81–96.

Siehe auch


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