Theobald I. (Blois)

Theobald I. (Blois)

Theobald I. von Blois (französisch: Thibaud; * um 910; † 16. Januar 975), genannt der Betrüger (le Tricheur oder Tricator), war ein Vizegraf von Blois und Tours und nahm eigenmächtig den Titel und Rechte eines Grafen an. Weiterhin bemächtigte er sich der Grafschaften Chartres und Châteaudun. Theobald war der Sohn des Vizegrafen Theobald dem Alten († vor 942) und einer der zwei Ehefrauen seines Vaters. Erstere ist namentlich unbekannt, die zweite war Richilde eine Tochter des Grafen Hugo II. von Bourges und der Rothilde, einer Tochter Kaiser Karls des Kahlen.

Der anglo-normannische Dichter Wace (12. Jahrhundert) beschrieb den Grafen von Blois in seinem Roman de Rou wie folgt: Theobald war voll List und Falschheit, zu Mann noch Frau trug er Freundschaft, für Freie und Gefangene kannte er kein Dank und Mitleid, noch zögerte er vor Verfehlung und Sünde

Biographie

Als treuer Anhänger seines Lehnsherren, Herzog Hugo dem Großen, stand er diesem im Machtkampf gegen König Ludwig IV. bei. Nachdem der Herzog den König 945 gefangengenommen hatte, wurde Theobald mit dessen Bewachung auf der Burg von Laon betraut. Der König wurde ein Jahr später wieder freigelassen im Tausch für Laon, das er an Herzog Hugo abtreten musste. Theobald wurde dort als Kastellan eingesetzt und verteidigte die Burg dreimal (947, 948, 949) gegen den König der die Unterstützung König Ottos I. besaß. Nachdem sich beide Parteien 950 versöhnt hatten, wurde Laon wieder dem König übergeben. Zur selben Zeit begann Theobald eine Fehde gegen Erzbischof Artaud von Reims um den Besitz der Burg Coucy, auf die Theobald durch seine Ehe einen Anspruch hatte, der ihm vom Erzbischof streitig gemacht wurde. Aber erst mit Artauds Amtsnachfolger, Odelric, gelang eine Einigung, indem die Burg um 965 an Theobalds Sohn Odo übergeben wurde.

Nach dem Tod seines Schwagers Herzog Alain Schiefbart 952 gelang es Theobald, seinen Einfluss bis in die Bretagne auszudehnen, wo er die Lehnshoheit über die Grafschaft Rennes erlangte, während er die Grafschaft Nantes dem zweiten Ehemann seiner Schwester Graf Fulko II. von Anjou überließ. Beide Grafen waren eng miteinander verbündet und nannten sich anlässlich eines Treffens in Verron gegenseitig „Statthalter und Verwalter des Königreichs Neustrien“ (Gouverneur et administrateur [du] royaume [de Neustrie]) und „Grafen von Gottes Gnaden“ (Comtes par la grâce de Dieu). Doch unter ihren Söhnen sollte eine generationenlange Fehde zwischen den Häusern Blois und Anjou ausbrechen.

Ein weiterer Todesfall sollte das Handeln Theobalds und das seiner Nachkommen entscheidend beeinflussen. Als sein Lehnsherr Herzog Hugo 956 starb machte sich Theobald dies zunutze, indem er die Unmündigkeit dessen Sohnes Hugo Capet ausnutzte, um sich Chartres und Châteauduns zu bemächtigten, wo er somit die direkte Herrschaft der Robertiner beendete. Dabei genoss er die Zustimmung König Lothars, der sich davon eine Schwächung der Herzoge von Franzien erhoffte. Mit dieser Handlung begründete Theobald eine Vormachtstellung seines Hauses im Norden Frankreichs, vollzog aber auch einen Bruch mit den Robertinern, die als Kapetinger 987 den Thron besteigen sollten, welcher zu einem andauernden feindseligen Verhältnis seiner Nachkommen zu ihnen führte. Ihm selbst brachte er den Beinamen und einen zweifelhaften Ruf ein.

Im Bunde mit dem König führte Theobald 960 eine Invasion gegen die Normandie an, deren Herzog Richard Ohnefurcht der Protektor Hugo Capets war. Nach der Einnahme von Évreux 962 wurden sie jedoch vor Rouen geschlagen, wo auch Theobalds gleichnamiger Sohn getötet wurde. Im Gegenzug führten die Normannen, welche durch Krieger des Harald Blauzahn unterstützt wurden, einen Vergeltungszug gegen Theobalds Gebiete und überfielen das Dunois und brannten Chartres nieder. In einem 966 ausgehandelten Frieden musste er alle seine Eroberungen in der Normandie aufgeben. Dafür stärkte Theobald seinen Einfluss im Berry, indem er die Kontrolle über die Festungen Saint-Aignan-sur-Cher, Vierzon und vermutlich auch Aiguillon erlangte und das Erzbistum Bourges zunächst seinem Bruder und dann einen seiner Söhne sicherte. Weiterhin verstärkte er die Verteidigungsanlagen von Chartes und ließ die Burgen von Chinon, Châteaudun und Saumur (960) errichten. Er wurde an der Loire zur beherrschenden Macht, die sogar die des Hugo Capet bedrohte, der deswegen wiederum das Bündnis mit den Grafen von Anjou suchte.

