- Transplantationsgesetz (Deutschland)
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Basisdaten Titel: Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben Kurztitel: Transplantationsgesetz Abkürzung: TPG Art: Bundesgesetz Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland Rechtsmaterie: Verwaltungsrecht, Medizinrecht Fundstellennachweis: 212-2 Ursprüngliche Fassung vom: 5. November 1997
(BGBl. I S. 2631)Inkrafttreten am: 1. Dezember 1997 Neubekanntmachung vom: 4. September 2007
(BGBl. I S. 2206)Letzte Änderung durch: Art. 3 G vom 17. Juli 2009
(BGBl. I S. 1990, 2009)Inkrafttreten der
letzten Änderung:23. Juli 2009
(Art. 19 Abs. 1 G vom 17. Juli 2009)Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten. Das Transplantationsgesetz (TPG) regelt seit 1997 in der Bundesrepublik Deutschland die Zulässigkeit von Organspenden, sowohl beim Lebenden als auch beim Verstorbenen. Es gilt die erweiterte Zustimmungslösung, d.h., ohne Zustimmung des Spenders oder der nächsten Familienangehörigen (im Falle des Hirntodes) ist eine Organentnahme nicht zulässig. Mit dem Gewebegesetz vom 20. Juli 2007 ist das Gesetz auch auf menschliches Gewebe anwendbar.
Obwohl auch Blut als Organ gilt, ist das Transplantationsgesetz für Blut, Blutbestandteile und Blutprodukte nicht anwendbar. Für diese gilt das Transfusionsgesetz.
Das Transplantationsgesetz wurde am 25. Juni 1997 vom Deutschen Bundestag verabschiedet und trat, nachdem der Bundesrat am 26. September zugestimmt hatte, im Wesentlichen zum 1. Dezember des Jahres in Kraft[1].
Inhaltsverzeichnis
Grundaussagen des Gesetzes
Organentnahme bei Toten
Die Bundesärztekammer als Repräsentant der Ärzteschaft bestimmt in Richtlinien die Regeln zum Nachweis des Todes. Der Gesetzgeber sollte lediglich den Punkt markieren, der als Mindestvoraussetzung für eine Organentnahme gelten muss. Daher war vorzuschreiben, dass vor einer Organentnahme stets der Gesamthirntod, also der Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach Verfahrensregeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festzustellen ist. Damit definiert der Gesetzgeber nicht den Tod, legt aber insoweit ein Mindestkriterium für die Organentnahme fest.
Organentnahme bei Lebenden
Die Lebendorganspende ist in §§ 8 ff. TPG geregelt.
Solche Transplantationen - etwa einer Niere - sind nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich:
- Volljährigkeit
- Der Spender muss volljährig sein
- Einwilligung nach Aufklärung
- Er muss seine Einwilligung erteilt haben, die eine über alle mit dem Eingriff verbundenen Risiken umfassende Aufklärung voraussetzt. Dies gilt auch für mögliche Einschränkungen von Versicherungsleistungen.
- Geeignetheit
- Der Betroffene muss "nach ärztlicher Beurteilung als Spender geeignet" sein.
- Keine über den Eingriff hinausgehende Gefahr
- Es darf ihm auch keine schwere gesundheitliche Beeinträchtigung drohen, die über das Operationsrisiko hinausgeht.
Die Lebendorganspende ist nach geltendem Recht subsidiär gegenüber der postmortalen Spende, auch wenn dies aus ärztlicher Sicht häufig kritisiert wird.
Beschränkt ist der Spenderkreis der Lebensorganspende auf Übertragungen an enge Verwandte, Ehegatten, Lebenspartner oder andere Personen, die dem Spender persönlich besonders eng verbunden sind.
