- Theobald Billicanus
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Theobald Billicanus, auch Diepold Gerlacher (* um 1493 in Billigheim; † 8. August 1554 in Marburg) war ein deutscher Theologe, Jurist und Reformator.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Wirken
Entwicklungsweg
Billicanus wurde als Sohn eines Webers geboren. Er immatrikuliert am 5. September 1510 an der Universität Heidelberg und studierte zusammen mit Philipp Melanchthon, Martin Bucer Johannes Brenz und Johann Schwebel. Am 29. Mai 1512 wurde er Baccalaureus und am 18. Oktober 1515 erwarb er sich den akademischen Grad eines Magisters. Während dieser Zeit latinisierte er seinen Gelehrtennamen nach seiner Geburtsstadt zu Theobald Billicanus (kurz Billican) und baute eine lang anhaltende Freundschaft zu Melanchthon auf. Nach dem Abschluss seiner Studien, blieb er als Lehrer für Dialektik an der artistischen Fakultät in Heidelberg und avancierte 1520 zum Vorsteher des Artistenkollegiums.
Als Martin Luther 1517 seine 95 Thesen veröffentlichte, fand am 26. April 1518 die Heidelberger Disputation über die Grundlagen seiner Forderungen an der Universität statt, die auf Billicanus entscheidenden Eindruck hinterließ. Daher begab er sich mit seinen oben genannten Studienkollegen nach Wittenberg, um sich die Ansichten Luthers näher erläutern zu lassen. Fortan widmete sich Billicanus dem Studium der Theologie und schloss dasselbe als Licentiat ab.
Zunächst wurde er mit Johannes Brenz Prediger an der Heidelberger Heiliggeistkirche und verkündete gemäß der Heiligen Schrift seine Predigten, im lutherischen Sinne. Deshalb wurde ihnen 1522 Ketzerei vorgeworfen und um Nachstellungen des Kurfürsten Ludwig V. von der Pfalz zu entgehen, verließen beide Heidelberg. Billicanus wurde Prediger in Weil. Auch dort vertrat er den reformistischen Gedanken, kritisierte die katholische Kirche und musste wiederum seinen Kirchenposten verlassen.
Nördlinger Zeit
Der Rat von Nördlingen bot ihm am 31. Oktober 1522 einen Vertrag als Seelsorger für zehn Jahre an. Dort begann Billicanus, nach anfänglicher Zurückhaltung, das Schul- und Kirchenwesen weiter reformistisch umzugestalten. Er führte die Predigt in deutscher Sprache ein, vollzog das Abendmahl in beiderlei Gestalt und verfasste 1525 eine Kirchenordnung für Nördlingen (Renovatio ecclesiae Nordlingiacensis). Des Weiteren stand er mit den Reformatoren in Wittenberg, Zürich, Basel und Augsburg im Briefwechsel und schwankte theologisch zwischen den Auffassungen.
Dennoch vertrat er standhaft den Grundgedanken der Reformation. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Billicanus während der Bauernkriegsbewegung näher an seiner Gemeinde war und sich dadurch aktiv an den Entscheidungsprozessen der Bauern als Schiedsrichter beteiligte. Durch Andreas Bodenstein beeinflusst, vertrat er in seiner Kirchenordnung das symbolische Verständnis des Abendmahls und musste sich deswegen rechtfertigen.
Dagegen war er in der Sakramentsfrage sehr weitherzig. Obwohl er für die lutherische Auffassung weiterhin vertrat, entfremdete er sich im Laufe der Auseinandersetzungen den Lutheranern immer mehr. Als er sich 1529 an die Heidelberger Universität wendet, um zum Doktor der Theologie zu promovieren, verleugnet er sein reformistisches Bekenntnis und erklärt sich dem römisch-katholischen Glauben zugehörig. Jedoch wurde das Bekenntnis nicht ernst genommen und sein Promotionsbegehren abgelehnt. Daraufhin wendet er sich an Melanchthon, um in Wittenberg zu promovieren. Dieser lehnte dies jedoch ab.