Theobald starb am 16. Januar 975 und wurde in der Abtei Saint-Père in Chartres beigesetzt. Die Mönche der Abtei von Saint-Florent bei Saumur, die Theobald gestiftet hatte, überlieferten der Nachwelt vom Einzug seiner Seele in das Paradies, dank der Fürsprache des Heiligen Florent von Anjou. Sie waren die einzigen, die das behaupteten.

Familie

Zwischen 942 und 945 heiratete er Ledgard (* wohl 915/920, † 27. Mai nach 978), Tochter des Grafen Heribert II. von Vermandois und Witwe des Normannenherzogs Wilhelm Langschwert († 942). Sie brachte das Land um Provins und Château-Thierry (Omois) in die Ehe sowie ihren Nachkommen die Anwartschaft auf die Grafschaft Champagne. Das Paar hatte vier Kinder:


Vorgänger Amt Nachfolger
Theobald der Alte Graf von Blois
Graf von Tours

960–975
Odo I.
Hugo Capet Graf von Chartres
Graf von Châteaudun

um 956–975

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Theobald IV. (Blois) — Theobald der Große (franz.: Thibaut le Grand, * 1093; † 10. Januar 1151) war ab 1102 als Theobald IV. Graf von Blois, Chartres, Châteaudun, Sancerre und als Theobald II. Graf von Meaux, sowie seit 1125 ebenfalls als Theobald II. Graf von Troyes… …   Deutsch Wikipedia

  • Theobald V. (Blois) — Theobald V. von Blois (franz: Thibaut; * um 1130; † 1191 vor Akkon), genannt der Gute (le Bon), war ein Graf von Blois, Chartres und Grafschaft Châteaudun von 1151 bis 1191 aus dem Haus Blois. Er war ein Sohn des Grafen Theobald IV./II. von Blois …   Deutsch Wikipedia

  • Theobald II. (Blois) — Theobald II. (franz.: Thibaud; * um 980; † 11. Juli 1004) war ein Graf von Blois, Tours, Chartres, Châteaudun, Beauvais, Reims und Dreux, Herr von Chinon und Saumur. Er war ein Sohn des Grafen Odo I. († 996) und dessen Ehefrau Bertha von Burgund… …   Deutsch Wikipedia

  • Theobald VI. (Blois) — Darstellung Graf Theobalds in einem Fenster der Kathedrale von Chartres Theobald VI. von Blois (frz. Thibaut VI. de Blois; † April 1218 in La Ferté Villeneuil) war von 1205 bis 1218 Graf von Blois und Clermont en Beauvaisis. Er war der Sohn von… …   Deutsch Wikipedia

  • Theobald — ist ein männlicher Vorname und Familienname. Inhaltsverzeichnis 1 Varianten 2 Bekannte Namensträger 2.1 Vorname 2.2 Familienname …   Deutsch Wikipedia

  • Theobald der Alte — (franz.: Thibaut l’Ancien; † vor 942) war ein Vizegraf von Blois und Tours. Er war der Stammvater des Hauses Blois (Theobaldiner). Theobald entstammte vermutlich dem franko burgundischen Adel und siedelte zu Beginn des 10. Jahrhunderts in das… …   Deutsch Wikipedia

  • Theobald V, Count of Blois — Theobald V of Blois (died 20 January 1191), also known as Theobald the Good (French: Thibaut le Bon ), was Count of Blois from 1151 to 1191. He was son of Theobald II of Champagne and Matilda of Carinthia. Although he was the second son, Theobald …   Wikipedia

  • Theobald I. — Theobald I. bezeichnet folgende Personen: Theobald I. (Blois) (genannt der Betrüger; 910–975), Vizegraf von Blois und Tours Theobald I. (Champagne) ( 1010–1089), Graf von Blois und Graf von Meaux, Troyes Theobald I. (Bar) ( 1158–1214), Graf von… …   Deutsch Wikipedia

  • Theobald II. — Theobald II. bezeichnet folgende Personen: Theobald II. (Blois) ( 980–1004), Graf von Blois Theobald II. (Champagne) (1093–1152), Graf von Blois und Graf von Troyes Theobald II. (Bar) (1221–1291), Graf von Bar Theobald II. (Navarra) (1238–1270),… …   Deutsch Wikipedia

  • Theobald I. (Champagne) — Theobald III. von Blois (franz.: Thibaut; * um 1010; † 29./30. September 1089) war ein Graf von Blois, Chartres, Châteaudun, Tours und Sancerre, sowie seit 1063 als Theobald I. Graf von Meaux, Troyes (Champagne). Er war der älteste Sohn von Graf… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”