Mit dem Problem der (sozialrechtlichen Erstattung der) sog. Cross-Over-Spende unter Lebenden hat sich das Bundessozialgericht beschäftigt.[2]
Transplantationszentren
Übertragungen der lebenswichtigen und vermittlungspflichtigen Organe Herz, Niere, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Darm dürfen nur in dafür zugelassenen Transplantationszentren erfolgen. Sie werden zur Zusammenarbeit verpflichtet, wofür regionale Koordinierungsstellen eingerichtet werden sollen. Im Ausland entnommene Organe dürfen nur vermittelt werden, wenn kein Widerspruch zu wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts besteht. Damit soll einer illegalen Einfuhr von Organen aus ärmeren Ländern entgegengewirkt werden.
Wartelisten
Die Transplantationszentren müssen Wartelisten der Personen führen, die ein vermittlungspflichtiges Spenderorgan benötigen. Eine Entscheidung über die Reihenfolge von Organ- und Gewebespenden darf nur nach medizinischen Kriterien wie Erfolgsaussicht oder Dringlichkeit erfolgen, nicht nach finanziellen oder sozialen Kriterien. Dies gilt nicht für die Organspenden von Lebenden an ihnen eng verbundene Personen. 1967 wurde Eurotransplant gegründet, u.a. mit dem Ziel, die Verfügbarkeit von Spenderorganen bzw. -geweben zu verbessern.
Organ- und Gewebehandel
Der Handel mit Organen ist verboten und kann mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. Davon ausgenommen sind bestimmte aus Organen gewonnene Medikamente sowie Entgelte etwa für den medizinischen Aufwand zur Organentnahme, Transport und Konservierung oder Infektionsschutz.
Aufklärung
Die Behörden sollen die Bevölkerung über Möglichkeiten und Voraussetzungen von Organspenden aufklären und Organspendeausweise bereit halten. Krankenkassen sollen ihre Versicherten regelmäßig zu einer persönlichen Entscheidung über eine Organspende auffordern. Ein europaweit einheitlicher Organspendeausweis wird angestrebt. Bislang sollen nur ca. 3,3 % der Bevölkerung Organspendeausweise ausgefüllt haben. Durch die Erhöhung der Quote der Personen, die ausdrückliche Erklärungen für oder wider die Organspende abgeben, sollen auch die Angehörigen von der Entscheidung hierüber entlastet werden.
Organspenderegister
Um Erklärungen für oder gegen eine Organspende zu speichern, kann das Bundesgesundheitsministerium ein Zentralregister einrichten.
Blutspenden
Blutspenden und Stammzellspenden sind von dem Gesetz nicht erfasst.
Todesfeststellung („Gesamthirntod-Konzept“)
Das TPG regelt den Tod des potentiellen Spenders als Entnahmevoraussetzung in § 3 Abs. 1 Nr. 2 und § 3 Abs. 2 Nr. 1. Demnach ist es erforderlich, dass der Tod des Spenders nach dem aktuellen Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaften festgestellt wurde und ein irreversibler Totalausfall von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm vorliegt. Da in § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG alle wesentlichen Hirnregionen aufgezählt werden, spricht man vom Gesamthirntod.
Die Kriterien für die Diagnostik des Hirntodes wurden erstmals 1968 durch eine Kommission der Harvard-Universität benannt. Nachdem verbesserte diagnostische Methoden entwickelt wurden, formulierte der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer 1982 die ersten Entscheidungshilfen zur Feststellung des Hirntodes. Der technische Fortschritt erforderte in den Jahren 1986, 1991 und 1997 Fortschreibungen der Entscheidungshilfen. Vor der Organentnahme müssen der Ausfall der Hirnfunktionen oder der endgültige, nicht behebbare Stillstand von Herz und Kreislauf des Spenders durch zwei Ärzte unabhängig voneinander festgestellt werden. Sie dürfen an der späteren Organtransplantation weder beteiligt sein, noch einem daran beteiligten Arzt unterstehen.
Einwilligung zur Organentnahme („erweiterte Zustimmungslösung“)
Die gesetzliche Regelung der Zulässigkeit der postmortalen Organspende musste zum einen dem über den Tod hinaus fortwirkenden Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen Rechnung tragen. Deshalb hat die zu Lebzeiten abgegebene Erklärung zur Organspende absolute Priorität und ist von jedermann strikt zu beachten. Die Einwilligung kann auf die Entnahme bestimmter Organe beschränkt werden. Jugendliche können erst ab 16 Jahren selbst in eine Organspende einwilligen, ab 14 Jahren ist ein Widerspruch möglich.
