Tormersdorf

Tormersdorf

Tormersdorf (polnisch: Prędocice) ist eine Wüstung im Norden der Stadt- und Landgemeinde Pieńsk (deutsch Penzig) im Landkreis Zgorzelec in der polnischen Woiwodschaft Niederschlesien. Sie liegt am rechten Ufer der Lausitzer Neiße direkt gegenüber der Stadt Rothenburg/O.L.

Im geschichtlichen Bewusstsein blieb das 1945 zerstörte Dorf vor allem auf Grund des Judenghettos, das 1941 auf dem Tormersdorfer Gelände des Rothenburger Martinshofes eingerichtet wurde und in dem zeitweise über 700 Juden lebten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Allgemeine Geschichte

Jahr Einwohner
1840 [1] 431
1910 [2] 563
1919 [3] 474
1933 [4] 676
1939 696

Die urkundliche Ersterwähnung des Ortes datiert in das Jahr 1403, als Hans von Cottewitz von der Rothenburger Herrschaft den Zins für Spree, Bremenhain, Noes, „Tolmisdorff“, Neundorf, Geheege und Uhsmannsdorf kaufte. Eine weitere belegte urkundliche Erwähnung fand Tormersdorf im Jahr 1410 in einer Görlitzer Ratsrechnung mit dem Kommentar, dass der Rat der Stadt drei Fuhren Heu aus dem Dorf holen ließ.

Das Gut gehörte der Rothenburger Herrschaft, seit 1452 war dies die Familie von Nostiz. Durch Erbteilung wurde das Gut 1512 ein eigenständiger Rittersitz, der ab 1686 wieder in ständigem Besitz der Rothenburger Grundherren war.

Durch den Prager Frieden von 1635 bekam Kursachsen die Markgraftümer Ober- und Niederlausitz vom Königreich Böhmen, somit gehörte auch Tormersdorf fortan zum Kurfürstentum.

Nach den Befreiungskriegen musste das Königreich Sachsen, das an französischer Seite kämpfte, 1815 unter anderem die gesamte Niederlausitz und den nordöstlichen Teil der Oberlausitz an Preußen abtreten. In der anschließenden Reform wurde Tormersdorf dem Landkreis Rothenburg (Ob. Laus.) zugeordnet.

Eine Steingutfabrik wurde 1840 errichtet. An der gleichen Stelle sollen noch im 16. Jahrhundert Überreste einer alten Burg gestanden haben. Im Jahr 1859 wurde in Tormersdorf eine Schule gebaut. Bis dahin wurden die Kinder in die benachbarte Stadt Rothenburg eingeschult, in der die Gemeinde auch Zeit ihres Bestehens eingepfarrt war.

Im Februar 1874 wurde Tormersdorf bei der Bildung der Amtsbezirke in den Amtsbezirk Uhsmannsdorf eingegliedert, in dem auch die Landgemeinden Geheege, Nieder-Neundorf, Noes und Uhsmannsdorf sowie die gleichnamigen Gutsbezirke und der Gutsbezirk Rothenburg eingegliedert wurden. Bis 1928 wurde der Gutsbezirk Tormersdorf sowie ein Teil des Gutsbezirks Lodenau in die Gemeinde Tormersdorf eingegliedert.

Das 1898 gegründete Rothenburger Brüderhaus „Zoar“ hatte bei seinen Flächenzukäufen seit 1904 auch Erwerbungen in Tormersdorf. In der Anstalt wurden unter anderem geistliche Gemeindehelfer und Krankenpfleger ausgebildet sowie Alte und Kranke gepflegt. In einem 1925 erworbenen Bauernhaus konnten Diakone im Ruhestand in Tormersdorf ihren Lebensabend verbringen. 1941 wurde „Zoar“ auf Druck der Nationalsozialisten umbenannt. Der neue Name „Martinshof“ erinnert an die Stifterfamilie von Martin, durch die bereits 1885 ein Siechenhaus in Rothenburg errichtet und finanziert wurde.

Kriege und Naturgewalten

Kriege und Naturgewalten wirkten sich über Jahrhunderte immer wieder zerstörerisch aus. Der Gutshof brannte 1518 nieder, durch Flugfeuer wurde in jenem Jahr auch Rothenburg in Mitleidenschaft gezogen. Zu lebensbedrohlichen Neißehochwassern kam es unter anderem 1904 und im August 1938.

Truppendurchzüge und Einquartierungen haben 1813 im Rahmen der Befreiungskriege eine Last von 3475 Talern hinterlassen. Nach der Schlacht von Bautzen schlugen russische Truppen Lager bei Rothenburg und Tormersdorf auf und plünderten das Dorf. Zwischen den Russen und drei nachdrängenden Regimentern französischer Kavallerie kam es am 24. Mai zu einem Kampf. Beim Abzug versuchten Russen mittels Pistolenschüssen die Strohdächer der Häuser in Brand zu schießen. Die Toten dieses Kampfes, fünf Kosaken und vier Franzosen, wurden östlich des Dorfes begraben. Die Grabstätte wurde alljährlich von Schulkindern gepflegt.