In der Folge erregte sich die Nördlinger Gemeinde über das Bekenntnis Billicans. Da dieser aber an seiner reformierten Kirchenordnung festhielt, konnte er die aufgebrachten beruhigen. Obwohl der Rat der Stadt Nördlingen 1532 seinen Vertrag für weitere fünf Jahre verlängerte, bat im Frühjahr 1535 Billican die Stadt Nördlingen, ihn zu entlassen. Diesem Entlassungsgesuch wurde am 19. Mai 1535 durch den Rat stattgegeben.
Nachnördlinger Zeit
Er studierte ab 1535 in Heidelberg Jura, promovierte zum Lizentiaten, wodurch er die Erlaubnis zu juristischen Vorlesungen erhielt, wurde 1539 Vorsteher der Realistenburse und bewarb sich sogar 1543 um eine Professur. Als 1544 Friedrich II. Kurfürst der Pfalz wurde, wurde Billican abgesetzt, eingekerkert und ausgewiesen, weil er Günstling einer in fürstliche Ungnade gefallenen Mätresse war.
Deshalb flüchtete er nach Marburg, wo er zum Doktor beider Rechte promovierte und als Professor für Rhetorik und Geschichte zum Rektor der Universität wurde. 1547/48 beriet er den Pfalzgrafen Ottheinrich bei seinen Reformationsanfängen in Neuburg. Als 1550 an der evangelischen Universität Marburg noch ein katholisches „Spionageangebot“ an Billicanus bekannt wurde, ist er aus allen Ämtern und Würden entlassen worden. Am 8. August 1554 verstarb der begabte Theologe aus dem südpfälzischen Billigheim in Marburg/Hessen.
Schlussbetrachtung
Er trat für alte Bräuche ein, meinte aber sonst, die Confessio Augustana in seinem Sinne auslegen zu können. Als Pädagoge setzte er sich intensiv für die finanziellen und sozialen Belange seiner Schüler und Studenten ein und hat sich dadurch manche Verdienste erworben. Aufgrund seiner unklaren Mittelstellung, die mehr katholisch als evangelisch war, hat er die Reformation in Nördlingen eher gehemmt. Vollständig wurde diese erst durch Kaspar Löner durchgeführt. Deshalb hat der einst vielversprechende und hochbegabte, aber zu ehrgeizige Mann kaum beachtlichen Einfluss auf die Reformation ausgeübt.
Werkauswahl
- Von der Meß. Gemeine Schlußreden, gepredigt zu Nördlingen 1524
- Komm. z. Propheten Micha, 1524
- Renovatio ecclesiae Nordlingiacensis, 1525
- De verbis coenae dominicae et opinionum varietate, 1526
- De partium orationis inflexionibus, 1526
- Apologia de commento revocationis per aemulos vulgato, 1539
Literatur
- Gerhard Simon: Humanismus und Konfession. Theobald Billican, Leben und Werk. de Gruyter, Berlin und New York 1980, ISBN 3-11-007862-7
- Simon Gerhard: Die Nördlinger Reformation unter Theobald Billican. In: Lutherjahrbuch. Jahrgang 52, 1981, S. 131–137
- Gottfried W. Locher: Die Zwinglische Reformation im Rahmen der europäischen Kirchengeschichte. Göttingen 1979, S. 484
- Herbert Jaumann: Handbuch Gelehrtenkultur der frühen Neuzeit. Walter de Gruyter, 2004, ISBN 3-11-016069-2, S. 102–103
- Robert Stupperich: Reformatorenlexikon. Verlagshaus Gerd Mohn Gütersloh 1984, ISBN 3-579-00123-X
- Theodor Kolde: Billicanus, Theobaldus (Gernolt oder Gerlacher). In: Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche (RE). 3. Auflage. Band 3, Hinrichs, Leipzig 1897, S. 232–237.
- Richard Newald: Billicanus, Theobald. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, S. 238.
- Friedrich Wilhelm Bautz: Billicanus, Theobald. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Hamm 1975, Sp. 589–591.
- Julius Hartmann: Billicanus, Theobald. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 2, Duncker & Humblot, Leipzig 1875, S. 638 f.
Weblinks
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