Zum anderen regelt das Transplantationsgesetz auch die weitaus überwiegende Zahl der Fälle, in denen der Verstorbene zu Lebzeiten - aus welchen Gründen auch immer - keine Erklärung zur Organspende abgegeben hatte. Dies betrifft mehr als 90 % aller Todesfälle.
Der nächste Angehörige ist als Sachwalter des über den Tod hinaus fortwirkenden Persönlichkeitsrechts verpflichtet, einen ihm bekannten oder mutmaßlichen Willen des möglichen Organspenders bei der Entscheidung über eine postmortale Organspende zu beachten. Wenn auch Anhaltspunkte für einen mutmaßlichen Willen fehlen, ist der nächste Angehörige nach ethisch verantwortbarem Ermessen im Rahmen seines Totenfürsorgerechts zu einer Entscheidung im Sinne des Verstorbenen berufen. Diese Regelung entspricht der auch bislang praktizierten erweiterten Zustimmungslösung. Derzeit sollen die Angehörigen in rund 60 % der jährlich zur Transplantation in Frage kommenden Todesfälle ihre Einwilligung geben.
Organentnahme mit Einwilligung des Organspenders
- Die Entnahme von Organen ist nur zulässig, wenn
- der Organspender in die Entnahme eingewilligt hatte,
- der Tod des Organspenders nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist und
- der Eingriff durch einen Arzt vorgenommen wird.
- Die Entnahme von Organen ist unzulässig, wenn
- Die Person, deren Tod festgestellt ist, der Organentnahme widersprochen hatte,
- nicht vor der Entnahme bei dem Organspender der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach Verfahrensregeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist.
Der Arzt hat den nächsten Angehörigen des Organspenders über die beabsichtigte Organentnahme zu unterrichten.
Organentnahme mit Zustimmung anderer Personen
- Liegt dem Arzt, der die Organentnahme vornehmen soll, weder eine schriftliche Einwilligung noch ein schriftlicher Widerspruch des möglichen Organspenders vor, ist dessen nächster Angehöriger zu befragen, ob ihm von diesem eine Erklärung zur Organspende bekannt ist. Ist auch dem Angehörigen eine solche Erklärung nicht bekannt, so ist die Entnahme nur zulässig, wenn ein Arzt den Angehörigen über eine in Frage kommende Organentnahme unterrichtet und dieser ihr zugestimmt hat. Der Angehörige hat bei seiner Entscheidung einen mutmaßlichen Willen des möglichen Organspenders zu beachten. Der Arzt hat den Angehörigen hierauf hinzuweisen. Der Angehörige kann mit dem Arzt vereinbaren, dass er seine Erklärung innerhalb einer bestimmten vereinbarten Frist widerrufen kann.
- Nächste Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind in der Rangfolge ihrer Aufzählung:
- Ehegatte oder Lebenspartner
- volljährige Kinder,
- Eltern oder, sofern der mögliche Organspender zur Todeszeit minderjährig war und die Sorge für seine Person zu dieser Zeit nur einem Elternteil, einem Vormund oder einem Pfleger zustand, dieser Sorgerechtsinhaber,
- volljährige Geschwister,
- Großeltern.
- Hatte der mögliche Organspender die Entscheidung über eine Organentnahme einer bestimmten Person übertragen, tritt diese an die Stelle des nächsten Angehörigen. Es handelt sich bei der Übertragung dieser Entscheidung um eine postmortale Vollmacht.
Weitere Gesetzentwicklung
Das Transplantationsgesetz wurde durch ein weitergehendes Gewebegesetz ergänzt. Dies beruht auf den europarechtlichen Vorgaben der EG-Richtlinie 2004/23/EG. Am 23. Mai 2007 wurde im Bundestag das Gewebegesetz verabschiedet.[3] Es ist am 1. August 2007 in Kraft getreten.