Im Jahr 1941, der Zweite Weltkrieg war für Deutschland noch mit Erfolgsnachrichten verbunden, wurde das Gelände des Martinshofes in Tormersdorf in ein Judenghetto und Arbeitslager umgebaut. Dort wurden zeitweise über 700 Juden aus dem Görlitzer und Breslauer Raum untergebracht. Sie wurden in den Jahren 1942 und 1943 zumeist in das Konzentrationslager Theresienstadt sowie in die Vernichtungslager Majdanek und Auschwitz-Birkenau gebracht. Vom Görlitzer Kaufmann Hugo Schaye ist bekannt, dass er das KZ Theresienstadt nur noch tot erreichte. Er wurde unterwegs erschlagen.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Tormersdorf zerstört. Vor ihrem Rückzug aus Rothenburg hat die Wehrmacht im April 1945 alle Rothenburger Neißebrücken zerstört, so auch die nach Tormersdorf. Durch Stalins Westverschiebung Polens bis zur Oder-Neiße-Linie lag das zerstörte Dorf auf polnischem Territorium. Es wurde aufgrund der infrastrukturellen Abhängigkeit von Rothenburg nicht mehr aufgebaut. Ein noch zu Kriegszeiten eingerichteter Militärstützpunkt wurde von der polnischen Armee weiterhin verwendet.

Erinnerung

Gedenkstein an der Tormersdorfer Allee in Rothenburg

In Tormersdorf steht nur noch die Ruine eines Gebäudes. Die Hauptallee mit ihren inzwischen über 100-jährigen Eichen auf dem früheren Gelände der Brüderschaft „Zoar“ sowie der dort befindliche Friedhof sind noch zu erkennen.

Ein polnisches Denkmal erinnert an die Opfer des Zweiten Weltkriegs.

Von 1996 bis 2007 gab es Heimattreffen ehemaliger Dorfbewohner, die teilweise weite Anreisen auf sich nahmen. Durch Genehmigungen deutscher und polnischer Behörden sowie durch die Unterstützung der Feuerwehr Deschka/Zentendorf konnte seit 2002 die Neiße an der Stelle der Brücke mit Schlauchboten überquert werden, so dass die Nutzung der Grenzübergänge in Ludwigsdorf oder Podrosche im Rahmen der Heimattreffen nicht mehr zwingend notwendig war.

Im August 1998 erhielt in Rothenburg der auf dem Deich zur früheren Neißebrücke führende Weg den Namen „Tormersdorfer Allee“. Ein Gedenkstein wurde am 14. Juni 2003 am Rothenburger Brückenende enthüllt.

Ortsname

Der Rektor Robert Pohl gab 1924 in seinem Heimatbuch des Kreises Rothenburg als slawischen Namen Tornow mit der deutschen Bedeutung Dorndorf an. Der Umstand, dass Arnošt Muka in den 1880ern bei seinen Erhebungen zur Statistik über die sorbische Bevölkerung in der Oberlausitz die Dörfer um Rothenburg gänzlich ignorierte, sowie die Nichtnennung eines sorbischen Namens durch Paul Kühnel im 1892 veröffentlichten Teil seiner Serie „Die slavischen Orts- und Flurnamen der Oberlausitz“[5] deuten darauf hin, dass Tormersdorf bereits länger ein deutschsprachiges Dorf war und der sorbische Name außer Gebrauch kam.

Beim deutschen Namen ist Pohl geneigt, ihn mit Thor oder Donar in Verbindung zu bringen. Kühnel nennt Tormersdorff (1490), Thormerssdorff (1527) und Tormersdorf (1564) als Namensvarianten.

Quellen und weiterführende Literatur

Literatur

  • Norbert Hieke: Tormersdorf. Die Geschichte eines verschwundenen Ortes. Wirtschafts- & Informationsdienst Rothenburg/O.L. 2007.
  • Robert Pohl: Heimatbuch des Kreises Rothenburg O.-L. für Schule und Haus. 1. Auflage. Buchdruckerei Emil Hampel, Weißwasser O.-L. 1924, S. 269 f.
  • Hans Schulz: Ein Schlauchboot fährt in die alte Heimat. Veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung am 30. Juni 2007. kostenpflichtiger Onlineartikel
  • Alfred Konieczny: Tormersdorf Grüssau Riebnig. Obozy przejściowe dla Żydów Dolnego Śląska z lat 1941–1943. Wydawn. Uniwersytetu Wroclawskiego, Breslau 1997, ISBN 8322917139 (polnisch).

Fußnoten

  1. [Gottlob Anton] von Ohnesorge: Darstellung der statistischen Verhältnisse des Rothenburger Kreises (Liegnitzer Regierungs-Bezriks). Rothenburg 1842.
  2. Gemeindeverzeichnis Deutschland 1900. Abgerufen am 2. Juni 2008.
  3. Robert Pohl: Heimatbuch des Kreises Rothenburg. Seite 84.
  4. Deutsche Verwaltungsgeschichte Schlesien, Kreis Rothenburg. Abgerufen am 2. Juni 2008.
  5. Paul Kühnel: Die slavischen Orts- und Flurnamen der Oberlausitz. Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik, Leipzig 1982, S. 75 (Fotomechanischer Nachdruck der Originalausgabe (1891–1899)).

Weblinks

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