Am 24. April 2007 veröffentlichte der Nationale Ethikrat in Deutschland eine Stellungnahme mit dem Ziel die Zahl der Organspenden zu erhöhen. Dabei wurde die Widerspruchsregelung favorisiert. In der Stellungnahme heißt es u.a.: „Im Jahr 2005 haben sich trotz der im TPG niedergelegten Meldepflicht nur 45 % der Krankenhäuser mit Intensivstationen an der Organspende beteiligt, d.h. mindestens Kontakt mit der zuständigen Koordinierungsstelle aufgenommen. Dieser Missstand ist sowohl auf mangelnde Anreize für Krankenhäuser, sich an der Organspende zu beteiligen, als auch auf mangelnde Sanktionen für die Nichtbeteiligung zurückzuführen.“[4] Im Mai 2007 wurde daraufhin eine Änderung des Transplantationsgesetzes von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt abgelehnt.[5]
Siehe auch
Dialyse, Transplantationszentrum, Transplantation, Organspende, Transplantationsgesetz (Schweiz)
Literatur
- Adrian Schmidt-Recla, Tote leben länger: Ist der Hirntod ein ausreichendes Kriterium für die Organspende?, MedR 2004, S. 672-677.
- Erik Hahn, Transplantationsrecht - die Lebendspende und ihre Voraussetzungen im Überblick, in: Drygala/Klesczewski/Francke/Richter (Hrsg.), LJS 2005, Leipzig 2006, S. 61-82. ISSN 1861-2857
- Lars Christoph Nickel und Angelika Preisigke, Zulässigkeit einer Überkreuz-Lebendspende nach dem Transplantationsgesetz, MedR 2004, 307ff.
- Wolfram Höfling, Kommentar zum Transplantationsgesetz, Berlin 2003
Weblinks
- Text des Transplantationsgesetzes
- Richtlinien der Bundesärztekammer zur Organtransplantation
- Bundesärztekammer: "Transplantationsmedizin" (Richtlinien, Vorschläge, Stellungnahmen etc. - pdf)
- Richtlinien der Bundesärztekammer zur Hirntodfeststellung
- Liste der Transplantationszentren in Deutschland
- Informationen der Bundesärztekammer zum Gewebegesetz
- Transplantationsgesetz Schweiz
- Informationsstelle Transplantation und Organspende
- Berichterstattung der Bundesregierung anlässlich des 10-jährigen Bestehens des TPG (PDF) (453 kB)
Landesrecht zum TPG
- Ausführungsgesetz Baden-Württ. (PDF) (44 kB)
- Ausführungsgesetz Bayern (PDF) (39 kB)
- Ausführungsverordnung Brandenburg
- Ausführungsgesetz Hessen (PDF) (34 kB)
- Ausführungsgesetz Mecklenburg-Vorp. (PDF) (39 kB)
- Ausführungsgesetz NRW
- Ausführungsgesetz Rheinland-Pfalz (PDF) (37 kB)
- Ausführungsgesetz Saarland (PDF) (29 kB)
- Ausführungsgesetz Sachsen (PDF) (55 kB)
- Ausführungsverordnung Schl.-Holstein
- Quellenübersicht sämtlicher Landesregelungen (PDF) (72 kB)
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Die Transplantationsmedizin in Deutschland wird neue Impulse erhalten: Transplantationsgesetz trat in Kraft. (in Werner Schells Rechtsalmanach) sowie TPG § 26 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
- ↑ Bundessozialgericht, Urteil vom 10. Dezember 2003 – B 9 VS 1/01 R –, MedR 2004, 330 ff.
- ↑ Tagesschau: Viele Änderungen beim Gewebegesetz (nicht mehr online verfügbar)
- ↑ Stellungnahmen des Nationalen Ethikrats
- ↑ Sueddeutsche.de: „Das bestehende Transplantationsgesetz ist gut“
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